Wann kommt die russische – und die ukrainische – Ausgabe von Thomas Pikettys Capital in the Twenty-First Century?

Richard Frensch (Regensburg)

In seinem Buch Capital in the Twenty-First Century kombiniert Thomas Piketty, auf der Basis einer reichen Datensammlung, Konzepte der langfristigen Wirtschaftsentwicklung mit Erklärungsansätzen zur funktionalen und personellen Einkommensverteilung zu einem innovativen Ansatz zur Erklärung langfristiger Verteilungstrends (Frensch, Richard: Werden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer?, Einführung und Diskussion zu Thomas Pikettys Capital in the 21st Century. LIE Lecture, Universität Regensburg, 9. Dezember 2014, siehe auch die Diskussion im Journal of Economic Perspectives, 29, 1, Winter 2015). Er argumentiert, dass Vermögens- und Einkommensdivergenzen über längere Zeiträume unvermeidlich sind, und dass die Kriege und anschließenden Konvergenzprozesse des 20. Jhdt. in dieser Hinsicht nur eine erklärbare, vorübergehende Ausnahme von der Regel verursachten.

Pikettys Daten zeigen in der Tat sehr langfristige Trends in Westeuropa und Nordamerika zu mehr Vermögenskonzentration, die im 20. Jhdt. dramatisch unterbrochen wurden. Diese Unterbrechung scheint seit den achtziger Jahren wieder aufgehoben. Dagegen empfiehlt Piketty progressivere Besteuerung von Einkommen und Vermögen (Erbschaftssteuer).

Pikettys Vorstellung von Demokratie beruht auf Chancengleichheit. Nach seiner Überzeugung ist eine demokratische Gesellschaft nicht auf Dauer funktionsfähig, wenn an der Spitze der Einkommensverteilung Arbeitseinkommen von Einkommen aus vererbten Vermögen dominiert werden, so wie in den europäischen Gesellschaften des 19. Jhdts. Zum großen Teil kreist die Diskussion um Pikettys Buch deshalb auch darum, inwieweit die heutige Situation mit der damaligen vergleichbar ist. Zwar sind Vermögen immer höher konzentriert als Arbeitseinkommen, die Vermögenskonzentration heute ist aber weitaus geringer, zudem sind Grenzsteuersätze für Einkommen und Erbschaften höher, als vor hundert Jahren. Entsprechend spielen Vermögenseinkommen gegenüber Arbeitseinkommen in Westeuropa und Nordamerika im obersten Prozent der Einkommensverteilung heute eine deutlich geringere Rolle als vor hundert Jahren.

Erstaunlicherweise werden Osteuropa, und speziell Russland und die Ukraine, bisher nur sehr am Rande in diese Diskussion einbezogen. Nach Pikettys Schätzungen betrug das private Vermögen in Russland zu Ende der Nullerjahre etwa das Vierfache des Nationaleinkommens, so wie auch zum Ende der achtziger Jahre. Während damals der private Anteil sehr gering war, ist es nun umgekehrt, so wie in Westeuropa und Nordamerika. Allerdings ist die Vermögenskonzentration – nach der vermutlich weitestgehenden Privatisierung von Kapital und Vermögen aller Zeiten – dort deutlich höher als hier, und entsprechend spielen Vermögenseinkommen gegenüber Arbeitseinkommen an der Spitze der Einkommensverteilung dort eine deutlich höhere Rolle.

Auseinandersetzungen um Vermögenskonzentration – wenn man das so nennen möchte – finden in Russland zwischen Oligarchen und staatlichen Organen statt, in der Ukraine weitgehend ohne staatliche Beteiligung. Eine wirklich gesellschaftliche Debatte, auch zur Rolle der Wirtschaftspolitik, in diesem Prozess – wie in den meisten Ländern der Region gibt es in Russland eine flat tax Einkommensteuer – ist bisher nicht in Gang gekommen.

Quelle: http://ostblog.hypotheses.org/539

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Von August Sander bis heute

August Sander, 1925

In loser Folge stellen wir auf www.visual-history.de Institutionen vor, die im Kontext der Historischen Bildforschung von Interesse sind. Wir erkunden fotohistorische Sammlungen, Museen und Archive oder beleuchten einzelne Bildbestände.

 

Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur in Köln wurde 1992 mit der Übernahme des August Sander Archivs gegründet. Der Nachlass eines der bedeutendsten Fotografen des 20. Jahrhunderts legte den Grundstein für eine mittlerweile stark angewachsene Sammlung, die bis in die zeitgenössische Fotografie reicht.

August Sander, 1925

August Sander, 1925. Mit freundlicher Genehmigung der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv, Köln; VG Bild-Kunst, Bonn, 2015

Die Institution hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Sander-Bestand nicht nur zu archivieren und wissenschaftlich zu betreuen, sondern gleichermaßen die Forschung zu dokumentarischer Fotografie voranzutreiben. Sachlich-dokumentarische Fotografie als künstlerisches Ausdrucksmittel steht demzufolge im Fokus der Sammlungsaktivitäten.

Die Gründer orientierten sich an Institutionen wie beispielsweise in den Vereinigten Staaten, wo Fotografie innerhalb von Museen zu einem deutlich früheren Zeitpunkt als in Deutschland wahrgenommen und ausgestellt wurde. Inzwischen zeichnet sich das Sammlungsprofil durch weit mehr Künstler als nur August Sander aus, wenn auch die Identifikation mit seinem Werk stark ist. Laut Gabriele Conrath-Scholl – Leiterin der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur –, ist es insbesondere die zeitlose Anschlussfähigkeit der dokumentarischen Fotografie Sanders an unterschiedliche und immer neue Fragestellungen, die den Kernbestand der Sammlung so richtungsweisend macht: „Die vielen verschiedenen Themen und die Methodik, die sich im August Sander Archiv spiegeln, dienen unserer Arbeit als Fundament, ja geradezu als Ideenpool.“ Auf 450 Quadratmetern Fläche zeigt die Institution zwei bis drei Sonderschauen pro Jahr, größtenteils aus eigenen Beständen, aber auch im Austausch mit nationalen und internationalen Museen.

 

Von Gabriele und Helmut Nothhelfer bis Walker Evans, von historischen Reisefotografien des 19. Jahrhunderts bis hin zu zeitgenössischen fotografischen Kartierungen Kölns – in den Ausstellungen spiegelt sich das Spektrum der Sammlung wider. Und zwischendurch: immer wieder August Sander. Zuletzt konnten Besucher noch Fotografien des US-amerikanischen Künstlers Jim Dine sehen, dessen fotografisches Archiv ebenso zum Bestand der Institution zählt. Der jüngste Zugang zur Sammlung ist ein Konvolut des Fotografen Martin Rosswog, der in den 1980er-Jahren sein Studium bei Bernd Becher absolvierte. Ein Teil der Arbeiten von Rosswog ist auch in der aktuellen Ausstellung „Entlang Europa“ zu sehen. In dem fotografischen Langzeitprojekt porträtiert der Künstler seit den 1980er-Jahren ländliche Lebenswelten sowie deren Bewohner und steht damit in direkter Tradition zu den Aufnahmen August Sanders, Walker Evans oder Bernd & Hilla Becher.

 

 

Der Bestand

Die Sammlung umfasst etwa 30.000 Werke internationaler Fotografen und Fotografinnen. Das Spektrum reicht dabei von der Frühzeit der Fotografie bis zur Gegenwart und von regionalen Künstlern bis hin zu den „Stars“ der internationalen Fotoszene. Die Schlüsselthemen sind Porträt, Landschaft, Architektur sowie urbaner und industrieller Raum. Das Herzstück der Sammlung – das August Sander Archiv – besteht aus 10.500 Negativen und 5500 Originalabzügen. Im Besitz der Stiftung befindet sich auch die Sammlung der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh), die ihren Sitz ebenfalls in Köln hat und deren Gründungsmitglied nicht zuletzt auch August Sander war.

