Wenn ich im Freundes- oder Kollegenkreis erzähle, dass ich mich mit Medien in der (frühen) Kindheit beschäftige, ernte ich oft irritierte Blicke. Irgendwie geht man davon aus, dass Kinder, die noch nicht zur Schule gehen, wenig bis nichts mit Medien zu tun haben. Medien und Kinder, das sollen getrennte Welten sein. Aber wenn wir uns die Lebenswelt von Familien anschauen, wird klar, dass dies eine Illusion ist: Medien aller Art sind im Leben auch kleiner Kinder omnipräsent. Sei es Mamas iPad oder Papas Handy, der Laptop der großen Schwester, der Fernseher im Wohnzimmer oder das Radio im Auto. All dies umgibt Kinder vom ersten Lebenstag an. Die starke Präsenz von Medien im Leben von Kindern belegt auch die jüngst erschienene miniKIM Studie. Bereits zum zweiten Mal stellte der Medienpädagogische Verbund Südwest vergangene Woche die miniKIM Studie vor. Dabei handelt es sich um einen Ableger der schon klassischen Studien zur Erhebung des Mediennutzungsverhaltens, der KIM-Studie (6- bis 13-Jährige) und der JIM-Studie (12- bis 19-Jährige). Für die miniKIM wurden die Haupterzieher*innen von 623 Kindern zwischen 2 und 5 Jahren befragt.
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Hausnummern-Widerstand zu Prag 1968
In ihrem Erinnerungswerk Zu Hause in Prag beschreibt die Schriftstellerin Lenka Reinerová Widerstandsmaßnahmen gegen die 1968 erfolgte Okkupation der Tschechoslowakei durch die Truppen des Warschauer Pakts:
Über den Haustoren und an den Straßenecken gab es tagelang blinde Stellen. Die Hausnummern und Straßenschilder fehlten. Die Eindringlinge sollten ihren Weg nicht finden. (…) Als ich am ersten Tag der Niederwalzung des Prager Frühlings am Abend nach Hause kam, war an unserer Wohnungstür ein neues Namensschild festgemacht. Dubček stand darauf in dicken schwarzen Lettern. Ich blickte mich um, sah an der Tür bei meinen Nachbarn denselben Namen. Ein junges Mädchen hatte in unserem Haus von unten bis oben an allen Wohnungen diese Namensänderung vorgenommen. Niemand hatte dagegen protestiert, obwohl die Wohnungsinhaber sehr unterschiedlicher Anschauung waren. Aber in jenen Tagen war das überfallene Volk einmütig.
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Quelle: http://nummer.hypotheses.org/64
Auschwitz auf Instagram
Von Hannes Burkhardt Die Foto-App Instagram erfreut sich international zunehmend großer Beliebtheit. Der Fotodienst hatte am Ende des letzten Jahres bereits über 300 Millionen monatliche NutzerInnen. Im September 2013 waren es mit 150.000.000 nur halb so viele gewesen. Damit hatte die Facebook-Tochter Instagram im Dezember 2014 mehr monatliche NutzerInnen als Twitter. Üblicherweise wird Instagram genutzt, um Fotografien aller möglichen Erlebnisse und Begegnungen des Alltags mittels verschiedenster Fotofilter optisch aufzubessern und dann mit seinen FreundInnen und der Welt zu teilen. Doch auch Institutionen der … Auschwitz auf Instagram weiterlesen →
Geteilte Geschichte, gespaltenes Gedenken. Der 9. Mai in der heutigen Ukraine
Jochen Hellbeck, Professor für Russische und Europäische Geschichte an der Rutgers University in New Brunswick (New Jersey, USA), veröffentlichte im Online-Magazin “Krautreporter” unlängst einen Beitrag zum Gedenken an den 9. Mai 1945 in der heutigen Ukraine. Darin beschreibt er, wie stark das ukrainische Gedenken an den Sieg über das nationalsozialistische Deutschland und an das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa in diesem Jahr vom bewaffneten Konflikt mit Russland beziehungsweise mit pro-russischen, separatistischen Kräften im Osten des Landes sowie von der handstreichartigen Einverleibung der Krim in die Russische Föderation beeinflusst wurde.
