Problematisieren ohne Problemlösen? Zu einer Passage in Schröders (2003) “Die Handlungsstruktur von Texten”

Ich beschäftige mich zur Zeit mit der Illokutionsstruktur von Texten. Das ist eines der wichtigsten Bestimmungspunkte meiner Arbeit. Bezüglich dieses Komplexes eine begründete Position herauszuarbeiten, wird die empirische Analyse und ihren theoretischen wie auch praktischen Ertrag wesentlich prägen. In diesem Zusammenhang wurde mir vor einiger Zeit eine Monografie von Thomas Schröder empfohlen. Diese Woche bin ich endlich dazu gekommen, einen Blick in sie zu werfen. Dabei ist mir ein interessanter eristischer Zug in die Hände gefallen.

In seiner Habilitationschrift “Die Handlungsstruktur von Texten. Ein integrativer Beitrag zur Texttheorie” (2003) geht Thomas Schröder (Innsbruck) das Problem an, wie Texte in ihrer Binnenstruktur handlungstheoretisch zu rekonstruieren sind. Das ist eine wichtige und immer noch aktuelle Fragestellung der linguistischen Pragmatik.

Darin findet sich im ‘Theoriekapitel’ die folgende Passage:

“Äußerungs- und Handlungsebene werden also parallel betrachtet: Genauso wie ein Text als Äußerungseinheit ein Produkt aus Sätzen ist, wird auch die Texthandlung als ein Produkt aus „Satzhandlungen“ gesehen. Die möglichen Probleme, die mit einer solchen Parallelsetzung von Sätzen und einfachen Handlungen verbunden sind, werden an dieser Stelle bewußt ausgeklammert. Beide Kategorien, erst recht aber ihr Verhältnis, sind heftig umstritten. Diese Diskussion hier aufzunehmen, würde allzu weit vom Hauptgegenstand der Untersuchung wegführen.” (Schröder 2003, 35f.)

Zurecht weist Schröder hier auf einen Problemkomplex hin, der “heftig umstritten” ist. Dass er so “heftig umstritten” ist, hat den Grund, dass es sich hierbei um eine der zentralen Fragen linguistischer Pragmatik handelt. Und es ist wohl ziemlich normal, dass sich an solchen Fragen, die Geister scheiden.

Um das kurz zu explizieren: Was Schröder da anspricht, ist die Frage des Verhältnisses von Oberflächenstruktur und Tiefenstruktur. Oder anders: Was sehen wir (Forscher_innen), wenn wir uns die Buchstabenkombinationen eines Textes anschauen? Oder: Welche Leistung vollbringt die Medialität von Sprache? Welches Vermittlungsverhältnis liegt vor?

Schröder beantwortet diese Frage mit einem Abbild- oder Repräsentationsverhältnis. Was wir sehen/hören ist die Handlung: “Äußerungs- und Handlungsebene werden also parallel betrachtet”, kurz darauf spricht er von “Parallelsetzung”. Das ist strenggenommen kein Identitätsverhältnis, wie ich es mit “ist” ausgedrückt habe. Es ist sogar ein spezifisches Differenzverhältnis, dass sich auch in seinen Illokutionsstruktur-Schemata niederschlägt. Zwischen der Handlungs- und der Äußerungsebene ist immer ein weißer Graben gezogen, der zwei formgleiche Seiten trennt: Auf der einen steht Satz, auf der anderen Satzhandlung, Teiltext – Teiltexthandlung, Text – Texthandlung. Was dieser gezogene Graben genau bedeuten soll, wird nicht erklärt. Die Formgleichheit auf beiden Seiten impliziert aber, dass es sich um das parallelgeführte Vermittlungsverhältnis von Oberfläche und Tiefe handelt, was durch die Formgleichheit als Abbildungsverhältnis identifizierbar wird. Die Tiefenstruktur schlägt sich 1:1 in der Oberflächenstruktur nieder. So kann der gezogene Graben zwischen Beiden nur die Vermittlung, die Medialisierung zwischen Mentalem und Medialem meinen, der aber als weißes, unentdecktes Land diagrammatisch einfach übersprungen wird.

