antikes, interkulturelles Kulturmanagement

Primaporta

Augustus von Prima Porta – Herrscher, Friedensbringer, Kulturvereiner

“Anknüpfungspunkt” ist eines meiner Lieblingswörter, wenn es darum geht, wissenschaftliche Sachverhalte zu vermitteln. Historische und archäologische Forschungsfragen sind oft so spezialisiert, dass ihre Bedeutung sich nicht aus sich und der Präsentation von fertigen Ergebnissen heraus erklärt. Will man sie verständlich darstellen, muss man an das Vorwissen und die Lebensrealität der Zielgruppe anknüpfen. Diese kann die breite Öffentlichkeit sein, aber ebenso kann es darum gehen, Fachwissen über den disziplinären Tellerrand hinaus in andere Bereiche zu übertragen. Kürzlich habe ich ein schönes Beispiel dafür entdeckt, bei dem Informationen zur Antike auf modernes Kulturmanagement und umgekehrt Theorien zu Stadtentwicklung und Creative Cities auf die Antike angewendet werden.

Eleonora Redaellia, assistant professor für Kulturpolitik, -planung und -management an der University of Oregon, hat in der letzten Ausgabe von Urban Geography den Artikel „Becoming a creative city: perspectives from Augustus’ Rome“ publiziert. Sie ist weder Althistorikerin noch Archäologin, aber leitet mit ihrer Expertise für kreative, partizipative Stadtentwicklung aus kulturellen Strategien des augusteischen Roms mögliche Handlungsweisen für moderne Prozesse hin zu Creative Cities ab.



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Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1656

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Die Verbildlichung des Krieges in Feldpostkarten

Benjamin Rudolf & Thomas Ahmann

August Jasper hat über die vier Kriegsjahre hinweg konstant Bildpostkarten an seine Frau und Kinder verschickt. Diese Postkarten bilden ein breites Informationsspektrum ab und ermöglichen vielschichtige Deutungen. Sie umfassen vorgefertigte Grußkarten, die Jasper an Geburtstagen und Festen wie Weihnachten verschickt, ebenso wie Ansichtskarten von markanten Gebäuden oder Sehenswürdigkeiten, Propagandakarten, Aufnahmen von sich und seinen Kameraden oder zeigen Bilder der Zerstörung.[1] Vor allem diese scheinen August Jasper im Verlauf des Krieges mehr und mehr geprägt zu haben:

„Denn wo die hinkommen da wächst kein Gras mehr, du müßtest mal sehen was die für Löcher in die Erde reißen.“[2]

Fragen nach den Kontexten, in denen sich Jasper zu den Abbildungen äußert, wie auch die nach der damit verbundenen Absicht einer Visualisierung, versprechen einen etwas anderen Blick auf das individuelle Kriegserlebnis eines Soldaten. Da im Folgenden vor allem die Annäherung an das Kriegsgeschehen sowie die sozialen Aspekte in den Fokus rücken, ist demnach von Interesse, Zeitpunkt und Anlass entsprechender Abbildungen und Postkarten festzustellen, um Rückschlüsse auf deren konkrete Bedeutung ziehen zu können.



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Quelle: https://feldpost.hypotheses.org/337

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Archäologie und Öffentlichkeit bei #DGUF2015

Archäologische Kommunikation? Keine Keilschrift, aber immerhin eine Steindruckplatte

Archäologische Kommunikation? Keine Keilschrift, aber immerhin eine Steindruckplatte aus der DASA Arbeistwelt.

Fast ein Monat ist seit der Tagung der DGUF (Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte) zu “Schafft sich die Öffentlichkeit eine andere Archäologie“ vergangen. Drei spannende Tage, die viele Aspekte zusammen gebracht haben, wegen denen sich die Archäologie schwer damit tut, mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Dabei haben die zugrundeliegenden Ängste und Vorurteile für die Onlinekommunikation (dem Thema meines Vortrags) besondere Brisanz. Die zentralen Punkte der Diskussion lassen aber auch hoffen, denn es besteht durchaus ein Bewusstsein dafür, dass sich etwas ändern muss – zumindest bei den auf der Tagung anwesenden Archäologen.

Bilder von dir überdauern – bis in alle Zeit

Erst mal, das hatte ich hier schon kurz angeschnitten, gibt es nicht “die Archäologie” und auch nicht “das Bild” der Archäologie, sondern viele verschiedene, die sich aus den unterschiedlichen Aufgabenfeldern, Einsatzbereichen und Berührungspunkten mit Archäologen, Funden und Befunden erklären.