Liste der vertretenen Künstler*innen: http://www.photographie-sk-kultur.de/sammlung-a-z/

 

 

Blick in die Ausstellung ZECHE HANNOVER. Photographien aus dem Ruhrgebiet von Bernd und Hilla Becher, Photographische Sammlung, 2010

Blick in die Ausstellung ZECHE HANNOVER. Photographien aus dem Ruhrgebiet von Bernd und Hilla Becher, Photographische Sammlung, 2010

Bernd und Hilla Becher: Zeche Hannover, Bochum-Hordel, Ruhrgebiet, 1973

Bernd und Hilla Becher: Zeche Hannover, Bochum-Hordel, Ruhrgebiet, 1973. Mit freundlicher Genehmigung der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur.

 

Forschung

Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur steht für Wissenschaftler*innen offen. Für die Forschung – insbesondere für die historische Forschung – ist sie von besonderem Wert, da sie nicht nur große Werkkomplexe von Originalabzügen umfasst, sondern teilweise auch Negative, zugehörige Kontaktabzüge oder Dokumente, die die Entstehungsprozesse der Fotografien nachvollziehbar werden lassen und die Einordnung in kulturhistorische Zusammenhänge ermöglichen. Der Bestand ist außerordentlich gut erschlossen. Rund 95% der Objekte sind umfassend inventarisiert. Dabei geht die Erfassung in vielen Fällen über die Standard-Inventarisierung hinaus, da die Archivierung nach Möglichkeit jeweils an Künstler*in und Werk angepasst wird. So sind beispielsweise beim Werk von Bernd und Hilla Becher Bildgruppen und Hänge-Ordnungen mit registriert. Das umfangreiche Werk des Fotografen Karl Blossfeldt (1865-1932) ist online auf der Homepage der Stiftung recherchierbar: http://www.photographie-sk-kultur.de/karl-blossfeldt/werke/. Langfristig sollen noch weitere Bestände online zugänglich gemacht werden.

Für Forscher*innen steht überdies eine Fach-Bibliothek zur Verfügung. Vor allem Literatur zur Geschichte der Fotografie, Fototheorie oder einzelnen fotografischen Richtungen, aber auch Künstlermonografien, Ausstellungs- und Auktionskataloge und eine Sammlung von Zeitungsausschnitten stehen zur Benutzung bereit. Die Stiftung ist ebenfalls im Besitz von 900 Bänden der Privatbibliothek von August Sander, die vor Ort nach Terminabsprache eingesehen werden können.

August Sander: Zirkusartisten, 1926-1932

August Sander: Zirkusartisten, 1926-1932. Mit freundlicher Genehmigung der Photographischen
Sammlung/SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv, Köln; VG Bild-Kunst, Bonn, 2015

 

Die Photographische Sammlung/

SK Stiftung Kultur

Im Mediapark 7

50670 Köln

Telefon: 0049-(0)221-88895 300

Fax: 0049-(0)221-88895 301

photographie@sk-kultur.de

www.photographie-sk-kultur.de

 

Öffnungszeiten der Ausstellungen: Täglich von 14 bis 19 Uhr, mittwochs geschlossen, montags Eintritt frei

Öffnungszeiten Bibliothek: Montag bis Donnerstag 9.00 bis 14.00 Uhr

Quelle: http://www.visual-history.de/2015/03/16/von-august-sander-bis-heute/

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DIJ Tokyo: Moderne Frauen in Japan


Den diesjährigen “Women’s History Month“ möchte die Max Weber Stiftung zum Anlass nehmen aktuelle Forschungsprojekte zur Frauengeschichte aus den Instituten der Stiftung vorzustellen.

 

Auch am Deutsche Institut für Japanstudien (DIJ) in Tokyo wird zu Themen unter dem Aspekt soziologischen Aspekt “Gender” geforscht. Im Gegensatz zu den Projekten an den anderen Instituten der Max Weber Stiftung orientieren sich die Projekte am DIJ stärker am aktuellen Zeitgeschehen. Gerade die Spezialisierung des Instituts auf politische und soziologische Fragestellungen, lassen einen anderen Blick auf den “Gender”-Aspekt zu, als es vielleicht historische Arbeit tun würde.

Japanische Mütter und politische Partizipation nach 3/11 

Bild: Mädchen mit Computer | Flickr: MIKI Yoshihito (´・ω・) | CC BY 2.0

Bild: Mädchen mit Computer | Flickr: MIKI Yoshihito (´・ω・) | CC BY 2.0

Nach der Katastrophe vom 11. März 2011 gründeten über 300 besorgte Eltern in ganz Japan landesweite, soziale Organisationen, die sich für den Schutz von Kindern vor der von Fukushima ausgehenden, radioaktiven Strahlung einsetzten.  Insbesondere Mütter wurden in diesen Organisationsnetzwerken politisch aktiv.  Für viele von ihnen eine völlig neue Erfahrung. Ihr Einsatz stand im krassen Gegensatz zum dem sonst in der japanischen Öffentlichkeit vorherrschenden, idealisierten Bild von der  Mutter als “stillen Beschützerin der Famile”. Mutterschaft und politischer Aktivismus sind zwei Konzepte, die einander nach der Logik der japanischen Gesellschaft eigentlich ausschließen sollten, aber dennoch untrennbar miteinander verbunden sind.

Phoebe Stella Holdegrün und Barbara Holthus forschten über zwei Jahre hinweg in Feldarbeit die Partizipationsstrategien japanischer Mütter unter den Mitgliedern der tokioter Zivilgesellschaftsorganisationen. Sie untersuchten welche Bedeutung Geschlechterrollen und ihr Verständnis für die Mütter und ihre “Widersacher”, allesamt männliche Repräsentanten von “Vater Staat” hatten. Sozialkapital und Interessenvertretung wurden bei der Auswertung der Befunde ebenfalls berücksichtigt.

Letztendlich zeigte die Studie, dass Gruppenmitglieder auf ein starkes Sozialkapital zurückgreifen konnten, die Einforderung ihrer Interessen in Interaktion mit den Lokalbehörden jedoch dünn ausfiel. Dieser, auf den ersten Blick schwache Stand, sei aber eine ganz bewusste gewählte Strategie von Müttern innerhalb der Bewegung, die mit kleinen Schritten langfristige Änderung anstreben.

 

Japanische Lebensläufe im Wandel

Noch vor dem einschneidenden Erdbeben untersuchte Hiromi Tanaka in ihrem Forschungsprojekt die Lebensläufen lediger, berufstätiger Frauen in Tokyo. Die Studie war Teil eines international-vergleichenden Forschungsprojekts zu ledigen, berufstätigen Frauen in ökonomisch entwickelten Territorien, in denen ein Ehe- und Geburtenrückgangstrend zu beobachten ist.

Women wearing kimonos in Tokyo, Japan | Flickr: Masahiro Hayata, 2007 | CC BY-SA 2.0

Bild: Frauen in Kimonos | Flickr: Masahiro Hayata, 2007 | CC BY-SA 2.0

Im Japan der Nachkriegszeit und der darauffolgenden Phase des Wirtschaftswachstums erfuhren die Lebensläufe von Männern und Frauen eine “Standardisierung”. Anstatt sich individuell von einander abzugrenzen, stellten die neue Art von Lebenslauf die Projektion eines idealisierten Bild von Familien- und Berufsleben in der japanischen Gesellschaft dar. Konkret hieß das, dass von Männern eine lebenslange Anstellung und die Rolle als Ernährer der Familie erwartet wurde. Frauen dagegen sollten in erster Linie als Ehefrauen und Mütter von zwei bis drei Kindern für den Haushalt sorgen sein. Diese Vorstellungen von de Rollenverteilung der Geschlechter spiegelten eine gesellschaftlich konstruierte und in der japanischen Mittelschichtgesellschaft breit akzeptierte Vorstellung eines “glücklichen Lebens”.

