In 300 Jahren vielleicht

Das Dorf Eggebusch gibt es gar nicht. Und doch war Eggebusch überall, denn dieser Name steht für zahllose Orte, die Schauplätze all der kleinen und großen Katastrophen gewesen sind, die den Dreißigjährigen Krieg geprägt haben. Eggebusch ist Schauplatz des Romans „In 300 Jahren vielleicht“, in dem Tilman Röhrig beschreibt, wie dieses Dorf im Oktober 1641 vom Krieg heimgesucht wird. Zwischen den in der Nähe des Dorfs campierenden Soldaten und den Dörflern kommt es zu Spannungen, die schließlich eskalieren und in einer Katastrophe für Eggebusch enden.

Das knapp 140 Seiten umfassende Taschenbuch ist 1983 erstmalig erschienen. Es wird immer wieder nachgedruckt und ist längst ein Klassiker unter den belletristischen Büchern zum Dreißigjährigen Krieg. Der Band firmiert als Jugendbuch, wurde auch 1984 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis prämiert. Sein Autor hat viele andere Jugendromane, vor allem aber Bücher mit historischem Hintergrund verfaßt. „In 300 Jahren vielleicht“ ist sicherlich sein bekanntestes Buch und wohl auch das mit der größten Wirkkraft. Was kann man nun als Historiker damit anfangen?

Nun kann man wissenschaftsseitig ein solches Buch als bloße Belletristik abtun. Schön zu lesen für den, der derartige Literatur mag. Aber sonst? So einfach ist es nicht, denn die Prägekraft solcher Literatur darf man nicht unterschätzen. Solche Bücher finden den Weg zu jungen Leuten (ja doch, es gibt noch Jugendliche, die Bücher lesen) und entfalten hier ihre Wirkung, prägen eine Grundvorstellung von dem, was sie behandeln. Ist also der Dreißigjährige Krieg durch „In 300 Jahren vielleicht“ angemessen dargestellt und eine geeignete Einstiegslektüre für junge Menschen oder überhaupt für interessierte Laien?

Für jeden, der sich wissenschaftlich mit der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs beschäftigt hat, ist es nicht schwierig, in solchen Büchern irgendwelche Details und Einschätzungen auszumachen, die historisch ungenau, fragwürdig oder schlichtweg falsch sind. Aber gerade das ist in Röhrigs Buch nicht der Punkt, denn hier wird vor allem die Gewalteskalation zwischen Militär und Zivilisten beschrieben, das Zusammenbrechen einer vertrauten Lebensumgebung (hier des Dorfes) und überhaupt ein Gefühl für das Bedrohtsein jeglicher Ordnung und ein Zweifeln an Lebensgewißheiten – für junge Menschen, die sich mit einer offenen Perspektive ihrem eigenen Leben zuwenden, ist dies schon sehr viel. Man kann den Dreißigjährigen Krieg auch einfach als historische Folie nehmen, auf der sich jedwede Bedrohung eines vertrauten Lebensraumes spiegelt. Aber Röhrigs Buch ist sicher auch ein möglicher Einstieg für die Beschäftigung mit dem Dreißigjährigen Krieg.

Ich selbst habe es erst gelesen, als ich meine Dissertation abgeschlossen, einige Artikel geschrieben hatte, jedenfalls völlig in der Wissenschaft abgetaucht war. Gefallen hat es mir gleichwohl sehr, und geschadet hat mir die Lektüre sicher nicht. Zu Tilman Röhrig gibt es übrigens ein Interview in den lesepunkten.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/473

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Keine Gnade für die Franzosen?

Die Schlacht bei Alerheim Anfang August 1645 war ein Desaster für die kurbayerische Armee – hohe Verluste, dazu der Tod des Feldherrn Mercy. In den Korrespondenzen mit seinen Gesandten beim Westfälischen Friedenskongreß bewegte Kurfürst Maximilian allerdings ein ganz anderes Thema: Angesichts des Blutzolls, den die französischen Regimenter geleistet hatten, fürchtete er, „es werden sich abermal gehässige leüth finden, welche spargiren dürffen, als ob die unserige auß sonderbarem haß und rach forderist den Franzosen hart zuesetzen und sie nit wie die Teutsche gefangen nemmen, sonder ohne ainige erthaillung der begerten quartier nidermachen thetten“ (Maximilian an seine Gesandten am 9.8.1645, in: Die diplomatische Korrespondenz Kurbayerns zum Westfälischen Friedenskongreß, Bd. 2: Die diplomatische Korrespondenz Kurfürst Maximilians I. von Bayern mit seinen Gesandten in Münster und Osnabrück, Teilband 2: August – November 1645, bearb. v. Gabriele Greindl und Gerhard Immler (Quellen zur Neueren Geschichte Bayerns, 2/2), München 2013, S. 369).