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Quelle: https://kristinoswald.hypotheses.org/1632

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Feldpostkommunikation als Treuebeweis

Frederick Schattka

 

,,Und nun tausend Grüße und  Küsse von deinem lieben treuen Mann“.[1]­

Der erste Weltkrieg stellte eine große Herausforderung für die persönliche und intime Kommunikation in einer Ehe zwischen Frontsoldat und der Ehefrau Ehefrau in der Heimat dar.[2] Schließlich musste doch nun – und dies meist zum ersten Mal und über einen unbestimmten Zeitraum hinweg – die Kommunikation zwischen den Eheleuten schriftlich erfolgen. Daher überrascht es nicht, dass die Briefe August Jaspers an seine Frau Bernhardine zahlreiche direkte Treuebekundungen wie beispielsweise das häufig auftauchende „dein dir treuer Mann“ aus dem einführenden Zitat beinhalten.

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Vorder- und Rückseite des Briefes von August Jasper an seine Frau, geschrieben am 26.

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Quelle: https://feldpost.hypotheses.org/287

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Zwischen den Zeilen.


Die soziale und psychologische Funktion von Feldpostbriefen

Lucinda Jäger

Wer heute etwas über den Krieg aus Feldpostbriefen herausfiltern möchte, der werde – so der Literaturwissenschaftler Jens Ebert über die Arbeit mit dieser Quelle – in vielen Fällen im ersten Moment enttäuscht, ja bleibe beim Lesen „hilflos zurück“.[1] Denn eben so oft verwundern nicht nur die Themen, sondern auch die Art, wie über diese geschrieben wird. Mehr noch werfen gerade jene Themen Fragen auf, die in der Feldpostkommunikation ausgespart bleiben: der Kriegs- und Frontalltag und die damit verbundenen, meist negativen, traumatischen Erlebnisse der Soldaten. Auch in den Briefen Heinrich Echtermeyers an seinen Bruder Bernhard wird die Kriegswirklichkeit oftmals allein fragmentarisch beschrieben. In den 58 überlieferten Feldpostbriefen und ‑karten berichtet er allenfalls sporadisch und wenn, so wenig detailliert über die von ihm erlebten Kriegsereignisse an der Ostfront. Stattdessen überwiegen scheinbar triviale Themen wie Wettereindrücke und Naturwahrnehmungen, Fragen nach der Heimat oder sich wiederholende Begrüßungs- und Abschiedsformeln.[2]

Feldpostbriefe erfüllten sowohl für Soldaten als auch für deren Verwandte in der Heimat eine soziale und psychologische Funktion: Sie ermöglichten ein Aufrechterhalten der familiären und sozialen Netzwerke, festigten beidseitig soziale Bindungen.[3] Der Historiker und Geschichtsdidaktiker Peter Knoch beschreibt Feldpostbriefe als „lebenswichtige Verbindungsfäden zwischen getrennten Menschen; sie geben dem Frontsoldaten inneren Halt und Lebenssinn, den Verwandten daheim sind sie immer aufs neue Lebenszeichen.

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Quelle: http://feldpost.hypotheses.org/177

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Popkultur und Fachkommunikation zur Antike

Anfang Mai veranstaltet der Lehrstuhl für Alte Geschichte der Universität zu Köln eine Tagung zur Antike in Science-Fiction-Literatur – ein Thema, das sich nicht nur wunderbar für die Forschung zur Antikenrezeption, sondern auch für verschiedenste Formen der archäologischen und historischen Fachkommunikation eignet, zumal wenn man es auf Antike in der Popkultur erweitert.

