Bericht von der Tagung des Käte Hamburger Kolleg »Recht als Kultur«: »Law as culture. Max Weber’s comparative cultural sociology of law«




Die »Rechtssoziologie« Max Webers gehört zu den zentralen Textpassagen seines fragmentarisch gebliebenen Monumentalwerks »Wirtschaft und Gesellschaft«, das als posthume Kompilation seit jeher die Anstrengungen der Interpreten herausgefordert hat. Webers Schriften zum Recht sind, nicht nur im Kontext seines Gesamtwerkes, zugleich bedeutsam und im hohen Maße der Deutung bedürftig. Diese oft enigmatischen Schriften weisen eine Vielschichtigkeit auf, die nicht allein im ambitionierten thematischen Ausholen Webers besteht, sondern in der Textgestaltung auch materiell offenbart wird. Die seit kurzem vorliegende, im Rahmen der Max-Weber-Gesamtausgabe situierte kritische Edition des Rechtsbandes (MWG I/22-3) präsentiert die archäologische Arbeit, die die Genesis der Texte in all ihren Entwürfen und Revisionen dokumentiert.

Die internationale Tagung, die das Käte Hamburger Kolleg »Recht als Kultur« der Rechtssoziologie Webers unter dem Titel »Law as culture. Max Weber’s comparative cultural sociology of law« widmete, stellte den kollektiven Versuch dar, dieser Vielschichtigkeit gerecht zu werden und opake Stellen des Weber’schen Rechtsdenkens zu erhellen. Dass die 22 Vorträge, die die versammelten Weber-Experten vom 25. bis 27. Oktober 2012 im Käte Hamburger Kolleg hielten, nicht zu einem argumentativen »Einverständnis« führten, stellte keine Überraschung dar. Der sachlichen Diskussionsatmosphäre war es aber zu verdanken, dass auch dort, wo grundsätzliche Differenzen zurückblieben, ein geschärfter, zum Teil neu justierter Blick auf das Weber’sche Werk ermöglicht wurde.

Das »Collagenwerk« Max Webers

Werner Gephart, der Direktor des Käte Hamburger Kollegs »Recht als Kultur«, berichtete in seinem Eröffnungsvortrag zunächst von seinen Erfahrungen als Herausgeber des »Rechtsbandes«. Der editorische Befund sei, dass es sich bei dem der Rechtssoziologie Webers zugrundeliegenden Manuskript um ein »Collagenwerk« handele – eine Werkstruktur, die Gephart in einer abendlichen Vernissage eigener Collagen, die sich mit dem Schaffen Webers auseinandersetzen, auch visuell verdeutlichte. Gephart ging in seinem Vortrag aber auch auf die thematischen Felder der Weber’schen Rechtsanalyse ein und legte dar, warumsich diese, wie es ja der Titel der Tagung schon unterstellte, tatsächlich als Beitrag zu einer vergleichenden Kultursoziologie des Rechts lesen ließen – eine These, der die Vortragenden und Diskutanten im Laufe der Konferenz auf unterschiedlichen Wegen auf den Grund gehen sollten. Debattiert wurde aber nicht nur über die kulturwissenschaftliche Ausrichtung der »Rechtssoziologie« und über die Bedeutung des Weber’schen Ansatzes für die Analyse aktueller Konflikte, die im Zuge der Globalisierung in Erscheinung treten, sondern auch über die Prägungen und den Einfluss dieses Unternehmens.

Prägungen und Wirkungen der »Rechtssoziologie«

So ging die Soziologin Uta Gerhardt auf den unmittelbaren theoretischen Einfluss Webers ein, indem sie Talcott Parsons als einen Weberianer vorstellte, der in wichtigen Punkten über Weber hinausgegangen war. Auch spezifische nationale Rezeptionsgeschichten wurden auf der Tagung gegenübergestellt. Masahiro Noguchi (Kyoto) konstatierte für den japanischen Kontext eine relative Vernachlässigung der Rechtssoziologie im Vergleich zu den anderen Schriften Webers, und auch Marta Bucholc (Warschau/Bonn) kam bei einem Blick auf die polnische Rezeption zu dem Schluss, dass Weber in der Regel allenfalls als Theoretiker von Staat, Politik und Herrschaft wahrgenommen werde – seine rechtssoziologischen Schriften seien erst vor wenigen Jahren übersetzt worden. Der Pariser Jurist Olivier Beaud wiederum bedauerte, dass seine eigene Disziplin sich bisher aufgrund eines fortgeschrittenen Positivismus kaum der Lektüre Webers gewidmet habe. Dabei könnten gerade Juristen des öffentlichen Rechts von Weber lernen, wie die Entwicklung des okzidentalen Rechts mit der Entstehung des modernen Staates einhergehe. So könne auch die verbreitete Gegenüberstellung von den Individuen als Trägern subjektiver Rechte einerseits und dem Staatsapparat andererseits aufgelöst werden, da sich mit Weber nachvollziehen lasse, wie der Staat zum Garanten der individuellen Rechte werden konnte. Zugleich mache der soziologische Blick Webers auf die Realitäten eines außerstaatlichen Rechts aufmerksam, das den Staat lediglich als einen partikularen Rechtsgaranten unter vielen möglichen erscheinen lasse. Solange die Jurisprudenz in Frankreich und an anderen Orten jedoch keine Notiz von rechtssoziologischen und -historischen Untersuchungen dieser Art nehme, müsse die eigene Sichtweise beschränkt bleiben. Dass Webers Einfluss in Deutschland nicht rein wissenschaftlicher Natur war, illustrierte Dieter Engels, der Präsident des Bundesrechnungshofes, sei Weber doch durch seinen Artikel von 1917, in dem er sich mit dem zukünftigen Verhältnis von Parlament und Regierung auseinandersetzte, zu einem »geistigen Vater« des parlamentarischen Minderheitenrechts in Deutschland geworden.

Nicht auf den Einfluss Webers, sondern auf bestimmte Prägungen seines Werks ging der Zürcher Rechtshistoriker Andreas Thier ein, indem er nachwies, wie Weber in seiner Untersuchung der Entwicklung des kanonischen Rechts auf die Narrationen eines Otto von Gierke und eines Rudolph Sohm zurückgriff, deren Grundideen aber zurechtbog, so dass sie sich besser in seine eigene Erzählung der fortschreitenden Rationalisierung des okzidentalen Rechts fügten.

Die Religion und die Entwicklungsbedingungen des rationalen Rechts

Thiers Vortrag war auch deswegen aufschlussreich, weil er zeigte, dass sich die Entwicklung der rechtlichen Rationalisierung nicht in kompletter Abkopplung von der Religion vollzog. Vielmehr wurde gerade das kanonische Recht zu einem entscheidenden Faktor der Rationalisierung, indem es, einhergehend mit der Evolution der Kirche zur »Anstalt«, ein einflussreiches formal-rationales Recht konstituierte, das sich vom heiligen Recht abgrenzte. Thier stimmte hier der Deutung Werner Gepharts aus dem Rechtsband zu. Der Theologe und ehemalige Fellow des Käte Hamburger Kollegs »Recht als Kultur« Philipp Stoellger von der Universität Rostock betonte in seinen Ausführungen zu Spuren des Protestantismus in Webers Rechtssoziologie noch dezidierter, dass die Entstehung des modernen Rechts nicht als simple Ablösung von Religion zu verstehen sei, sondern dass es einen »Differenzierungsbedarf jenseits der vertrauten Säkularisierungs- und Ausdifferenzierungsthese« gebe. Stoellger warf die Frage auf, welche Rolle der Protestantismus für die Rechtsentwicklung und auch das Rechtsverstehen spielen könne. Die verstehende Soziologie, und damit auch die Rechtssoziologie Webers, sei als eine »Figur des Nachlebens der reformatorischen Hermeneutik« anzusehen. Die Einflüsse des Protestantismus auf das Recht beurteilte Stoellger differenziert: Einerseits stellte er fest, dass die Semantik der lutherischen Rechtfertigungslehre juridisch geprägt sei und somit als theologischer Beitrag zur Rechtsentwicklung gelesen werden könnte. Andererseits sei die Struktur und Funktion dieser Rechtfertigung nicht mehr juridisch zu verstehen. Kern der Lehre sei nämlich nicht ein rechtsäquivalentes Verhältnis von Gott und Mensch oder Mensch zu Mensch, sondern es gehe um eine passive Gerechtigkeit, um eine »Gerechtmachung des Ungerechten«, die auf der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium beruhe: »Unter dem Gesetz ist der Mensch Sünder und entsprechend zu verurteilen; unter dem Evangelium aber ist und bleibt er gerechtfertigt«. Auf dieser Basis sei eine Ausdifferenzierung von »Herrschaft und Heil« erfolgt, die für die Formalisierung und Rationalisierung des Rechts von hoher Bedeutung gewesen seien. Die Ausdifferenzierung bleibe jedoch ambivalent, da die »Heilsordnung« immer noch als maßgebend gelten könne. Der hieraus resultierende Ordnungskonflikt von Recht und Religion sei, so Stoellger, nicht prinzipiell zu lösen, sondern situativ zu entscheiden.