Hatte der Kurfürst in diesem Moment tatsächlich Sorge, daß der Krieg sich radikalisierte und die Kriegführung von einer neuen Verbitterung geprägt sein würde? Eigentlich war es in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs unüblich, den Gegner niederzumachen, wenn er den Kampf aufgeben wollte und um „Quartier“ bat, also darum, als Kriegsgefangener behandelt zu werden. Dies war zum wenigsten Ausdruck einer humanen Kriegführung als vielmehr dem Umstand geschuldet, daß auf beiden Seiten Söldner kämpften, die nicht aus ideologischen oder religiösen Gründen in den Krieg gezogen waren, sondern einen Beruf ausübten. Es gab eine gewisse Solidarität unter den Söldnern, und Gefangenen machte man oft das Angebot, in der Armee des Siegers zu dienen: Diese Söldner wurden „untergestoßen“, wie man sagte, fehlten also nicht nur dem Gegner, sondern verstärkten sogar die eigenen Truppen – während sie selbst wiederum in Lohn und Brot standen. Feindliche Söldner nicht zu töten, sondern gefangen zu nehmen, konnte eine win-win-Situation für alle Beteiligten sein.

Genau dieser Mechanismus war in der Schlacht von Mergentheim, ungefähr drei Monate vor Alerheim, gestört worden – angeblich. Denn es kamen Gerüchte auf (interessanterweise mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung von einigen Wochen), denen zufolge die siegreiche bayerische Armee „ein unerhörliche crudelitet und verbitterung insonnderheit wider die Franzosen erscheinen lassen, keinem kein quartier geben wollen, sonder alle nidergemacht und den Teutschen allein verschont haben“ (so Maximilian an seine Gesandten am 12.7.1645, S. 291). Kurfürst Maximilian war angesichts dieser Berichte aufs Höchste alarmiert. Eine solche Eskalation der Gewalt paßte nur schlecht zu seinen Bestrebungen, mit der französischen Seite so schnell wie möglich ein armistitium, eine Beilegung der Kämpfe also, zu erreichen. Natürlich wußte er wie auch sonst alle Zeitgenossen, daß im Kampfgeschehen so erbittert gefochten werden konnte, daß jeder Comment unter den Söldnern vergessen wurde, „da der unbündig soldat in der hütz der waffen und rabbia in keinem zaun zu halten“ (ebd. S. 370, siehe ähnlich auch schon S. 312 u.357 die bayerischen Gesandten am 19.7. und 8.8.1645).

Doch in diesem Fall gab es offenbar noch ein anderes Kalkül. Von französischer Seite wurde die Debatte über das angebliche Massaker an französischen Söldnern bei Mergentheim über Wochen und Monate hochgehalten. Damit hielt man die bayerische Seite auf Trab, die sich nach Kräften bemühte, dieses Gerede als irrig abzutun. Doch mochten diese Gerüchte tatsächlich haltlos sein, halfen sie der französischen Seite doch, den bayerischen Sieg bei Mergentheim in eine moralische Katastrophe für den Sieger zu verwandeln – was wiederum den politischen Preis für das von Maximilian so sehnlich gewünschte armistitium hochtrieb. Jedenfalls instruierte der Kurfürst seine Gesandten in Münster, daß die französischen Verluste bei Alerheim ganz normal im Zuge der Kämpfe zustande gekommen seien und nicht infolge von bayerischen Exzessen. Das Thema läßt sich noch bis September 1645 verfolgen, denn Haslang berichtete noch am 7.9.1645 von dieser Affäre (Bd. 2,2, S. 461). Ob tatsächlich nationale Befindlichkeiten eine Rolle im Krieg spielten, ist angesichts dieser politischen Dimension der Debatte schwer zu entscheiden.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/461

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Wo ist Jan von Werth?

Im Jahr 1645 waren die Schlachten bei Mergentheim (5.5.1645) und bei Alerheim (3.8.1645) die entscheidenden Waffengänge der kurbayerischen Truppen. Bei Mergentheim gelang Feldmarschall Mercy ein wichtiger Sieg über die Franzosen, doch die Kämpfe drei Monate später endeten unglücklich. Die Niederlage bei Alerheim wog zudem durch den Schlachtentod Mercys besonders schwer, denn er hatte sich in den Jahren zuvor als der eigentliche militärische Lenker und strategische Kopf des bayerischen Heeres erwiesen. Gerade bei Mercys letzter Schlacht war auch ein anderer Kommandeur beteiligt, der sich hier besonders hervortat: Jan von Werth. Seine Kavallerieattacke auf dem linken Flügel überwältigte die dort stehenden französischen Kräfte, so daß der Sieg in greifbarer Nähe schien. Doch Werths Erfolg reichte nicht, da sich andernorts die feindlichen Truppen durchsetzen konnten; Alerheim wurde ein Sieg der französischen Waffen, wenn auch ein mit hohen Verlusten erkaufter.