Popkultur, Gesellschaft und Wissenschaft

Die Popkultur prägt vielfach unser Bild von Themen, für die wir keine Spezialisten sind. Sie tut das, weil sie uns täglich in allen Arten von Medien umgibt, unseren Alltag prägt und uns auch fachliche und künstlerische Inhalte mit Spaß und interessanten, einprägsamen Geschichten vermittelt. Dabei entsteht Popkultur stets aus dem Zeitgeist, wird von dessen Themen geprägt und prägt diese zugleich mit. Sie greift gesellschaftliche, wissenschaftliche, künstlerische Trends auf und macht sie alltags- und verkaufsfähig. Deshalb ist Popkultur aber nicht anspruchslos, vielmehr verstehen es ihre Akteure, anspruchsvolle Themen herunterzubrechen. Aus diesem Grund scheint kaum eine Wissenschaft glücklich damit zu sein, wie sie in der Popkultur dargestellt wird: in ihren groben Zielen und Inhalten zwar nicht falsch, in methodischen Details aber stark vereinfacht bis verfälscht.

offensichtliche und versteckte Antike in der Popkultur

Das für Archäologen einprägsamste Beispiel dafür ist sicherlich Indiana Jones. Narrativ wunderbar erzählt, aber kaum mit dem tatsächlichen Archäologen-Dasein in den 1940er Jahren, ganz zu schweigen von heute, vergleichbar. Das überzeichnete Bild einer Zunft, die einer meiner Professoren im ersten Semester durchaus begeistert als “Abenteuer am Schreibtisch” beschrieb – nicht gerade Indiana Jones-like, aber dieser Differenz sind sich sicher auch die meisten Zuschauer bewusst. Inwieweit soll Indiana Jones also ein Bewusstsein für die Details archäologischer Tätigkeit außerhalb der Fachdisziplin schaffen? Ist es nicht wichtiger, dass die Filme dies etwa für die politische Relevanz von Archäologie und der fachlichen Deutung von Artefakten tun?

Auch “in der Science-Fiction-Literatur”, so die Ankündigung zu oben genannter Tagung, “finden sich zahlreiche Bezüge zur Alten Geschichte, von denen der offensichtlichste wohl das vom Römischen Reich inspirierte galaktische Imperium ist, das in vielen literarischen Werken wie Frank Herberts Dune oder Isaac Asimovs Foundation-Zyklus die Grundlage für die dargestellten Geschehnisse bildet. Jedoch beschränkt sich die Antikenrezeption in der Science-Fiction-Literatur nicht auf derart offensichtliche Anleihen, sondern umfasst auch wesentlich subtilere Bereiche wie etwa homerische Erzählmotive oder Vorstellungen von kulturellen Entwicklungsmodellen.”

Ein neueres, populäres Beispiel sind “Die Tribute von Panem”. Der Aufbau der in den drei Büchern dargestellten Gesellschaft weißt zahlreiche Verweise zum Rom der Kaiserzeit auf, die etwa Barry Straus, Professor für Classics an der Cornell University, in seinem Essay “The Classical Roots of ‘The Hunger Games” für das Wall Street Journal wunderbar aufbereitet hat. Ebenso wie bei Star Wars sind diese jedoch nicht eindeutig, sondern narrative Vorlage: Wie Rom war auch Panem – benannt nach den römischen Panem et Circenses - einmal eine demokratische Gesellschaft. Nach der Unterwerfung und einem darauffolgenden Aufstand der Disktrikte, die den römischen Provinzen angenähert sind, wird es nun von der Haupstadt, dem Capitol – benannt nach dem Zentrum des antiken Rom – und einem allmächtigen Präsidenten regiert. Er wie die Bewohner der Haupstadt gelten als korrupt, habgierig und dekadent. Ebenso beschrieb etwa Tacitus die stadtrömischen Bürger und eigenmächtigen Kaiser. An sie angelehnt sind auch die lateinischen Namen der Capitol-Bewohner. Dem entgegen standen die moralischen Werte der republikanischen Zeit, die nun von den Provinzbewohnern verkörpert werden. Bei Tacutus wie in Panem sind sie arm, aber tugendhaft, werden von der Hauptstadt ausgebeutet und unterdrückt. Die Spiele selbst sind die Strafe für den Bürgerkrieg und zugleich die festlich begangene Erinnerung an den Sieg des Capitols. In einer Arena treten dabei Tribute – in Rom Abgaben, hier Kinder aus den Distrikten – auf Leben und Tod gegeneinander an. Der Vergleich zu den zur Unterhaltung des Volkes veranstalteten römischen Gladiatorenspiele liegt nahe, bei denen neben professionellen Kämpfern auch Aufständische gegeneinander antreten mussten. Wie Gladiatoren werden sie einerseits vergöttert, andererseits aber dem Vergnügen geopfert. 