Was aber ist eigentlich damit gemeint, wenn von Tiefenstruktur gesprochen wird. Es ist freilich eine konzeptuelle Metapher, die unterstellt, hinter oder unter der wahrnehmbaren Oberfläche der Phänomene gibt es eine wirkende Kraft, die bestimmt, wie die Oberfläche sich ausformt. Nun meinen Linguist_innen, wenn sie von Tiefenstrukturen sprechen, keine metaphysischen Wirkkräfte aufzufinden. Wenn wir von Tiefenstrukturen sprechen, meinen wir gesellschaftliches oder zumindest gemeinschaftliches Sprachwissen, dass anhand der empirischen Oberfläche begrifflich rekonstruiert werden kann. Die sprachliche Oberfläche erscheint in diesem Zuschnitt als Mittelarrangement, dass im sozialen Austausch durch wiederkehrende Handlungskonstellationen zweckadäquat geformt wird. Das ist die Position, wie sie die Funktionale Pragmatik seit den späten 1970er Jahren kontinuierlich entfaltet hat, um eine ganzheitliche, linguistische Perspektive auf sprachliches Handeln herauszuarbeiten: sowohl theoretisch, wie auch empirisch (vgl. z.B. Ehlich 1991; 2007b; Rehbein 2001; Redder 1998).

Arbeiten von Rehbein, Redder und Hoffmann finden sich auch in Schröders Habil. Die Funktionale Pragmatik hat nun den Standpunkt herausgearbeitet, dass kein “Homomorphie”-Verhältnis zwischen Oberflächen- und Tiefenstruktur herausgearbeitet werden kann (Rehbein 2001, 933; Ehlich/Rehbein 1986, Kap. 6) und beziehen damit eine deutliche Position bezüglich des im Zitat problematisierten Sachverhalts.

Mit dem Begriff der Illokution werden nun die Zwecke sprachlicher Handlungen “mittlerer Größenordnung” benennbar: die Zwecke der Sprechhandlungen (Redder 1998, 64). Wie die Sprachakttheorie gezeigt hat, sind diese Benennungen nur selten in der sprachlichen Oberfläche auffindbar oder anders: eine empirische Handlung findet in ihrem Vollzug nur selten eine Explizierung ihres Zwecks durch die Handelnden selbst. In den meisten Fällen ist es also eine hermeneutische Analyseleistung, welche Illokution hinter einer Äußerung verborgen liegt. Diese müssen die Wissenschaftler_innen, wie die Interaktanten gleichermaßen leisten, um zu verstehen; gleichwohl die Interaktanten dies im höheren Maße routiniert leisten, weil sie beim Verstehen freilich ganz andere Interessen verfolgen als ein_e Linguist_in.

Schon diese wenigen Ausführungen reichen aus, um zu verdeutlichen, dass ein einfaches abbildhaftes Parallelisieren von Satz und Handlung nicht ausreichend zu sein scheint, um deren Verhältnis zu bestimmen. Zieht man nun das Verhältnis von Illokution und Handlungsmuster heran (vgl. Ehlich/Rehbein 1979; 1986), wird das noch einmal deutlicher. Denn damit wird ersichtlich, dass Illokutionen nicht einfach in sich selbst aufgehen, sondern zentrale Einheiten im interaktiven Vollzug von Handlungsmustern darstellen (vgl. Ehlich 2007a, 33f.). Ohne die jeweilige Rekonstruktion der Position der einzelnen Sprechhandlung im dazugehörigen Handlungsmuster ist ihre Handlungsqualität nicht ausreichend bestimmbar und damit lässt sich eigentlich erst sinnvoll rekonstruieren, wie einzelne Sprechhandlungen im Text verkettet werden, ohne nur auf “indem”- und “und dann”-Relationen1 zurückgreifen zu müssen. Das möchte ich im Folgenden aber nicht weiter ausführen.

Vielmehr möchte ich noch einen kurzen Blick auf das obige Zitat werfen. Wie wir gesehen haben, wir ein zentrales Problem aufgeworfen, mit dem eine Untersuchung der Handlungsqualität von Texten befasst sein muss, ja mindestens eine Position begründet beziehen muss, um davon ausgehend gewissermaßen erst starten zu können. Schröder geht dabei – wie ich finde – einen recht eigenwilligen Weg. Er problematisiert diesen forschungspraktischen Entscheidungsknoten sehr stark, indem er ihn als “heftig umstritten” kennzeichnet. Ebenso weist er auf “mögliche Probleme” hin, “die mit einer solchen Parallelsetzung von Sätzen und einfachen Handlungen verbunden sind”, um sie gleich darauf “bewußt auszuklammer[n]“.