Wer nun den aktuellen Band der Korrespondenzen Maximilians von Bayern mit seinen Gesandten Haslang und Krebs in Münster in die Hand nimmt und zu diesen Ereignissen weitere Informationen erwartet (Die diplomatische Korrespondenz Kurbayerns zum Westfälischen Friedenskongreß, Bd. 2: Die diplomatische Korrespondenz Kurfürst Maximilians I. von Bayern mit seinen Gesandten in Münster und Osnabrück, Teilband 2: August – November 1645, bearb. v. Gabriele Greindl und Gerhard Immler (Quellen zur Neueren Geschichte Bayerns, 2/2), München 2013), muß feststellen, daß diese militärischen Ereignisse in den Briefen des Kurfürsten und seiner Gesandten nicht wirklich ausführlich zur Sprache kommen. Vor allem fällt aber auf, daß die Kommandeure der bayerischen Truppen in den Berichten kaum eine Rolle spielen. Selbst Mercy, den der Kurfürst wohl wirklich schätzte und dessen Tod er sehr bedauerte, findet kaum Erwähnung; nicht anders ergeht es Geleen, der Mercy im Amt des Feldmarschalls folgte. Und Jan von Werth, der bei Alerheim die französische Armee fast doch noch besiegt hätte? Er taucht in der gesamten Edition nicht auf.

Die Prominenz, die Werth in der heutigen Historiographie genießt, hat offenbar in damaliger Zeit keine Entsprechung gehabt. Man wird auch anerkennen müssen, daß er als General der Kavallerie zwar weit oben, aber eben nicht an der Spitze der kurbayerischen Militärhierarchie stand. Wenn schon nicht einmal der Feldmarschall thematisiert wurde, warum sollte der Kurfürst dann über Werth berichten? Vor allem aber wird deutlich, daß diese Korrespondenzen so stark von den Verhandlungsmaterien in Münster geprägt sind, daß die Militaria tatsächlich in den Hintergrund treten bzw.hier in die Anlagen verbannt sind: Der Bericht über die Schlacht bei Alerheim ist Beilage Nr. 5 (von insgesamt 11) zum Brief Maximilians vom 9. August.

Man muß in diesem Befund keineswegs ein Indiz für die (tatsächliche) Geringschätzung sehen, die Maximilian davon abgehalten hatte, Jan von Werth das Kommando über die bayerischen Truppen zu übertragen. Vielmehr zeigte sich Maximilian ganz auf das diplomatische Geschäft des Friedens fixiert; er wollte den Krieg beenden, das wird in diesen Korrespondenzen nur allzu deutlich. Deutlich wird aus historiographischer Perspektive aber auch, wie allzu leicht man geneigt ist, die Wertigkeit oder auch nur die Aufmerksamkeit, die die derzeitige Geschichtswissenschaft einzelnen Phänomenen und Persönlichkeiten entgegenbringt, auf die historischen Verhältnisse zu reprojizieren.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/458

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Kanonen für katholische Iren

Während im Sommer 1645 immer mehr Gesandte nach Westfalen kamen, um dort endlich über eine Beendigung des Kriegs zu verhandeln, waren andernorts neue Konflikte ausgebrochen. So in Irland, wo seit 1641 ein Aufstand tobte, in dem sich sowohl der englische Konflikt zwischen Royalisten und Parlamentariern spiegelte, aber vor allem auch der konfessionelle Antagonismus eine große Rolle spielte. Vor dem Hintergrund ist ein Briefwechsel aus dem September 1645 zu sehen. Damals wandte sich der kaiserliche Feldmarschall Melchior von Hatzfeldt an Kurfürst Ferdinand von Köln und bat darum, daß er ihm wieder zwei halbe Karthaunen überlasse. Diese mittelgroßen Geschütze, die 12pfündige Kugeln verschossen, wolle er, Hatzfeldt, nun katholischen Iren „auf deren bewögliches ansuchen“ übergeben – ein kleines Beispiel für die kaum untersuchten Bezüge zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und den Konflikten in England und Irland (Melchior Graf von Hatzfeldt an Kurfürst Ferdinand von Köln, Eger 9.9.1645, Schönstein, Fürstlich Hatzfeldt-Wildenburgsches Archiv, Kriegsarchiv Melchior von Hatzfeldt Nr. 236, Konzept mit Verbesserungen; Ferdinands Antwort aus Bonn am 27.9.1645 ebenda.).

Die Geschichte dieser zwei Geschütze reichte bis ins Jahr 1642 zurück, als Hatzfeldt, wie er in diesem Brief berichtete, die beiden Kanonen vom damaligen kurbayerischen Feldmarschall Graf Wahl gekauft hatte. Im Lager bei Zons habe er für beide Stücke, über deren Herkunft man nichts weiter erfährt (waren es vielleicht Beutestücke?), 800 Reichstaler in bar bezahlt. Als bald darauf der Kaiser verfügte, daß Hatzfeldt den Niederrhein verlassen und sich um den Schutz der kaiserlichen Erblande kümmern sollte, wollte er die erhandelten Kanonen dem Kaiser für denselben Wert weitergeben. Dieser Kauf kam jedoch nicht zustande, und die Kanonen verblieben nach Hatzfeldts Abmarsch im Rheinland, wo sie unter die Obhut des Kölner Kurfürsten kamen. An letzteren richtete sich daher nun das „vnterthenigste[.] bitten“, diese Kanonen wiederum nach Köln bringen zu lassen, wo Hatzfeldt begütert war.