In ihrer soziologischen Studie stellte Tanaka fest, dass diese standardisierten Lebensläufe in den letzten Dekaden zunehmend verschwinden. Ihr Projekt beschäftigt sich mit eben diesem Wandel der standardisierten modernen Lebensläufe in Japan, wobei der Fokus ihrer empirischen Arbeit auf ledigen, berufstätigen Frauen in Tokyo in der Altersgruppe zwischen 30 und 50 Jahren lag. Die Werdegänge dieser Gruppe von Frauen zeigte in Hinsicht auf die Aspekte Ehe, Mutterschaft und Erwerbstätigkeit eine drastische Verschiebung im Vergleich zu den Lebensläufen älterer Generationen. Mit Hilfe qualitativer Interviews versuchte Tanka den Ursachen für diesen Wandel in den Entscheidungen lediger, berufstätiger Frauen auf den Grund zu gehen, führte Tanaka qualitative Interviews. Hierbei ging sie unter anderem folgenden Fragen nach welche gesellschaftlichen Faktoren einen Eherückgang unter berufstätigen Frauen in Japan – insbesondere in Tokyo – beeinflussen, wie diese Frauen ihr Leben bzw. ihren gesellschaftlichen Status als unverheiratete Frau wahrnehmen, welche Wünsche oder Erwartungen sie bezüglich Ehe, Elternschaft und Arbeit haben, und wie sie Arbeits-, Partner- und Elternschafts-bezogene Entscheidungen treffen.

Die Ergebnisse der beiden Forschungsprojekte kann man in den bereits veröffentlichten Studien Beyond a Standardized Life Course und Gender and Political Participation in post-3/11 Japan nachlesen.

Quelle: http://mws.hypotheses.org/26006

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Ostse(h)e(n). Aspekte einer Visual History

Putzgers Historischer Schulatlas

Ankündigung auf H-Soz-Kult, 12. März 2015:

5th Conference for junior researchers of the Baltic Sea region in Sankelmark (Schleswig-Holstein, Germany), September 18-20, 2015

Putzgers Historischer Schulatlas

F.W. Putzgers Historischer Schulatlas, Bielefeld/Leipzig 1916

The “Academia Baltica” (Sankelmark) invites you to a conference for junior researchers addressing “Baltic Sea/eing. Aspects of a Visual History”, which will take place at the Sankelmark Academy near the German-Danish border and the Baltic Sea on September 18-20, 2015. The conference will bring together younger researchers from countries south of the Baltic rim (Germany, Poland, Kaliningrad Oblast, the Baltic states) and aims at discussing different aspects of a visual history of the Baltic Sea region. Possible papers are on

– Methodological problems of the scholarly concept of visual history
– Mental images of the Baltic Sea region and of Baltic sea subregions in history and present times (stereotypes, interpretative patterns, branding strategies, and the like)
– Pictures as sources of the history of the Baltic Sea region
– Images of the Baltic Sea region in paintings
– Images of the Baltic Sea regions in photography and films (incl. Web representation)
– The history of the Baltic Sea region in pictures
– The Baltic Sea region as an image in memorial culture and history policies
– Images of people, images of nations
– Architecture
– Pictures of landscapes and environment

Presentations dealing with cultural constructions of physical and mental spaces are welcome as well.

Conference languages are German and English.

Young researchers (M.A. and PhD candidates, postdocs) dealing with the topics outlined and coming from countries south to the Baltic Sea rim are encouraged to submit their proposals. The conference is an interdisciplinary forum open not only for historians, but also for political scientists, sociologists, literary and language scholars, ethnologists, geographers, and other scholars in humanities thematically related.

For questions please contact:

Prof. Dr. Karsten Brüggemann (karsten.bruggemann@tlu.ee)
Prof. Dr. Ralph Tuchtenhagen (rtuchtenhagen@web.de)

Proposals should include:
– The title of your paper (approx. 15 min talking time)
– An abstract (max. 0.5 page)
– Your complete post and e-mail adresses
– Your affiliation

Submission deadline is May 31, 2015.

Given that your proposal is evaluated positive you will be officially invited by the Academia Baltica. We are likely to be able to reimburse your travelling expenses and will take care of board and lodging in Sankelmark. We are looking forward to receiving you as our guests at the Sankelmark Academy.

 

Kontakt
Karsten Brüggemann
Institute of History of Tallinn University, Rüütli 6, 10130 Tallinn, Estonia
karsten.bruggemann@tlu.ee

Ostse(h)e(n). Aspekte einer Visual History. 5.Tagung für Nachwuchswissenschaftler des Ostseeraums, 18.09.2015 – 20.09.2015 Oversee, in: H-Soz-Kult, 12.03.2015, <http://www.hsozkult.de/event/id/termine-27378>.

Quelle: http://www.visual-history.de/2015/03/13/ostsehen-aspekte-einer-visual-history/

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Interview: Katharina Kelter zur Produktion von Materialität im zeitgenössischen Tanz

Foto Ursina Tossi

Choreografie “excellent birds“ von Ursina Tossi © Saskia Bannasch/Ursina Tossi

Tanz steht in einem ganz besonderen Verhältnis zu Materialität und Produktion. Als performative Kunstform materialisiert er sich ereignishaft und verflüchtigt sich zugleich wieder. Die GRK-Kollegiatin Katharina Kelter versucht in ihrem Promotionsvorhaben “Tanzen zwischen Materialität und Immaterialität.  Zum Produktionsprozess im zeitgenössischen Tanz” diese Abwesenheit bzw. die Immaterialität als Voraussetzung von Materialität zu denken und den Tanz als fortlaufenden Produktionsprozess zu untersuchen. Zu ihrer Forschung, aber auch zu ihren Erfahrungen als Stipendiatin und Kollegiatin des GRK1678 gibt Katharina Kelter im folgenden Interview ausführlich Auskunft.

Liebe Katharina, wie entstand Dein Interesse an “Materialität” und “Produktion”?

Mein Interesse für „Produktion“ ist eigentlich schon ziemlich früh im Studium entstanden. Sowohl in der B.A.- als auch in der M.A.-Arbeit habe ich mich mit verschiedenen Aspekten von Produktion im Tanz auseinandergesetzt – zunächst die Frage nach der Autorschaft und dann die Produktivität von Erinnerung. In diesem Kontext kam die Frage nach der spezifischen Materialität von Tanz fast automatisch dazu, da sich Tanz bzw. die tänzerische Bewegung als solche nicht in einem bleibenden stofflichen Artefakt materialisiert, sondern als Ereignis im Moment der Aufführung direkt wieder vergeht, sich verflüchtigt. Das beeinflusst wiederum in besonderem Maße den Produktionsprozess. Das Graduiertenkolleg kam mir mit seinem Ziel, die Relation und Interaktion dieser beiden Begriffe zu untersuchen, also gerade recht. Mein Hauptinteresse – wenn man das sagen kann – gilt aber nach wie vor dem Produktionsbegriff.

Dein Promotionsvorhaben untersucht die Materialität und die Produktion, die dem zeitgenössischen Tanz eingeschrieben sind. Mit welchen Methoden untersucht eine Kulturwissenschaftlerin Materialität und Produktion im Tanz? Mit welchen Quellen arbeitest du?