Schauen wir uns dazu den Kontext (hier kursiviert) des Zitates an:

Im Mittelpunkt der Handlungsstrukturbeschreibung steht somit der Zerlegungszusammenhang, der zwischen der Texthandlung und ihren Bestandteilen, den Teil-Handlungen, besteht. Als kleinste Einheiten werden dabei die einfachen sprachlichen Handlungen gesehen, denen auf der Äußerungsebene in der Regel die Einheit des Satzes entspricht. Äußerungs- und Handlungsebene werden also parallel betrachtet: Genauso wie ein Text als Äußerungseinheit ein Produkt aus Sätzen ist, wird auch die Texthandlung als ein Produkt aus „Satzhandlungen“ gesehen. Die möglichen Probleme, die mit einer solchen Parallelsetzung von Sätzen und einfachen Handlungen verbunden sind, werden an dieser Stelle bewußt ausgeklammert. Beide Kategorien, erst recht aber ihr Verhältnis, sind heftig umstritten. Diese Diskussion hier aufzunehmen, würde allzu weit vom Hauptgegenstand der Untersuchung wegführen. „Satzhandlungen“ werden deshalb im folgenden ohne weitere Problematisierung als kleinste Bausteine der Handlungsstruktur aufgefaßt (vgl. dazu beispielsweise Motsch/Viehweger 1981, 131 ff. bzw. Motsch 1983 oder, aus anderer Perspektive, Fritz/Muckenhaupt 1981, 17 ff.)” (Schröder 2003, 35f.)

Wie jetzt ersichtlich wird, hat Schröder die Problematisierung des Verhältnisses von Oberfläche und Tiefe eingebettet in die analysepraktische Frage des Zerlegens eines Textes bzw. einer Texthandlung in Einzelhandlungen, deren Zusammenwirken dann als “Handlungsstruktur von Texten” beschrieben werden kann. Die – geradezu schon mechanistisch metaphorisierte – Analysearbeit (‘das Zerlegen’) und ihre Begründung soll bei Schröder nicht weiter diskutiert werden, zu weit führe sie “vom Hauptgegenstand der Untersuchung” weg. Das ist ein legitimer und oft anzutreffender rhetorischer Zug. Ebenso verhält es sich mit dem, was Schopenhauer (1830/2009, 71) vielleicht ein “argumentum ad verecundiam” nennen würde. Das ‘Appellieren an die Ehrfurcht’; hier: vor den früheren Leistungen von Autoritäten. Wobei gerade in dieser gesammelten Platzierung der Literaturverweise an das Ende das Absatzes ihre Rolle innerhalb des Handlungsmusters, dessen Niederschlag sie bilden, veruneindeutigt wird. Dienen Motsch & Co hier dazu, die Lösung des Problems darzustellen, an die er “ohne weitere Problematisierungen” anschließen kann? Oder haben Motsch & Co sich auch ‘nur’ für eine “Parallelsetzung” von Oberfläche und Tiefe entschieden?

Die ambige Setzung der Literaturverweise und die Einbettung einer Problematisierung in eine analysepraktische Entscheidung, ist hörerseitig ganz unterschiedlich zu verstehen – je nach Kenntnis von Motsch & Co. Die musterbezogene Rolle von Motsch & Co variiert dadurch hier zwischen ‘Lösungsversuch’ innerhalb eins Problematisieren-Problemlösen-Musters (vgl. Ehlich/Rehbein 1986, Kap. 2; Wiesmann 2003; Petkova-Kessanlis 2009) und ‘Begründungsversuch’ innerhalb eines Begründen-Musters (vgl. Trautmann 2004; Tzilinis 2011), das zur Anwendung kam, weil (besonders nach diesem Absatz) hörerseitig antizipierbare Einwände zu bearbeiten waren.2

So wird auch hierin noch einmal deutlich, in welcher Weise die Bestimmung illokutiver Qualität von Sprechhandlungen in Texten hochgradig abhängig ist von ihrer Musterbezogenheit und dem vorhandenen Muster- wie Sachwissen.3 Im vorliegenden Fall kann die Vereindeutigung der möglichen Musterposition von Motsch & Co4 darüber geleistet werden, indem man sich diese Forschungsliteratur anschaut und dann einschätzt, zu welcher Musterposition die angegebenen Stellen taugen.

Die besprochene Passage erweist sich mithin als interessanter und äußerst komplexer Fall wissenschaftlichen Streits, der immer auch das Beziehen einer Position bedeutet und dessen Rekonstruktion sich nicht nur im Beschreiben der linearen Oberflächenstrukturen erschöpft.

 

Literatur

Brinker, Klaus (2000): Textfunktionale Analyse. In: Brinker, Klaus/Antos, Gerd/Heinemann, Wolfgang/Sager, Sven F. (Hg.): Text- und Gesprächslinguistik. Linguistics of Text and Conversation. Berlin, New York: De Gruyter (HSK, 16.1), S. 175–186.

Ehlich, Konrad (1991): Funktional-pragmatische Kommunikationsanalyse. Ziele und Verfahren. In: Flader, Dieter (Hg.): Verbale Interaktion. Studien zur Empirie und Methodologie der Pragmatik. Stuttgart: Metzler, S. 127–143.