Der Kurfürst konnte sich diesem Ansuchen kaum verschließen, nicht nur weil Hatzfeldt der tatsächliche Besitzer war. Auch sein Anliegen, diese Kanonen den konfessionsverwandten Iren zu überlassen, mußte ganz im Sinne Ferdinands von Köln gewesen sein. Offenbar hatte Hatzfeldt schon im Jahr 1642 mit den Vertretern der Irischen Katholischen Konföderation (Konföderation von Kilkenny) Kontakt und war willens, ihnen diese Geschütze zu übergeben. Allerdings hatte es den Iren „damals an gelegenhit ermanglet, selbige fortzubringen“. Doch nun (also im September 1645) hatten sie sich erneut an ihn gewandt, und Hatzfeldt war nach wie vor bereit, ihnen zu helfen. Er knüpfte diese Hilfe jedoch an dieses „beding, das solche [=die Karthauen, M.K.] in Jerrlandt gefüehrt, vnnd daselbsten zu der Cathollischen Religion aufnehmen, vnd bestes amployrt [!] werden sollen“. Deutlich wird daran der konfessionelle Impuls, der Hatzfeldt damals bewegte; immerhin war gegenüber den Iren nicht die Rede davon, daß sie für diese Kanonen Geld zahlen sollten. Der kaiserliche Feldmarschall hatte diese Artillerie (hier ganz Kriegsunternehmer, der auch in Rüstungsgüter investierte) zunächst aus eigenen Mitteln erworben, war aber nun bereit, sie unter Verzicht auf dieses Geld abzugeben – freilich für eine gute Sache, wie er überzeugt war.

Ein Fragezeichen bleibt allerdings bei dem Wert, den diese Karthaunen darstellten. Daß Hatzfeldt sie für nur 800 Reichstaler erwerben konnte, stellt in meinen Augen doch einen sehr günstigen Preis dar. Ob es sich um eher minderwertige Kanonen handelte, die abzugeben vielleicht gar nicht so schwer fiel? In dem Fall relativiert sich auch Hatzfeldts Engagement für die Sache der Irischen Konföderation. Was immer auch aus diesen zwei halben Karthaunen geworden ist, Oliver Cromwell sollte dann die kurze Geschichte der Konföderation im Jahr 1649 beenden.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/455

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Friendly fire

In der Schlacht bei Mergentheim am 5. Mai 1645 wurde nicht nur mit großer Erbitterung gekämpft. Vielmehr ging es dabei derart unübersichtlich zu, „daß sogar Eurer Churfürstlichen Durchlaucht aigne reichsvölckher 2 compagnien von den ihrigen heftig chargiert unnd ihnen zimblich schaden gethann, ehe sie gewust, daß solliche von ihren eignen völckhern“ (Bericht an Kurfürst Maximilian vom 8.8.1645, in: Die diplomatische Korrespondenz Kurbayerns zum Westfälischen Friedenskongreß, Bd. 2: Die diplomatische Korrespondenz Kurfürst Maximilians I. von Bayern mit seinen Gesandten in Münster und Osnabrück, Teilband 2: August – November 1645, bearb. v. Gabriele Greindl und Gerhard Immler (Quellen zur Neueren Geschichte Bayerns, 2/2), München 2013, S. 358).

Derartige Episoden kommen offenbar immer wieder im Krieg vor, damals wie heute. Heute wird vielfach als „friendly fire“ bezeichnet, wenn durch Distanzwaffen auch eigene Truppen in Mitleidenschaft geraten. Die Szene hier war jedoch eine andere, denn hier waren Söldner im direkten Nahkampf aneinander geraten, ohne daß ihnen sofort bewußt wurde, daß sie doch für dieselbe Sache kämpften. Ein solches Mißverständnis war natürlich fatal, doch die Möglichkeit dazu war in den Schlachten des frühen 17. Jahrhunderts stets gegeben. Denn es gab keine Uniformierung, die eine eindeutige Unterscheidung zwischen den streitenden Parteien unmittelbar und eindeutig erlaubt hätte; erst mit der Etablierung stehender Heere setzte sich auch eine uniforme Ausstattung und Einkleidung der Truppen durch.

Sicher gab es Vorformen von Uniformen und das Bemühen, zumindest für einzelne Einheiten eine einheitliche Ausrüstung vorzugeben; die schwedischen blauen und gelben Regimenter lassen sich hier anführen. Auf kaiserlicher Seite war die rote Farbe ein beliebtes Erkennungsmerkmal; besonders eine rotgefärbte Schärpe, oftmals auch über dem Harnisch getragen, sollte die Identifizierung erleichtern. Auch den berühmten Zweig am Hut, wie man ihn vor dem Kampf verabredete, gab es nicht nur in Shakespeares Macbeth, sondern auch in den Schlachten des Dreißigjährigen Kriegs. Ansonsten sorgte der feste Platz in der Schlachtordnung eines Regiments dafür, daß jeder erkennen konnte, auf welcher Seite man kämpfte; auch das Feldzeichen oder die Regimentsfahne sorgten für Orientierung. Schwierig wurde es, wenn sich im Zuge einer längerdauernden Schlacht Kampfformationen auflösten. Auch der Pulverdampf von nur wenigen Musketensalven und der Feldartillerie wird das Schlachtfeld buchstäblich vernebelt haben. Wenn dazu noch der Staub auf dem Schlachtfeld durch die Kavallerie und die marschierenden Fußsoldaten aufgewirbelt wurde, kann man sich vorstellen, wie gering die Sicht auf das Geschehen insgesamt war – und wie groß die Gefahr, in dieser Unübersichtlichkeit die eigenen Kameraden anzugreifen.