Wie gerade schon kurz angesprochen ist der Tanz eine flüchtige Kunstform und hat daher grundsätzlich mit einem methodischen „Problem“ zu tun, nämlich dass der eigentliche Untersuchungsgegenstand flüchtig ist. Es gilt also zum einen eine Dynamik bzw. einen Prozess zu analysieren und zum anderen auf mediale Übersetzungen zurückzugreifen. Darüber hinaus geht es mir in meinem Promotionsprojekt vor allem darum, Prozessualität als entscheidendes Charakteristikum einer Tanzproduktion herauszuarbeiten. Ich möchte u.a. aufzeigen, dass gerade mediale Übersetzungen Teil von Tanzproduktion sind. Medienanalysen spielen in meinem Projekt daher eine zentrale Rolle. Meine Quellen sind u.a. Filme, Bilder, Kataloge, Bücher, Archivmaterialien. Aber auch Interviews und Projekt- und Produktionsbegleitungen sind wichtige Quellen.

Eine Deiner Thesen ist, dass die Aufführung nicht mehr Ziel des zeitgenössischen Tanzes ist, sondern vielmehr die Arbeitsprozesse und die Materialität des Tanzes erfahrbar werden sollen. Die Orte, an denen sich professioneller Tanz ereignet, zeugen aber vielfach von einem traditionellen Kunstverständnis: Auf einer Bühne sieht ein zahlender Zuschauer eine Aufführung. Gibt es Anzeichen, dass auch diese räumliche Konfiguration aufgebrochen wird?

Du sprichst damit zwei verschiedene Punkte an: Zum einen die Existenz oder Notwendigkeit von Aufführung und zum anderen mein Verständnis von Produktion, bei dem die Aufführung nicht (mehr) im Fokus steht. Zunächst einmal ist die Aufführung in der derzeitigen Tanzlandschaft nicht mehr zwingendes oder notwendiges Ziel. Tanz präsentiert sich nicht nur in Bühnenformen, sondern es gibt vielfältige Produktions- und Erscheinungsformen, wovon die Aufführung ein Beispiel ist. Ich denke hier bspw. an Chantiers (sogenannte Baustellen), künstlerische Labore oder offene Proben – sprich Formate, die die „Unfertigkeit“, die Prozesshaftigkeit und Offenheit von Kunst – und von Tanz im Besonderen – in den Fokus rücken. Damit meine ich aber nicht, dass die Aufführung an sich obsolet geworden ist oder Tanz zukünftig nicht mehr auf der Bühne zu sehen sein wird. Natürlich ist Tanz als performative Kunstform auf den Moment des Aufführens angewiesen, alleine schon aus ökonomischen Gründen. Du sprichst also zu Recht den zahlenden Zuschauer an. Meine These ist jedoch, dass die Aufführung nicht das Ende, das fertige „Produkt“ und damit Höhepunkt des tänzerischen Produktionsprozesses ist. Die Produktion von Tanz beschränkt sich nicht auf Probenprozess und Aufführung, sondern auch ohne Aufführung – das „Produkt“ – und darüber hinaus findet Produktion statt. Die Aufführung bildet vielmehr nur einen Moment im Prozess der Produktion, der zwar am leichtesten wahrzunehmen ist, jedoch von vergleichsweise geringem Umfang ist. Ziel meines Promotionsprojekts ist es, den Blick von der Zentralstellung der Aufführung, vom „Produkt“ weg und hin zum Herstellungsprozess, hin zur Produktion zu richten.

Du kennst das Leben als Stipendiatin und Kollegiatin im GRK 1678. Worin liegen für dich die Differenzen zwischen Stipendium und Kollegiat?

Der größte Unterschied zwischen Stipendium und Kollegiat ist für mich ganz klar die Zeit, sich voll und ganz auf das eigene Projekt und das Angebot des GRKs konzentrieren zu können. Ich bin froh, dass ich zu Beginn meiner Promotion das Glück eines Stipendiums und damit Zeit und finanzielle Absicherung hatte. Durch das Stipendium hatte ich Zeit, an allen Veranstaltungen des Kollegs teilzunehmen und war immer und automatisch im Austausch mit den KollegInnen. Für dieses intensive Eingebunden-Sein in das Kolleg fehlt mir als Kollegiatin jetzt die Zeit. Ich arbeite seit einem Jahr als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hamburg bei Gabriele Klein am Institut für Bewegungswissenschaft/Performance Studies, was für mich thematisch natürlich super ist. Meine Arbeit erlaubt es mir allerdings nicht mehr an allen Terminen des Kollegs teilzunehmen und auch der tägliche Austausch im Doktorandenraum fehlt. Aber glücklicherweise standen im letzten Jahr, im Gegensatz zu den ersten Semestern, relativ wenige Termine an, so dass es mir auch als Kollegiatin immer noch gut möglich war, vom Angebot des GRKs zu profitieren.

Quelle: http://grk1678.hypotheses.org/421

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Fotogeschichte

Lee Miller: Die Fotografin Bourke-White vor einem B-17-Bomber
Cover "Fotogeschichte" Heft 134, Jg. 34 (2014) © Jonas Verlag

Cover “Fotogeschichte” Heft 134, Jg. 34 (2014) © Jonas Verlag

Bereits im Jahr 1981 in Frankfurt am Main gegründet, gilt die Zeitschrift „Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie“ heute als international renommierte Fachzeitschrift, die sich mit den Themen Fotografie sowie Gesellschaft beschäftigt und einen wichtigen Beitrag zur Etablierung der Fotografiegeschichte als Teil der Kultur- und Gesellschaftsgeschichte leistet. Die wissenschaftliche Vierteljahreszeitschrift, die seit 2001 von Anton Holzer (Wien) herausgegeben wird, ist ein wichtiges und international anerkanntes Forum für fotohistorische Debatten: Hier werden neue Themen und Forschungsergebnisse sowie die aktuelle Literatur in fundierten Rezensionen präsentiert, wobei jedes Heft vier bis sechs längere wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der Fotografie, zahlreiche Buch-, Katalog- und Ausstellungsbesprechungen sowie Hinweise zu aktuellen Forschungsarbeiten zu diesem Themenfeld enthält. Das gesamte Archiv der Zeitschrift ist online über ein Themen- und Stichwortverzeichnis erschlossen.

Im aktuellen Themenheft der „Fotogeschichte“, herausgegeben von Marion Beckers und Elisabeth Moortgat (Heft 134 / 2014 / Jg. 34), werden ausgewählte „Kriegsfotografinnen“ und ihre Arbeiten in den Jahren von 1916 bis 1944 vorgestellt, deren Erfahrungen und Bilder in der Fotogeschichtsschreibung lange Zeit wenig Beachtung fanden. So werden gleichfalls Amateurfotografinnen – oftmals Krankenschwestern, die den Kriegsalltag bildlich einfingen – als auch professionelle Fotografinnen näher betrachtet, die in den beiden Weltkriegen sowie im Spanischen Bürgerkrieg im eigenen Auftrag oder für Institutionen bzw. die Presse mit militärischer Akkreditierung fotografiert haben. Während im Ersten Weltkrieg die Zahl der vornehmlich aus Großbritannien und Österreich stammenden Kriegsfotografinnen noch überschaubar war, stieg ihre Zahl im Spanischen Bürgerkrieg an, nachdem der Beruf der Fotografin sich europaweit während der 1920er-Jahre insgesamt stark verbreitet hatte.