Ehlich, Konrad (2007a): Funktionale Pragmatik – Terme, Themen und Methoden. Jochen Rehbein sexangenario. Erstveröffentlichung in: Deutschunterricht in Japan 4 (1999), S. 4-24. In: Konrad Ehlich: Sprache und sprachliches Handeln. Band 1: Pragmatik und Sprachtheorie. Berlin, New York: De Gruyter, S. 29–46.

Ehlich, Konrad (2007b): Sprachmittel und Sprachzwecke. In: Konrad Ehlich: Sprache und sprachliches Handeln. Band 1: Pragmatik und Sprachtheorie. Berlin, New York: De Gruyter, S. 55–80.

Ehlich, Konrad/Rehbein, Jochen (1979): Sprachliche Handlungsmuster. In: Soeffner, Hans-Georg (Hg.): Interpretative Verfahren in den Sozial- und Textwissenschaften. Stuttgart: Metzler, S. 243–274.

Ehlich, Konrad/Rehbein, Jochen (1986): Muster und Institution. Untersuchungen zur schulischen Kommunikation. Tübingen: Narr.

Petkova-Kessanlis, Mikaela (2009): Musterhaftigkeit und Varianz in linguistischen Zeitschriftenaufsätzen. Sprachhandlungs-, Formulierungs-, Stilmuster und ihre Realisierung in zwei Teiltexten. Frankfurt a.M. etc.: Lang.

Redder, Angelika (1998): Sprachbewusstsein als handlungspraktisches Bewusstsein – eine funktional-pragmatische Diskussion. In: Didaktik Deutsch 3 (5), S. 60–76.

Rehbein, Jochen (2001): Das Konzept der Diskursanalyse. In: Brinker, Klaus/Antos, Gerd/Heinemann, Wolfgang/Sager, Sven F. (Hg.): Text- und Gesprächslinguistik. Linguistics of Text and Conversation. Berlin, New York: De Gruyter (HSK, 16.2), S. 927–945.

Schopenhauer, Arthur (1830/2009): Die Kunst, Recht zu behalten. Hamburg: Nikol.

Schröder, Thomas (2003): Die Handlungsstruktur von Texten. Ein integrativer Beitrag zur Texttheorie. Tübingen: Narr.

Trautmann, Caroline (2004): Argumentieren. Funktional-pragmatische Analysen praktischer und wissenschaftlicher Diskurse. Frankfurt a.M. etc.: Lang.

Tzilinis, Anastasia (2011): Sprachliches Handeln im neugriechischen Wissenschaftlichen Artikel. Ein Beitrag zur Komparatistik der Wissenschaftssprachen. Heidelberg: Synchron.

Wiesmann, Bettina (2003): Problemlösen, Kategorisieren, Einschätzen – Zur Konzeptualisierung von Wissenschaft in deutsch- und spanischsprachigen Texten. In: Ehlich, Konrad/Steets, Angelika (Hg.): Wissenschaftlich schreiben – lehren und lernen. Berlin, New York: De Gruyter, S. 289–304.

 

  1. Diese Relationen spezifiziert Schröder (2003, 42-49) freilich noch und macht – was ich für sehr wichtig halte – Maximen deutlich, auf deren Basis es zu illokutionären Interrelationen kommt. Dass diese Maximen aber weitestgehend aus einem interaktionalen Zusammenspiel zwischen Sprecher und disloziertem Hörer sich ergeben, bleibt bei ihm nur angedeutet.
  2. Deutlich wird hier ebenso, dass Illokutions- und thematische Struktur nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können, wie Brinker (2000) das macht, wenn er eine Illokutionsstruktur von Texten ganz verneint.
  3. Natürlich liegen im ausgewählten Abschnitt auch noch andere und kleinräumigere Muster und den dazugehörigen Illokutionen vor, deren Verhältnis zu den übergeordneten ebenso beschrieben werde muss.
  4. Was ebenso deutlich wird, ist, dass die Einheit ‘Satz’ keineswegs als die kleinste illokutionstragende Einheit verstanden werden kann. Vielmehr scheint es domänenspezifisch ganz unterschiedliche zu sein, welche sprachlichen Mittel Illokutionen unterschiedlichster Art zum Ausdruck bringen können.

Quelle: http://metablock.hypotheses.org/454

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Lernst du noch oder spielst du schon?