Während sich die mediale Aufmerksamkeit in Europa und Nordamerika zuletzt vor allem auf die traditionelle Militärparade in Moskau als “Siegesparade der Superlative” (F.A.Z., 4.5.2015) und als unverhohlene Machtdemonstration Putins gegenüber dem Westen sowie auf das ostentative Fernbleiben eigener Staatsrepräsentanten richtete, blieb das Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 70 Jahren in der krisengeschüttelten Ukraine weitgehend unbeachtet.
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Jenseits des Tellerrands – #stringsandstructures
In der letzten Woche fand bei uns ein von meinem Lehrstuhl co-organisierter Workshop zum Thema “Strings and Structures – Computational Biology and Lingustics” statt. Das Ziel war, Wissenschaftler|innen mit unterschiedlichen Ansätzen zu Problemstellungen der Sprach- und Genomanalyse zusammenzubringen. Ich selbst durfte auch einen Vortrag (zum Thema Text Mining, Präsentation gibt es hier) beisteuern und empfand den Workshop als durchaus bereicherndes Ereignis.
Der Workshop ist ein zentraler Bestandteil des Projekts “Strings and Stuctures: Codes of Sense and Function in Genomics and Linguistics” das von unserem Lehrstuhl (Prof. Rolshoven Institut für Linguistik – Sprachliche Informationsverarbeitung) in Kooperation mit der Arbeitsgruppe Bioinformatik & Populationsgenetik (Prof. Wiehe, Department für Biologie | sic!) durchgeführt und von der Exzellenzinitiative der Uni Köln gefördert wird. Ein vorrangiges Ziel dieses Projekts ist es, die schon vor langer Zeit gestellten, aber nie wirklich beantworteten Fragen zur Berechenbarkeit von Bedeutung und Funktion neu zu adressieren und potentielle Synergien zwischen den Feldern Bioinformatik und Linguistik aufzudecken bzw. auszubauen.
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Liegt Cegléd fern von Auschwitz?
Von Gabriella Valaczkay Artikel im PDF-Format Viele meinen, im heutigen Ungarn gäbe es nichts, was man im Schulunterricht über den Holocaust erzählen müsste, weil er niemals passiert sei. Andere –Mittelschüler und Studenten, die genug haben von den Unmengen Stoff – verbitten sich mitunter, dass die Lehrer ihnen schon wieder „damit“ kämen. Sie hätten schon genug darüber gehört, was könnte man da noch Neues sagen? Es gibt jedoch Menschen, die denken, es sei sehr nützlich, über die Schoah und ihre Vorgeschichte auch außerhalb des Geschichtsunterrichts … Liegt Cegléd fern von Auschwitz? weiterlesen →
Versponnene Fäden. Kriegsnarrative im jugoslawischen Raum
Von Sabine Rutar
Nur wenige Bücher teilen das Schicksal von Katherine Verderys „National Ideology Under Socialism: Identity and Cultural Politics in Ceauşescu’s Romania“. Es ging am 8. November 1989 in Druck und geriet buchstäblich über Nacht zu einem kontingenten Narrativ: „From being an analysis of how cultural production and national ideology are intertwined in a socialist society, it became a recent history of a now-very-different future cultural and national politics, in the transition from socialism to whatever will come after it.“1 Dieses „whatever will come after it“ beeinflusste in der Folge, nicht von ungefähr, die Interpretationen der sozialistischen Zeit, und für Jugoslawien gilt dies in besonderer Weise.
In den letzten zwanzig Jahren tendierten Historiker und Historikerinnen dazu, Fragestellungen ex post facto zu formulieren. Sozialwissenschaftler entwarfen Erklärungsraster, die von der Erwartung konditioniert waren, dass in den postsozialistischen Gesellschaften rasch Demokratien und Marktwirtschaften westlichen Typs entstehen würden. Diese Erwartungen des „Westens“ machten zwar durchaus einen substantiellen Teil der Transition aus, vergessen wurde nur allzu leicht, was eigentlich, also welche Gesellschaft in Transition begriffen war. Maßgenommen und interpretiert wurde anhand letztendlich nebulöser “westlicher Standards”.