Popkulturelle Antike und Wissenschaftskommunikation

Egal ob offensichtliche oder versteckte Antike, an solchen Geschichten der Popkultur kann die Wissenschaftskommunikation ansetzen, um reale Geschichten des Faches, der Forschung, der Funde zu erzählen. Denn während meist unklar ist, wieviel Fachwissen man beim Leser eines populärwissenschaftlichen Berichts oder beim Besucher einer Ausstellung voraussetzen kann, scheint es doch wahrscheinlich, dass diese die groben Züge von Indiana Jones, Star Wars oder Die Tribute von Panem kennen.

Stereotype oder bekannte Narrative eignen sich hervorragend als Anknüpfungspunkte für alle Arten der Fachkommunikation. Wie dies im Marketing aussehen kann, zeigte Opel erst kürzlich mit der Kampagne “Umparken im Kopf“. Dabei wurde im ersten Schritt mit gesellschaftlichen Vorurteilen gespielt und in einem zweiten Schritt jene gegenüber Opel aufgegriffen, um ein neues Denken über die Marke anzuregen. Dass dieses Prinzip auch für Fachthemen funktioniert, machte das Jüdische Museum Berlin mit der Ausstellung “Die ganze Wahrheit” und der zugehörigen Veranstaltungsreihe deutlich, deren Ansinnen es war, mit Witz und Gelassenheit Stereotypen und Unwissenheit gegenüber dem Judentum aufzugreifen, um zum Nachdenken anzuregen. Ähnliches wäre beispielsweise für die SonderausstellungGladiatoren. Tod und Triumph im Colosseum” mit einem Anschluss an Die Tribute von Panem möglich gewesen – wobei das Thema Gladiatoren aufgrund seiner Bekanntheit schon zahlreiche Besucher anlockt. Unbekanntere Themen der archäologischen und historischen Forschung können mit der aktiven Nutzung popkultureller Bilder aber ebenso verständlich und interessant kommuniziert und zugleich ohne erhobenen Zeigefinger das Bild einer Zunft verändert werden.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1600

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Das Poster ist der neue Vortrag

Haben Sie sich auch schonmal gefragt, was diese Menschen tun, die auf Flughäfen und in viel zu engen Zug-Abteilen mit viel zu großen Posterrollen auf dem Rücken herumlaufen? Vermutlich sind die meisten ihrer Träger Nachwuchswissenschaftler der Physik oder Chemie. Bar jeder Vorerfahrung und ohne Vorbilder im eigenen Fach habe ich vor wenigen Monaten selbst dieses neue Medium bei der Jahrestagung der AG-Ass in Münster ausprobiert. - Ein Erfahrungsbericht für diejenigen, die noch weniger Ahnung davon haben als ich. Learning by Doing Wenn man einer […]

Quelle: http://grammata.hypotheses.org/565

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Wissenschaftskommunikations-Wissenschafts-Kommunikation

Als Zusammenfassung des dritten Tages des "Forum Wissenschaftskommunikation 2014", das vom 8. bis 10. Dezember in Potsdam stattfand, hat Elisabeth Hoffmann einen wunderbaren Blogbeitrag geschrieben. Er zeigt viele grundsätzliche Punkte und aktuelle Orientierungsfragen der Wissenschaftskommunikation auf. - von Kanälen über Zielgruppen und Kooperationen bis hin zu Wirkungsweisen. Die Tweets kann man hier nachlesen und der Beitrag selbst ist hier zu finden.

Leider waren - wie schon beim SciCamp im letzten Jahr und ähnlichen Veranstaltungen - nur wenige Fachkommunikatoren aus den Geisteswissenschaften anwesend. Dabei gibt es sie, in den Pressestellen der Unis, der Institute, der archäologischen Landesämter, der forschenden Museen usw. Und sie werden mehr. Zudem bewegen sich die Diskussionen in der Geisteswissenschafts- und der eng verwandten Kulturkommunikation oft auf einer ähnlichen Ebene und drehen ach inhaltlich um ähnliche Themen. Zeit, beide zusammenzubringen. Deswegen ist spontan über Twitter die Idee zu einer Gruppe "Wissenschaftskommunikation in den Humanities" entstanden, die man jetzt bei Facebook und Xing findet.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1513

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Neuland und die Jahrestagung des Deutschen Archäologen-Verbandes (DARV)