Games, Gamification, Serious Games – Spiele als Bereicherung der Hochschullehre Spiele in der Hochschullehre erschienen mir schon vor dem Seminar als gewinnbringende Möglichkeit, die eigene Lehre zu bereichern. Tabu habe ich beispielsweise schon selbst in meinen Lehrveranstaltungen eingesetzt. Die umfangreichen Potentiale und Einsatzmöglichkeiten von Spielen in der Hochschullehre waren mir bisher jedoch unklar. In dem zweitägigen Workshop “Games in Higher Education” bot sich mir endlich die Gelegenheit, diese Lücken zu füllen und die Anwendung verschiedener Spiele für die eigene Lehre zu durchdenken. Auf die […]

Quelle: http://medienbildung.hypotheses.org/5474

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Blogaward de.hypotheses – was soll ich denn nur wählen? Teil II. Blogs zu einem Forschungs- / Editionsprojekt, Quellenblogs

In Teil 2 unserer Vorstellung der Blogs für den Publikumspreis beim Blogaward de.hypotheses 2014 präsentieren wir eine kleine Liste an Blogs, die ein Editionsprojekt begleiten, das gleichzeitig auch ein Forschungsprojekt sein kann. Mit aufgelistet haben wir Blogs, die Quellen publizieren. Viel Spaß beim Entdecken!

1. Achtundvierzig http://achtundvierzig.hypotheses.org/

Dieses Blog einer Projektgruppe an der KU Eichstätt-Ingolstadt berichtet von der Forschung zur „Provisorischen Zentralgewalt für Deutschland“ in der Revolution von 1848/49 und darüber hinaus über aktuelle Entwicklungen in der wissenschaftlich-historischen Auseinandersetzung mit der Revolution von 1848/49 und ihrer Rolle in der deutschen und europäischen Politikgeschichte des 19. Jahrhunderts.

2. Archivar – Kamera – Weltkrieg http://kriegsfoto.hypotheses.org/

Das Blog soll in Form eines Online-Tagebuchs über die Bearbeitung des umfangreichen Fotonachlasses des pfälzischen Archivars Dr. Karl Lutz berichten. Lutz hat im 2. Weltkrieg als Offizier akribisch fotografiert, vor allem an der Ostfront sowie in Italien. Im Blog kommen die Bearbeiter des Nachlasses selbst zu Wort, stellen geplante Arbeitsschritte zur Diskussion und präsentieren eine Auswahl an Fotos.

3. Archivum Rhenanum http://archives.hypotheses.org/

Das Interreg-EU-Projekt “Grenzüberschreitendes Netzwerk digitaler Geschichtsquellen: Archive als Gedächtnisse der historisch gewachsenen Landschaft Oberrhein” stellt in diesem Blog Informationen zu den Projektzielen bereit. Es dient ebenso dem Nachweis und der Publikation bearbeiteter und digitalisierter Archivbestände; landesgeschichtliche Forschungsvorhaben am Oberrhein stehen ebenso im Fokus wie Tagungen und andere Veranstaltungen.

4. Digital Intellectuals http://digitalintellectuals.hypotheses.org/

A blog accompanying the (mostly digital) endeavours of the junior research group “Berlin Intellectuals 1800-1830″ – Es geht zum Einen um theoretische Fragen, zum Anderen um praktische Probleme, wie sie während der Entstehung der digitalen Edition auftreten. In dieser Edition werden unterschiedliche, bislang unedierte Handschriften aufgenommen: Briefe, Protokolle, Vorlesungsmitschriften, Werkmanuskripte, verfasst von Verlegern, Professoren, SchriftstellerInnen, die am Anfang des 19. Jahrhunderts in Berlin lebten.

5. Napoleon auf der Spur http://naps.hypotheses.org

Thema des Blogs sind die Quellen zur Geschichte des Königreichs Westfalen (1807–1813/14), die auf zahlreiche Archive in verschiedenen deutschen Bundesländern und im Ausland verteilt sind und gemessen an dem kurzen Zeitraum, in dem das Königreich bestand, eine erstaunlich Dichte aufweisen. Darüber hinaus bietet es methodologische Überlegungen für eine kontextualisierte und kritische Quellenauslegung.

6. Roman Zirngibl http://romanzirngibl.hypotheses.org/

P. Roman Zirngibl von St. Emmeram (1740-1816) war Historiker der alten Bayerischen Akademie der Wissenschaften und ein Kenner der mittelalterlichen bayerischen Geschichte seiner Zeit. Geplant ist eine Edition seiner monatlichen Berichte, die er in den Jahren 1812 bis 1815 an das Allgemeine Reichsarchiv sandte, das Blog begleitet die Arbeiten daran.

7. Studienstätte Protestantismus http://studpro.hypotheses.org

 Das Weblog “Studienstätte Protestantismus” informiert über alle Aktivitäten des Projekts zum Ausbau der Forschungsbibliothek Gotha zu einer Forschungs- und Studienstätte für die Kulturgeschichte des Protestantismus in der Frühen Neuzeit. Im Rahmen des Projekts sollen die digitalen Dienstleistungen fortentwickelt, weitere handschriftliche Bestände erstmals erschlossen sowie Ausstellungen und wissenschaftliche Tagungen in Anlehnung an die Themenjahre der Reformationsdekade bis 2017 durchgeführt werden.

