Die Website des Zentrums für Reiseliteratur-Forschung (CRLV) – (Mittwochstipp 43)

Das seit 1984 existierende CRLV (Zentrum für Reiseliteratur-Forschung) war ursprünglich an der Sorbonne etabliert, ist aber 2012 an die Universität Blaise-Pascal Clermont II umgezogen. Anfang 2014 ging daher eine völlig überarbeitete Version seiner Website online. Diese integriert einen großen Teil … Weiterlesen

Quelle: http://francofil.hypotheses.org/2548

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Herbert List als Industriefotograf

Der Schmelzer Heinrich Kirschner am Hochofen, 3. August 1955, Fotograf: Herbert List, Quelle: ThyssenKrupp Konzernarchiv

Als Industriefotograf ist uns Herbert List (1903-1975) praktisch nicht geläufig. Wir kennen seine hervorragenden Porträtfotografien, so von den Malern Chagall, Braque, Miró und Picasso, seine journalistischen und künstlerischen Arbeiten wie „Licht über Hellas“ und viele Aufnahmen für die Bildagentur „Magnum“.

Industrieaufträge im engeren Sinne sind nur für die Phoenix-Gummiwerke in Hamburg und die August Thyssen-Hütte (ATH) nachgewiesen. In vier Kampagnen hat List 1954 bis 1959 in Duisburg-Hamborn dieses Werk fotografiert. Jetzt hat das ThyssenKrupp Konzernarchiv diesen exzeptionellen Fundus wiederentdeckt und zeigt ihn bis 31. Juli 2014 in einer Ausstellung im Foyer der Hauptverwaltung von ThyssenKrupp Steel Europe in Duisburg.

Im Werkverzeichnis Lists sind die Duisburger Kampagnen nur am Rande erwähnt.[1] Eigentlich sollte der Fotograf und enge Freund Lists, Max Scheler (1928-2003), den Auftrag bekommen. Obwohl dieser 1953 schon einige Aufnahmen gemacht hatte und sich mit der Leitung der Öffentlichkeitsarbeit bei Thyssen prinzipiell einig war, musste Scheler wegen eines anderen Auftrags absagen. Herbert List sprang kurzfristig ein.

In den Jahren 1954 bis 1959 verbrachte Herbert List jeweils zwischen zwei bis drei Wochen auf der August Thyssen-Hütte. Das Unternehmen hatte dabei klare Vorstellungen von den Bildinhalten: List sollte das Werk, das in den 1930er-Jahren eines der modernsten in Europa gewesen, im Krieg schwer beschädigt und 1953 neu begründet worden war,[2] in seiner Leistungsfähigkeit dokumentieren und die neu entstehenden Ofenanlagen und die verschiedenen Fertigungsstraßen fotografieren. Gewünscht waren Außenaufnahmen, die Dokumentation der aktuellen Baumaßnahmen bzw. Anlagen und die Präsentation der Fertigungsprozesse. Erst die beiden letzten Serien richteten den Fokus auch auf den arbeitenden Stahlwerker.

Blasender Konverter im Thomas-Stahlwerk, März 1954, Fotograf: Herbert List, Quelle: ThyssenKrupp Konzernarchiv

Blasender Konverter im Thomas-Stahlwerk, März 1954, Fotograf: Herbert
List, Quelle: ThyssenKrupp Konzernarchiv

Das Unternehmen wollte dabei frei über die Aufnahmen verfügen und für seine Zwecke nutzen. Daher kaufte es Positive wie Negative an. Die Aufnahmen Lists fanden letztlich Eingang in Werbebroschüren, Messepräsentationen, Geschäftsberichte, repräsentative Fotoalben für Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder und in die interne und externe Öffentlichkeitsarbeit; große Abzüge wurden auf Hauptversammlungen gezeigt. Einige List-Bilder zierten die Büros von Vorständen des Unternehmens. Auch bei der Weltausstellung in Brüssel 1958 griff Thyssen bei seiner Ausstellung im Deutschen Pavillon auf Fotografien Lists zurück.

Im ThyssenKrupp Konzernarchiv sind 255 Schwarz-Weiß-Aufnahmen Lists, 248 Negative und 15 Farbabzüge überliefert. Angekauft wurden aber deutlich mehr Fotografien. Vermutlich gingen rund 20 Prozent der Schwarz-Weiß- und wohl rund 80 Prozent der Farbaufnahmen verloren. In einer Parallelüberlieferung, im Nachlass Lists im Münchner Fotomuseum, sind nur Kontaktabzüge vorhanden.

Was den Bestand besonders interessant macht, ist die Tatsache, dass im ThyssenKrupp Konzernarchiv zu dem Auftrag Lists ein breiter Schriftwechsel vorliegt,[3] der für die Kontextualisierung der Kampagnen enorm wichtig ist. Aus ihm lassen sich viele Details ablesen, z.B. über die Vorbereitungen für die Aufnahmen, ihre Bewertung durch den Thyssen-Konzern, ihre Verwendung und finanzielle Honorierung.

Und die Fotografien? Sie sind – entsprechend der Zeit und den Intentionen des Auftraggebers – optimistische Aufnahmen aus den bundesdeutschen Wiederaufbaujahren. Aus den Trümmern des zerstörten alten Werksgeländes erwachsen neue, moderne Industrieanlagen gigantischen Umfangs mit den klassischen Bildmotiven der Stahlindustrie: Außenaufnahmen der August Thyssen-Hütte, blasende Konverter, Hochofenabstich, Rohstahl auf dem Weg vom Ofen zur Blockbramme, fröhliche Auszubildende sowie kompetent und zuverlässig arbeitende Stahlwerker. Wer sich die Industriefotografien genauer ansieht, wird feststellen, dass List sich in der Bildregie treu bleibt. Zwar ist es nicht immer das Spiel mit dem Licht, das er so gekonnt in dem Hellas-Buch inszeniert hat. List führt aber den Betrachter oft direkt in das Bild hinein. Dazu benutzt er Eisenbahnschienen, gestikulierende Arbeiter oder Krananlagen. Mein Lieblingsbild: Der Schmelzer Heinrich Kirschner, 1955.

