Der Söldner Michael Burchardt

Der Werdegang von einfachen Söldnern hat von je her besondere Aufmerksamkeit erregt. Erhofft man sich hier doch konkreten Aufschluß darüber, wie die sog. kleinen Leute den Krieg erlebten. Der prominenteste einfache Söldner ist ohne Zweifel Peter Hagendorf, dessen Schicksal durch sein Tagebuch bekannt geworden ist. Von Michael Burchardt ist zwar kein Selbstzeugnis überliefert, doch aus Aufzeichnungen aus dem 18. Jahrhundert läßt sich sein Schicksal in Umrissen rekonstruieren.

Geboren im Jahr 1599 zog es ihn offenbar schon in den ersten Kriegsjahren zum Militär. Über seine Konfession erfahren wir explizit nichts, doch als Sohn des Stadtrichters von Jena hing er sicherlich der lutherischen Konfession an. Gleichwohl entschied er sich offenbar bewußt für den Kriegsdienst in der Armee der Katholischen Liga. Hier diente er im Leibregiment Tillys, wurde in einer der Kompagnien Quartiermeister. Er nahm an der Belagerung Magdeburgs teil, kurz darauf quittierte er den Dienst. Dies angeblich aus persönlichen Gründen, doch bald schon nahm er Kriegsdienste beim Herzog von Weimar für Gustav Adolf von Schweden an. Unter Banér kämpfte er dann bei Wittstock mit so großem Einsatz, daß man ihm anbot, Oberstleutnant zu werden. Aus nicht bekannten Gründen lehnte er ab, und im Jahr 1638 schied er endgültig aus dem Kriegsdienst aus.

Wir wissen zu wenig über ihn, um die Beweggründe für bestimmte Entscheidungen zu erkennen. Warum er überhaupt in den Krieg zog, ist nicht klar. Der Hinweis auf „in ihm steckendes Soldatenblut“ ist wohl eher dem Zeitgeist von 1939 geschuldet, als eine knappe biographische Skizze über Michael Burchardt erschien. Immerhin nahmen auch Michaels ältere Brüder Kriegsdienste an. Daß sein Bruder Samuel ihn zunächst in seiner Kompagnie unterbrachte, ist ein gutes Beispiel für die verwandtschaftlichen Verflechtungen im Militär – beileibe kein Einzelfall, wie es sich auch bei Jan von Werth nachvollziehen läßt, in dessen Windschatten und unter dessen Protektion einige seiner Brüder Kriegsdienste leisteten.

Ob Burchardt wirklich die Armee des Kaisers nur verließ, weil sein Vater auf den Tod erkrankt war, möchte ich mit einem Fragezeichen versehen. Denn er taucht doch sehr schnell wieder als Soldat auf, nur eben auf der Seite Gustav Adolfs: Ob er nicht doch der Faszination des „Löwen aus Mitternacht“ erlegen war und nun lieber für die protestantische Sache streiten wollte? Wenn ja, verflog diese Begeisterung in den Folgejahren. Denn einer militärischen Karriere verweigerte er sich, wurde eben nicht Oberstleutnant, sondern Bürger in Salzwedel, wo er eine Familie gründete und noch bis 1671 lebte. So besehen stellt Burchardt eine Instanz für die Söldner dar, die durch den Kriegsdienst keineswegs entwurzelt wurden; vielmehr stellten die Jahre im Militär nur eine Episode in seinem Leben dar und mündeten sehr bewußt in eine zivile Existenz.

Eine knappe Skizze zu Burchardt wurde von Ernst Otto Wentz in den Jahresberichten des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte zu Salzwedel, Bd. 53 (1939), S. 24-27, veröffentlicht. Die Jahresberichte übrigens hat der Verein dankenswerterweise komplett auf seiner Homepage als PDF frei zugänglich gemacht.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/430

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Schlachtfeldarchäologie des Dreißigjährigen Kriegs