8. Yousef Jameel Projekt http://jameel.hypotheses.org/

Das Yousef Jameel Digitalisierungsprojekt dokumentiert und digitalisiert 11.000 ausgewählte Objekte der Sammlung des Museums für Islamische Kunst in Berlin. Diese gesammelten Daten werden über das Portal der Staatlichen Museen zu Berlin „SMB-digital“ sowie über „Islamic Art Online“ recherchierbar sein.In diesem Blog geben die Mitarbeiter des Projekts einen Einblick in ihre Arbeit.

9. Bereschit Rabba lesen http://bereschitrabba.hypotheses.org/

Das Blog ist aus den Lektürekursen zu Bereschit Rabba im Masterstudiengang “Jüdische Kulturgeschichte” an der Universität Salzburg entstanden. Die bisher entstandenen Übersetzungen und Beschreibungen der Argumentationen werden hier zusammengestellt, die Übersetzung soll weitergeführt werden. Im Zentrum steht die literarische Eigenart der Texte.

Zur Wahl des Publikumspreises geht es hier: https://survey.openedition.org/index.php/885382/lang-de

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Siehe auch:

Blogaward de.hypotheses – was soll ich denn nur wählen? Teil I. Dissertationsblogs

 

Quelle: http://redaktionsblog.hypotheses.org/2033

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Zu mittelalterlichen Wappenbesserungen und neuen Ansätzen in der Heraldik. Vortrag und Interview mit Laurent Hablot (Poitiers) an der Universität Münster

Am 20. Januar sprach Laurent Hablot (Poitiers) in der französischsprachigen Vortragsreihe “La jeune génération des médiévistes français invitée à Münster” am Historischen Seminar der Universität Münster über Devisen und Wappenbesserungen im Spätmittelalter. Wie immer bei dieser Vortragsreihe, gibt es zum … Continue reading

Quelle: http://heraldica.hypotheses.org/888

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Fünf Fragen an … Laurent Hablot (Poitiers)

Herr Hablot, vielen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben, ein Interview mit uns für die Veranstaltungshomepage zu führen. Wir sind die Mitglieder des Kurses von Herrn Hiltmann. In diesem Kurs beschäftigen wir uns mit den Themen der Veranstaltungsreihe. Wie … Continue reading

Quelle: http://jeunegen.hypotheses.org/1191

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Denn wenn et Trömmelche jeiht…

dann stonn mer all parat. Davon zeugen gerade in der Zeit vor den närrischen Tagen zahlreiche Plakate, die Prunksitzungen, After-Zoch-Partys und von Vereinen organisierte Feiern in Festzelten oder -hallen bewerben. Ab dem 12. Februar 1711 kursierten in Regensburg derartige Aushänge. Die Drucke luden zu einer allgemeine Masquerade ein.

Auf gnaedigstes Begehren verschiedener hoher Gesandtschafften und vornehmen Stands-Persohnen sollte diese  am Rosenmontag und Faschingsdienstag, ab 6 Uhr abends, stattfinden, in einem der prominentesten städtischen Gebäude, der Neuen Waag. Zum Eintrittspreis von einem Gulden wurde den Gästen Tantzen / Spielen auch ander honnêten Divertissements geboten, Speisen und Getränke nicht inklusive, [w]er aber hernachmahls kalt Essen / Wein / Limonade oder andre gleichen Liqueurs und Getraenke verlangt / soll zwar auch damit nach Moeglichkeit bedinet werden / bezahlt es aber um billigen Preiß à parte. 

Es bestand Kostümzwang, [m]it dem eintzigen Unterscheid / was von hohen Stands=PErsohnen sich etwan nicht masquiren wollte / daß dieselbe auch unverkleidet dabey erscheinen können. Moenchens=Ordens= oder andere geistliche Habits / von was Religion dieselbige seyn moegen / vielweniger unehrbahre /scandaleuse Masquen, noch auch diejenigen / so mit Degen / Pistolen oder andern Gewehr versehen seyn sollten, waren allerdings nicht zugelassen.

Ob die Frankfurter Gesandten, die diese Ankündigung mit ihren Berichten an den Rat der Stadt übersandten, am Regensburger Karnevalstrubel teilgenommen haben, ist nicht überliefert. Dass sie den Druck überhaupt ihrer Post beilegten, zeugt davon, dass es ihnen wichtig war, ihren Stadtoberen einen Eindruck vom (gesellschaftlichen) Leben in Regensburg zu vermitteln – ob als Rechtfertigung ihres dortigen Verhaltens, als Vergleichsschablone für das städtische Leben und Reglement einer anderen Reichsstadt oder als umfassende Information über alle Belange des Reichstags als politischem Zentrum des Reichs (und Europas) muss dahingestellt bleiben.