Original: Ausgrabungen Haltern am See. Quelle: LWL-Archäologie für WestfalenArchäologie und Politik – ein facettenreiches und spannendes Thema für die Jahrestagung des DARV im Juni in Münster. Ebenso vielfältig war das Programm. Über Beispiele für den Einfluss von Kriegen und Krisen auf die archäologie Arbeit wurde ebenso gesprochen, wie über Lobbyarbeit und Kommunikation mit und über Archäologie. Dabei ließ mich der Vortrag von Frank Marcinkowski, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Münster über die Folgen (!!) “dieses Internet” für die wissenschaftliche und Öffentlichkeitsarbeit sprachlos zurück – und auch sonst macht er sich in der Wissenschaftskommunikation nur wenig Freunde. Seine Thesen zeigen, gegen welche Vorurteile, einseitigen Annahmen und damit Hürden von Seiten der (Geistes-)Wissenschaft vor allem die digitale Kommunikation ankämpft.1

Vorschläge für ein besseres Verhältnis zwischen Archäologie, Politik und Kommunikation gab es schon beim Einführungsvortrag der Tagung: stärker über Fachgrenzen hinaus zu denken, den Mehrwert für die Gesellschaft zu formulieren und neue (gesellschaftliche) Aspekte einzubeziehen sollen Bestandteil der wissenschaftlichen Arbeit sein – sowohl in Bezug auf die Reflektion der eigenen Methodiken als auch des Selbstverständnisses des Faches – und sind notwendig, um in einen Dialog mit politischen Entscheidern und der Öffentlichkeit zu treten. Nur so kann ein Verständnis für die eigenen Bedürfnisse geweckt werden, das notwendig ist für jede Form der Unterstützung.

Neuland – ein Forschergenerationenproblem?

Neue Ideen, besonders in Bezug auf strukturelle Veränderungen bei Forschung und Kommunikation, werden häufig schon von Studenten abgetan. Einen perfekten Weg zum Erfolg in jeglicher Art von geisteswissenschaftlichen Fächern gibt es nicht, wohl aber viel Konkurrenz und hohen Druck. Den Weg zu gehen, der schon bei den Generationen zuvor funktioniert hat, scheint dabei am sichersten. Das gilt für den Umgang mit der Öffentlichkeit, die Qualitätssicherung und den Reputationsaufbau – Feststellungen, die von Seiten des Fachpublikums weitgehend benickt und noch einmal bestärkt wurden, als am Ende der Tagung die neuen Medien im speziellen thematisiert wurden.

Neuland – neue Medien, neue Öffentlichkeiten, neue Erwartungen

Genau hier, so zeigte sich im Abschlussvortrag von Marcinkowski, sitzt das Problem: Für die Kommunikation der Archäologie mit der Öffentlichkeit waren bis heute vor allem die archäologischen Museen zuständig und in geringerem Umfang die Presseabteilungen der Forschungseinrichtungen, die Wissenschaftler selbst wurden nur von Zeit zu Zeit von einem Journalisten zu einem bestimmten Projekt befragt.

Marcinkowski präsentierte in seinem Vortrag die Ergebnisse einer Studie über die Veränderungen des Umgangs der Wissenschaft mit der Öffentlichkeit, den Medien und der Politik, u.a. durch das Social Web. Hinter dieser Studie, bei der bis 2011 1.600 deutsche Wissenschaftler – und ausschließlich diese! – aus 16 akademischen Disziplinen befragt wurden, steht ein Projekt der Uni Münster zusammen mit dem Wissenschaftsforscher Hans-Peter Peters vom Forschungszentrum Jülich.2 Peters unterscheidet sich in seinem Grundtenor aber von der Interpretation Marcinkowskis, wie sie bei der Jahrestagung des DARV präsentiert wurde. Marcinkowskis Thesen im Wesentlichen:

  • Heute hat jeder, auch die Wissenschaft, das Gefühl, mehr öffentliche Aufmerksamkeit und bessere Kommunikation, vor allem im Netz, wären Lobbyarbeit und können Probleme wie fehlende Aufmerksamkeit, Anerkennung oder sinkende Fördergelder lösen
  • Aber Öffentlichkeit und Wissenschaft haben im Grunde keine Beziehung zueinander, es sind unterschiedliche Welten mit verschiedenen tradierten Verhaltensweisen, die sich weder überschneiden noch mehr als nötig einander annähern sollten
  • Kommunikation sorgt nicht für die Generierung von Wissen, sondern gefährdet im Gegenteil die Qualität von Forschung
  • Wissenschaftler sind genötigt, sich anders zu verhalten, wenn sie von außen beobachtet werden
  • Kommunikation im Netz zeigt keine Wirkung, Wissenschaftler sollen lieber ab und an mit Journalisten etablierter Medien wie dem Fernsehen oder der Zeitung sprechen3