Der Schmelzer Heinrich Kirschner am Hochofen, 3. August 1955, Fotograf: Herbert List, Quelle: ThyssenKrupp Konzernarchiv

Der Schmelzer Heinrich Kirschner am Hochofen, 3. August 1955,
Fotograf: Herbert List, Quelle: ThyssenKrupp Konzernarchiv

Zur Ausstellung ist ein gleichnamiger Katalog erschienen. Er beschreibt in mehreren Aufsätzen Herbert List, sein Werk und seine Hamborner Aufnahmen. Eine Reihe von Fotografien zur August Thyssen-Hütte ist im Katalog seitenfüllend abgebildet. Die Dokumentation der weiteren Schwarz-Weiß-Fotografien ist allerdings nur in einem Kleinstformat abgedruckt.

Licht über Hamborn. Der Magnum-Fotograf Herbert List und die August Thyssen-Hütte im Wiederaufbau
4. April – 31. Juli 2014
ThyssenKrupp Steel Europe AG
Foyer der Hauptverwaltung
Kaiser-Wilhelm Straße 100
47166 Duisburg
[Von Dezember 2014 bis April 2015 im LWL-Industriemuseum Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur in Hattingen.]

Ausstellungskatalog
LWL-Industriemuseum/Robert Laube/Manfred Rasch (Hrsg.), Licht über Hamborn. Der Magnum-Fotograf Herbert List und die August Thyssen-Hütte im Wiederaufbau, 190 Seiten, zahlr. teils farb. Abb., Hardcover, 19,95 €, Klartext Verlag Essen 2014, ISBN: 978-3-8375-1148-2

 


[1] Max Scheler/Matthias Harder (Hrsg.), Herbert List. Die Monographie, München 2000, S. 309.

[2] Vgl. Astrid Dörnemann, „Wesentlich scheint mir auch bei Industriephotos die Wiedergabe der Atmosphäre und der Bewegung.“ Herbert List und die August Thyssen-Hütte, in: LWL-Industriemuseum/Manfred Rasch/Robert Laube (Hrsg.), Licht über Hamborn. Der Magnum-Fotograf Herbert List und die August Thyssen-Hütte im Wiederaufbau, Essen 2014, S. 27-50, hier S. 29.

[3] ThyssenKrupp Konzernarchiv, A/45654; vgl. den Beitrag von Dörnemann (Anm. 2).

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/06/23/herbert-list-als-industriefotograf/

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Rezensionsorgan für Digitale Editionen / IDE launches Review Journal for Digital Editions

logo-ide-1Das Institut für Dokumentologie und Editorik e.V. (IDE) freut sich, die Publikation der ersten Ausgabe einer neuen Rezensionszeitschrift, RIDE, bekannt zu geben. RIDE ist digitalen Editionen und Ressourcen gewidmet und will ein kritisches Forum zur Besprechung digitaler Editionen schaffen. Es soll helfen, die gängige Praxis zu verbessern und die zukünftige Entwicklung voranzutreiben. RIDE-Rezensenten sind deshalb angehalten, nicht nur die traditionellen Leistungen und Probleme von Editionen im Allgemeinen zu besprechen, sondern auch die sich weiter entwickelnde Methodologie und ihre technischen Implikationen zu berücksichtigen.
Die erste Ausgabe wurde soeben veröffentlicht und enthält Rezensionen zu folgenden Editionen:

Alle Rezensionen und weitere Informationen finden Sie hier: http://ride.i-d-e.de

Mehr zu RIDE, unseren Zielen und unserer Vorgehensweise, finden Sie im Editorial: http://ride.i-d-e.de/about/editorial/

Wir freuen uns außerdem über Beiträge für die nächsten Ausgaben. Alle Informationen finden Sie hier: http://ride.i-d-e.de/reviewers/

 

 

In the past decades, many digital scholarly edition projects have been published and are available, often for free, online. Most of these editions are arguably the best editions of their documents or texts available, and many of them offer features enhancing research in the respective fields to a considerable degree.

Despite these facts, digital editions are often neglected by the established review institutions. This neglect has a number of consequences: digital editions are somewhat outside the established peer-control process; digital editors in spe cannot rely on criticisms that projects similar to their own have received; the methodology of digital editions not only needs to incorporate traditional issues of textual criticism but also has to be thoughtful of the closely related technical and methodologic issues.

In order to address these issues, we have founded RIDE, a review journal dedicated to digital editions and resources. RIDE aims to direct attention to digital editions and to provide a forum in which expert peers criticise and discuss the efforts of digital editors in order to improve current practices and advance future developments. It will do so by asking its reviewers to pay attention not only to the traditional virtues and vices of any edition, but also to the progressing methodology and its technical implications. Editors of existing digital editions will be able to improve their work by addressing criticism and digital editors in spe will be able to learn from previous problems both of a general nature as well as specific to their fields.

Moreover, RIDE will help scholars working on the methodology and the development of the field of digital editing by collecting formal data about each project that is being reviewed. The reviews and factsheets will also provide a snapshot of a project at the time of the review, so that later developments can be compared – an important feature in a world that is characterised by a much higher dynamic than the print-world exhibits.

All this, we hope, will contribute to the ongoing methodological discussions and help to establish a best practise editors can aim at as an ideal of a digital edition (aspects of this best practise, for example, touch on accuracy, citability, sustainability, long term preservation, documentation, transparency, etc.).

You can learn more about RIDE and its method from the Editorial. All reviews are available on ride.i-d-e.de.