Duncan Forbes stellt in seinem Beitrag erstmals die Fotografien der Britin Vera Elkan vor, die mit Film- und Fotokamera im Auftrag der angelsächsischen „Aid Spain“-Bewegung zur Unterstützung der republikanischen Truppen und der Internationalen Brigaden vor Ort in Spanien arbeitete. Wie bei Elkan auch ist das Selbstbild und die gesellschaftliche Rezeption der fotografierenden Kriegsreporterinnen Thema weiterer Heftbeiträge: etwa bei Elisabeth Klaus, die anhand von Texten und Bildern der Österreicherin Alice Schalek – die erste deutschsprachige akkreditierte Kriegsreporterin und Fotografin – deren Selbstverständnis als Journalistin und Frau sowie ihre Gegnerschaft zum Pazifisten

Lee Miller: Die Fotografin Bourke-White vor einem B-17-Bomber

Lee Miller: Die Fotografin Margaret Bourke-White vor einem B-17-Bomber, England 1942 (Ausschnitt) © Lee Miller Archives, England 2014; aus: Richard Calvocoressi: “Lee Miller. Begegnungen”, Berlin 2002, S. 61.

Karl Kraus nachzeichnet. Nicht nur dieser Beitrag verdeutlicht dabei die Notwendigkeit einer Revision des Stereotyps von der grundsätzlich pazifistischen Frau im Kriegsgeschehen. Wie unterschiedlich die Kriegsfotografinnen nach Kriegsende in ihren Heimatländern behandelt wurden, zeigt der Beitrag von Elisabeth Bronfen. Anhand ausgesuchter Poträtfotografien beschreibt sie die glamouröse und popkulturelle Selbstpräsentation sowie Rezeption dreier akkreditierter US-Fotografinnen in Uniform: Lee Miller, Margaret Bourke-White und Martha Gellhorn. Der Artikel von Margot Blank behandelt hingegen die eher zurückhaltende Rezeption der Kriegsfotografinnen in der Sowjetunion, die bis hin zu Äußerungen des Misstrauens und der Anfeindung reichte, anhand der Schicksale von Natalja Bode und Olga Lander.

In ihrer aktuellen Ausgabe gibt die Zeitschrift „Fotogeschichte“ erneut interessante Einblicke in die Facetten der Fotografiegeschichte und liefert damit wichtige Impulse für die historische Bildforschung, an deren Entwicklung u.a. das Projekt „Visual History. Institutionen und Medien des Bildgedächtnisses“ beteiligt ist.

 

Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie“; Herausgeber: Dr. Anton Holzer; Jonas Verlag für Kunst und Literatur GmbH; www.fotogeschichte.info

Quelle: http://www.visual-history.de/2015/03/10/fotogeschichte/

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Research Seminar on the History and Theory of Photography 2015: Photographic Appearances

Foto: © Peter Piller, VG Bild-Kunst/Design: 1 sans serif, Berlin (http://www.peterpiller.de)
Foto: © Peter Piller, VG Bild-Kunst/Design: 1 sans serif, Berlin (http://www.peterpiller.de)

Foto: © Peter Piller, VG Bild-Kunst/Design: 1 sans serif, Berlin (http://www.peterpiller.de)

Call for Papers

Photographs appear in an abundance of forms – as negatives, copies, project, in exhibitions, in magazines and photo books. What distinguishes these manifold forms of materialisation and mediatisation of photography from one another? What are their core specifics, to what extent do they interlock? Who are the decisive actors in the actualisation of these individual forms? What precisely are the areas of change, and in what ways has change taken place? What are the innovations digitalisation brought to the mostly complex constellations of image producers and recipients? And what are the consequences of the recent interest in photo books for exhibitions of the same images?

In 2015, the Research Seminar on the History and Theory of Photography will be dedicated to studying the materialisations and mediatisations of photography in all of its contexts of production and reception. The five-day event will provide 15 PhD candidates and Post-Docs with an opportunity to present their research, seminars, discussion panels, visits to eminent collections, exchange with curators and artists.

We welcome applications by any PhD candidates and Post-Docs working on this subject. Applications should include a research summary (up to 3,000 characters) as well as a CV and should be submitted to berg@fotomarburg.de by April 7, 2015.

The conference languages are German and English. The grant will cover preparatory material, accommodation, and a travel allowance.

 

With Elizabeth Edwards (Photographic History Research Centre, De Montfort University, Leicester),

Martin Hochleitner (Kunstuniversität Linz/Salzburg Museum),

Susanne Holschbach (Universität der Künste Berlin),

Hubert Locher (Philipps-Universität Marburg/German Documentation Center for Art History – Bildarchiv Foto Marburg),

Angela Matyssek (Philipps-Universität Marburg),

Alexander Streitberger (Université catholique de Louvain/Lieven Gevaert Research Centre for Photography)

and Peter Piller.

 

Further information

In collaboration with the German Photographic Association (DGPh).
Supported by the Department of Art History at Philipps-Universität Marburg, Art Collection Deutsche Börse, Frankfurt/Eschborn, Fotografie Forum Frankfurt, as well as the MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt.
Financed by the Volkswagen Foundation.

Corinna Berg
Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto
Marburg
Biegenstr. 11, 35037 Marburg

0049 6421/28 23676
0049 06421/28 28931
berg@fotomarburg.de

Studientage für Fotografie – Erscheinungen der Fotografie
http://www.fotomarburg.de/aktuelles/events/studientage2015

 

 Bildarchiv

Quelle: http://www.visual-history.de/2015/03/05/research-seminar-on-the-history-and-theory-of-photography-2015-photographic-appearances/

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Visual Cultures of Socialism

Sowjet matchbox label from the 1960s © Collection Monica Rüthers
Sowjet matchbox label from the 1960s © Collection Monica Rüthers

Sowjet matchbox label from the 1960s. © Collection Monica Rüthers

Socialist visual cultures generated social and cultural codes that went far beyond the political iconographies. They defined central places for the negotiation of political and social relationships. The visual and pictorial conventions of the Soviet Union after 1945 are, alongside their transfer, the topic of the conference: The conference focuses on socialism as a central pathetic formula of the 20th century. How was socialism visually defined and represented? How was it made recognizable?

After 1945, visual cultures changed in the wake of reconstruction, the cold war, the thaw, stagnation and the period of transformation. Having been modeled after an ideal Stalinist Soviet Union in the postwar years, the socialist “brother countries” were soon forced to readapt to new slogans. Such changes (similar to the transition from avant-gardes and constructivism to socialist realism) led to ruptures on the one hand, but also – for example, in architecture and urban planning – to the coexistence of different concepts, to the simultaneity of the non-simultaneous. During periods of transition, the planning and implementation of new and old concepts existed side by side. Changes were not implemented at the same time and in the same way in different realms or in different socialist countries. Thus, disruptions remained visible and became part of the socialist city and everyday environments. Another ongoing confrontation with alternative projects and images appeared in the context of the cold war.
We seek to gain insights into the relationships between the control and production of images, the consumption of images and mass culture, the interaction between ‘high’ and ‘low’, in addition to the management of cultural and ethnic diversity in the socialist societies of the 20th century and the visual cultures tied to ruling practices.