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Das Universitätsarchiv: ein akademisches Archeion für Janus und Cardea
Vortrag des Universitätsarchivars Karsten Kühnel vor dem Universitätsforum Bayreuth (UFB) am 13. Mai 2015
Einleitung
Der vermutlich eigenartig anmutende Titel des Vortrags – „ein akademisches Archeion für Janus und Cardea – ist eine sehr komprimierende Metapher, die bei ihrer Entschlüsselung bereits viel über das Wesen von Archiven aussagen kann. Ich werde sie im Laufe des Vortrags auflösen.
Archeion ist im Griechischen eigentlich nur das Amtsgebäude. Es kommt vom Verb ἄρχω, das ‚herrschen‘ bedeutet. Archive sind Herrschaftsinstrumente. Das ist ihr historisch ursprünglicher Zweck. Nicht von ἀρχαῖος leiten sie sich her. Nicht sind sie primär mit dem Attribut des ‚Alten‘ konnotiert.
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Gedenkstätte Hebertshausen: Am Rande von München und doch so weit weg?
Zum Gedenken an die Befreiung des Konzentrationslagers Dachau am 3. Mai wurden auch auf dem ehemaligen SS-Schießplatz Hebertshausen Kränze niedergelegt. Dass die hier entstandene Gedenkstätte in der heutigen Form noch nicht sehr lange existiert, erfuhren Studierende des Masterstudiengangs Osteuropastudien, als sie sich im Januar im Rahmen ihres Projektkurses auf den Weg dorthin machten.
von Anke Oehler und Marie Grünter
Nicht einmal eine halbe Stunde mit der S-Bahn von München entfernt liegt das Dorf Hebertshausen. Am Ortsrand, von der Neubausiedlung durch einen Wall abgetrennt, befindet sich ein ehemaliger SS-Schießplatz. Hier wurden 1941 und 1942 über 4000 Soldaten aus den heutigen Staaten Russland, Belarus und Ukraine ermordet. Gefangene, von denen man vermutete oder wusste, dass sie überzeugte Kommunisten, Juden oder Mitglieder der Intelligenzia waren, brachte die SS aus verschiedenen Lagern im Umkreis hierher. Die SS zwang sie, sich, teils bei Minusgraden, nackt in Reihen aufzustellen, bevor sie die Häftlinge im Schießstand, einem gewaltigen Betonklotz, erschoss.
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Pegida verstehen
Der Beitrag lotet aus, inwieweit sich das Phänomen Pegida aus kulturwissenschaftlicher Perspektive verstehen lassen kann. Meines Erachtens ist dies der erste Schritt zu einer kritischen Auseinandersetzung. Eine gewisse Rat- und Sprachlosigkeit jenseits der Floskeln beherrscht beide Seiten, die Pegidianer und ihre Gegner. Ich gehe davon aus, dass ein historisches Bewusstsein (Gadamer) dabei hilft, vorhandene Denkmuster offenzulegen, um in weiterer Folge Lösungswege im Umgang mit Bewegungen wie Pegida zu formulieren. Nachdem ein Pegida-Ableger seit Februar 2015 auch in Karlsruhe aktiv ist, Mitte April die HoGeSa eine Demonstration angemeldet haben, hat sich am Badischen Staatstheater eine Initiative gebildet, dem Problem rechtspopulistischer Strömungen mittels einer vierteiligen Veranstaltungsreihe zu begegnen. Auf die von den Veranstaltern aufgeworfenen Fragen soll an dieser Stelle nochmals eingegangen werden.
Einfache Lösungen für komplexe Probleme
Bei Pegida handelt es sich um eine spezifische Ausdrucksform eines Trends, welcher einer zunehmend komplexer werdenden Welt mit einfachen Lösungsformeln begegnet. Der digitale Wandel, den wir zur Zeit erleben, befördert die globale Vernetzung mit all ihren Schattenseiten, die ökonomisch, politisch, soziologisch spürbar wird.
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