Quelle: http://digigw.hypotheses.org/757

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Léonard Dauphant (Metz): Macht in ihrem Raum. Für eine politische « Raumgeschichte » des Königreichs Frankreich am Ende des Mittelalters

Deutschsprachige Zusammenfassung des Vortrages vom 23. Juni 2014: Un pouvoir dans son espace. Pour une « géohistoire » politique du royaume de France à la fin du Moyen Âge. Einführung : Raumgeschichte und politische Geschichte In meinen Forschungen versuche ich, die … Continue reading

Quelle: http://jeunegen.hypotheses.org/1271

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Der inszenierte Alltag

Foto: Martin Schmidt, Traktoristin, um 1965 Erschien 1970 als Titelfoto der Zeitschrift „Lernen und Handeln“, dem Funktionärsorgan des Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD) © Stiftung Deutsches Historisches Museum
Foto: Martin Schmidt, Traktoristin, um 1965 Erschien 1970 als Titelfoto der Zeitschrift „Lernen und Handeln“, dem Funktionärsorgan des Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD) © Stiftung Deutsches Historisches Museum

Foto: Martin Schmidt, Traktoristin, um 1965
Erschien 1970 als Titelfoto der Zeitschrift „Lernen und Handeln“, dem Funktionärsorgan des Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD)
© Stiftung Deutsches Historisches Museum

Eine lächelnde, junge Traktoristin, das Lenkrad fest im Griff, den Blick entschlossen nach vorne gerichtet, begegnet uns als Postermotiv seit Ende März häufig in Berlin. Es ist weniger die Landarbeit selbst als ihre Inszenierung, die unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht: Die extreme Untersicht der Aufnahme lässt die Figur heroisch wirken, der enge Bildausschnitt verstärkt diese Wirkung. Neben der dramatischen Komposition sind es die Farbkontraste der Fotografie, die uns als Betrachter in den Bann ziehen. Die Diagonale aus roter Lenkerstange, rot-weiß gestreiftem Arbeitshemd und rot gepunktetem Kopftuch setzt sich vor dem gleißend blauen Himmel ab und verleiht der Fotografie eine besondere Ästhetik. Dieses Motiv bewirbt die Ausstellung zur Auftragsfotografie in der DDR, die unter dem Titel „Farbe für die Republik – Auftragsfotografie vom Leben in der DDR“ bis Ende August im Pei-Bau des Deutschen Historischen Museums zu sehen ist.

 

Mehr unter Zeitgeschichte-online:

Sabine Pannen, Der inszenierte Alltag. Die Ausstellung „Farbe für die Republik“ und der schwierige Umgang mit Auftragsfotografie der DDR, in: Zeitgeschichte-online, Mai 2014, URL: http://www.zeitgeschichte-online.de/geschichtskultur/der-inszenierte-alltag

 

 

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/06/10/der-inszenierte-alltag/

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Digitaler Toolkasten – 05/2014

In dieser Ausgabe des “Digitalen Toolkasten”-Newsflash berichten wir wieder vom Fortgang unserer Aktivitäten am Fachbereich Sozialwesen und zur Weiterbildung “Soziale Medienbildung”. Soziale Medienbildung jetzt auf YouTube Seit diesem Monat sind wir auf YouTube zu finden! Die ersten Videos und Screencasts sind bereits online. In dem Kanal mit dem Titel “Soziale Medienbildung” werden ab sofort die Produkte aus den Seminaren der Weiterbildung hochgeladen. Aber auch Lehrende am Fachbereich Sozialwesen können den Kanal als Grundlage nutzen, um Videos oder Screencasts hochzuladen und zu veröffentlichen. Weiterbildung “Soziale […]

Quelle: http://medienbildung.hypotheses.org/6805

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Die Fotografische Sammlung des Museum Ludwig unter neuer Leitung

Henri Cartier-Bresson: Sonntag an der Marne, 1938, Print, Silbergelatine 27,5 x 39,9 cm

 

Seit 1. August 2013 ist Dr. Miriam Halwani Leiterin der fotografischen Sammlung des Museum Ludwig in Köln. 1977 gegründet, ist die Sammlung eine der größten ihrer Art in Europa. Sie umfasst Bestände von frühen Daguerreotypien aus den Sammlungen Agfa und Lebeck über Reisefotografien, Werken der russischen Avantgarde bis hin zu zeitgenössischen Fotografien. Zeit für ein Gespräch mit der Kunsthistorikerin, die bereits für ihre Dissertation zur „Geschichte der Fotogeschichte 1839-1939“ intensiv in den Kölner Beständen recherchierte.

 

Dr. Miriam Halwani,Leiterin der Fotografischen Sammlung des Museum Ludwig, Köln

Dr. Miriam Halwani, Leiterin der Fotografischen Sammlung des Museum Ludwig, Köln

Lucia Halder: Frau Halwani, worum geht es in Ihrer Auftakt-Ausstellung am Museum Ludwig, und wann wird sie eröffnet?

 

Miriam Halwani: Die Ausstellung widmet sich der Fotografischen Sammlung und Sammlungsidee Erich Stengers. Stenger hatte 1906 angefangen, systematisch Zeugnisse der Fotogeschichte zu sammeln, d.h. außer Fotografien aller Verfahren und Anwendungsgebiete (explizit künstlerisch, wissenschaftlich, dokumentarisch) auch ganze Mappen, Bücher mit eingeklebten Fotografien, Schmuck und Hutnadeln mit eingelassenen Fotos, Handbücher, Karikaturen zur Fotografie oder auch Autografen. Bis 1955 hatte er so eine in ihrer Art einzigartige Sammlung zur Kulturgeschichte der Fotografie zusammengetragen, eine visuelle Enzyklopädie. Heute verwahrt das Museum Ludwig seine Sammlung. Stengers dezidiertes Ziel war aber die Einrichtung eines Fotomuseums, für das er konkrete Pläne vorlegte, die nun in der Ausstellung Das Museum der Fotografie. Eine Revision genutzt werden, um zwei Anliegen zu verfolgen: einmal dieses spezifische Museum im Museum vorzustellen, das Stengers Fotogeschichte erzählt – aus Sicht eines Kunstmuseum-Besuchers sicher eine alternative Fotogeschichte zu der der Highlights und großen Namen. Und zum andern soll die immer wieder formulierte Forderung nach einem grundlegenden Fotomuseum, die seit dem 19. Jahrhundert und bis heute immer wieder formuliert oder auch an unterschiedlichen Orten realisiert wurde, hinterfragt werden. Wozu eine Abgrenzung der Fotografie von anderen Bildverfahren? Das lässt sich mit Stengers Fotomuseum in einem Kunstmuseum wie dem Museum Ludwig wunderbar zur Diskussion stellen. Die Schau wird vom 28. Ju­ni bis zum 5. Ok­to­ber 2014 zu sehen sein.