Auf der Suche nach der Weber’schen Ordnung

Ordnungskonflikte und -relationen anderer Art standen im Mittelpunkt der Tagung, während der Weber als ein Theoretiker pluraler, zum Teil konkurrierender sozialer Ordnungen beleuchtet wurde. Der Leipziger Politologe Andreas Anter verwies darauf, dass der Begriff der »Ordnung« eine Schlüsselrolle in Webers Kategoriengebäude einnehme, jedoch nirgendwo eine eindeutige Bestimmung erfahre, sondern vielmehr als Grundtatbestand vorausgesetzt werde. Dass die Ordnungskonzeption Webers untrennbar mit seinem Handlungsbegriff verbunden sei, sei ein theoriegeschichtlich bedeutender Schritt. Ordnung tauche bei Weber nicht nur als etwas durch verschiedene Zwangsmechanismen Durchzusetzendes auf, sondern vor allem als soziale Struktur, deren Existenz an einen spezifischen Geltungsglauben geknüpft sei. Hier zeichne sich auch eine Spannung des Ordnungskonzeptes ab, die repräsentativ für die moderne politische Theorie und Rechtsphilosophie sei.

Die konstitutive Verbindung von Ordnung und Sinn, Ordnung und Geltung entwickelte sich im Anschluss zu einem der größten Diskussionsthemen der Tagung. Weber macht das »Einverständnis« zum Geltungsgrund einer Ordnung, die nie allein auf Zwang beruhen kann. Darüber, dass dieses Einverständnis weder als faktischer Konsens noch als dogmatische Forderung zu deuten sei, herrschte Einigkeit. Martin Albrow, zur Zeit Fellow am Käte Hamburger Kolleg, betonte, dass »Ordnung« bei Weber sehr stark an die Dimension des Glaubens geknüpft sei. Hier komme dann, so Werner Gephart, auch der »Einverständnisglaube« ins Spiel. Tatsächlich beruht bei Weber das Einverständnishandeln auf dem subjektiven Glauben an die objektive Geltung einer Ordnung oder bestimmter Normen. Johannes Weiß wies in diesem Zusammenhang noch darauf hin, dass Weber mit dem Begriff der »Chance« versucht habe, die Handlungsaspekte mit der strukturellen Dimension von Ordnungen zu verknüpfen.

Mit dem Konzept der Wirtschaftsordnung setzte sich Hinnerk Bruhns (Paris) in seinem Vortrag auseinander, in dem er die Begrifflichkeit Webers in der wirtschaftlichen Sphäre inspizierte. Bruhns erinnerte daran, dass Weber eine funktionale Beziehung zwischen Rechts- und Wirtschaftsordnung entschieden abgelehnt habe. Er habe auch keine systematische Typologie von Wirtschaftsordnungen aufgestellt, auch wenn er faktisch die kapitalistische, die projizierte sozialistische und etwa auch die antike Wirtschaftsordnung analysiert habe. Der Schlüsselbegriff in diesen Untersuchungen sei aber jener des »Verbandes« gewesen.

Edith Hanke (München) betrachtete wiederum das Verhältnis von Rechts- und Herrschaftsordnungen, wie sie sich in der Weber’schen Soziologie darstellten. In entwicklungshistorischer Perspektive habe Weber Recht und Herrschaft in seinen Ausführungen zu den politischen Gemeinschaften aufeinander bezogen. Im modernen Anstaltsstaat seien beide Ordnungen, Recht und Herrschaft, über die legal-rationale Form der Legitimität miteinander verknüpft. In typologischer Hinsicht hingegen ließen sich den drei Typen der Herrschaft nur begrenzt entsprechende Rechtstypen zuordnen, etwa in der Korrespondenz von rational-systematischer Justiz und rational-bürokratischer Herrschaft sowie bei der »charismatischen« Justiz, die ihr Äquivalent in der charismatischen Herrschaft habe. In einer strukturellen Perspektive könne man so am besten von »Wahlverwandtschaften« zwischen den Strukturen des Rechts, der Wirtschaft und der Herrschaft sprechen.

Weber und der Rechtspluralismus

Hubert Treiber, Soziologe aus Hannover, führte in seinen Bemerkungen aus, was auch in vielen anderen Beiträgen anklang, nämlich die Entwicklung eines pluralistischen Rechtsbegriffs bei Weber, der ihn sogar als »Ahnherren« des legal pluralism erscheinen lasse. Treiber erinnerte an Webers Ausführungen in seinem Text »Die Wirtschaft und die Ordnungen«, in denen er das Bestehen einer Rechtsordnung an die Existenz eines speziellen »Zwangsapparats« knüpfe, der wiederum durch zu diesem Zweck bereitstehende, mit bestimmten Zwangsmitteln ausgestattete Personen konstituiert werde. Die Geltung von Recht sei bei Weber Bestandteil eines Verbandshandelns, nicht aber unbedingt an den staatlichen Rechtszwang gebunden. So mache Weber den Weg frei für die Analyse eines außer- und vorstaatlichen Rechts, wie es die Bewegung des legal pluralism später auf nicht immer präzise Weise zum Programm erhoben habe, aber auch für die Untersuchung anderer normativer Ordnungen, die mit dem staatlichen Recht in Konflikt geraten könnten. Martin Albrow griff in seinem Schlussvortrag gerade diese Erkenntnis Webers auf, da sie für die Erforschung von normativen Konflikten, die im Zuge der Globalisierung entstünden, äußerst wertvoll sei.

Webers Lehren für die Rechtssoziologie

Über die bloße Exegese hinaus versuchten die Vortragenden und Diskutanten also auch, manche der Erkenntnisse und Methoden Webers für die zeitgenössische Forschung fruchtbar zu machen. Vielen Tagungsteilnehmern erschien gerade das komparative Vorgehen Webers, bei allen Differenzen im Detail, als nachahmenswert. Joachim Savelsberg (Minneapolis) zeigte in seiner Präsentation bestimmter Entwicklungen des internationalen Strafrechts zudem, dass auch die Weber’sche Unterscheidung von formal-rationalem und material-rationalem Recht ein nützliches Untersuchungsinstrument sein könne, da mit ihm inhärente Spannungen der rechtlichen Rationalität offengelegt werden können. Letztlich offen blieb die Frage, inwieweit Webers Rechtssoziologie tatsächlich als vergleichende Kultursoziologie des Rechts verstanden werden könne. Der Pariser Soziologe François Chazel, der außerordentlich lobende Worte für die kritische Edition des Rechtsbandes fand, bezweifelte, dass dies die Ambition Webers gewesen sei, zumal dieser den Begriff der Rechtskultur nie verwandt habe. Vielmehr habe er eine Soziologie der Ordnungen entwickelt. Werner Gephart entgegnete, dass gerade das Konzept der »Einverständnisgemeinschaft« auf einen jeweils spezifischen kulturellen Kontext verweise, auf einen spezifischen Sinn, der den Focus der Kulturwissenschaften bilde. Ordnung sei ohne ihre »Kulturbedeutung« gar nicht zu denken. Und in Webers Analyse der historischen Varianz der Rechtsentwicklungen ließen sich die geeigneten Kategorien finden, um die verschiedenen (normativen, symbolischen und organisationellen) Dimensionen dieser Rechtsevolution zu erfassen, die auch ein tieferes Verständnis der Eigenarten und des Konflikt heutiger Rechtsordnungen und -kulturen ermögliche. Dass Webers Werk für dieses ambitionierte Vorhaben von nicht geringem Nutzen ist, darf zumindest als ein Ergebnis dieser Tagung gelten.