 

 

 

 

Quelle: http://smdr.hypotheses.org/140

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Summer School: Researching the First World War in a Digital Environment

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Unter dem Titel “Researching the First World War in a Digital Environment” findet vom 21. – 25. Juli 2014 in Berlin eine von CENDARI organisierte Summer School statt.

Gegenstand ist die transnationale und komparative Forschung rund um den Ersten Weltkrieg mithilfe Virtueller Forschungsumgebungen. Das Angebot enthält Seminare sowohl von führenden HistorikerInnen als auch von profilierten Forschenden im Bereich der Digital Humanities. Vorgestellt werden außerdem neue Tools und Verfahren forschungsorientierter Informationswissenschaft; darüber hinaus haben Teilnehmende die Möglichkeit, eigene Arbeiten zu präsentieren.

Schwerpunkte u.a.:

  • Framing transnational and comparative research in the era of the First World War
  • Digital history at the First World War centenary: crowdsourcing, public history
  • Reconnecting dispersed collections
  • Curating my research data I: choices and challenges
  • Hands-on sessions: Building archival research guides

Interessierte können sich hier anmelden.

Unter http://www.cendari.eu/summer-school-2014/erhalten Sie weitere Informationen zur Summer School sowie zu Reisestipendien.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3075

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Wie lange muss jemand hier leben? Migration und Identität

 

In den Jahren 2010 bis 2012 konnte man eine Diskussion verfolgen, die sich an einer Rede des Bundespräsidenten Wulff entzündete. Wulff betonte seinerzeit, der Islam gehöre heute, ebenso wie das Christentum und das Judentum, zu Deutschland.1 Widerspruch kam von den führenden CDU/CSU-Politikern Hans-Peter Friedrich und Volker Kauder. Sie erklärten, der Islam gehöre historisch nicht zu Deutschland, er präge nicht die deutsche Kultur und Identität, auch wenn Muslime heute zu Deutschland gehörten und als Staatsbürger alle Staatsbürgerrechte genießen würden. Das sicherzustellen, sei Aufgabe des Staates.2  

 

Bezüge: Rechtsstaat vs. Nationalstaat

Gehört der Islam zu Deutschland? Diese Frage bewegt die Menschen hierzulande immer dann besonders stark, wenn entsprechende Debatten auftauchen. Einig ist man sich bislang nicht. Was aber an den Einlassungen der drei Politiker exemplarisch deutlich wird ist, dass die Beantwortung dieser Frage viel mit der Einstellung zur Geschichte zu tun hat. Einigkeit besteht offensichtlich darin, dass auf der Ebene des Staates alle Menschen zusammen gehören. Dies sicherzustellen ist die Aufgabe des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates und von daher gehören Muslime selbstverständlich als Staatsbürger in den Rechts- und Verfassungsstaat Deutschland. Für Christian Wulff gehören Christentum und Judentum historisch zu Deutschland, und der Islam jetzt auch. Weitere Unterscheidungen sind für ihn hier überflüssig. Die Argumentation der beiden anderen bezieht dezidiert eine andere Ebene mit ein: Sie sprechen von Tradition, von Kultur und von Identität und kommen zum umgekehrten Schluss: Der Islam gehört historisch nicht zu Deutschland! Er hat nämlich keine Bezüge zur deutschen Tradition, er gehört daher nicht in die deutsche Kultur und kann damit auch nicht Bestandteil einer deutschen Identität sein. Pointiert gesagt: Der Islam kann wohl auch niemals zum Bestandteil einer deutschen Identität werden, weil er zu der Zeit, als eine Identitätsbildung mit dem Ziel eines deutschen Nationalstaates begann, offenbar kulturell nicht anwesend war. Unsere “Wurzeln” sind daher “nur” als jüdisch-christlich zu bestimmen. Herauszuhören ist in den Argumentationen eine qualitative Unterscheidung zwischen Staat und Nation und diese Unterscheidung wird über die Wurzelmetapher möglich. Denkt man Geschichte von der Wurzelmetapher her, hat sie offensichtlich die Aufgabe, Menschen lebensweltlich zu verwurzeln.3 In einer Wechselbeziehung zwischen Geschichtsbewusstsein und Geschichtskultur bilden die Menschen Sinn über Zeiterfahrungen und entwickeln eine historische Identität. Diese ermöglicht ihnen, sich im Wandel der Zeit als kohärente Personen in einer Gemeinschaft wahrzunehmen. Wurzeln statten eine Person mit “Kraft und Authentizität”4 aus, sie legitimieren die Kultur eines Personenverbandes historisch.