 

L.H.: Henri Cartier-Bresson sagte über den Zusammenhang zwischen Kunst und Fotografie: „Die Fotografie ist ein Handwerk. Viele wollen daraus eine Kunst machen, aber wir sind einfach Handwerker, die ihre Arbeit gut machen müssen.“ Es hat auch tatsächlich lange gedauert, bis es die Fotografie ins Kunstmuseum geschafft hat. Ist der Diskurs, ob die Fotografie Kunst ist, im „age of visuality“ (W.J.T. Mitchell) mittlerweile Geschichte?

 

M.H.: Die Frage, ob Fotografie Kunst sei, so oft sie auch schon gestellt wurde, birgt letztlich eine Sprachfalle und kann zu keinem Ergebnis führen. Eine Fotografie ist eine Fotografie – ein Bild, ein Material, wenn Sie so möchten. Kunst ist eine Setzung. Interessant wird es erst, wenn wir uns von der beständig wabernden Definition von Kunst lösen und uns fragen, wie das Verhältnis der Bilder und Dinge zueinander ist, die Menschen produzieren, wie das Verhältnis der Menschen zu ihren Bildern und Dingen. Okwui Enwezor spricht vom Kunsthistoriker als Ethnologen. Ethnologen wollen Lebensweisen verstehen. Als Kunsthistorikerin möchte ich verstehen, welche Bedeutung Bilder im Leben der Betrachter spielten und spielen. – Übrigens hatte Henri Cartier-Bresson schon sehr früh, nämlich 1947, eine Ausstellung im MoMA. Ob Fotografie nun Kunst ist oder sein kann, haben Museumskuratoren also schon längst beantwortet.  

Henri Cartier-Bresson: Sonntag an der Marne, 1938, Print, Silbergelatine 27,5 x 39,9 cm

Henri Cartier-Bresson: Sonntag an der Marne, 1938, Print, Silbergelatine
27,5 x 39,9 cm

L.H.: In der Sammlung des Museum Ludwig befinden sich unterschiedlichste Bestände: Wissenschaftliche Fotografien, Reisefotografien, genuin künstlerische Aufnahmen, Dokumentarfotografien, Alben und Materialien zur Fotogeschichte. Was ist der rote Faden der Sammlung?

 

M.H.: Die Fotografische Sammlung des Museum Ludwig kann gar nicht nur einen roten Faden haben, weil sie sich aus verschiedenen Sammlungen zusammensetzt, die zu verschiedenen Zeiten nach verschiedenen Kriterien zusammengetragen wurden. Zu nennen sind allen voran die Sammlung Gruber, die Sammlung Agfa mit der Sammlung Stenger, die Sammlungen Robert Lebeck oder Daniela Mrazkova. Und genau diese Heterogenität ist es, die die Fotografische Sammlung ausmacht und es einem ermöglicht, genuin Forschung zu betreiben.  

 

Arkadi Schaichet: Komsomolze am Steuer, Moskau 1936 Print, Fotografie Silbergelatine 48 x 41 cm

Arkadi Schaichet: Komsomolze am Steuer, Moskau 1936
Print, Fotografie
Silbergelatine
48 x 41 cm

Robert Capa: Sizilianische Kampagne, Print, Silbergelatine 35,5 x 27,9 cm

Robert Capa: Sizilianische Kampagne, Print,
Silbergelatine
35,5 x 27,9 cm

 

L.H.: Was für ein Sammlungskonzept werden Sie in Zukunft verfolgen?

 

M.H.: Im Moment bin ich noch dabei, die Sammlung zu sichten, um zu erkennen, wo Lücken bestehen. Es ist wichtig, eine Sensibilität für die Zusammensetzung der Fotografischen Sammlung, aber auch die der anderen Sammlungen des Museum Ludwig zu gewinnen, bevor verantwortungsbewusste Erwerbungen für das Museum gemacht werden können. Es ist ja einiges auf dem Markt, und es werden einem fast wöchentlich Arbeiten angeboten. Überstürzen möchte ich nichts. Was einmal in der Sammlung ist, bleibt dort. Das zwingt zur Umsicht. Schließlich arbeitet ein Museum in anderen zeitlichen Dimensionen als beispielsweise ein Privatsammler.  

 

L.H.: „Inzwischen bin ich der Einzige, der weiß, wo die Dinge zu finden sind, aber ich hoffe, dies wird sich bald ändern“, sagte ihr Vorgänger Bodo von Dewitz in einem Interview im Jahr 2011.[1] Im Blick hatte er vermutlich die geplante Digitalisierung der Sammlung – derzeit ein großes Thema für viele Museen und Archive. Wie geht das Museum Ludwig damit um?

 

M.H.: Sie sprechen da ein Thema an, das mir sehr am Herzen liegt und leider in dem immer schneller werdenden Turnus an Sonderausstellungen leicht in den Hintergrund gerät. Die Fotografische Sammlung ist keine Privatsammlung und steht prinzipiell jedem offen. Nur, um bekannt zu machen, was im Museum Ludwig verwahrt wird, ist die Digitalisierung unumgänglich. Das ist bislang viel zu wenig geschehen – was auch schlicht eine Kostenfrage ist. Ich will Förderer gewinnen, die ermöglichen, die umfangreichen Bestände digital zu erfassen und online zu stellen, um es jedem zu ermöglichen, die Sammlung kennenzulernen, zu forschen, damit nicht immer über die gleichen Arbeiten gesprochen wird, weil sie einmal in einem Ausstellungskatalog gedruckt wurden. Der Kurator soll zwar physisch die Sammlung hüten, aber er sollte nicht der Einzige sein, der weiß, was sich in der Sammlung befindet. Mir ist das genauso wichtig, wie Ausstellungen zu machen. Nur ist es leichter, Geld für Ausstellungen zu akquirieren als für die vielleicht stillere, aber bei weitem nicht weniger nachhaltige Sammlungsarbeit.  