Text: Jan Christoph Suntrup

Fotos: Helge Pohl

Quelle: http://maxweber.hypotheses.org/644

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Liveblog “Umkämpfte Erinnerung – wie mit Geschichte Politik gemacht wird”

Am 30. November werden wir ab 17 Uhr live von unserer Veranstaltung in Leipzig bloggen. Wer es also nicht bis in die Sächsische Akademie der Wissenschaften schafft, kann sich auf diesem Weg in die Diskussion einschalten. Sie haben geschichtspolitische Fragen an Heinz Duchardt, Norbert Frei, Ute Daniel, Günter Heydemann und die Moderatorin Hilde Weeg? Dann können sie diese auch hier direkt in den Kommentaren oder auf Twitter unter dem Hashtag #gid12 stellen. Anregungen gibt es in unserem Linkdossier und den Vorab-Statements von Ute Daniel, Heinz Duchardt und Günter Heydemann. Das Team von Geisteswissenschaft im Dialog freut sich auf Ihre Interventionen!

Quelle: http://gid.hypotheses.org/146

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Destroy when done: Ein Fallbeispiel aus der wissenschaftlichen Praxis über die Auswirkungen von Open Access auf misstrauische Menschen

  Neue digitale Technologien und vor allem das Internet ermöglichen die freie Zirkulation und Verfügbarkeit von Wissen und Daten. Das herkömmliche Urheberrecht hält mit dieser Entwicklung nicht Schritt und der Ruf nach Open Access für wissenschaftliche Werke und andere Wissensbestände wird lauter. Die Zukunft verheißt eine globale Wissenschaft, in der Wissen nicht mehr monopolisiert werden kann, sondern allen Menschen an jedem Ort der Erde zugänglich ist. (Für eine postkoloniale Perspektive dazu siehe Artikel über library.nu.) Diese Entwicklung stößt jedoch nicht bei allen Produzenten von wissenschaftlichen Arbeiten auf Zustimmung, sondern führt bei manchen zu Verfolgungswahn und völliger Abschottung von Wissen, wie ich bei der Jagd nach einer abgeschlossen jedoch unveröffentlichten Dissertation feststellen musste. Meine Jagd begann mit dem Hinweis eines Mitarbeiters eines Oral History Archivs, dass in Kalifornien ein Historiker eine Dissertation verfasst hat, die sich mit dem Untersuchungsgegenstand meiner eigenen Dissertation beschäftigt. Aus Interesse an meiner Untersuchung und selbstverständlich auch, um eine Doppeldissertation zu vermeiden, musste ich diese Arbeit sehen. Da die Dissertation an einer amerikanischen Universität eingereicht wurde, führte mich mein erster Weg zu ProQuest, einem Internetportal, das fast alle amerikanischen Master-Abschlussarbeiten und Dissertationen auflistet und entweder zum Download oder Kauf anbietet. Die gesuchte Arbeit war auch dabei, jedoch war es weder möglich sie herunterzuladen noch zu kaufen, was mich verwunderte, da nur wenige Werke in dieser Weise eingeschränkt sind. Mein zweiter Versuch führte mich direkt zu der Homepage der University of Michigan, die ProQuest beheimatet und Dissertationen in gedruckter Form ausschließlich zum Kauf anbietet. Aber auch hier hatte ich keinen Erfolg. Mein dritter Anlauf war die Homepage der Universität, an der die Dissertation eingereicht worden war. Die Arbeit hier zu finden war kein Problem. In der Detailanzeige stand, dass die Arbeit 2009 eingereicht und 2011 veröffentlicht worden war. Ich atmete auf: Anfang 2012 sollte es also kein Problem sein, sie zu lesen. Der Link führte mich zu einer weiteren Seite, die aus einem einzigen Satz bestand: „The digital asset is restricted until July 2014. Please contact archives if you have any questions.“ Als vierten Versuch were ich somit meine E-Mail an das Archiv der Universität, die ich umgehend verfasste und auf die ich keine Antwort erhielt. Die weitere Suche brachte mich auf eine Seite, die nur durch das Login von Mitgliedern der Uni zugänglich ist. Durch Zufall machte ich die Bekanntschaft mit einem Studenten der Uni. Er loggte sich ein und hatte – richtig geraten – keinen Erfolg. Dies war der fünfte Streich. Als Nächstes versuchte ich, den Autor direkt zu kontaktieren. Auf meine E-Mails erhielt ich jedoch keine Reaktion. Alle Off-Site-Möglichkeiten hatte ich ausgeschöpft, also führte kein Weg daran vorbei, es selbst vor Ort zu versuchen – es gibt Schlimmeres, als nach Los Angeles fahren zu müssen. Vor Ort wurde ich zunächst von einer Bibliothek zur nächsten geschickt. Letztendlich wurde mir die Telefonnummer des Archivs gegeben (bis jetzt hatte ich nur dessen Email-Adresse). Von dort wurde ich an die Abteilung Special Collections weitergeleitet. Hier schickte man mich zu einem weiteren Reference Desk. (Nach meiner Berechnung die Versuche sieben bis elf). Hier machte ich die Bekanntschaft von zwei Bibliothekarinnen, Kate und Mary, die, nachdem ich Ihnen mein Problem geschildert hatte, der Ehrgeiz ergriff, die Arbeit aufzuspüren. Sie riefen zunächst noch einmal im Archiv und bei den Spezial Collections an, wo ich schon vergeblich vorgesprochen hatte. Aber auch sie hatten keinen Erfolg. Respektsbezeugungen wurden dem Verfasser der gesuchten Dissertation von den Bibliothekarinnen entgegengebracht, denn er musste einigen Aufwand betrieben haben, um die Arbeit so gänzlich unzugänglich zu machen, selbst für Universitätsmitglieder und Angestellte der Bibliothek. Die Unmöglichkeit eine Arbeit zu finden, die als Dissertation an derselben Stelle eingereicht worden war, sorgte jedoch für Unmut bei den Bibliothekarinnen und sie waren gewillt, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um mir zu helfen. Sie empfanden es als Unverschämtheit und Heuchelei, eine wissenschaftliche Arbeit, für die jemandem ein Ph.D. verliehen worden war, der wissenschaftlichen Gemeinschaft vorzuenthalten. Schließlich handelte es sich um eine historische Arbeit und nicht um geheime CIA-Dokumente, merkte Kate an. Da bin ich mir allerdings nicht mehr sicher, wie das Ende der Geschichte zeigt. Dass dieses Versteckspiel überhaupt möglich war, erklärten sie mir, lag daran, dass die Universitätsbibliothek seit 2009 keine ausgedruckten Exemplare ihrer Dissertationen mehr aufbewahrt, sondern lediglich digitale Versionen. Eine Praxis, die zunehmend von amerikanischen Universitäten angewandt wird. Ein ausgedrucktes Exemplar hätte ich somit jederzeit vor Ort einsehen können. Die digitale Version ließ sich verstecken, selbst an der Universität. Wir hatten eine längere Diskussion über Open Access und den Wert von Wissenschaft. Im nächsten Anlauf wurde direkt das digitale Archiv kontaktiert, das für die Digitalisierung der Abschlussarbeiten zuständig ist. James, der Archivar, konnte dann nähere Einblicke in diesen Fall bieten. Generell wird Doktorand(inn)en die Möglichkeit gegeben, den Zugang zu ihrer Arbeit für zwei Jahre zu unterbinden. Dies erlaubt den Autor(inn)en, einen großen Verlag zu finden, der die Arbeit veröffentlicht, ohne dass die Ergebnisse bereits zugänglich sind. Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Verlängerung dieser Frist um weitere drei Jahre erreicht werden. Hierzu muss jedoch ein begründeter Antrag gestellt und vor einem Komitee verteidigt werden. In meinem Fall hat der Autor anscheinend argumentiert, dass nicht nur seine wissenschaftlichen Erkenntnisse geschützt werden müssten, sondern dass seine Arbeit auch als kreatives Werk besonderen Schutz verdient. Diese Argumentation ist reichlich absurd, da wissenschaftliche Arbeiten stets eine kreative Auseinandersetzung mit dem Untersuchungsgegenstand darstellen. Der Archivar des digitalen Archivs betonte, dass der Autor mit großem Getue (big stink) die Veröffentlichung 2011 verhindert hat. Er erklärte sich jedoch bereit, mir die Arbeit zur Verfügung zu stellen. Unter zwei Voraussetzungen: „Do not distribute. Destroy when done.“ Also doch CIA – ich fühlte mich an den Film Burn After Reading erinnert. Die Vorgabe wurde mir noch als persönliche Absicherung der Bibliothekarin („I do not want to get fired for this!“) als E-Mail zugeschickt. Letztendlich habe ich die Arbeit nach einigen Anstrengungen also doch noch bekommen. Durch viel Beharrlichkeit, etwas Glück und vor allem dadurch, dass ich mich mit den Mitarbeiter(inne)n der Universität gut gestellt habe. Die ganze Angelegenheit erinnert mich an die Geschichten, die mir Kolleg(inn)en über Archive in Osteuropa erzählen, wo man erst die Archivare „befrienden“ muss, (wie soll das gehen, wenn sie nicht bei facebook sind?), bevor man die Möglichkeit erhält, an die gesuchten Archivalien zu kommen. Die Digitalisierung führt offensichtlich bei einigen Wissenschaftler(inne)n zu Verfolgungswahn ungeahnten Ausmaßes, was sie dazu veranlasst, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um ihre Arbeit vor jeglichem Zugriff zu schützen. Gewissermaßen ist dies die Gegenbewegung zu Open Access. Die Erkenntnis ist, dass es unter bestimmten Umständen einfacher ist, ein digitales Dokument völlig von der Außenwelt abzuschotten, als ein gedrucktes Werk in einer Bibliothek oder einem Archiv. Es zeigt zudem, dass es nicht um die Existenz von Wissen geht, sondern um dessen Auffindbarkeit und Verfügbarkeit. Was sich nicht auffinden lässt, existiert nicht. Und ein Buch lässt sich mitunter leichter lokalisieren als eine Datei. Dies bedeutet keinesfalls, dass nicht auch gedruckte Dokumente verschwinden können. Dieser Effekt ist gerade für die Geschichtswissenschaft bedeutsam, die ihre Quellen deswegen auch Überreste nennt, was das notwendige Verschwinden von Dokumenten und Artefakten – und somit von Wissen – impliziert, um die Voraussetzungen zu schaffen, die Vergangenheit überhaupt in einer komplexitätsreduzierten und sprachlichen Form zu konstruieren. Für Arbeiten aus dem Jahr 2009 kommt dieser Schritt jedoch etwas zu früh. Mein Hauptkritikpunkt ist allerdings nicht, dass jemand besorgt ist, um seine oder ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse gebracht zu werden und deswegen dass Internet meidet; sondern vielmehr, dass Doktorarbeiten gar nicht mehr in gedruckter Form verfügbar sind. Die Arbeit, die ich suchte, wurde 2009 abgeschlossen. Wäre sie wenige Monate zuvor – im Jahr 2008 – eingereicht worden, wäre ich heute ebenso wenig in der Lage gewesen, sie online zu beziehen. Ich hätte sie jedoch als gedrucktes Exemplar in der Universitätsbibliothek lesen können.   Um die hilfsbereiten Menschen auf meiner Suche nicht in Schwierigkeiten zu bringen, habe ich eindeutig zuordenbare Namen und Ortsangaben vermieden.      