Man kann davon ausgehen, daß solche Situationen häufiger vorkamen. Allerdings sind mir diesbezügliche Berichte fast gar nicht bekannt; wahrscheinlich hat man über solche Vorkommnisse nicht viel Aufhebens gemacht: Das kam halt vor, war kaum zu vermeiden und schon gar nicht rückgängig zu machen. Daß hier doch einmal eine solche Szene erwähnt wurde, hing mit Vorwürfen zusammen, die französischerseits erhoben wurden: Angeblich hätten die bayerischen Truppen viele französische Söldner massakriert – Vorwürfe, die auch noch Wochen und Monate später in den Korrespondenzen weitergetragen wurden (deswegen auch hier noch im August, also drei Monate später, der Rekurs auf diese Schlacht). Die bayerische Seite war eifrig bemüht, derartigen Anschuldigungen die Spitze zu nehmen. Dabei verwiesen die kurbayerischen Gesandten in Münster auch auf die Heftigkeit der Kämpfe, daß man mit „furie unnd calor“ gefochten habe (ebd.). Und in dem Kontext erschien der Hinweis ganz passend, daß die bayerischen Kriegsknechte sogar aufeinander losgegangen wären.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/447

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Krieg um Kreta

Die Beratungen und Sondierungen auf dem Friedenskongreß wurden im Sommer 1645 durch ein neues Thema bereichert: „Es hetten die Türckhen albereit in Candia [= Kreta; M.K.] ein statt eingenommen undt contra datam fidem alles darinnen unbarmhertzig nidergehawen.“ So hatte es der päpstliche Nuntius den kurbayerischen Gesandten mitgeteilt (Bericht an Kurfürst Maximilian vom 3.8.1645, in: Die diplomatische Korrespondenz Kurbayerns zum Westfälischen Friedenskongreß, Bd. 2: Die diplomatische Korrespondenz Kurfürst Maximilians I. von Bayern mit seinen Gesandten in Münster und Osnabrück, Teilband 2: August – November 1645, bearb. v. Gabriele Greindl und Gerhard Immler (Quellen zur Neueren Geschichte Bayerns, 2/2), München 2013, S. 352). Die Invasion starker osmanischer Truppen auf Kreta im Juni 1645 war tatsächlich ein Ereignis, das europaweit für Aufsehen sorgte. Wie waren die Vorgänge einzuschätzen, und wie ging man in Münster mit dieser Nachricht um?

Auf den ersten Blick möchte man an das übliche Spiel mit den Stereotypen denken, wie es vom Nachrichtenwesen auch schon in dieser Zeit virtuos gespielt wurde. Die Hinweise auf gebrochene Zusagen und die Unbarmherzigkeit der Kriegführung bedienten sicherlich vorhandene Reflexe, die sich um die Begriffe der „Türkengefahr“ rankten. Doch ging es hier gar nicht so sehr um einen vielleicht sogar wohligen Grusel angesichts grausiger Neuigkeiten von einem weit entfernten Kriegsschauplatz im östlichen Mittelmeer.

Vielmehr wurde diese Nachricht sofort in die laufenden diplomatischen Aktivitäten einsortiert und für bestimmte Zielsetzungen instrumentalisiert. So hatten die bayerischen Gesandten sicher gern vom allgemeinen Friedensappell des Papstes an die anderen Mächte nach München berichtet, zumal der päpstliche Gesandte vor allem den französischen Vertretern die „pericula Europae“ vor Augen geführt habe (ebd.). Denn die kurbayerische Seite war in diesen Wochen und Monaten sehr um einen allgemeinen Waffenstillstand bemüht; zu groß waren die Belastungen des Kriegs, zu vage die Aussicht auf militärischen Erfolg. Entsprechend bezogen sich die bayerischen Gesandten, als sie Anfang August wieder mit den Franzosen verhandelten, auch auf den osmanischen Angriff auf Kreta und machten daraus ein Argument in eigener Sache: Wie könne man es vor Gott verantworten, wenn in Deutschland katholische und gehorsame Fürsten und Stände angegriffen und verfolgt würden, während der Erbfeind der Christenheit jede Gelegenheit habe, „in Europam einzuebrechen […] unnd alle unmenschliche tyranney zu verüben“? (Bericht an Maximilian vom 8.8.1645, ebd. S. 359).