 

L.H.: Bodo von Dewitz sprach auch gerne von glücklichen „Fügungen“ und „Zufällen“ bei Neuerwerbungen. Gibt es solche Zufallsfunde und Fügungen im institutionalisierten Kunstmarkt heute überhaupt noch? 2010 ging beispielsweise ein Flohmarktfund durch die Presse: Entdeckt wurden Fotografien – vermutlich von Ansel Adams – im Wert von mehreren Millionen Dollar. Sind das Pressehypes oder ist das Fotohistoriker-Realität?

 

M.H.: Das ist nicht Alltag, aber es ist Realität. Es gibt so viele ungehobene, fast vergessene Fotos, Konvolute und Sammlungen von sehr guter Qualität, die noch in Privatbesitz sind und deren Wert erst nach und nach erkannt wird. Wie Sie wissen, hat sich ein Markt für Fotografie erst in den 1970er-Jahren etabliert. Das ist keine lange Zeit, um alle Dachböden und Archive durchstöbert zu haben oder um jedes Auge so zu schulen, Bestes von Gutem und Banalem zu unterscheiden. Aber je mehr Fotografie im Museum zu sehen ist, desto mehr bekommt man als Museum auch angeboten. Einiges ist vielleicht weniger interessant, anderes dafür eine „Entdeckung“.  

 

Edward-Jean Steichen: Dolor, aus: Camera Work 2, 1903, Print, Heliogravüre

Edward-Jean Steichen: Dolor, aus: Camera Work 2, 1903, Print, Heliogravüre

L.H.: Seit einigen Jahren beschäftigt sich die Visual History mit der Visualität von Geschichte und gleichermaßen mit der Geschichte des Visuellen. Einer kulturgeschichtlich erweiterten Zeitgeschichte verpflichtet, fließen in das Forschungsfeld zahlreiche Aspekte benachbarter Disziplinen ein. Finden Sie sich als Kunsthistorikerin in den Fragestellungen der Visual History wieder?

 

M.H.: Ich habe die Kunstgeschichte nie als abgeschottet von anderen Disziplinen erlebt. Die Visual History kann sich ja auf Traditionen berufen, die älter sind als ihr Name. Aber natürlich wirft gerade der Umgang mit der Fotogeschichte Fragen auf, die sich mit den „klassischen“ Methoden der Kunstgeschichte nicht allein beantworten lassen.

 

L.H.: Frau Halwani, häufig bezeichnen Sie Fotografien übergreifend als „Bilder“. Sie haben offenbar einen ähnlich breiten Bildbegriff wie die noch recht junge Bildwissenschaft und Visual History. Beide machen ja zunächst keinen Unterschied zwischen Kunst- und Alltagsbildern. Spiegelt ihre Sammlung dies in gewisser Weise wider, die ja auch unterschiedlichste Genres vereint?

Postkarte mit einer Fotografie von Franz Schensky aus der Sammlung Stenger, 1931

Postkarte mit einer Fotografie von Franz Schensky aus der Sammlung Stenger, 1931

M.H.: Ja. Das ist auch genau das, was mich an der jetzigen Ausstellung so reizt: Erich Stenger sammelte abseits der künstlerischen Fotografie, die für ihn nur eines von zig Anwendungsgebieten der Fotografie war, wie er es nannte. Ebenso wichtig war ihm etwa die Tierfotografie, zum Beispiel Fotos von Möwen auf Helgoland aus den 1920er/30er-Jahren. Robert Lebeck kaufte Alben aus dem Japan des späten 19. Jahrhunderts, die auch nicht als „hohe Kunst“ verstanden wurden, aber nun mal existieren. Viele Fotografen der 1920er-Jahre, die Künstler der Avantgarde meine ich, haben die Unterscheidung Kunst/Dokument längst überworfen, an der heute mitunter noch geknabbert wird, wie Ihre Frage zeigt. László Moholy-Nagy zeigt in den 20ern Bilder in seinem Buch „Malerei Fotografie Film“, wie sie Stenger sammelte, und feiert in ihnen das neue Sehen. Diesen Schritt hat Stenger nie getan. Das zeigt, wie beliebig solche Setzungen oder Zuschreibungen sind. Darum will ich mir in meinen Erkundungen der Fotogeschichte die Tür offenhalten, und das tue ich am besten mit einem Begriff wie Bild, der weniger kategorisiert.  

 

L.H.: Horst Bredekamps Bildakt-Theorie gab einen wichtigen Impuls für die Visual History. Sie impliziert die Deutung von Bildern als Akteure bzw. handlungsstiftende Agenten. Der Fototheoretiker Bernd Stiegler mahnte jüngst, dass diese Umcodierung der Handlungstheorie durchaus dramatische Konsequenzen haben könne, da nun Handlung an die Bilder delegiert werde. „Nicht nur der Mensch, sondern auch (oder sogar vorrangig) sie [die Bilder, L.H.] sind es, die Geschichte machen, prägen und formen. Eine solche Bestimmung ist politisch wie theoretisch problematisch“, so Stiegler.[2] Teilen Sie die Ansicht einer „Bildermacht“ im Bredekamp’schen Sinne oder eher die Kritik daran?

 

M.H.: Dass Bilder einen Einfluss auf uns ausüben, ist unbestritten. Dass Bredekamp wieder jenen Einfluss thematisiert, der die Menschen seit Urzeiten fasziniert oder ängstigt, fand ich wohltuend und wichtig. Aber dennoch: Kein Bild kann handeln, sondern höchstens Handlungen verursachen. An dem Begriff „Macht“ störe ich mich, weil der auf der Betrachterseite Ohnmacht impliziert – und das ist falsch, das muss jedenfalls nicht der Fall sein. Die Bilder, die den Einfluss ausüben, sind ja von Menschen gemacht. So muss es also die Aufgabe etwa eines Museums sein, Augen und Bewusstsein zu schulen, um die Mechanismen zu verstehen, die uns zu den Bildern ziehen und vielleicht anregen, bestimmte Dinge zu tun, fühlen oder denken.