Quelle: http://fyg.hypotheses.org/29

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Rezensieren als Prozess – Vom Ende des Einautorprinzips. Oder: Lobo und recensio.net

  In seiner jüngsten Kolumne führt Sascha Lobo das mit der Insolvenz der FR soeben manifest gewordene Zeitungssterben auf einen generellen Rezeptionswandel zurück. Seine Theorie ist spannend und leuchtet unmittelbar ein (wobei ebendies immer die Ahnung nährt, dass eine Sache ganz so einfach denn doch nicht zu fassen sein wird, aber wohl das berühmte Körnchen Wahrheit transportiert). Laut Lobo befinden wir uns mitten in einer „sich selbst prozessualisierenden“ Gesellschaft. An die Stelle von Ergebnissen, etwa in Form von Artikeln, Büchern o.ä. tritt der öffentlich gemachte Entscheidungs- und Entwicklungsprozess. Informationen verflüssigen sich, weil sie vor ihrer Publikation in keine Form mehr gegossen werden und fragmenthaft bleiben. Mikroblogging wird zum flexibelsten aller Nachrichtenkanäle: Wenn es politisch ernst wird, verlässt man sich auf Twitter. Dabei ist der Trend zur Prozessualisierung nicht neu: Früher sorgte das Aufkommen der Tageszeitungen für einen Quantensprung; Artikel konnten binnen 24 Stunden vor aller Augen beantwortet werden. Das Tempo digitaler Medien aber ist schlichtweg nicht mehr steigerbar – also stellt sich das System um. Nachrichten und Diskussionen werden zum Puzzle – und alle puzzeln mit. Veränderte Produktionsgewohnheiten ändern Rezeptionsgewohnheiten und vice versa – am Ende der Kette stehen die Kaufgewohnheiten. Soweit Lobos Kolumne, sehr frei zusammengefasst. Ich würde anfügen wollen, dass die beschriebene Entwicklung durch schwindendes Vertrauen in den „Experten“ beschleunigt wird. In den einen also, der ein Thema in einem dramaturgisch runden Artikel zur Gänze erfasst und zu objektivieren versteht. „Das Ende der Momentaufnahme“ stehe bevor, schreibt Lobo, und es lässt sich eventuell ergänzen, dass sich das nicht nur auf die zeitliche Dimension und das eben nicht mehr steigerbare Tempo bezieht, sondern auch auf die zwangsläufige Ausschnitthaftigkeit und Subjektivität des Einautorprinzips, dessen Akzeptanz schleichend zu Ende geht. Vorausgesetzt ist eine erhöhte Partizipationsbereitschaft beim Einzelnen, denn eine Synthese zu bilden aus all den verfügbaren Fragmenten, liegt anders als früher bei ihm, und je mehr das so ist, desto mehr wächst die Skepsis vor apodiktischen Aussagen (von Politikern, von Wissenschaftlern, vom Nachbarn). Spannend finde ich für unseren Zusammenhang – die Geisteswissenschaften im Allgemeinen und die RKB-Tagung im Speziellen – die Übertragbarkeit auf das Konzept von recensio.net. Fast kam in mir das Gefühl auf, endlich eine Erklärung für unsere vor Jahren gefällte Entscheidung zu haben. Die Entscheidung nämlich, die bislang meistenteils eindimensionale (geschichts-)wissenschaftliche Buchrezension aufzubrechen: Das Web 2.0-Konzept von recensio.net versucht, ergänzend zur klassischen Rezension ein kommentarbasiertes, „lebendiges“ Rezensionsverfahren in die Wissenschaft zu tragen. Das ist nichts anderes als die Prozessualisierung eines bislang statischen Textgenres, dem seine Statik von der Alternativlosigkeit des Papiers in die Wiege gelegt wurde, denn methodisch betrachtet ist wohl kaum ein anderes wissenschaftliches Textgenre so gut geeignet für Fragmentisierung und Prozessualisierung wie die Rezension: Ziel ist Meinungsbildung und  -austausch über Fachliteratur. Kommentare sind in diesem Fall nicht ergänzender Teil des Bewertungsverfahrens, sie SIND das Bewertungsverfahren, ganz in Lobos Sinne, der eben nicht die Kommentarspalte unter dem weiterhin klassischen Artikel als Ausdruck von Prozessualisierung sieht, sondern den Live-Ticker, der den Artikel ersetzt. Und noch viel weniger als bei Blogs scheint mir dabei die Kommentarfrequenz entscheidend, die hier zuletzt angeregt diskutiert wurde – als Qualität und Intention des Kommentars.  Geht es doch weniger darum, per Kommentar das Gegenüber von der eigenen Meinung zu überzeugen, als die eigene Meinung in ein im besten Sinne demokratisches Kaleidoskop einander ergänzender Meinungen einzufügen. Und das Ganze reiht sich dann ein in die gesamtgesellschaftliche Neigung zur Prozessualisierung… Wieder Diskussionsstoff für Panel 3 der RKB-Tagung. Anmeldung läuft!    

Quelle: http://rkb.hypotheses.org/349

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Linkdossier zur Geschichtspolitik

Deutungen der Vergangenheit sind immer auch ein Politikum. In unseren Linktipps zur Veranstaltung Umkämpfte Erinnerung. Wie mit Geschichte Politik gemacht wird möchten wir unterschiedliche Einschätzungen und Meinungen zur Geschichtspolitik zeigen. Die Linkliste wird sukzessive erweitert. Für Hinweise sind wir immer dankbar!

Politik mit Geschichte – Geschichtspolitik?

Peter Steinbach, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Mannheim und Wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, hat sich 2008 für die Bundeszentrale für politische Bildung mit Geschichtspolitik beschäftigt und kommt zu dem Schluss:

“Geschichtspolitik lässt sich nicht abschaffen. Aber sie lässt sich durchdringen und durchschauen.”

Die Erfindung der Vergangenheit

Der kürzlich verstorbene Historiker Eric Hobsbawm stellte 1994 in der Zeit fest:

“Mythen und Erfindungen sind für eine Politik der Identität entscheidend, mit der heute Völkergruppen, indem sie sich nach Ethnien, Religion oder nach neuen oder alten Staatsgrenzen definieren, in einer unsicheren und wankenden Welt Sicherheit mit der Aussage zu gewinnen hoffen: ‘Wir sind anders und besser als die anderen.’”

