Wider den "Hausnummernsalat" in Besigheim

Die Stuttgarter Nachrichten widmen sich der unübersichtlichen Hausnummerierung, die es den Rettungsdiensten in einigen Gemeinden Baden-Württembergs schwer macht, ihr Ziel zu finden; denn, [r]echtlich gesehen herrscht in Baden-Württemberg Wildwuchs beim Thema Hausnummerierung und in manchen Gebieten gibt es noch die ortschaftsweise Durchnummerierung. Wenn sich verwirrte Besucher im Kreuzäcker-Gebiet nach dem Weg erkundigen, werde gefragt, zu wem sie wollen, sagt der eingangs erwähnte Anwohner - "das funktioniert wie in alten Zeiten".
Der in diesem Beitrag erwähnte Artikel über das ähnlich gelagerte Problem in Esslingen ist übrigens hier abrufbar.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/16563583/

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Von der Nummerierung der Säulen der Amsterdamer Börse, 1776

Und nochmals (1/2) news von der Amsterdamer Börse:

Börse - da lernt man Amsterdam, seine Grösse, seine unbeschreiblich vielen Kaufleute recht kennen. Sie ist ein grosser viereckichter Platz unter freiem Himmel, mit einer Gallerie und 50. Pfeilern eingeschlossen. Der mittlere Platz ist mit aufrechtstehenden Backsteinen gepflastert, und wird aufs reinlichste geputzt. Oben ist auf der einen Seite ein Platz zu Boutiquen, und der Fechtboden. Um halb 2. Uhr - 2. Uhr ist die Versammlung gewöhnlich am stärksten. Die ganze Gallerie und der ganze freie Platz in der Mitte ist alsdann so voll, daß man sich durchdrängen muß. An einigen Pfeilern stehen Privatnamen, an andern ganze Länder, als Schweden, Frankreich, Engelland, Venedig tc. angeschrieben. An allen sind die Nummern, und wenn ich die Nummer weis, hinter der mein Kaufmann steht, kan ich ihn unter den vielen Tausenden gleich finden. Sieht man oben vom Fechtboden herab, so rauschts unten, wie Wasserbrausen. Es ist in der That ein prächtiger Anblick, den geschäftigen Ameisenhaufen in vielen tausend tausend Kreisen unter einander laufen zu sehen. Alle Nationen, alle Physiognomien, alle Formen von Perücken, Schnitte von Kleidern u. s. w. kommen da zusammen. Je nachdem den Tag nachher eine Post abgeht, je nachdem wird heute besonders auf Engelland oder Frankreich gehandelt. Das ist so ausgetheilt auf alle Tage in der Woche.



Sander, Heinrich: Heinrich Sanders (...) Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien; in Beziehung auf Menschenkenntnis, Industrie, Litteratur und Naturkunde insonderheit. 2 Bände. Leipzig: Friedrich Gotthold Jacobäer und Sohn, 1783–1784, hier 1. Bd., 1783, S. 557, http://books.google.at/books?id=kV9CAAAAcAAJ&pg=PA557

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/16561677/

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Ö1: Intellektuelle im Zeitalter des Web 2.0

in den Ö1-Dimensionen (Mi 13.4.2011, 19:06-19:30):

"J'accuse" per Facebook. Die Intellektuellen im Zeitalter des Web 2.0. Gestaltung: Lukas Wieselberg

Seit wann gibt es eigentlich Intellektuelle? Das kommt darauf an, was man darunter versteht. Denkt man an (zumeist männliche) Personen, die in wichtigen gesellschaftlichen Fragen ihre Stimme erheben, universalen Werten verpflichtet sind und der Sache des demokratischen Gemeinwohls dienen, dann könnte man bis an die Anfänge der Philosophie zurückgehen.

Dann war Sokrates ein Intellektueller, Erasmus von Rotterdam, Goethe, Voltaire und Karl Marx. Als Begriff wurde der "Intellektuelle" aber erst 1898 geprägt, als Émile Zola sein berühmtes "J’accuse" im Zug der Dreyfus-Affäre proklamierte. Der französische Autor, der öffentlich die Ungerechtigkeit und den Antisemitismus seiner Zeit beklagte, wurde zum Prototyp der nachfolgenden Generationen.