 

L.H.: Eine der musealen Kern-Aufgaben neben dem Sammeln, Bewahren, Ausstellen und Vermitteln ist das Forschen. An vielen Museen fehlt es mittlerweile an Zeit und Geld für diese Kernaufgabe. Wie sieht es bei Ihnen mit der Forschung an der Fotografischen Sammlung aus – ist die Sammlung des Museum Ludwig auch zugänglich für externe Wissenschaftler?

 

M.H.: Ich bin froh, durch den Lehrstuhl für Fotogeschichte und -theorie an der Kölner Universität die Möglichkeit zu haben, auch vor Ort Forschungen anzuregen. Und ich hoffe auf eine enge Zusammenarbeit. Tatsächlich könnte das ein Konflikt sein: diese hervorragenden Bestände zu sichten und nicht die Zeit zu haben, allen Fragen nachgehen zu können, wie es zur Zeit der Promotion noch möglich war. Aber ich muss das ja auch nicht alleine tun. Hauptsache ist doch, die Bestände werden öffentlich gemacht, in Ausstellungen, Publikationen, Datenbanken, und regen Wissenschaftler an, ins Museum Ludwig zu kommen und an den Objekten zu forschen. Wir haben einen Vorlageraum, die Möglichkeit besteht also ohne weiteres. Und es kommen regelmäßig Besucher aus der ganzen Welt, um für Ausstellungen oder Publikationen Einsicht in die Bestände zu nehmen. Meine Aufgabe ist es, ihnen den Zugang zu erleichtern und so das Wissen über die Sammlungsbestände zu vergrößern.

 

L.H.: Vielen Dank für das Gespräch!

 


[1] Bodo von Dewitz/Alexander Kraus/Andreas Renner, Kein Künstler, aber ein „verspielter Hund“: Bodo von Dewitz über das Kuratieren als kreativen Prozess , in: zeitenblicke 10, Nr. 2, [22.12.2011], URL: http://www.zeitenblicke.de/2011/2/Interview/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-31879.
[2] Bernd Stiegler, Rezension zu: Paul, Gerhard: BilderMACHT. Studien zur Visual History des 20. und 21. Jahrhunderts, Göttingen 2013, in: H-Soz-u-Kult, 29.11.2013, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2013-4-173>.

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/05/26/die-fotografische-sammlung-des-museum-ludwig-unter-neuer-leitung/

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Die “Collection Baudouin” – Beschlüsse der Nationalversammlung aus den Jahren 1789-1795 vollständig zugänglich im Netz (Mittwochstipp 40)

Bevor das Bulletin des lois begründet wurde, in dem über 150 Jahre lang die Gesetze in Frankreich publiziert wurden, gab es bereits die Collection Baudouin, genauer gesagt die “Collection générale des décrets rendus par l´Assemblée nationale“, herausgegeben und gedruckt in … Weiterlesen

Quelle: http://francofil.hypotheses.org/2403

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Methodenworkshop: Bilder als wissenschaftliche Quelle

Erste Seite des Hochzeitsalbums einer jungen Frau aus Dakar, 2004

In vielen historischen, kultur-, medien- und politikwissenschaftlichen oder ethnologischen Forschungsprojekten besteht der Wunsch und nicht zuletzt auch die Notwendigkeit, neben schriftlichen Quellen auch Bilder als Quellen gewinnbringend in das Forschungsvorhaben einzubringen. Trotz der bereits erschienenen methodischen Hilfestellungen zeigt sich außerhalb der kunst- und bildwissenschaftlichen Praxis eine gewisse Unsicherheit.[1] Innerhalb der unterschiedlichen Forschungsvorhaben und den davon abhängigen, spezifischen Zugängen zu Bildquellen ist die Frage, welche Methoden und Analyseverfahren im Kontext der eigenen Fragestellungen eingesetzt werden können, nach wie vor präsent.

Von dieser Schwierigkeit im praktischen Umgang mit Bildern – seien es Gemälde, Grafiken, Fotografien, Comics, Logos oder Videobilder – ausgehend, entstand auf Initiative von Daniela Fleiß in Zusammenarbeit mit dem Doktorandenkolleg Locating Media im Rahmen der Nachwuchsförderung an der Philosophischen Fakultät der Universität Siegen die Idee eines Methodenworkshops, der sich konkret und praktisch mit Bildern als wissenschaftliche Quelle beschäftigen sollte. Ziel der eintägigen Veranstaltung, an der neben den Organisatorinnen und den eingeladenen ReferentInnen vorwiegend DoktorandInnen teilnahmen, war das Zusammentragen konkreter methodischer Lösungsansätze sowie die Reflexion bereits vorhandener Erkenntnisse im wissenschaftlichen Umgang mit Bildquellen.

In den einführenden Grußworten von ANGELA SCHWARZ (Siegen), Prodekanin für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, GABRIELE SCHABACHER (Siegen), wissenschaftliche Koordinatorin des Graduiertenkollegs, und DANIELA FLEIß (Siegen), wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte, wurde nochmals die Notwendigkeit einer Diskussion über die zur Verfügung stehenden Methoden und deren Anwendung und Brauchbarkeit deutlich.