Geschichtspolitik als politisches Handlungsfeld

Berthold Molden, derzeit visiting professor an der University of New Orleans (Marshall Plan Chair), analysierte den Begriff Geschichtspolitik 2011 für die österreiche Zeitschrift Bildpunkt, online auf linksnet.de abrufbar:

“Politische Ideologien aller Art haben sich stets, wenn auch in höchst unterschiedlicher Weise, auf Geschichte berufen, um ihre jeweiligen Zukunftsentwürfe zu rechtfertigen. Somit kann Geschichtspolitik verstanden werden als jedwedes politische Handeln, das sich auf historische Argumente stützt oder die Deutung und Repräsentation von Geschichte zu beeinflussen versucht.”

Griff nach der Deutungsmacht. Zur Geschichte der Geschichtspolitik in Deutschland

2004 veröffentlichte Heinrich August Winkler den Sammelband zur Geschichtspolitik. Zehn Historiker beschäftigen sich in diesem mit der Geschichtspolitik in Deutschland seit 1848. Rezensionen zum viel diskutierten Band lassen sich auf HSoz-Kult, Sehepunkte, Cicero, FAZ-Online und Zeit-Online finden.

Was ist Geschichtspolitik?

Der Arbeitskreis “Geschichte und Politik” der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft stellt seine Sitzungsprotokolle online zur Verfügung und hat sich Folgendes zum Ziel gesetzt:

“Neben dem praktischen Anliegen, der wissenschaftlichen Arbeit ein Forum zu bieten, zielt der Arbeitskreis zugleich auf den Öffentlichkeitsaspekt. Da Interpretationen von Geschichte schon immer zum politischen Geschäft gehörten, ist es notwendig, sie unter diesem Gesichtspunkt auch zu untersuchen und auf diese Weise im Rahmen des gesellschaftlichen Diskurses Stellung zu beziehen.

Primat der Politik versus Primat der Gesellschaft

Bei der internationalen Tagung Deutsche Zeitgeschichte nach 1945. Stand der Forschung aus westeuropäischer Sicht im November 2010 diskutierten Lutz Klinkhammer, Gustavo Corni, Jay Rowell und Ulrich Herbert über das Verhältnis zwischen dem Primat der Politik und dem Primat der Gesellschaft und nahmen eine Standortbestimmung vor. Die Diskussion ist als mp3-Datei kostenlos bei perspectivia.net abrufbar.

Deutsche Erinnerungsorte

Auf facebook wurden wir von Jutta Abu-Obed auf die Deutschen Erinnerungsorte von Étienne François und Hagen Schulze aufmerksam gemacht. Das dreibändige Werk vertritt den Ansatz, mit insgesamt 120 Beiträgen den Fokus auf Rezeption und Wirkung geschichtlicher Vorgänge anstelle der Darstellung von Abläufen zu legen. Unter den Autoren der Beiträge finden sich größtenteils Historiker, durch die Mitarbeit von Germanisten, Publizisten, Volkskundlern und Politologen erschließen sich aber auch andere Blickwinkel auf die Deutschen Erinnerungsorte. Der Beck-Verlag stellt mit Arnold Eschs Ein Kampf um Rom, Gérald Chaix’ Die Reformation und Rudolf Vierhaus’ Die Brüder Humbold Leseproben aus allen Bänden online zur Verfügung. Auf zeitgeschichte-online.de lässt sich überdies noch der Beitrag von Jürgen Danyel Der 20. Juli finden.

Rezensionen zu den Bänden sind auf HSoz-Kult (Bd. I), HSoz-Kult (Bd. II), HSoz-Kult (Bd. III), Sehepunkte (Włodzimierz Borodziej), Sehepunkte (Christoph Cornelißen), BZ-Online und archiv.iwm.at erschienen. Für den Online-Auftritt des Instituts für Geschichte der Universität Oldenburg erklärte Mareike Witkowski 2009 “Was ist ein Erinnerungsort?” und auf dradio.de findet sich ein verschriftlichter Radiobeitrag, der auch Étienne François zu Wort kommen lässt.

Generationen und Gedächtnis

Ebenfalls bei der Tagung Deutsche Zeitgeschichte nach 1945. Stand der Forschung aus westeuropäischer Sicht abgehaltene Diskussion zwischen Andreas Gestrich, Mark Roseman, Georgi Verbeeck, Dorothee Wierling zum Thema Generation und Gedächtnis. Roseman konstatierte z.B., dass nicht nur über der intensiven Beschäftigung mit dem Holocaust Kriegsfolgen aus dem Blickfeld geraten seien, auch habe das laute Auftreten der 68er-Generation dazu geführt, normative Forderungen an die Erinnerungskultur zu stellen, die mit einer authentischen Erinnerung nicht viel gemein gehabt hätten. Der Tagungsbericht lässt sich auf HSoz-Kult abrufen, die mp3-Datei der Diskussion auf Perspectivia.

Quelle: http://gid.hypotheses.org/87

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Was war die Provisorische Zentralgewalt und warum sollten ihre Akten ediert werden?

Protokoll der 180. Sitzung des Gesamtreichsministeriums
Von Revolutionen bleibt meist dasjenige in Erinnerung, was sich am sichtbarsten aus dem politischen Alltag abhebt: Straßenkämpfe und Barrikaden. So verhält es sich auch mit den Revolutionen von 1848/49 im heutigen kollektiven Gedächtnis der deutschen Öffentlichkeit. Dass die Revolution schließlich zur Wahl einer Nationalversammlung führte, blieb auch noch im Bewusstsein. Anders verhält es sich hingegen mit der Einsetzung einer provisorischen Regierung für das noch nicht als Einheit existierende Reich. Eine Erinnerung an die erste parlamentarische, wenn auch provisorische Zentralgewalt für ganz Deutschland ist kaum vorhanden. Wem ist heute noch bekannt, dass ein österreichischer Erzherzog für rund eineinhalb Jahre als so genannter „Reichsverweser“ dieser Provisorischen Zentralgewalt vorstand und somit als erstes von einem Parlament gewähltes Regierungsoberhaupt über Deutschland fungierte?

Die Provisorische Zentralgewalt war die Exekutive der deutschen verfassunggebenden Nationalversammlung in der Revolution. Mit ihrer Gründung im Juni 1848 hat die im Frankfurter Parlament bereits institutionalisierte Revolutionsbewegung besonders gegenüber den staatlichen Gewalten in den Bundesstaaten ihren politischen Führungsanspruch mit Berufung auf die Volkssouveränität untermauert. Die Zentralgewalt bestand neben dem Reichsverweser Erzherzog Johann aus einem „Gesamt-Reichsministerium“ mit einem Ministerpräsidenten, Ressortministern und Unterstaatssekretären, hatte damit eine an das Vorbild der Ministerialregierungen der größeren deutschen Staaten angelehnte Form und versuchte auch ähnliche Aufgaben und Tätigkeiten wahrzunehmen. Insbesondere sorgte sie für die Publikation der von der Nationalversammlung beschlossenen „Reichsgesetze“ und versuchte deren Durchsetzung in den Einzelstaaten zu erreichen; beanspruchte die Führung gemeinsamer militärischer Operationen, namentlich im Krieg gegen Dänemark um den Status Schleswig-Holsteins; griff durch die Entsendung von „Reichskommissaren“ und fallweise auch den Einsatz von Truppen an den Schauplätzen revolutionärer Erhebungen ein; übernahm die Organisation der ersten deutschen Kriegsmarine, an deren Aufbau sich anfangs verbreitete nationale Begeisterung knüpfte; und versuchte zwischen Nationalversammlung und einzelstaatlichen Regierungen in der Frage der Annahme der von der Ersteren beschlossenen Verfassung zu vermitteln. Allerdings stieß sie wegen ihrer fehlenden beziehungsweise erst im Aufbau befindlichen Ministerialverwaltung, ihrer begrenzten realen machtpolitischen Möglichkeiten gegenüber den entscheidenden Mächten Preußen und Österreich sowie der ausbleibenden diplomatischen Anerkennung durch die außerdeutschen Staaten immer wieder an Grenzen ihrer Wirksamkeit. Nach der sukzessiven Auflösung der Frankfurter Nationalversammlung im Frühjahr 1849 bestand die Provisorische Zentralgewalt noch bis zum Jahresende fort und spielte trotz ihrer beschränkten Mittel eine mitentscheidende Rolle im Machtkampf zwischen Preußen, Österreich und den deutschen Mittelstaaten um die künftige Ausgestaltung des deutschen Nationalstaats.