Conference organisers: Prof. Dr. Monica Rüthers, Dr. Alexandra Köhring, Nathalie Keigel MA

The conference is open to the public on notification; please send a short mail to: marianna.zhevakina@uni-hamburg.de

Programme:

Wednesday, 18th March
9:00 – 10:00 Opening of the Conference

Panel 1
The Socialist Persona

10:00 – 11:00
Klaudija Sabo, University of Vienna
Tito – Icon of the Yugoslav Confederation

Sabine Stach, University of Leipzig
Hidden Heroes – Political martyrs in East Central Europe in the 1970s and 1980s

11:00 – 11:30 COFFEE BREAK

11:30 – 12:00
Beata Hock, GWZO Leipzig
Casualties of remembering communism: Women and their visual representation

12:00 – 12:30 Comment & Discussion
Monica Rüthers

12:30 – 14:00 LUNCH BREAK

Panel 2
Style and Material Culture

14:00 – 15:00
Kateryna Malaia, University of Wisconsin-Milwaukee
Animating Modernism: The Affective History of the Soviet Monumental 1960s

Sylvia Wölfel/ Christian Wölfel, TU Dresden
Technical Aesthetics — On the Aspiration for Designing a Socialist Material Culture

15:00 – 15:30 COFFEE BREAK

15:30 – 16:30
Elena Huber, University of Salzburg
Fashion, Media, and the Everyday Life: On the visualisation of Soviet national styles in the 1950s and 1960s

Gian Piero Piretto, University of Milan
Soviet shop windows as a world model

16:30 – 17:00
Comment & Discussion
Esther Meier, Alexandra Koehring

19:00 DINNER

Thursday, 19th March

Panel 3
Visual Mass Cultures

9:30 – 10:30
Pawe? Miedzinski,
Institute of National Remembrance, Szczecin
Color photo in Black&White – history of Central Photographic Agency

Carmen Scheide, University of St. Gallen
The visual construction of Soviet Ukraine

10:30 – 11:00 COFFEE BREAK

11:00 – 11:30
Matteo Bertelé, Ca’ Foscari University of Venice
The Soviet illustrated postcard as an object of mass culture and ideological practices

11:30 – 12:00
Comment & Discussion
Nathalie Keigel

12:00 – 13:30 LUNCH BREAK

Panel 4
Failures and Irony

13:30 – 14:30
Lucia Halder, TU Braunschweig
Teleology of Failure. Visualizations of Socialism in West-German textbooks

Christoph Lorke, WWU Münster
Thinking the Social: Social Images of “Poverty” and the Construction of “Self” and “Otherness” in GDR Society

14:30 – 15:00 COFFEE BREAK

15:00-16:00
Christine Gölz, GWZO Leipzig
Merry Pictures of the Little Folk: The Cartoon Magazine “Veselye kartinki”, or What’s Left from the Socialist “Children’s World”

Micha Braun, University of Leipzig
Surrealistic Mimicry. Practices of Repetition and Imitation in Eastern European Performative Arts of the 1970s and ’80s

16:00 – 16:30
Comment & Discussion
Klara Pinerová

18:00 EVENING LECTURE
Nadine Siegert, University of Bayreuth
Images of nostalgic and utopian socialism: visuality and counter-visuality in Angola & Mozambique

20:00 DINNER

Friday, 20th March

Panel 5
Folklore

9:30 – 10:30
Odeta Mikstaite, University of Greifswald
Performing the Village: “Authenticity” and rural aesthetics in the Soviet Lithuanian Ensemble Movement

Anna G. Piotrowska, Jagiellonian University, Cracow
Embodying ‘socialist emotions’ via image and music – The case of Polish state folk groups “Mazowsze” and “?l?sk”

10:30-11 COFFEE BREAK

11 – 11:30
Comment & Discussion
Ekaterina Emeliantseva

11:30 – 12:00
Closing remarks – END

 

University of Hamburg, Edmund Siemers Allee 1, 20146 Hamburg, ESA East Room 221

Quelle: http://www.visual-history.de/2015/03/02/visual-cultures-of-socialism/

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Interview: Bernadette Burchard über materielle und immaterielle Kirchenschätze

Domschatz von Minden. © Bernadette Burchard, Düsseldorf

Mittelalterliche Kirchenschätze bestanden nicht nur aus kostbaren Materialien wie Gold und Edelsteinen. Auch handelte es sich bei Ihnen nicht um Kleinode, die nur unangetastet in dunklen, geheimen Verstecken lagerten. Wie die Schätze vielmehr durch immaterielle Vorstellungen und konkreten Praktiken konstituiert wurden, untersucht die GRK1678-Stipendiatin Bernadette Burchard in ihrem Dissertationsprojekt “Mittelalterliche Kirchenschätze Westfalens: Eine Analyse des Verhältnisses von Materialität, immateriellen Schatzvorstellungen und Schatzpraktiken anhand der Domschätze von Münster und Osnabrück und ihrer schriftlichen Überlieferung”. Lesen Sie im folgenden Interview von den Verhältnissen zwischen Materialität und Immaterialität bei Kirchenschätzen und Bernadette Burchards Arbeit im GRK1678.

Liebe Bernadette, wie entstand Dein Interesse an “Materialität” und “Produktion”?

Mein Interesse für Fragen der “Materialität” und “Produktion” entwickelte sich schon während des Studiums. Neben meinem Hauptfach Geschichte des Mittelalters habe ich auch Kunstgeschichte studiert. Außerdem besuchte ich nebenbei Veranstaltungen in Fächern wie Archäologie oder Ur- und Frühgeschichte, die den Fokus auf den Sachquellen haben. In der Kunstgeschichte hat mich die Kunsttechnologie immer besonders angesprochen, denn wenn man um die Produktionsprozesse weiß, bekommt man einen ganz anderen Blick auf die Gegenstände. Es war daher kein Zufall, dass ich in meiner Dissertation zu den mittelalterlichen Kirchenschätzen neben den klassischen Quellen des Historikers auch die Sachquellen, also die Kirchenschätze selbst, in die Untersuchung miteinbeziehen möchte.

Die mittelalterlichen Kirchenschätze von Münster und Osnabrück sind Dein Forschungsobjekt. Du gehst aber davon aus, dass immaterielle Konzepte von ‚Schatz’ die tatsächliche Herstellung von Kirchenschätzen beeinflussten. Könntest Du uns hierzu ein Beispiel nennen?

Das wichtigste Schatzkonzept des Christentums ist immateriell, gemeint ist die christliche Lehre als der größte Schatz. Damit einher geht eigentlich die Ablehnung materieller Reichtümer. Das Gleichnis vom Kamel, das eher durch ein Nadelöhr passt, als dass ein Reicher ins Himmelreich kommt (Mt 19, 24; Mc 10, 25; Lk 18, 25), ist hier bezeichnend. Allerdings benutzt auch die Bibel eine Bildsprache in der kostbare immaterielle Dinge mit kostbaren materiellen Dingen gleichgesetzt werden, z. B. gleicht die christliche Lehre einer Perle (Mt 13, 46). Das himmlische Jerusalem besteht aus Gold und Edelsteinen (Apc 21, 18-20). Diese Bildsprache wurde in den Kirchenschätzen umgesetzt. Deshalb wurden bspw. die Gebeine von Heiligen, die zu Lebzeiten materiellen Reichtum abgelehnt hatten, in Behälter aus Gold und Silber gegeben. Es war ein didaktisches Mittel, um ihre Heiligkeit augenscheinlich zu machen, das im Grunde noch aus der Antike stammte, in der Reichtum sozialen Status bzw. Macht darstellte. Das Armutsgebot wurde jedoch nie ganz vergessen, so gebot es die christliche Caritas (Nächstenliebe), dass der Kirchenschatz in Notsituationen für die Gläubigen eingesetzt werden sollte. Für die materiellen Kirchenschätze bedeutet dies im Umkehrschluss, dass sie einen hohen ökonomischen Wert haben können, aber niemals müssen.

Neben der Materialität und Produktion von Schätzen interessiert Dich auch der Umgang mit Schätzen. Was wurde mit den Kirchenschätzen angestellt?

Kirchenschatzobjekte waren in die verschiedensten Funktionszusammenhänge eingebunden und eigentlich mit allen Bereichen des Lebens verknüpft: Als liturgische Geräte waren sie unverzichtbar für den Gottesdienst. Gestiftete Ensemble und Einzelstücke dienten der Memoria ihrer Stifter. Dabei ging es nicht nur darum etwas für das eigene Seelenheil zu tun, sondern auch seinen gesellschaftlichen Status zu präsentieren und zu konservieren. Im Kirchenschatz als Ganzem spiegelte sich die spirituelle, politische und soziale Identität der Gemeinde. Seine verschiedenen Funktionen trugen dazu bei, dass sich ein Kirchenschatz in einem permanenten Wandel befand, also gerade kein Schatz im Sinne eines Hortes, Piratenschatzes oder heute Museumsobjektes war.