Die Schlachtfeldarchäologie ist eine sehr junge Disziplin, und der Begriff ist sicher gut geeignet, bestenfalls vage Vorstellungen, wenn nicht Irritationen auszulösen. Ohnehin assoziiert man die Archäologie eher mit antiken Themen, sieht eine große Nähe zur Vor- und Frühgeschichte und vielleicht noch zum Mittelalter. In der neuzeitlichen Geschichte erkennt man auf den ersten Blick kaum einen Arbeitsplatz für Archäologen, und wenn es um Schlachtfelder geht, ist die Befangenheit erst recht groß. Militärgeschichte war lange Zeit und aus verständlichen Gründen vernachlässigt worden, doch seit gut zwanzig Jahren sind militärhistorische Themen, zumal unter kulturalistischer Perspektive, verstärkt in den Fokus historischer Forschung getreten. In diesem Zusammenhang wird man auch die Schlachtfeldarchäologie ansiedeln können, die seit einiger Zeit mit durchaus aufsehenerregenden Projekten auf sich aufmerksam macht – zuerst denkt man natürlich an Kalkriese als den Ort, an dem mit großer Wahrscheinlichkeit die Legionen des Varus untergegangen sind. Doch hier geht es um Schlachten im Dreißigjährigen Krieg.

Aktuell ist derzeit die Schlacht von Wittstock im Jahr 1636. Zum 375. Jubiläum im Jahr 2011 gab es eine große Ausstellung im Archäologischen Landesmuseum in Brandenburg; seit dem Herbst 2012 ist sie in München und dort in der Archäologischen Staatssammlung aufgrund des großen Zuspruchs bis zum 14. April 2013 zu sehen. Um was geht es hierbei eigentlich? Gefunden wurde ein Massengrab mit 125 Soldaten, die in dieser Schlacht gefallen waren, und in seinem Umkreis wurden auf dem Schlachtfeld weitere Funde gemacht – natürlich gibt es hier nicht die Schätze zu bestaunen, die aus ägyptischen und mesopotamischen Gräbern ans Tageslicht kommen. Vielmehr sind es neben Waffen und Rüstungsteilen vor allem Alltagsgegenstände, die das Leben im Militär des 17. Jahrhunderts veranschaulichen, vor allem die Lebensumstände der einfachen Söldner.

Es geht bei der Schlachtfeldarchäologie aber nicht nur um das Leben, sondern auch das Sterben der Soldaten. Anhand der Toten und ihrer Verletzungen lassen sich Vorgänge im Kampf rekonstruieren, die ein deutlicheres und eindringlicheres Bild des Schlachtgeschehens vermitteln, als es gemeinhin aus zeitgenössischen Berichten und Kupferstichen gewonnen werden kann. Spätestens hier wird deutlich, daß es sich um Arbeiten handelt, die ein „normaler“ Historiker nicht bewältigen kann – viele andere Fachdisziplinen, wie es in der Archäologie üblich ist, tragen dazu bei, die Funde zum Sprechen zu bringen. Wer es in die Ausstellung nicht schafft (sie kommt nach München noch nach Dresden in das Militärhistorische Museum der Bundeswehr), kann sich aber auch einen Eindruck in dem Katalog verschaffen, der mir außerordentlich gut gefallen hat.

Wittstock ist beileibe nicht der erste und einzige Ort, an dem Kämpfe aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs archäologisch untersucht wurden. Vor zehn Jahren wurden im Umkreis des Projekts „Der Winterkönig“ auch Ergebnisse von Ausgrabungen in und bei Heidelberg gezeigt, das 1622 von Tilly belagert und eingenommen worden war. Gegraben wird derzeit auf dem Schlachtfeld von Lützen; auch hier werden demnächst entsprechende Funde präsentiert werden können. (Aufschlußreich sind auch die Interviews mit Mitgliedern der Lützener Projektgruppe zum Arbeitsgebiet derSchlachtfeldarchäologie allgemein.)

Es ist nur zu begrüßen, daß die Schlachtfeldarchäologie einen gewissen Aufwind erfährt. Über derartige Projekte lassen sich tatsächlich neue Erkenntnisse gewinnen und bislang gewonnene Befunde bestätigen oder korrigieren, die bislang nur archivalisch faßbar waren. Vor allem aber handelt es sich um eine Disziplin, der anders als manchen Reenactment-Veranstaltungen sicher nichts Folkloristisches anhaftet. Gleichwohl bieten sich hier Möglichkeiten, Geschichte an eine interessierte Öffentlichkeit zu vermitteln – gegenständlich, anschaulich, vielleicht auch ein bißchen gruselig, aber in jedem Fall wissenschaftlich.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/120

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