Wenn es weiter hieß, daß man besser die Truppen nicht bei den Kämpfen im Reich verwenden, sondern sie gegen die Osmanen führen sollte, stand dahinter durchaus ein altbekannter Gedanke: Die Einigkeit der Christen sollte der Verteidigung gegen die osmanische Bedrohung zugute kommen. Ähnliche Gedanken waren schon in früheren Jahren des Dreißigjährigen Kriegs immer wieder einmal aufgekommen; sie lassen sich etwa bei Wallenstein, Tilly, Pappenheim oder bei Père Joseph nachweisen. Teilweise schien dahinter durchaus eine gewisse Kreuzzugsromantik durch, doch hier ging es – eigentlich sehr durchsichtig – um etwas ganz anderes: Bayern wollte dringend ein Ende der Kämpfe im Reich. Und wenn die Türkengefahr ein weiteres Argument bot, um das Ziel eines armistitium zu befördern, griff man in den Verhandlungen eben auch Nachrichten aus dem Türkenkrieg auf: Das Schicksal Kretas ging in diesem Fall auch den Gesandten in Münster sehr nahe.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/445

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Nürnberg hilft Kriegsgeschädigten

Anfang August 1629 wandte sich der Rat von Nürnberg direkt an den Kaiser. Es war ein Hilferuf, daß die vom kaiserlichen Militär geforderten Leistungen nicht mehr zu erbringen waren. Seit zehn Jahren seien viele Regimenter, ja ganze Armeen vorbeigekommen und hätten versorgt werden müssen. Der Rat sei es nun seinen Untertanen schuldig, auf die immensen Schäden und Verluste hinzuweisen, die man mit etlichen Tonnen Gold beziffern könne (siehe Franz Ludwig Freiherr von Soden, Kriegs- und Sittengeschichte der Reichsstadt Nürnberg vom Ende des sechzehnten Jahrhunderts bis zur Schlacht bei Breitenfeld 7. (17.) September 1631, 3. Theil: Von 1629 bis 1631, Erlangen 1862, S. 18 ff.). Mit dieser Eingabe tat der Rat der Reichsstadt, was üblicherweise in einer solchen Situation getan wurde: Man brachte seine Klagen vor, berief sich auf den stets erwiesenen Gehorsam und die allzeit bereitwillig geleisteten treuen Dienste und erhoffte sich daher nun eine Erleichterung von diesen unerträglichen Belastungen.

Der Rat beließ es aber nicht dabei, sondern wurde darüberhinaus am 28. August (a.St.) seinerseits aktiv (Stadtarchiv Nürnberg B 7 Nr. 35). Er beschloß, jeden der Untertanen, der durch die Einquartierung mit Soldaten belastet worden waren war, mit einer Summe von 20 bis 25 Talern zu unterstützen, je „nach gestalt seines Gütleins“. Offenbar war dem Rat durchaus bewußt geworden, daß es allein mit einer verringerten Belastung für die Nürnberger Untertanen nicht getan war; es bedurfte einer spürbaren Erleichterung, die direkt bei den Betroffenen ankommen sollte.

Bemerkenswert ist der Hinweis, daß es nicht nur um eine Unterstützung für diejenigen ging, die für den Unterhalt des Militärs aufzukommen hatten, sondern auch für diejenigen, „welche der Religion halber betrangt“ wurden: Kriegsbelastungen und konfessioneller Konflikt verschränkten sich hier also – vielleicht kein Zufall in einer Phase, als das Restitutionsedikt gerade erlassen worden war und für erhebliche Unruhe im Reich sorgte.

Eine Einschränkung machte der Ratsbeschluß aber insofern, als er verfügte, daß diese Gelder „vff ein geringe Zeit vor[zu]strecken“ seien: Es handelte sich also nicht um eine Erstattung der Schäden, sondern um eine Art Darlehen. Von Zinsen war hier nicht die Rede, immerhin. Trotzdem wird man der Stadt den Willen, soziale Härten abzufedern (um es modern auszudrücken), nicht absprechen wollen. Dabei sah sich die Reichsstadt in dieser Zeit mit einer wachsenden Zahl von Religionsflüchtlingen konfrontiert, die in der lutherischen Reichsstadt Zuflucht suchten. Nürnberg nahm viele von ihnen auf und unterstützte sie auch finanziell (Soden S. 44 f.).

Daß sich Nürnberg den von Einquartierungen belasteten Untertanen direkt zu helfen bemühte, war aber auch insofern eine kluge Maßnahme, als die Eingabe am Wiener Hof keine wirkliche Erleichterung brachte. Wallenstein beharrte ohnehin darauf, daß für seine Truppen kontribuiert wurde. Die andere, auch nicht geringe Belastung rührte von einquartierten Reitern des ligistischen Regiments Schönberg. Seit Ende 1628 hätten diese Truppen mehr als 88.000 Gulden gekostet, dazu wären noch Sachleistungen gekommen – so wiederum die Supplik an den Kaiser im August 1629. Doch auch auf dem Ligatag zu Mergentheim Ende 1629 wurden weiterhin Eingaben vorgebracht, die die Exzesse der ligistischen Reiterei bei Nürnberg beklagten (siehe Briefen und Akten, Bd. 2,5, S. 209 Anm.).