Das GRK ist nicht nur interdisziplinär, sondern umfasst auch verschiedene historische Epochen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Wie erlebst Du die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Disziplinen und Fachbereichen?

Für mich ist das GRK ein großartiger Rahmen, um die eigenen Forschungsfragen interdisziplinär zu diskutieren und somit den eigenen Horizont zu erweitern. Dabei wird auch das gegenseitige Verständnis geschärft, indem man die Unterschiede, aber auch die Schnittmengen der verschiedenen Disziplinen und Epochen auslotet. Häufig bekommt man Anregungen und Ideen aus Richtungen mit denen man nicht gerechnet hätte. Das empfinde ich als sehr bereichernd.

Quelle: http://grk1678.hypotheses.org/413

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Interview: Prof. Vittoria Borsò zu den Schlüsselbegriffen des GRK1678

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Ausschnitt aus: Roland Barthes, L’empire des signes, Paris: Seuil 1970, S. 14f.

‘Materialität’ meint nicht nur Material. Auch ist ‘Produktion’ kein Synonym für Herstellung. Welche Implikationen ‘Materialität’ und ‘Produktion’ theoretisch wie methodisch in literaturwissenschaftlicher Hinsicht besitzen, haben wir daher Prof. Vittoria Borsò gefragt. Vittoria Borsò ist emeritierte Professorin für Romanistik an der HHU Düsseldorf sowie stellvertretende Sprecherin des GRK1678 und zeichnet sich u.a. durch ihr profundes theoretisches Wissen aus. Dazu arbeitete sie in ihrer vielseitigen akademischen Karriere mit Vorliebe interdisziplinär und international. Die ideale Gesprächspartnerin also, um sich den Schlüßelbegriffen unseres Graduiertenkollegs anzunähern.

Liebe Frau Borsò, gleich zu Beginn eine Frage, die banal wirkt, aber schwierig zu beantworten ist: Was ist die Materialität der Literatur?

Die Poiesis, nämlich das materielle Herstellen, kennzeichnet Literatur als eine Arbeit am sprachlichen Material, die gewohnte Sinnbezüge verändert. Insofern scheint die Rede der Materialität der Literatur unmittelbar evident zu sein. Es sind die materiellen Prozesse von humanen und nicht-humanen Mediatoren, nämlich Schriftstellern und Lesern, aber auch Techniken des Schreibens, Notierens, Druckens und Publizierens. Die Frage der Materialität der Literatur hat mit diesem Fokus Studien zu Handschriften, typographischen Prozessen, Formen des Archivierens u.s.w. neu belebt. Trägermaterialien, Schreibstoffe und –geräte, Formate und Techniken sowie die Genese von Texten werden neu beleuchtet. Doch heißt Materialität mehr als nur das sprachliche Material oder die materiellen Prozesse der Herstellung und Archivierung von Literatur. In einer im Abendland eher vergessenen, aber mächtigen Tradition, die auf das von Aristoteles postulierte Verhältnis zwischen der Form und der Substanz ihrer Materie (Hylemorphismus) zurückgeht, ist Materialität etwas “vorgängiges”, “zuvorkommendes”, das was man zwar in kognitiven Prozessen nicht mehr sieht, aber das Werden der Form zuallererst ermöglicht. Die Materialitätswende der Kulturwissenschaften hat diese Tradition wiederaufgenommen, um in der materiellen Ästhetik von Medien – Sprache, Schrift, Bild – die Dynamik des Werdens und die Potenz des Sich-Ereignens beschreiben zu können. Was ist also Materialität der Literatur? Materialität ist ein pool von akustischen, visuellen, körperlichen, imaginativen Energien, aus dem heraus Sinnprozesse werden und sich transformieren. In diesem Sinne muss man fragen, was Materialität in literarischen Texten macht. Und dies ist mein Interesse. Denn wenn wir so fragen, sehen wir, wie sich in der Materialität der Buchstaben und des Klangs ein Raum öffnet, auf den der Literaturwissenschaftler blickt. Der Raum der literarischen Schrift hat eine Eigenzeit (Rhythmen, Reime etc.) und eine eigene topologische Ordnung, in der sich das Verhältnis von Subjekt und Welt, Dingen und Menschen jeweils anders und neu ereignet. Hier werden affektiv Erfahrungen mobilisiert, Blicke werden beweglich, Kontingenzen in der Ordnung sichtbar, mögliche Welten denkbar. Stéphan Mallarmé hat diesen Raum von kontingenten Dynamiken und möglichen Welten durch die auch mathematisch errechnete Disposition der Schrift auf der weißen Seite sichtbar gemacht. Dies ist durch traditionelle hermeneutische oder semiotische Methoden deshalb nicht fassbar, weil diese Methoden im Material der literarischen Sprache nur den Träger eines außerhalb der Materialität (in der Geschichte, der Struktur oder der Realität) bestehenden Sinns sehen. Wenn man also nicht den Sinn, sondern zunächst die Dynamik des Werdens als Eigensinn der Materialität der Schrift beschreibt, so können unerwartete Fragen oder Sinnhorizonte hervorgehen, die andere Pfaden des Denkens, Sehens, Erfahrens erschließen. Dies ist methodisch höchst produktiv, und zwar nicht nur für diejenige (moderne oder aktuelle) Literatur, die extreme Grenzbereiche der Erfahrung oder des Wissens aufsucht, sondern auch in Bezug auf historische Epochen. Wie anders könnte man die Transformationsprozesse der Schrift von Vita Nuova zur Divina Commedia als den Materialitätsraum entdecken, in dem sich Dante als auctor novus ermächtigt, um im Paradies die Überschreitung der Grenzen des Menschlichen zu wagen? Oder die Schrift des Canzoniere bei Petrarca als Raum eines sich durch Affekte materialisierenden Subjektes? Wie die Linie entdecken, der in einer Art parasitären Genealogie von Brunetto Latini zu Giordano Bruno geht? Wie die immanente Ontologie von Diderot, der materiellen Netzwerken und dem Körper eine Potenzialität zuschreibt, welche die Erkenntniskraft des Geistes überschreitet? Derartige Latenzen, denen ich meine Untersuchungen gewidmet habe, sind bei der diskursiven Markierung des Denkens zugunsten einer Materialitätsblindheit abgewählt oder vergessen worden.

“Materialität” und “Produktion” werden im GRK 1678 in Relation zueinander untersucht. Wie ist diese Relationalität in Bezug auf die Literatur zu denken? Können Sie uns ein Beispiel geben?