Einige dieser Feststellungen sind sicher nicht gänzlich falsch. Mit mehr medialer Resonanz geht oft der Wunsch nach stärkerer Unterstützung einher. Das unterschiedliche Funktionieren der Sphären von Medien, Politik und Wissenschaft sorgt aber dafür, dass dem oft nicht so ist. So hatte die Petition gegen die Streichung der Finanzmittel der Denkmalpflege in NRW großes mediales Feedback und 27.000 Unterschriften hervorgebracht, an den Plänen der Landesregierung aber nichts geändert, weil die Entscheidungsfindung hier bereits stattgefunden hatte. Dies bedeutet aber nicht, dass es keine Beziehung zwischen der – sich wandelnden – Sphäre der medialen Kommunikation / der Öffentlichkeit und der Wissenschaft gäbe. Ihre Funktionsweise sollte die Archäologie als immer stärker privatisierte Zunft kennen, da sie bei  Ausgrabungen, aber auch der Bewahrung und Vermittlung von Denkmalen immer mehr von Unterstützung, privaten Geldern, touristischen Einnahmen und damit Aufmerksamkeit abhängig ist.

“Lassen Sie dieses Internet!”

Die von Marcinkoskwi vorgestellte Studie repräsentiert nur die Sicht der Wissenschaftler selbst. Eine nicht unwichtige Tatsache, um die Objektivität der Aussagen einer solchen wissenschaftlichen Untersuchungen einzuschätzen. Bei seiner Interpretation und Präsentation der Ergebnisse mangelte es aber am Versuch einer Objektivierung, beispielsweise durch eine Gegenüberstellung mit der Sicht der “Gegenseite”. Sein Ergebnis war denn, die Wissenschaft dürfe sich zugunsten ihrer Qualität nicht auf die Mediatisierung der Kommunikation und schon gar nicht auf das Internet einlassen, das nur von der eigentlichen Aufgabe, der Forschung ablenke, nicht aber die gewünschte Aufmerksamkeit bringe. Besser sei es, im Elfenbeinturm zu bleiben, anstatt einem “Forschungsmainstream” zu verfallen.

Nun sind wissenschaftliche Qualität und öffentliche Aufmerksamkeit natürlich nicht dasselbe. Das möchte auch niemand. Auch wird nicht erwartet, dass sich Forscher nur noch Themen aussuchen, die medientauglich sind – obwohl 16% das nach Marcinkowski bereits tun, Tendenz steigend. Vielmehr kann ein guter Kommunikator aus jedem Thema eine spannende Geschichte machen. Interessant ist an den Aussagen der Studie aber, dass die Anworten der Wissenschaftler die Vorstellung zeigen, gute, klassische, unbeeinflusste Forschungsfragen stünden schlechten, von aktuellen Entwicklungen beeinflussten gegenüber. Ist es nicht eher so, dass Forschung immer vom Zeitgeschehen beeinflusst war, dass die Aufgabe von Forschung auch darin besteht, Zeitgeschehen aus dem Blickwinkel der Disziplin zu beleuchten oder ihr neue Aspekte eröffnet, ohne dass dies den Verlust der fachinternen Qualitätsstandards bedeutet. Dies scheint eine Angst bei Forschern aller Hierarchieebenen zu sein, wie sich auch bei der Diskussion um Open Access und Social Media während des Historikertages zeigte.

Auch Marcinkowski sieht hier das Problem. Auf Blogs oder in Online-Zeitschriften können Ergebnisse ohne Begutachtung veröffentlicht werden, ebenso wie Informationen über gescheiterte Projekte, die der Reputation schaden. Lobbyarbeit hingegen könne man damit nicht betreiben. Dabei ist auch die Gleichsetzung von Lobby und Öffentlichkeit und beider Kommunikationswegen vereinfacht. Verschiedene Zielgruppen brauchen verschiedene Kommunikationswege, natürlich lässt sich durch einen Blogbeitrag – ebenso wie durch einen Zeitungsartikel – allein keine Lobby aufbauen. Dafür braucht es gute persönliche Kontakte, die das Internet nicht ersetzen kann oder soll, die hier aber aufgebaut und gepflegt werden können.