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/437

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Kurbayern und der Westfälische Friedenskongreß

Der Weg zum Frieden war bekanntermaßen ausgesprochen verschlungen; es dauerte lange Jahre, bis die Instrumenta pacis unterzeichnet und ratifiziert werden konnten. Entsprechend umfänglich ist das Aktenmaterial, das im Umfeld dieser Verhandlungen angefallen und überliefert ist. Neben den Acta Pacis Westphalicae hat es sich seit einigen Jahren auch die bayerische Landesgeschichte zur Aufgabe gemacht, die einschlägigen kurbayerischen Korrespondenzen zu publizieren. Auf diese Weise werden ergänzend zu den anderen Korrespondenzserien Einblicke in die Verhandlungsführung eines der einflußreichsten Reichsstände und wichtigsten Bündnispartners des Kaisers ermöglicht.

Nachdem bereits die Hauptinstruktionen von 1644 und ein erster Teilband für die Zeit von 1644 bis Juli 1645 veröffentlicht werden konnten, ist kürzlich der zweite Teilband erschienen. Er deckt den Zeitraum von August bis Ende November 1645 ab und versammelt reiches Material für die Phase unmittelbar vor dem Eintreffen des kaiserlichen Prinzipalgesandten Trauttmansdorff in Münster (erst mit ihm nahmen die Verhandlungen wirklich an Fahrt auf). Man mag im ersten Augenblick erstaunt sein, daß gerade diese Frühphase in dieser Edition so intensiv dokumentiert ist. Doch eben damit wird deutlich, wie sinnvoll es ist, neben den kaiserlichen, französischen und schwedischen Korrespondenzserien auch die kurbayerische Sicht der Dinge aufzuarbeiten.

Verhandlungsführer für Kurbayern waren die Gesandten Georg Christoph Freiherr von Haslang und Dr. Johann Adolf Krebs, die ihr Prinzipal Maximilian von Bayern in gewohnter Weise zu einer intensiven Korrespondenz anhielt, um über die Vorgänge in Münster genau im Bilde zu sein; komplementär dazu versorgte der Kurfürst seine Gesandten seinerseits mit Informationen und noch mehr Anweisungen.

Letztere bezogen sich auch auf Rangfragen und die Problematik der Präzedenz – kein Wunder, wurden doch gerade in der Frühphase des Friedenskongresses erste Koordinaten für die jeweiligen Ansprüche und ihre Realisierung gesetzt. Für Kurbayern war dies in erster Linie die Frage der Kurwürde, die bekanntermaßen im Zentrum der Kriegsziele Maximilians stand. Klar war auf kurbayerischer Seite, daß eine Alternation der Kurwürde in keinem Fall zu akzeptieren war; gerade die schlechten Erfahrungen, die die bayerischen Herzöge mit der Regelung des Vertrags von Pavia gemacht hatten, ließen Maximilian darauf dringen, daß seiner Linie die Kurwürde dauerhaft zugesprochen werden würde.

In den Korrespondenzen schlugen sich auch die parallel zu den Verhandlungen weiterlaufenden Kriegsereignisse nieder. Für den genannten Zeitraum war dies vor allem die Schlacht bei Alerheim, in der mit dem kurbayerischen General Capo Franz von Mercy einer der talentiertesten Militärs dieser Jahre fiel. Die Bedeutung dieses Verlustes war sofort klar und schlug sich in den Korrespondenzen entsprechend nieder.

Wer den Griff nach der umfänglichen Edition scheut, mag sich zunächst in dem Beitrag orientieren, in dem Gabriele Greindl den aktuellen Korrespondenzband vorstellt: Die diplomatische Korrespondenz Kurbayerns beim Westfälischen Friedenskongress, in: Wittelsbacher-Studien. Festgabe für Herzog Franz von Bayern zum 80. Geburtstag, hrsg.von Alois Schmid und Hermann Rumschöttel, München 2013, S. 417-440.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/434

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Der Söldner Michael Burchardt

Der Werdegang von einfachen Söldnern hat von je her besondere Aufmerksamkeit erregt. Erhofft man sich hier doch konkreten Aufschluß darüber, wie die sog. kleinen Leute den Krieg erlebten. Der prominenteste einfache Söldner ist ohne Zweifel Peter Hagendorf, dessen Schicksal durch sein Tagebuch bekannt geworden ist. Von Michael Burchardt ist zwar kein Selbstzeugnis überliefert, doch aus Aufzeichnungen aus dem 18. Jahrhundert läßt sich sein Schicksal in Umrissen rekonstruieren.

Geboren im Jahr 1599 zog es ihn offenbar schon in den ersten Kriegsjahren zum Militär. Über seine Konfession erfahren wir explizit nichts, doch als Sohn des Stadtrichters von Jena hing er sicherlich der lutherischen Konfession an. Gleichwohl entschied er sich offenbar bewußt für den Kriegsdienst in der Armee der Katholischen Liga. Hier diente er im Leibregiment Tillys, wurde in einer der Kompagnien Quartiermeister. Er nahm an der Belagerung Magdeburgs teil, kurz darauf quittierte er den Dienst. Dies angeblich aus persönlichen Gründen, doch bald schon nahm er Kriegsdienste beim Herzog von Weimar für Gustav Adolf von Schweden an. Unter Banér kämpfte er dann bei Wittstock mit so großem Einsatz, daß man ihm anbot, Oberstleutnant zu werden. Aus nicht bekannten Gründen lehnte er ab, und im Jahr 1638 schied er endgültig aus dem Kriegsdienst aus.