Sowohl die Kanzlei des Gesamtministeriums als auch die einzelnen Ressorts – auswärtige Angelegenheiten, Inneres, Justiz, Krieg, Finanzen, Handel und Marine – entwickelten rasch eine geordnete Aktenführung und richteten Registraturen ein. Die von ihnen angelegten Akten wurden nach Auflösung der Provisorischen Zentralgewalt im Dezember 1849 von deren Nachfolgerin, der Bundeszentralkommission, übernommen. In der Folge gelangten sie in das Archiv des Bundestags (des Entscheidungsgremiums des Deutschen Bundes) und wurden nach dessen Auflösung 1866 von der Stadtbibliothek Frankfurt am Main verwahrt, bis 1925 eine eigene Außenstelle Frankfurt des Reichsarchivs (später des Bundesarchivs) errichtet wurde. Als diese nach der Wiedervereinigung aufgelassen wurde, gelangten die Bestände zunächst in das Bundesarchiv Koblenz und 2010 schließlich in das Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde. Der Bestand im Ausmaß von insgesamt etwa 25 Laufmetern Archivgut wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in aufwendigen Arbeiten nach dem ursprünglichen Registratursystem der Ministerien geordnet; er ist heute durch detaillierte Findbücher gut erschlossen und wurde vor einigen Jahren vollständig verfilmt.

Diese Quellenbestände sind von der Forschung erst nach dem Zweiten Weltkrieg in nennenswertem Umfang herangezogen worden, ihr Potential ist aber bei weitem nicht ausgeschöpft; insbesondere hat eine Edition der Ministerialprotokolle, wie sie für die Regierungen der größten deutschen Staaten seit längerem betrieben wird, bisher nicht stattgefunden. Die von unserem Projekt angestrebte Fondsedition wird nicht nur den Anteil einer bisher unterschätzten Kraft am Revolutionsgeschehen erhellen, sondern zugleich unter politikwissenschaftlicher Fragestellung Aufschluss über das Funktionieren der ersten parlamentarischen Regierung in Deutschland geben. Immerhin musste die Zentralgewalt aus dem Nichts heraus die Infrastruktur für ihr Regieren schaffen durch die Errichtung von Behörden, die Rekrutierung von Personal und die Sicherstellung der Finanzen – ein bisher kaum beachteter Umstand von besonderem verfassungs- und verwaltungsgeschichtlichem Reiz.

Ziel unseres Unternehmens ist es, die Protokolle der insgesamt 185 Sitzungen des Gesamtministeriums, die einen „roten Faden“ zur Tätigkeit der Zentralgewalt liefern, vollständig im Wortlaut zu edieren; die umfangreichen Aktenbeilagen zu den Protokollen sowie ausgewählte weitere Aktenstücke aus den Registraturen der Ministerien sollen in Regestenform präsentiert werden. Da jedoch amtliches Schriftgut in der Regel nur teilweise den politischen Gehalt von Entscheidungen offenbart und selten Atmosphärisches spiegelt, sollen ergänzend auch die Publikationen und handschriftlichen Nachlässe der Mitglieder des Reichsministeriums ausgewertet werden. Die gesamte Edition wird durch detaillierte Register erschlossen. In Form eines (voraussichtlich mehrbändigen) Lesebuchs zur Organisation und Tätigkeit der Provisorischen Zentralgewalt sollen der Geschichtswissenschaft wertvolle Materialien vor allem im Hinblick auf die folgenden vier Fragenkomplexe leicht verfügbar gemacht werden:

1. Aufarbeitung von Einfluss und machtpolitischen Möglichkeiten der Provisorischen Zentralgewalt gegenüber der Nationalversammlung und den Regierungen der Bundesstaaten.

2. Erschließung der verfassungsgeschichtlichen Funktion und Praxis des im Juni 1848 errichteten Systems als Versuch einer Symbiose des parlamentarischen Regierens mit dem traditionellen Konstitutionalismus.

3. Eine institutionen- wie verwaltungsgeschichtliche Erforschung der politischen Probleme wie praktischen Herausforderungen des Aufbaus einer Regierung aus dem Nichts.

4. Ein mentalitäts- wie kulturgeschichtlicher Ansatz, um das Selbstverständnis der Mitglieder der ersten parlamentarischen Regierung in Deutschland, deren Motive, Formen der Entscheidungsfindung, Perzeption der Handlungsmöglichkeiten wie Außendarstellung offenzulegen.

Text von Karsten Ruppert und Thomas Stockinger

 

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/37

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Unterdrückte der Deutsche Orden die Wallfahrt zur Elisabeth ?

Diese Frage klingt wie aus einer Verschwörungstheorie. Dahinter steckt aber eine These, die jahrelang von namhaften Wissenschaftlern vertreten wurde und teilweise noch vertreten wird.

Nachdem Elisabeth 1231 in ihrem Hospital gestorben war setzte eine Wallfahrt nach Marburg ein, die Ihresgleichen sucht. Herrscharen von Kranken, Behinderten und Bettlern kamen nach Marburg, um bei der Elisabeth um Heilung zu bitten.

Caesarius von Heisterbach schreibt in einer Predigt, die er anlässlich der Translation wohl 1236 schrieb, dass das Hospital nach Elisabeths Tod so voll war, dass man kaum noch herein- bzw. heraustreten konnte. In zwei zeitgenössischen Berichten wird der Besuch des Grabes Elisabeth verglichen mit der Wallfahrt nach Santiago de Compostela.[1]

Woher kamen diese Menschen?

Anlässlich des Elisabethjubiläums 1981 hat Ursula Braasch die Herkunftsorte der Pilger zusammengestellt, die in den 161 überlieferten Wunderberichten genannt sind. Die meisten der genannten Menschen stammen aus der unmittelbaren Umgebung Marburgs und aus dem hessisch-thüringischen Raum. Vereinzelte Geheilte stammen auch vom Oberrhein oder von der Weser.[2]

W. Brückner zeigt in seinem Artikel zu Heiligenkult und Wallfahrtswesen im 13. Jahrhundert auf, dass die sogenannte Elisabethwallfahrt, die kurz nach ihrem Tode einsetzte, streng genommen nicht als solche zu bezeichnen sei. Vielmehr seien die Geschehnisse als eine Form mittelalterlicher Volksfrömmigkeit zu benennen. Das Wallfahrtswesen, bei dem mehrere größere Wallfahrtsorte innerhalb Mitteleuropas um Aufmerksamkeit buhlten, entwickelte sich erst im Laufe des 14. Jahrhunderts. Wallfahrten nach Köln zu den Heiligen Drei Königen oder Wilsnack seien also damit in keiner Weise mit der Elisabethkirche zu Marburg zu vergleichen. Dieses sei laut Brückner eher als normaler Heiligen- und Reliquienkult anzusehen nicht als Wallfahrt. Bei anderen Heiligen, bei denen auch nach dem Tode Wunderheilungen protokolliert wurden, sei nicht gleich von einer Wallfahrt die Rede. So wird das Beispiel des Bruno von Würzburg angeführt, dessen Heiligsprechungsverfahren zwischen 1202-1203  durchgeführt wurde und protokollarisch mit dem der Elisabeth vergleichbar sei.

Nach dem Tode der Elisabeth und der Übertragung des Hospitals an den Deutschen Orden ist 1235 bereits mit dem Bau der heutigen gotischen Elisabethkirche begonnen worden. Eine damals übliche Einnahmequelle zur Baufinanzierung ist das sogenannte „Geläuf“, also zeitlich beschränkte Ablassprivilegien für diejenigen, welche das Grab oder Kirche besuchen. Zudem stellt Heiligen- und Reliquienkult eine ganz normale Form der mittelalterlichen Volksfrömmigkeit dar. Den verschiedenen Heiligen sind jeweils einzelne Tage zugeordnet, in der Regel der Todestag. Das Zusammenkommen von Gläubigen an diesen bestimmten Tagen, an dem einzelne Reliquien gezeigt wurden, gehört zum normalen Ritual im Jahreskreis.[3]

Elisabeth war gerade für die Bettelorden eine der herausragenden Gründungsgestalten. Sie leisteten für ihre eigenen Heiligen (vor allem für Franziskus, Klara und Antonius) eine „Kultpropaganda“, die überwiegend auf Predigen beruhte.[4] Das Hospital der Elisabeth wurde nach ihrem Tode aber nicht dem Franziskanerorden gestiftet, sondern aus machtpolitischen Interessen heraus dem Deutschen Orden. Nun ist der Deutsche Orden kein Prediger-Orden, wohl aber ein Hospitalorden allerdings ohne Ambitionen, sich den Armen und Kranken in ähnlicher Aufopferung zu widmen, wie Elisabeth das getan hat. Das führte schnell dazu, dass die Betten im Marburger Hospital entweder leer blieben oder von gutsituierten Pfründnern besetzt wurden.[5] Auch die Elisabethkirche selbst ist keine Wahlfahrtskirche, verglichen mit den Grabeskirchen von Franziskus und Klara in Assisi. Sie auch nicht der Elisabeth geweiht, sondern der Mutter Gottes. In der kunsthistorischen Forschung ist sogar versucht worden nachzuweisen, dass Elisabeth vom Deutschen Orden regelrecht versteckt worden sei.[6]

Was wollte der Deutsche Orden denn mit der Elisabeth?