Von seiner Geburtsstunde an war der Begriff "Intellektueller" aber umstritten, wie der deutsche Historiker Dietz Bering 2010 in seinem Buch "Die Epoche der Intellektuellen" ausgeführt hat: selbstbewusster Bezugspunkt für die einen, die die Werte der Aufklärung vertraten, ein Schimpfwort für die anderen, die - wie die Nationalsozialisten - den Glauben an die Macht der Vernunft verhöhnten.

Schon oft tot gesagt

Konstitutiv für die wechselvolle Geschichte der Intellektuellen war immer auch die Rede von ihrem bevorstehenden oder gerade zurückliegenden Ende. In Frankreich, dem Weltzentrum des Intellektualismus, begruben zuletzt die Postmodernen den Intellektuellen, zusammen mit den großen Erzählungen und Utopien.

Als Untote lebten sie aber weiter in den immer umfangreicher werdenden Feuilletons der großen Qualitätszeitungen und -zeitschriften, um plötzlich von einem Feind bedroht zu werden, mit dem nicht unbedingt zu rechnen war: Das Internet im Allgemeinen und die sozialen Medien des Web 2.0 im Besonderen sind es, die Funktion und Existenz des klassischen Intellektuellen infrage stellen - das war die Ausgangsthese einer Tagung, die im Februar am Kulturwissenschaftlichen Institut (KWI) in Essen eine Gruppe prominenter Forscher/innen und - ja - Intellektueller versammelte.

Wo werden relevante Themen diskutiert?

Die veränderte Situation lässt sich anhand zweier zentraler Merkmale des klassischen Intellektuellen skizzieren: der Wichtigkeit von Schrift - und Öffentlichkeit. Wie Émile Zola setzten auch seine Nachfolger - von Günter Grass bis Jean-Paul Sartre, von Ralf Dahrendorf bis Noam Chomsky - für ihre gesellschaftlichen Interventionen auf das geschriebene Wort, veröffentlicht in Massenmedien, was für eine größtmögliche Verbreitung der Botschaft sorgte.

Im Zeitalter von Facebook und Twitter kann jedoch nahezu jeder publizieren. Der Einfluss starker Medienmarken ist zwar nicht verschwunden, hat durch das Social Web aber zumindest Konkurrenz bekommen. Für Jürgen Habermas, den Intellektuellen des deutschsprachigen Raums der Gegenwart, ist das ambivalent: "Die Nutzung des Internets hat die Kommunikationszusammenhänge zugleich erweitert und fragmentiert. Deshalb übt das Internet zwar eine subversive Wirkung auf autoritäre Öffentlichkeitsregime aus; aber die horizontale und entformalisierte Vernetzung der Kommunikationen schwächt zugleich die Errungenschaften traditioneller Öffentlichkeiten."

Mit anderen Worten: Wenn sich Bürger zunehmend in Diskussions-Foren zu ihren Lieblingsthemen aufhalten - in der Hamster-Community oder in der Facebook-Gruppe für Rucola -, dann schwinden die Orte, in denen über relevante Themen des Gemeinwohls verhandelt wird. Und das mindert die Chance von Intellektuellen, ihren "avantgardistischen Spürsinn für Relevanzen" (Habermas) und ihre Schreibkunst überhaupt einbringen zu können.

Ein neuer Typus von Intellektuellen

Vielleicht aber, und das war eine der Thesen am KWI in Essen, kehrt der schreibende Intellektuelle in einer anderen Form zurück (falls er je verschwunden war): nicht mehr als Autor von Pamphleten und Analysen, sondern von Codes und Programmen.

"Program or Be Programmed" heißt demnach die Alternative - und ein Buchtitel des amerikanischen Medientheoretikers Douglas Rushkoff. Der Intellektuelle bliebe dann Fachmann der Schrift, seine Sprache aber wäre die der Computer. Als Vorbote dieses (vermutlich wieder überwiegend männlichen) neuen Typus von Intellektuellen könnte dann Julian Assange erscheinen.