Wenn Texte mehr als Container von Inhalten sind, und Inhalte über die Form generiert werden, wie schon die Russischen Formalisten und Prager Strukturalisten postuliert haben, so gilt die Relationalität von Form und Inhalt für die literarische Schrift umso mehr. Heute wissen wir, dass sich diese Relationalität als ein Verhältnis von Materialität und Produktion darstellt. Die Dynamik dieses Verhältnisses ist nicht vorgegeben. Sie entwickelt sich vielmehr im Schreibprozess selbst. Beeindruckender Beleg hierfür ist die Fluidität der Schrift in den Varianten eines Wortes oder eines Satzes bei der Genese literarischer Texte, die man heute in der New Philology bzw. der critique génétique untersucht. Aber wie die Materialität muss ihre Relation zur Produktion auf einer grundsätzlicheren Weise betrachtet werden. Materielle Prozesse der Verdichtung wie Rhythmen, Metaphern, aber auch der Verknappung wie Lücken, Leerstellen, Fragmentierung, minimalistische Tendenzen zur Stilisierung von Alltagsdiskursen oder Kleinformen induzieren über das Imaginäre verschiedene Prozesse der psychomotorischen, affektiven, kognitiven und visuellen Produktion, bei der die Arbeit und die Investition des schreibenden und lesenden Subjektes in Abhängigkeit von der materiellen Beanspruchung des Textes steht. In diesem Sinne hat schon Charles Baudelaire das Schreiben als Arbeit, als travail journalier, bezeichnet. Der Literaturwissenschaftler muss also in der Materialität der Schrift die verschiedenen Strategien, Wege und parcours dieses Verhältnisses beschreiben. Erst diese Beschreibung kann die Produktion eines für die Literatur eigenen, poetologischen Wissens freilegen, das an der Konstitution der jeweiligen historischen Welten beteiligt ist und/oder diese transzendiert bzw. gegenüber Normalisierungsprozessen widerständig ist. Literarische Darstellung lebt aus dem jeweiligen Verhältnis des Materialitätsraums der Schrift und der sich in diesem produzierenden Ereignisse – und dies auch im Sinne einer szenischen Hervorbringung emergenter Wissensordnungen und/oder affizierender Erfahrungen einer Physis, die ein anderes, ein ‚situiertes‘ Wissen des Lebens nahebringt. Die Produktionsprozesse sind im literarischen Medium mehr als nur Vermittler von Inhalten, die übersetzt werden, im Sinne des gelungenen Transports eines mobilen Guts von einem Ufer zum anderen. Sie sind vielmehr eine Art Übersetzen, d.h. ein Insistieren auf dem Übergang, auf dem Materialitätsraum der Schrift. Produktionsprozesse sind also Mittler einer Dynamik, welche zum einen ein selbstreflexives Rückblicken auf die eigene Medialität induziert, zum anderen aber auch alles in diesem Raum zum Akteur werden lässt, so dass das schreibende und lesende Subjekt kognitiv, imaginativ und sinnlich Alteritätserfahrungen und Transformationen durchmachen kann. Dies ist die Politik der Materialität der Schrift, um dies in den Begriffen von Jacques Rancière zu fassen. Mir fällt das Beispiel der kleinsten Kurzgeschichte der Weltliteratur ein, die auch Italo Calvino im Kapitel “Rapidità” der Lezioni americane (American Lessons) als Beispiel für die Kunst der mentalen und physischen Geschwindigkeit literarischer Texte erwähnt. Es ist die Mikrogeschichte des guatemaltekisch-mexikanischen Autors Augusto Monterroso: “Cuando despertó, el dinosaurio todavía estaba allí.” / “Als er aufwachte, war der Dinosaurier immer noch da”. Hier gründet die Dynamik des Verhältnisses von Materialität und Produktion auf der (ebenfalls von Calvino gelobten) ikonischen Präzision und zugleich minimalistischen Reduktion des Sprachmaterials bei einer immensen Potenz der Eigenzeit und der topologischen Verhältnisse, die von dieser Materialität produziert werden: Die Präsenz eines Akteurs, des Dinosauriers, der in der kürzesten Erzählzeit eine Zeitreise von Jahrtausenden anregt; die auch körperliche Erfahrung des Fremden und des Erstaunens; die paradoxe und doch spekulativ und imaginativ reale Koexistenz des Prähumanen und des Alltäglichen, die zur reflexiven Auseinandersetzung mit den Grundlagen der abendländischen Philosophie inspiriert.

Das GRK 1678 verfolgt einen interdisziplinären Ansatz. Wer ihre beeindruckende Publikations- und Vortragsliste liest, erhält den Eindruck, dass Sie diese Interdisziplinarität geradezu verkörpern. Worin sehen Sie den Gewinn, aber auch die Schwierigkeiten dieser interdisziplinären Ausrichtung im GRK?

Die Frage der Überschreitung von Disziplingrenzen stellte sich für mich nie, oder vielmehr ich war immer von der curiositas getrieben. Ich war neugierig, mehr zu erfahren über die wunderbaren Gegenstände der anderen Disziplinen, über ihre Verfahren und methodischen Vorgehensweise. Ich glaube, dass wissenschaftliche Neugierde der Motor unseres Tuns, aber auch die Gnade unserer Arbeit ist. Dies lässt sich wissenschaftlich begründen: Es ist die Anziehungskraft des Fremden, die uns treibt. Aber auch ganz rational und erkenntnistheoretisch: Wenn man über den Tellerrand der eigenen Disziplin schaut, dann sieht man besser, was die eigene Wissenschaft tut, welche ihre Grenzen, aber auch Vorzüge sind. Umgekehrt gilt es ganz definitiv: Interdisziplinarität ist nur dann möglich und produktiv, wenn sie auf einer profunden und sicheren Beherrschung der eigenen Disziplin basiert. In einem interdisziplinären Forschungsverbund ist dies ein ernst zu nehmendes Problem für junge Promovendinnen und Promovenden, die sich bei der Arbeit am eigenen Dissertationsprojekt in ihrer eigenen Disziplin erst finden und stabilisieren sollen. Deshalb ist neben den interdisziplinären workshops ganz wichtig auch eine enge und regelmäßige Zusammenarbeit über Themen, Methoden und Theorien der eigenen Disziplin.

Was das inter- oder gar transdisziplinäre Potential eines Nachdenkens über die Relation von Materialität und Produktion betrifft, so ist dieses sehr hoch. Ich hatte zwar Aristoteles als Referenzautor für Materialität erwähnt. Aber gerade neuere Philosophen wie Henri Bergson zeigen, dass die Grundlagen der Materialität, nämlich eine substantielle Ununterscheidbarkeit von Geist und Materie im gemeinsamen Werden von Formen und Bildern, die Bergson in Bezug auf das Gedächtnis entwickelt (Matière et mémoire) und Gilles Deleuze im Bereich des bewegten Bildes des Kinos wiederaufnimmt, von den Erkenntnissen der frühen Quantenphysik gewonnen wurden. Später hat gerade die französische Epistemologie kognitive Konfigurationen und Problemstellungen des Materialitätsparadigmas im Zusammenhang von Physik, Biologie, Biogenetik und Medizin erarbeitet. Und auch die wissenspoetologische Produktion aus der Materialität der Literatur ist im Bereich der Ökonomie schon eindringlich gezeigt worden. Insofern werden unsere Promovenden nicht nur auf die Zusammenarbeit mit affinen Disziplinen vorbereitet, sondern auch auf die Herausforderungen transdisziplinärer Fragen, die heute vom komplexen Setting biologischer, ökologischer oder technischer Prozesse an die scientific community gestellt werden.

Die Wissenschaft arbeitet u.a. mit verschiedenen Materialien und produziert Wissen. Besitzt die historische und systematische Beschäftigung mit “Materialität” und “Produktion” auch eine methodologische Relevanz in dem Sinne, dass die eigene Arbeit reflektiert wird?

Es ist eine wichtige Frage, die ich ohne Zögern mit “ja” beantworte, weil sich dies auch schon aus den vorangehenden Begründungen und Beispielen ergibt. Wenn Materialität das „Vorgängige“ und das energetische Pool ist, aus dem Formen werden, wenn wir also diesen ontogenetischen Zugang zu unserer Kultur wählen, dann reflektieren wir anhand der Mediationen, die sich im Zusammenspiel von Materialität und Produktion ergeben, auch über die Bedingungen unserer eigenen Arbeit, über die materiellen Rahmen und Techniken, die die Produktion unseres eigenen Wissens ermöglichen, ja dieses verfertigen – samt der materiellen Zwänge der erzeugten Diskurse. Nur auf diesem Wege können wir systematisch und historisch auch auf Unerwartetes stoßen. Und dies erfahren zu können oder auch zu erhoffen, ist ein besonders großes Glück.

Quelle: http://grk1678.hypotheses.org/373

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