Streng genommen, nichts Besonderes. Die Heilige hat mit diesem Orden eigentlich nichts gemein, außer dass ihm ihr Grab durch Stiftung in die Hände fiel. In den darauf folgenden Jahrzehnten wurde Elisabeth zu der wichtigsten Heiligen für den Deutschen Orden hinter der Gottes Mutter und neben dem Heiligen Georg. Eine Untersuchung Udo Arnolds der Deutschordenspatrozinien im Deutschordensland Preußen im Mittelalter ergab, dass Georg dort sogar etwas beliebter war als Elisabeth.[7]

Nun ist die Frage, welchen Aussagewert  die Tatsache hat, dass man in Preußen Hospitälern lieber den Namen Georg gab als Elisabeth?

Der Heilige Georg repräsentiert die Ritterlichkeit des Deutschen Ordens. Eine Ritterlichkeit, die in der militärisch-brutalen Missionierung  und Eroberung Preußens deutlich wird. Elisabeth repräsentiert dagegen quasi das caritative Element. Udo Arnold resümiert nun, der ritterliche Georg spielte in der Liturgie des Deutschen Ordens eine höhere Rolle als Elisabeth eben wegen dieser „Patrozinienhäufung“ im ehemaligen Deutschordensland.[8]

Schaut man in die Liturgie des Deutschen Ordens ergibt sich ein anderes Bild. Im Mittelalter gibt es keine einheitliche Liturgie: sie unterscheidet sich je nach Orden, Diözese oder Region. Beim Gedenken der Heiligen unterscheiden sich die Liturgien sehr stark voneinander. Das Gedenken einzelner Heiliger ist einer starken Auswahl unterworfen, weil es einfach tausende gibt und im Laufe eines Jahres nicht alle „unterzubringen“ sind, wobei Feste wie Ostern, Pfingsten usw. natürlich vor allem Vorrang haben. Der Deutsche Orden hat wie alle Orden also den Gedenktagen der Heiligen eine Rangordnung gegeben, das sich in festum simplex (niedrig), semiduplex (dritthöchster), duplex (zweithöchster) und totum duplex (höchster) Rang einteilte. Anette Löffler hat nun in einem Artikel überprüft, welchen Rang die Elisabethfeste, ihr Todestag und ihre Translation (Erhebung aus dem Grab/bzw. Freigabe der Reliquien zur Verehrung) in den einzelnen liturgischen Handschriften des Mittelalters haben. Den drei Heiligen des Ordens wurde unterschiedlich Priorität im liturgischen Jahreskreis zugedacht: Die Marienfeste hatten immer den höchsten Festtag, also totum duplex. Kein/e Heilige/ stand über Maria. Soweit klar. Der Todestag Elisabeths und der Gedenktag ihrer Translation ist in den unterschiedlichen Handschriften mit dem Zusatz duplex und totum duplex versehen, wobei dem Gedenktag Georgs fast ausschließlich ein semiduplex zugefügt wurde.

Elisabeth hatte also in der Liturgie des Deutschen Ordens einen außerordentlich hohen Rang, einen höheren Rang als der ritterliche Georg.[9]

Elisabeth war die zweitwichtigste Heilige des Deutschen Ordens hinter der Gottesmutter Maria. Nach ihrem Tode kamen viele Menschen überwiegend aus Hessen und Thüringen, um zu ihr zu beten, aber eine Wallfahrt verglichen mit Rom oder Santiago de Compostela war es freilich nicht. Die gotische Elisabethkirche in Marburg ist zwar eine Marienkirche, aber sie wurde durch Ablässe für den Besuch Elisabeths mitfinanziert. Der Deutsche Orden hat also nichts unterdrückt oder Elisabeths Reliquien versteckt. Der Orden behandelte seine zweitwichtigste Heilige wie man eine Heilige im Mittelalter eben behandelte. Die Reliquien wurden verwahrt, in diesem Fall in der Sakristei, an ihrem Gedenktag herausgeholt und den Gläubigen gezeigt. Eine normale katholische Praxis, wie sie überall auf der Welt heute noch üblich ist.


[1] M. Werner, Die Heilige Elisabeth und die Anfänge des Deutschen Ordens in Marburg, in: E. Dettmering-R. Grenz (Hrsg.), Marburger Geschichte. Rückblick auf die Stadtgeschichte in Einzelbeiträgen (Marburg 1980) 159

[2]  U. Braasch, Pilger in Marburg. Herkunftsort der durch bezeugte Wunder Elisabeths Geheilten (1231-1235), in: Philips-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde (Hrsg.), Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige (Sigmaringen 1981) 450-452

[3] W. Brückner, Zu Heiligenkult und Wahlfahrtswesen im 13. Jahrhundert. Einordnungsversuch der volksfrommen Elisabeth-Verehrung in Marburg, in: Philips-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde (Hrsg.), Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige (Sigmaringen 1981) 119

[4] O. Krafft, Papsturkunde und Heiligsprechung. Die päpstlichen Kanonisationen vom Mittelalter bis zur Reformation. Ein Handbuch. Archiv für Diplomatik. Schriftgeschichte Siegel und Wappenkunde Beiheft 9 (Köln 2005) 421

[5] H. Boockmann, Die Anfänge des Deutschen Ordens in Marburg und die frühe Ordensgeschichte, in: Philips-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde (Hrsg.), Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige (Sigmaringen 1981) 145

[6] A. Köstler, Die Ausstattung der Marburger Elisabethkirche . Zur Ästhetisierung des Kultraumes im Mittelalter (Berlin 1995)

[7] U. Arnold, Elisabeth und Georg als Pfarrpatrone im Deutschordensland Preußen. Zum Selbstverständnis des Deutschen Ordens, in: Elisabeth, der Deutsche Orden und ihre Kirche. Festschrift zur 700jährigen Wiederkehr der Weihe der Elisabethkirche Marburg 1983 (Marburg 1983) 163-185

[8] A. Löffler, Die Liturgie des Deutschen Ordens, in: Elisabeth von Thüringen und die neue Frömmigkeit in Europa, in: Kulturgeschichtliche Beiträge zum Mittelalter und der frühen Neuzeit 1 (Frankfurt/Main 2008) 136

[9] A. Löffler, Die Liturgie des Deutschen Ordens, in: Elisabeth von Thüringen und die neue Frömmigkeit in Europa, in: Kulturgeschichtliche Beiträge zum Mittelalter und der frühen Neuzeit 1 (Frankfurt/Main 2008) 137-149

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/237

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Ein Jahr Blogger

Vor etwas mehr als einem Jahr, am 26.10.2011, habe ich – damals noch auf der Plattform Posterous - meinen ersten wissenschaftlichen Blogpost geschrieben. Wie ich genau darauf gekommen bin, mit dem Bloggen anzufangen, weiß ich bis heute nicht genau. Vielleicht lag es vor allem daran, dass ich kurz vorher meine Dissertation abgegeben hatte und irgendeine Form von Kompensation brauchte, meine Schreiblücke aufzufüllen. Ein weiterer Grund war sicherlich, dass ich Werbung machen wollte für Tesla, also die Software, die wir im Zug zweier paralleler Dissertationen an unserem Lehrstuhl entwickelt hatten. Zwar hatten wir das System schon auf diversen Konferenzen vorgestellt, Artikel verfasst und eine verhältnismäßig gut dokumentierte Webseite [just heute migrieren wir auf einen neuen Server, sorry, Link schalte ich morgen wieder frei] angelegt, irgendwie hatte ich aber das Gefühl, dass ich mehr Leute von unserem Konzept, empirisch-experimentelle Wissenschaft über Textdaten zu betreiben, erreichen könnte, würde ich nur neue Kommunikationskanäle nutzen (fast genau ein Jahr vorher bin ich zum Twitterer geworden, aber die Geschichte erzähle ich demnächst woanders).