Ob man das schillernde Gesicht von WikiLeaks tatsächlich in eine Reihe stellen kann mit Émile Zola, Michel Foucault und Pierre Bourdieu, darüber war man sich in Essen nicht einig.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/16560587/

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Arte: Marx Reloaded

Heute spätnächtens (11.4.2011, 23:20-0:15; Wiederholung: 20.4.2011, 5:00-6:00) auf Arte: Jason Barkers Dokumentation zur Aktualität von Karl Marx; das ND kommentiert: Kommunismus – da greift selbst »arte« zur Gespensterstunde als Sendezeit. Der Film fängt so spät an, dass er Mitternacht überschreitet. Es lockt, wenn der Abspann läuft, also schon ein neuer Tag. Meint's der Himmel gut, kommt dann bald sogar ein Morgenrot. Mitten im Kapitalismus!

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/16558804/

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Auf der Suche nach Blümmls Text über die Wiener Häuserschematismen

In Blümml/Gugitz, Von Leuten und Zeiten im alten Wien, S.386 gibt es folgende Fußnote:

Vgl. E. K. Blümml, Die Wiener Häuserschematismen von 1773-1850. Ein bibliographischer Versuch. Wien 1922

Bluemml

Das Problem damit: Dieser Text ist nicht auffindbar, kein Bibliothekskatalog verzeichnet ihn, die Mitarbeiter der Wienbibliothek im Rathaus kennen ihn nicht, Google Books hilft nicht weiter und er scheint auch nicht unselbständig erschienen zu sein. Gestern habe ich im Archiv des Österreichischen Volksliedwerks Blümmls nicht gerade umfangreichen (ein Karton, Signatur ÖN 9) Nachlass durchgesehen, der zwar u. a. Materialien zu Von Leuten und Zeiten im alten Wien enthält, aber keine weiteren Hinweise gibt, geschweige denn ein Manuskript des gesuchten Werks enthielte. Vielleicht weiss ja ein/e p.t. LeserIn weiter.

Blümml, Emil Karl/Gugitz, Gustav: Von Leuten und Zeiten im alten Wien. Wien/Leipzig: Gerlach & Wiedling, 1922, S. 386.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/16554268/

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Edith Saurer gestorben

Traurig: Edith Saurer, die Betreuerin meiner Dissertation, ist gestorben. Erstmals begegnete ich ihr im Sommersemester 1989, als ich ihre Vorlesung "Materielle Kultur und Politik" besuchte. Diese Lehrveranstaltung öffnete mir die Augen dafür, was Geschichtswissenschaften sein können und trug nicht wenig dazu bei, dass ich auf Geschichte als Hauptfach wechselte; es war wohl damals, dass ich erstmals von Foucaults Überwachen und Strafen erfuhr. In den folgenden Jahren besuchte ich zweimal Edith Saurers Arbeitsgemeinschaft "Geschichte Schreiben"; einen dafür von mir verfassten Text kommentierte sie mit den Worten, er erinnere sie an ein Stück von Anton Webern. Unvergessen bleibt mir auch die Mitarbeit an der Ausstellung "Ort(e) des Lesens? Die Universitätsbibliothek Wien", die im Rahmen eines von Edith Saurer geleiteten Forschungsseminars stattfand und bei der ein Teil nicht zuletzt dem Belüftungs- und Heizungssystem der Uni Wien gewidmet war, für das sie sich so sehr interessierte.
Neben Edith Saurers Verdiensten um die Schaffung wissenschaftlicher Institutionen - sie initiierte L'Homme. Europäische Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaften, die Sammlung Frauennachlässe und die Forschungsplattform "Neuverortung der Frauen- und Geschlechtergeschichte im veränderten europäischen Kontext", war weiters an der Gründung der Zeitschrift Historische Anthropologie beteiligt - halte ich vor allem ihre 1989 bei Vandenhoeck & Ruprecht erschienene Habilitation Straße, Schmuggel, Lottospiel. Materielle Kultur und Staat in Niederösterreich, Böhmen und Lombardo-Venetien im frühen 19. Jahrhundert für beeindruckend: Letztere beginnt gleich mit einem Zitat über den Besen und enthält Kapitel über den Schotterdiskurs, den Straßeneinräumer sowie Räder, Reibung, Rollen, also über jene vermeintlichen Details, deren Beachtung für die Forschung so wichtig ist.
Ein für Edith Saurers originellen Zugang zur Geschichte charakteristischer Text - Knöpfe, Knöpfungen. Über den verborgenen Sinn geschlechtsspezifischer Verschlussweisen von Kleidungsstücken - ist beim Freitag online zugänglich.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/16551618/

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