Wir wissen zu wenig über ihn, um die Beweggründe für bestimmte Entscheidungen zu erkennen. Warum er überhaupt in den Krieg zog, ist nicht klar. Der Hinweis auf „in ihm steckendes Soldatenblut“ ist wohl eher dem Zeitgeist von 1939 geschuldet, als eine knappe biographische Skizze über Michael Burchardt erschien. Immerhin nahmen auch Michaels ältere Brüder Kriegsdienste an. Daß sein Bruder Samuel ihn zunächst in seiner Kompagnie unterbrachte, ist ein gutes Beispiel für die verwandtschaftlichen Verflechtungen im Militär – beileibe kein Einzelfall, wie es sich auch bei Jan von Werth nachvollziehen läßt, in dessen Windschatten und unter dessen Protektion einige seiner Brüder Kriegsdienste leisteten.

Ob Burchardt wirklich die Armee des Kaisers nur verließ, weil sein Vater auf den Tod erkrankt war, möchte ich mit einem Fragezeichen versehen. Denn er taucht doch sehr schnell wieder als Soldat auf, nur eben auf der Seite Gustav Adolfs: Ob er nicht doch der Faszination des „Löwen aus Mitternacht“ erlegen war und nun lieber für die protestantische Sache streiten wollte? Wenn ja, verflog diese Begeisterung in den Folgejahren. Denn einer militärischen Karriere verweigerte er sich, wurde eben nicht Oberstleutnant, sondern Bürger in Salzwedel, wo er eine Familie gründete und noch bis 1671 lebte. So besehen stellt Burchardt eine Instanz für die Söldner dar, die durch den Kriegsdienst keineswegs entwurzelt wurden; vielmehr stellten die Jahre im Militär nur eine Episode in seinem Leben dar und mündeten sehr bewußt in eine zivile Existenz.

Eine knappe Skizze zu Burchardt wurde von Ernst Otto Wentz in den Jahresberichten des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte zu Salzwedel, Bd. 53 (1939), S. 24-27, veröffentlicht. Die Jahresberichte übrigens hat der Verein dankenswerterweise komplett auf seiner Homepage als PDF frei zugänglich gemacht.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/430

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Die Politik Ferdinands II.

Kaiser Ferdinand II. hat es noch nie leicht gehabt: weder zu Lebzeiten, als er sich in den Kriegswirren zu behaupten hatte, noch nach seinem Tod, als die Historikerschaft ihn eher negativ beurteilt hat. Es entstand das Bild eines schwachen, zaudernden, sich allzu sehr von seinen Ratgebern, zumal den Geistlichen, abhängig machenden Monarchen, der in seiner Bigotterie das gesunde Maß für eine realistische Politik verloren habe. Mit der Politik des Kaisers hat sich jüngst Thomas Brockmann in seiner 2011 erschienenen Habilitationsschrift auseinandergesetzt.

Meine Meinung zu diesem Buch habe ich in einer Besprechung dargelegt, die gerade erschienen ist: ZHF 40 (2013), S. 720-722 (Eine weitere Besprechung liegt noch von Johannes Arndt vor.). Daß ich diese Arbeit sehr schätze, wird hoffentlich deutlich. Und mein positives Votum will ich auch durch die geäußerte Kritik nicht geschmälert wissen. Ja, ich finde es schade, daß die Studie um 1630 abbricht und nicht mehr die Phase des Schwedischen Kriegs miteinbezieht, in der sich die kaiserliche Politik angesichts der schweren militärischen Krisensituation neu ausrichten mußte. Doch relativiert dies nicht die analytische Leistung dieser Arbeit insgesamt.

Mir gefällt einfach der sehr ruhige und wägende Ton, mit dem eine komplexe archivalische Situation ausgewertet und eine lange Forschungstradition gewichtet wird, so daß am Ende historische Einschätzungen zustande kommen, die mindestens sehr erwägenswert sind. Ich sage dies sehr bewußt so, weil Brockmann in der Beurteilung mancher Sachverhalte durchaus zu anderen Ergebnissen gekommen ist als ich in meiner Dissertation (etwa bei einigen Aspekten bezüglich des Regensburger Kurfürstentags von 1630). Diese divergenten Ansichten anzunehmen, fällt aber deswegen umso leichter, als in dieser Studie stets erkennbar wird, daß der Autor sehr skrupulös gearbeitet und es sich wahrlich nicht einfach gemacht hat.

Handelt es sich nun um die abschließende Ferdinand-Biographie? Die Studie ist nicht als Biographie angelegt, auch wenn sie wesentliche Züge dieses Monarchen erhellt. Auch die Lücke für die Jahre 1631 bis 1637 fungiert hier als Vorbehalt, insofern die letzten Lebensjahre eben nicht berücksichtigt werden. Gleichwohl setzt Brockmann mit seiner Arbeit Maßstäbe, und man kann davon ausgehen, daß hier Anregungen geboten und vielleicht auch Reizpunkte gesetzt sind, die eine weitere Erforschung dieses Kaisers stimulieren.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/426

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