Tatsächlich bloggte ich anfangs wohl vor allem für mich und vielleicht für ein paar Student|inn|en, die daran interessiert waren, was ihr Dozent so treibt, wenn er sie nicht gerade mit Unterricht belästigt (mit, ich habe mit geschrieben). Allerdings ist es mir aber nach und nach gelungen (da hat sicher auch mein Twitter-Profil viel beigetragen), mehr Interessenten auf die Seite zu locken und teilweise wurde gar kommentiert, u.a. auch von Mareike König, die ja bekanntermaßen das Sprachrohr dieser Plattform hier ist. Als de.hypotheses dann im Frühjahr diesen Jahres an den Start ging, bekam ich das (Twitter) mit und fand das Konzept einer geisteswissenschaftlichen Blogplattform so stimmig, dass ich mich fast umgehend darum bewarb, dorthin wechseln zu dürfen.

Ich habe diesen Entschluss bisher noch zu keinem Zeitpunkt bereut – die Plattform ist phantastisch betreut, bei Problemen erhält man umgehend Rückmeldung (Twitter) und Hilfe und man muss nicht mehr ganz allein die Werbetrommel für seinen Blog rühren (Twitter), tatsächlich bekommt man auch eine Menge Laufkundschaft dadurch, dass die eigenen Artikel auf der Protalseite verlinkt sind. Nicht zu unterschätzen ist auch, dass man weiß, dass das, was man so im Blog verbricht, zumindest von der hypotheses-Redaktion gelesen wird. Bei Gefallen bekommt man einen prominenten Platz auf der Portalseite, was zumindest mich zusätzlich anspornt (mit meinem ersten Artikel hier bin ich sogar Headliner mit unterlegtem Bild geworden; ich schiebe es mal darauf, dass es da noch nicht viele Blogs gab…). Ein weiterer Vorteil wäre die Vernetzung mit anderen Bloggern aus der Linguistik/Computerlinguistik-Szene, wenn es die hier denn geben würde. Noch bin ich vor allem von Historikern umgeben, aber vielleicht ändert sich das ja noch (Und ja, das ist ein Aufruf!).

Die Vergrößerung der Reichweite meines Blogs über die letzten Monate kann ich mir über das Analysetool von WordPress selbst anschauen, allerdings ist immer schwer zu ermitteln, ob sich gerade wirkliche Besucher auf meine Seite verirrt haben, oder ob sich lediglich ein paar Bots austoben. Wichtiger sind da Retweets meiner Werbetweets von anderen Twitter-Nutzern, Likes bei Facebook, +1en bei Google+, vor allem aber Pingbacks aus anderen Blogs, Empfehlungen auf anderen Plattformen (Webwatch auf spektrum.de) und – nicht zu vergessen – Leser-Kommentare, die mir zeigen, dass sich tatsächlich echte Menschen mit den von mir geäußerten Gedanken befassen. Wirklich geadelt fühlte ich mich, als ein Beitrag für gut genug befunden wurde, um bei den Scilogs zu erscheinen.

Inzwischen nutze ich Links auf einzelne Blogposts oft dazu, potentiell an unserer Software Tesla Interessenten einen ersten Eindruck zu geben, was genau die Vorteile sind, wenn man sich darauf einlässt, unser virtuelles Labor zu nutzen. Oder um meine Theorie zur Entstehung des Textes im Voynich-Manuskript knapp zu erläutern. Oft – wie gerade jetzt – verfalle ich auch ins Meta-Bloggen, also in die bloggende Betrachtung des Bloggens selbst. Ich verspreche aber, dass ich mich in nächster Zeit wieder um Sachthemen aus meinem angestammten Wissenschaftsbereich kümmern werde. Bloggen macht Spaß, darf aber nicht zum Selbstzweck werden…

Quelle: http://texperimentales.hypotheses.org/572

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Wie Bilddatenbanken nach Schlagworten jagen

Die Verschlagwortung von Bilddatenbanken ist besonders effektiv, wenn möglichst viele Personen daran mitarbeiten. Wichtig ist, dass nicht nur Fachleute, sondern jeder mitmachen kann, das nennt sich dann Crowdsourcing und die Eingabe von Schlagworten nennt man taggen.

Auf den vier folgenden Websites kann man Bilder taggen. Durch die jeweils in unterschiedlichem Maß vorhandenen Zusatzinformationen zum jeweiligen Bild, erhält der Spieler in ebenfalls unterschiedlichem Maß Hinweisreize (Schlüsselreize), die zur Eingabe von Schlagworten animieren sollen. In welcher Art diese Hinweisreize gegeben werden, wird in den folgenden Abschnitten kurz dargestellt:

  • Bei Your Paintings werden Informationen zu Titel, Datierung, Technik, Maßen und Ort angezeigt. Um die Eingabe von Tags zu bewirken, werden sehr spezifische Schlüsselreize in Form folgender Fragen gestellt: What things or ideas can you see in this painting? Can you name any people in this painting? What places are shown in the painting? Does this painting relate to any event? Is there a clue in the title? What type of paining is it? What subjects do you see in this painting?
    Außerdem gibt ein Thesaurus bei der Eingabe der Tags Hilfestellung. Diese Site stellt dem Anwender die am meisten thematisch fokussierten Hinweisreize zur Verfügung.

Your Paintings

Bild 1: Screenshot Your Painings

  •  explorARTorium zeigt neben dem zu indizierenden Bild bereits vorhandene Tags an und der Spieler wird aufgefordert, neue (andere) Tags einzugeben. Außerdem kann sich der Tagger Zusatzinformationen wie Titel, Künstler, Region, Genre und Datierung anzeigen lassen.

explorARTorium

Bild 2: Screenshot explorARTorium

  • Das Brooklyn Museum zeigt unterhalb des Bildes eine kurze Beschreibung, die z.B. den Titel, Datierung und Maße nennt. Aus diesem Text kann der Spieler häufig einige Schlagworte entnehmen.

Brooklyn Museum

Bild 3: Screenshot Brooklyn Museum

  • Bei ARTigo erhält der Spieler während des Taggens keinerlei Information zum Bild. Die Zusatzinformationen, wie Titel, Künstler etc. werden erst nach einer Spielrunde von 5 Bildern dargeboten. Bei diesem Spiel vergibt der Spieler in sehr freier Art Schlagworte, denn seine Assoziationen werden nicht von Informationen wie dem Titel oder der Entstehungszeit des Bildes gebahnt.
    Die vorhandene Rechtschreibhilfe korrigiert eingegebene Begriffe, bietet aber nicht wie bei Your Paintings, Begriffe in Form eines Thesaurus an.

ARTigo

Bild 4: Screenshot ARTigo

Wie man bei den vier genannten Beispielen sehen kann, erfolgen die angezeigten Hinweisreize in unterschiedlicher Art und Menge. Werden bei ARTigo keine Schlüsselreize außer dem Bild angezeigt, so werden bei Your Paintings spezifische Fragen und ein umfangreicher Thesaurus eingesetzt. Es ist zu vermuten, dass die eingegebenen Schlagworte dies reflektieren. Daraus ergeben sich eine Menge Fragen:

  • Bei welcher Methode ist die Bandbreite der Schlagworte am größten?
  • Bei welcher Methode werden die meisten kunstgeschichtlichen Fachbegriffe eingegeben?
  • Wie wirken sich die angezeigten Zusatzdaten auf die Tags z.B. hinsichtlich Qualität und Quantität aus?
  • Welche Elemente machen die Methoden als Spiele attraktiv, bzw. auf welcher Site geben die Tagger während einer Session die meisten Schlagworte ein?
  • Wie wirkt sich die Anzeige bereits vorhandener Tags auf die Assoziationsfreude der Tagger aus?
  • Zu welchem Ergebnis führt ein umfangreicher Thesaurus beim Taggen?

Durch einen Vergleich der Tagging-Methoden wäre herauszufinden, welche Hinweisreize in welcher Kombination den Tagger animieren, qualitätsvolle Tags einzugeben und welche möglicherweise seine Assoziationen einschränken. Jede Darstellung von Zusatzinformation bedeutet schließlich einen entsprechenden Arbeitsaufwand. Deshalb wäre auch zu klären, wie viel Einsatz nötig ist, um ein Maximum an qualitativ hochwertigen Schlagworten zu erhalten. Es wäre schade, mit viel Aufwand das Gegenteil von dem zu erreichen, das man gerne hätte – qualitätshaltige Schlagworte.

Quelle: http://games.hypotheses.org/718

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