Dominanzkultur historisch

Worin unterscheiden sich Staat und Nation? Auf der Ebene des freiheitlich-demokratischen Staates werden Pluralität und Heterogenität rechtlich gewährleistet und abgesichert. Allerdings findet hier aufgrund der funktionalen Differenzierung, die die heutige Gesellschaft kennzeichnet, eine Identitätsdiffusion statt: Wer gehört mit wem wie warum zusammen? Für dieses Problem kann „die Nation“ eine Lösung anbieten.5 Mit Hilfe von Geschichte ermöglicht sie dem Personenverband, der den Boden der Nation als “Vaterland” bewohnt, eine nach innen gerichtete Homogenisierung mit einer “ur-”eigenen kulturellen Identität und damit eine Vollinklusion in die Gemeinschaft der Nation. Um diese historische Identität überhaupt wahrnehmen zu können, bedarf es dann notwendigerweise der Anwesenheit von Geschichte in der Gegenwart in Form eines historischen Orientierungswissens “von der Antike an bis zur Gegenwart”6 mit dem Ziel einer “störungsfreien Kommunikation”.7 Die Ausrichtung des historischen Lernens und Denkens an einem master narrative ist die folgerichtige Konsequenz einer solchen Denkweise. Das kommunizierte historische Orientierungswissen prägt damit die Dominanzkultur innerhalb einer Gesellschaft in ihrer historischen Dimension.8

Ursprungskontinuität

Das Thematisieren einer Geschichte, deren Sinn das Herausbilden einer historischen Identität ist, hat jedoch Konsequenzen: In Kommunikationen wird demjenigen Element, dem eine größere Kontinuität zum Ursprung zuerkannt wird, der Vorrang eingeräumt; es repräsentiert das unsichtbare Allgemeine.9 Damit wird in eine Kommunikation zwischen Gleichen eine Unterscheidung eingeführt. Als Folge dieser Unterscheidung kann der unterlegene Teil in der Kommunikation physisch sichtbar gemacht werden. Da in der institutionell kommunizierten Geschichte der Dominanzkultur eine größere Kontinuität zum Ursprung zuerkannt wird, stehen deren Mitglieder für das unsichtbare Allgemeine als ein WIR. “Wir” können “die Anderen” nun auch sehen: Es sind die Menschen “ohne Geschichte” innerhalb der Dominanzkultur.

Bezugspunkt Gegenwart!

Nationalstaaten sind offensichtlich besonders dann keine Inklusionsgemeinschaften, wenn Kultur zur Basisgröße der historischen Orientierung erklärt wird.10 Wollen wir tatsächlich eine Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Staatsbürgern und Bürgern der Nation tradieren? Wenn wir weiter auf eine historische Identität verweisen, die soziale Bindung von kultureller Übereinstimmung abhängig macht, werden mindestens weitere 2000 Jahre vergehen müssen, bis der Islam zu Deutschland gehört – wenn es die Menschheit bis dahin überhaupt noch gibt. Wir könnten dies ändern, indem wir Geschichte anders denken und dann auch kommunizieren: Zusammen gehört, wer zusammen lebt. Und wer zusammen lebt, macht fortan gemeinsam Geschichte. Die Gegenwart sollte der Bezugspunkt eines durch Achtsamkeit geprägten Miteinanders sein – nicht eine kommunizierte Geschichte, die auf ein Orientierungswissen von der Antike an abhebt.

 

 

Literatur

  • Nassehi, Armin: Differenzierungsfolgen. Beiträge zur Soziologie der Moderne, Wiesbaden 1999.
  • Rommelspacher, Birgit: Dominanzkultur. Texte zu Fremdheit und Macht, 2. Aufl., Berlin 1998.
  • Völkel, Bärbel: Man sieht nur mit dem Herzen gut!? – Was hat Thilo Sarrazins Angst um Deutschland mit Geschichte zu tun? Kritische Überlegungen zur Sinnbildung über Zeiterfahrung. In: Religion lernen. Jahrbuch für konstruktivistische Religionsdidaktik, Band 2: Kirchengeschichte, Hannover 2011, S. 23-37.

Externe Links

 



Abbildungsnachweis
Mit freundlicher Genehmigung © der Berliner Senatverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen / Beauftragte des Senats von Berlin für Integration und Migration, unter Verwendung von http://www.einbuergerung-jetzt.de

Empfohlene Zitierweise
Völkel, Bärbel: Wie lange muss jemand hier leben? Migration und Identität. In: Public History Weekly 2 (2014) 7, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2014-1284.

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