Kurz vor Weihnachten erschien die Meldung, dass das Haus Gerhard Mercators auf seinen Fundamenten in Duisburg wieder aufgebaut werden soll. Der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link unterstütze diese „Idee“ und stelle sich an die Spitze einer Initiative, die genau das vor hat.
Anlass waren bauvorbereitende Ausgrabungen, bei denen die Fundamente und Keller dieses besagten Hauses freigelegt wurden. Anders als immer wieder zu lesen ist das Wohnhaus Mercators nicht im Zweiten Weltkrieg zerbombt, sonders es ist bereits in den 1920er Jahren abgerissen worden.
Weiterführende Informationen zu den Ausgrabungen findet man auf den Infotafeln, die von der Duisburger Stadtarchäologie erstellt und online gestellt wurden.
Heute steht auf dem Komplex eine leer stehende Schule, das erheblich größere Gelände soll verkauft und neu bebaut werden. Geplant ist, auf einer 3 ha großen innerstädtischen Fläche ein Wohnquartier der Zukunft entstehen zu lassen. Mehr Informationen dazu auf den Seiten des IMD.
Aber ein paar fest entschlossene Duisburger wollen es anders: sie wollen das Wohnhaus des berühmtesten Sohnes der Stadt auf den alten Fundamenten wieder errichten und rennen damit offene Türen ein. Die „Idee“ unterstützen inzwischen die Bürgerstiftung, der örtliche Lions-Club und Pro Duisburg (nicht zu verwechseln mit den rechten Spinnern).
Die Initiative kommt nicht zu spät, denn die Ausgrabungen werden erst im Januar 2013 abgeschlossen werden und das Gelände, es gehört der genannten städtischen Tochter-Gesellschaft, ist noch nicht verkauft. Es gibt also genug Zeit, um dieses Vorhaben auch erfolgreich umzusetzen und/oder einen städtebaulichen Dialog zwischen Stadt, Bürgerinitiative, Stadtplanern, den involvierten Denkmalpflegern und potentiellen Geldgebern zu beginnen.
An der Spitze der Bewegung steht Kai Gottlob, Dokumentarfilmer und Chef des Film-Forums, eines der beliebtesten Kinos der Stadt.
Wie in der Presse zu lesen ist, soll jetzt eine technische Prüfung die Machbarkeit klären. Danach müsste die Finanzierung sicher gestellt werden, der politische Wille und die Begeisterung der Duisburgerinnen und Duisburger sind bereits vorhanden.
Kai Gottlob spricht von einer „seriösen Rekonstruktion“ und es bleibt zu hoffen, dass er damit eine „wissenschaftliche Rekonstruktion“ meint.
Aus archäologischer und denkmalpflegerischer Hinsicht stellen sich nämlich die Fragen: Soll das Mercatorhaus im Zustand 1558 oder von 1924/28 wiederaufgebaut werden? Soll eine echte Rekonstruktion errichtet oder nur die Kubatur aufgegriffen werden? Soll ein Ensemble entstehen oder es einsam zwischen Beton und Glas stehen?
Grundlage einer wie auch immer gearteten Rekonstruktion sind die Fundamente und Keller des Hauses selbst, dazu kommen die überlieferten Grund- und Aufrisse. Erhalten sind zudem Fotografien zwischen 1900 und den 1920er Jahren, aus denen man die Außenansichten und die genauen Geschoßhöhen herleiten kann. Nichtüberlieferte Details, vor allem im Innenbereich, könnten über Parallelen aus der Baugeschichte der Region hinzugefügt werden. Für die zukünftige Nutzung bringen die Initiatoren die Einrichtung einer Gaststätte oder eines Museums ins Gespräch.
Die zukünftige Nutzung sollte vor der Rekonstruktion bedacht sein, denn das Haus im Zustand der 1920er Jahre ist erheblich größer als der Bau Mitte des 16. Jahrhunderts war. Eine Rekonstruktion im Bauzustand der 1920er Jahre wäre zudem erheblich authentischer, weil man schlicht mehr darüber weiß. Eine „akademische Rekonstruktion“ des Wohnhauses, so wie Gerhard Mercator darin gelebt hat, wäre wissenschaftlich spannender aber auch umstrittener.
Die Rekonstruktion von vergangenen Gebäuden ist kein Neuland. Man denke an das Knochenhauer Amtshaus und seine Nachbargebäude in Hildesheim, der Wiederaufbau des Frankfurter Römerberges und das Nikolai-Viertel in Berlin.
Innerhalb der universitären und hauptamtlichen Denkmalpflege sind sie alle umstritten. Die Front in der Debatte nach Rekonstruktion oder nicht läuft mitten durch die wissenschaftliche Denkmalpflege. Die Meinungen dazu sind seit etwa 150 Jahren verfestigt und werden es vermutlich auch bleiben.
Die wissenschaftliche Fragestellung ist hier vielmehr: Wie? Und nicht: Ob?
Man kann den Initiatoren dieses spannenden Vorhabens nur historisches Feeling, eine gute Hand und zahlreiche Sponsoren wünschen.
Links zum Thema:
Zeit-online 18.5.2006
http://www.zeit.de/2006/21/A-Mercator_xml
Wikipedia: Gerhard Mercator
http://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Mercator
RP-online: 5.12.2012
WAZ-online 7.12.2012
http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/historischer-muell-ist-schatz-von-heute-id7367798.html
WAZ-online 21.12.2012
xtranews 21.12.2012
http://www.xtranews.de/2012/12/21/mit-gerhard-mercator-in-die-zukunft/
WAZ-online 27.12.2012