Die drei Impulsreferate, die den ersten Teil des Workshops gestalteten, stellten bereits erprobte Methoden vor und zur Diskussion. In Vertretung von JENS JÄGER (Köln), der persönlich nicht anwesend sein konnte, las Angela Schwarz dessen Vortrag Kein Bild ohne Kontext. Oder: Gibt es kontextunabhängige Bedeutungen? vor, in dem fotografische Bilder im Mittelpunkt standen. Sein Ausgangspunkt war es, auf Probleme, die sich bei der Arbeit mit fotografischen Quellen ergeben können, aufmerksam zu machen und konkrete Lösungsansätze vorzustellen. So besteht nach Jäger die Schwierigkeit weniger im Umgang mit sogenannten Ikonen, zu denen die wichtigsten Informationen vorliegen, als vielmehr im Umgang mit denjenigen Fotografien, deren Entstehungskontext und Rezeptionsbedingungen nicht bekannt sind. Für die Bearbeitung solcher Bildquellen schlug Jäger vor, sie als Teil des Narrativs zu untersuchen, in welches sie eingebunden sind. Auch wenn jegliche Informationen über den Bildträger hinaus verloren gegangen sind, so existiert doch das Bildobjekt selbst, das auf seine technische Herstellung und ästhetische Erscheinung hin befragt werden kann. Insbesondere letztere folgt Konventionen, die Aufschlüsse über die Entstehungszeit oder die Funktion des Bildes eröffnen können. Bereits diese Informationen lassen eine kritische Quellenanalyse zu. Dabei, so Jäger schließlich, dürften Bildquellen nicht isoliert betrachtet werden, sondern müssen stets in Beziehung zu anderen Quellen – auch unterschiedlicher Art – gesetzt werden. Auf diese Weise verneinte er die eingangs gestellte Frage nach der Existenz einer kontextunabhängigen Bedeutung: Denn auch wenn über die Fotografien selbst keine konkreten Informationen vorliegen, so können über ihre Materialität und Erscheinung Rückschlüsse auf ihren Entstehungskontext gezogen werden. Auf diese Weise bleibt kaum eine Bildquelle kontextlos.

Daran schloss der Vortrag MARTIN KNAUERS (Münster) auch inhaltlich an, indem er exemplarisch an einem Bildtypus aufzeigte, wie der von Jäger angesprochene Kontext und dessen Erschließung rekonstruiert werden könne. Knauer spannte dabei den Bogen vom Herrscherbildnis über aktuelle politische Porträts hin zu einer besonderen Form des gegenwärtigen Selbstporträts: dem Selfie, das in jüngster Zeit über soziale Internetplattformen eine wachsende Verbreitung findet. Knauer führte vor Augen, wie sich dieses an die Darstellungskonventionen des traditionellen Bildtypus anlehnt. Als Beispiele dienten hier Herrscherbildnisse und aktuelle Pressebilder Putins, die ebenfalls durch das Zurückgreifen auf bereits bestehende Repräsentationstraditionen nicht zuletzt auch eine spezifische Rezeption auslösen. In allen drei Beispielen bestätigten sich formale Parallelen in der (Selbst-)Darstellung. Das Selfie gibt der Gattung Porträt eine neue Relevanz, die nicht zuletzt auch ein wissenschaftliches Potenzial bereithält. Doch wie kann methodisch mit diesen Bildern gearbeitet werden? Für eine erste Annäherung empfahl Knauer einen assoziativen Umgang, der schließlich um traditionelle Fragestellungen ergänzt werden müsse, um die Tradition, die Funktion und den Gebrauch dieser Bilder erschließen zu können.

Den Ausgangspunkt des dritten Vortrags von ANDREAS ZEISING (Siegen) bildete schließlich die Frage: Was macht die Kunstgeschichte mit Bildern? So verdeutlichte Zeising, dass sich die Kunstgeschichte zwar nicht nur mit Bildern beschäftige, der Umgang mit diesen jedoch eine Kernkompetenz des Fachs darstelle. Folglich würden sich auch die Methoden der bildwissenschaftlichen Anschauung aus der Kunstgeschichte heraus entwickeln, da auch Bilder außerhalb des klassischen Bereichs der Kunst auf ihre Bildlichkeit hin untersucht werden müssten. Hier lieferten die Methoden, die innerhalb der Kunstgeschichte entwickelt worden seien, ein wertvolles Instrumentarium, das von den Bildern aus denke und nach deren Funktionsweisen frage. Drei von Zeising abschließend vorgestellte Methoden – Rezeptionsästhetik, (politische) Ikonografie und Interpiktorialität – könnten sich schließlich auch für eine Bildanalyse außerhalb der kunsthistorischen Forschung eignen.

Richard Caton Woodville: Eine Warnung, in: Das Buch für alle, Jg. 33, Heft 19 (1897), S. 453.

Richard Caton Woodville, Eine Warnung, in: Das Buch für alle, Jg. 33, Heft 19 (1897), S. 453.
Aus dem Promotionsprojekt „The Gift of History: Geschichtspopularisierung transnational in britischen und deutschen Zeitschriften des 19. Jahrhunderts“ (Arbeitstitel)
von Tobias Scheidt, Universität Siegen

Der zweite Teil des Workshops diente dazu, in Kleingruppen methodische Schwierigkeiten an konkreten Einzelbeispielen zu diskutieren. Im Vorfeld waren die TeilnehmerInnen dazu aufgefordert worden, Bildbeispiele mitzubringen, um so die im jeweiligen Forschungsvorhaben auftretenden methodischen Schwierigkeiten zu veranschaulichen. In der gemeinsamen Gruppendiskussion wurde schließlich an potenziellen Lösungen gearbeitet. In der Gruppe, die von Martin Knauer angeleitet wurde, fanden sich die Projekte zusammen, die sich zeitlich vor 1900 orientieren. Dabei standen Druckgrafiken und Fotografien vom 16. bis zum frühen 20. Jahrhundert zur Diskussion. Thematisch reichte das Spektrum der zu behandelnden Bilder von Illustrationen in historischen Lehrbüchern und der illustrierten Presse bis hin zu kolonialen sowie wissenschaftlichen Fotografien und Ausstellungsaufnahmen. In der zweiten, von Andreas Zeising moderierten Gruppe, wurden Bildquellen aus dem 20. und 21. Jahrhundert präsentiert und besprochen. Diese stammen aus Forschungsprojekten zur Umweltbewegung, zur Selbstpräsentation von Militärfirmen, zu Medienpraktiken im Kontext der Migration, zum Kalten Krieg in Computerspielen, zur Fabrik als touristischer Ort um 1900 und zur Straße als Massenmedium.

Bei der Präsentation und Diskussion der Fallbeispiele kristallisierten sich trotz der Bandbreite an Themen und Quellen in beiden Gruppen ähnliche Fragen und Schwierigkeiten heraus. So wurde diskutiert, wie aus einem großen Bildkorpus eine repräsentative, aussagekräftige Auswahl an Einzelbildern getroffen werden kann, die sich für eine detaillierte Analyse eignet. Dabei wurde der Vorschlag eingebracht, den Korpus in verschiedene Kategorien, die abhängig vom jeweiligen Bildkorpus ggf. selbst generiert werden müssen, zu unterteilen, um festzustellen, wie repräsentativ ein Einzelbild für den gesamten Bildbestand ist. Schließlich könnten sowohl typische wie auch untypische Bilder zur genaueren Behandlung ausgewählt werden, um einen Gesamteindruck des Bestands zu garantieren. Dabei wurde eine Auswahl und Kombination möglichst verschiedener Bildmedien, sofern diese innerhalb eines Themas relevant sind, gutgeheißen.

Mehrfach kam darüber hinaus die Problematik zur Sprache, über nur wenige Zusatzinformationen zu den Bildern zu verfügen. Sowohl bei wissenschaftlichen Fotografien wie auch bei Kolonialaufnahmen sind Entstehungsbedingungen und Urheber der Aufnahmen häufig unbekannt. Hierbei stellten sich die Fragen, wie diese Bilder behandelt werden können und welche Informationen dennoch rekonstruierbar sind. Auch der Umgang mit filmischen Bildern sowie die Rolle und Bedeutung eines Filmstills in der Analyse der narrativen Struktur wurden diskutiert. In den einzelnen Diskussionen wurden dabei die in den Impulsreferaten vorgeschlagenen Methoden und Lösungsansätze nochmals aufgegriffen. Die von Jäger betonte Notwendigkeit, stets den Kontext mitzudenken, in dem die Bilder eingebettet sind und der sich in zeitgenössischen Bildwelten, Bildpräsenzen und Bildpraktiken äußert, wurde bekräftigt. Auch die von Zeising vorgestellten Methoden erwiesen sich als hilfreich.

Erste Seite des Hochzeitsalbums einer jungen Frau aus Dakar, 2004

Erste Seite des Hochzeitsalbums einer jungen Frau aus Dakar, 2004.
Aus dem Promotionsprojekt „Medien, Geschlecht und Generationen: translokale Vernetzungen und mediale Räume von Senegales_innen in Berlin und Dakar“ von Simone Pfeiffer, Universität Siegen

Nach der Gruppenarbeit kamen abschließend nochmals alle TeilnehmerInnen zusammen, um die Ergebnisse der Gruppendiskussionen zu präsentieren. Insgesamt stellte sich heraus, dass für die Arbeit an und mit Bildern kein Patentrezept geschrieben werden kann. Abhängig von der Fragestellung nehmen Bilder als Quelle unterschiedliche Relevanzen ein und verlangen je nach Disziplin, Quantität und Qualität individuelle Methoden. So können nicht nur bereits existierende Herangehensweisen helfen, sondern Untersuchungsmöglichkeiten müssen oftmals gänzlich neu gedacht werden. Darin liegt zum einen eine Schwierigkeit, zum anderen aber auch ein Gewinn für die historische Bildforschung.

Als Fazit wurde empfohlen, die Bilder in ihrer Materialität und historischen Dimension zu behandeln sowie stets deren Herstellungs- und Verbreitungsbedingungen zu berücksichtigen. Erst in dieser Kombination kann eine dem Bild gerechte und für das Forschungsvorhaben gewinnbringende Analyse erfolgen. Auch die Kombination mit anderen Quellen wurde nochmals betont, in deren Verbund das Bild zwar eine eigene, jedoch nicht isolierte Rolle einnehmen müsse. Abschließend wurde dazu ermutigt, ergebnisoffen an Bilder heranzutreten und nicht eine ungeprüfte These auf das Bild anzuwenden, wodurch andere Deutungsmöglichkeiten von vornherein ausgeschlossen würden.

Insgesamt kann auf einen sowohl in seinem Format, seiner Struktur wie auch seiner inhaltlichen Diskussion sehr gelungenen Workshop zurückgeblickt werden. Die große Bandbreite an fachlichen Disziplinen, unterschiedlichsten Bildtypen und Forschungsthemen bestätigte, welch hoher Stellenwert dem Bild als wissenschaftlicher Quelle zugeschrieben werden muss und dass die Etablierung eines sicheren und selbstverständlichen Umgangs mit diesen ein wichtiges Vorhaben ist.

 

[1] Zur Einführung in die historische Bildforschung siehe u.a.: Martina Heßler, Konstruierte Sichtbarkeiten. Wissenschafts- und Technikbilder seit der frühen Neuzeit, München 2006; Jens Jäger, Photographie. Bilder der Neuzeit. Einführung in die historische Bildforschung, Tübingen 2000; Jens Jäger, Fotografie und Geschichte, Frankfurt a.M. 2009; Gerhard Paul, BilderMACHT. Studien zur „Visual History“ des 20. und 21. Jahrhunderts, Göttingen 2013; Gerhard Paul (Hrsg.), Visual History. Ein Studienbuch, Göttingen 2006.

 

Siehe auch den Tagungsbericht von Tobias Scheid: Bilder als wissenschafliche Quelle. Interdisziplinärer Methodenworkshop auf H-Soz-u-Kult vom 30.6.2014.

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/05/19/methodenworkshop-bilder-als-wissenschaftliche-quelle/

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Helmut Lethen: Der Schatten des Fotografen

Lethen_Schatten

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Auf H-Soz-u-Kult bespricht Annette Vowinckel die Sammlung von Essays von Helmut Lethen, bei denen es u.a. um das scheinbar idyllische Bild der Minensucherin geht, um die Geschichte hinter Dorothea Langes ikonischer Fotografie der „Migrant Mother“ von 1936 oder auch um die in der Sowjetunion produzierte „Unterwäsche, die kratzte, verrutschte, verführte, manchmal auch vererbt wurde“ – eine Beschreibung, die neugierig macht.

H. Lethen: Der Schatten des Fotografen (Annette Vowinckel), H-Soz-u-Kult, 29. April 2014

Helmut Lethens Buch „Der Schatten des Fotografen“ wurde in diesem Jahr mit dem Preis der Leipziger Buchmesse in der Sparte Sachbuch/Essayistik ausgezeichnet.

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/05/14/helmut-lethen-der-schatten-des-fotografen/

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