Vereinfachung, Dramatisierung, Überhöhung

Auch bei der Kommunikation von wissenschaftlichen Inhalten über etablierte Medien gibt es oft Vorbehalte. Sie betreffen vor allem die Art, wie Ergebnisse dort präsentiert werden: um den Kontext zum Heute herzustellen und mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, vereinfachen, dramatisieren und überhöhen Journalisten. Kommunikation im Internet aber braucht Journalisten als Instanzen des “Übersetzens” nur noch bedingt. Vielmehr können Fachleute dort verstärkt selbst zu Wort kommen. Damit kann auch auf ein zunehmendes Interesse von Seiten der Öffentlichkeit an der Wissenschaft selbst reagiert und mit interessierten Laien in Dialog getreten werden. Zugleich lässt sich besser kontrollieren, welches Image eines Faches, Projektes oder Wissenschaftlers selbst vermittelt wird.

Der Artikel von Peters zur Studie macht ein weiteres Problem deutlich, das von Marcinkowski unerwähnt blieb. Wissenschaftliche communities möchten oft nicht in Dialog nach außen treten. 34% sehen ihre Disziplin und ihr Fachwissen nicht als Teil der Allgemeinbildung und trauen der Öffentlichkeit nicht zu, mit ihnen auf Augenhöhe zu sprechen. Sie möchten es auch nicht, weil solche Gespräche den wissenschaftlichen Standards nicht entsprechen. Diese sind innerhalb der Wissenschaft aber auch Bemessungsgrundlage für den Wert einer Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Anders steht es um die digitale Kommunikation mit Fachlaien – in der Archäologie zum Beispiel freiwilligen Denkmalpflegern oder Reenactorn. Die Möglichkeit, im Netz Communities zu speziellen Themen zu bilden, wird begrüßt, die Allgemeinheit damit aber wieder ausgeschlossen. Zugleich wird angenommen, eine besser gebildete Öffentlichkeit habe einen positiven Einfluss auf die Wertschätzung und Finanzierung von Wissenschaft. Die mögliche Einflussnahme von Laien auf Forschungsprozesse und Forschungspolitik wird aber negativ bewertet. Das Dilemma ist deutlich.

“Gehet hin und lehret!”

Trotz Marcinkowskis abschreckendem Vortrag machte gerade das Thema der Jahrestagung, “Archäologie und Politik”, in verschiedensten Vorträgen deutlich, warum Archäologen kommunizieren sollten: weil Archäologie noch immer ein politisches Machtmittel ist. Archäologen betreiben Ausgrabungen nicht mehr als Landnahme in Fortsetzung des Kolonialismus. Stattdessen muss man vielmehr auch Diplomat sein, mit Behörden und Einheimischen gleichermaßen auf Augenhöhe kommunizieren, die eigenen Bedürfnisse ebenso vermitteln, wie die Interessen des anderen verstehen können. Eine Übersetzungsarbeit also, die jener gegenüber den Medien nicht unähnlich ist.

So vermittelt die Orientabteilung des DAI, wie Margarete von Ess berichtete, im Irak den Einheimischen die Grundlagen wissenschaftlicher Dokumentation und die Bedeutung von Funden und Fundstätten, unabhängig von Religion oder staatlicher Ideologie. In Rumänien kämpfen Archäologen gegen die Zerstörung des historischen Bergbaugebietes Rosia Montana und damit auch gegen ein von der Regierung unterstütztes Großunternehmen. Erfolgreiche öffentliche Kommunikation führte hier dazu, dass ein Großteil der Bevölkerung sich hinter die Archäologen stellte, sodass das Projekt zumindest auf Eis gelegt wurde.

Zwar hat eine ähnliche Form der Aktivierung aller Kommunikationskanäle beim Beispiel NRW nicht funktioniert, hierbei spielten aber die verschiedenen Zeitmechanismen von Politik und Medien eine Rolle. Dauerhafte konstanteKommunikation, Memopolitik oder das Aufzeigen der Ursprünge und Hintergründe hinter neuen Errungenschaften (man denke an Suchmaschinen und die Erkenntnisse der Linguistik und Philologien) können aber dabei helfen, dass Themen nicht erst kurzfristig und spät auf die mediale und politische Agenda kommen, sondern unterschwellig präsent, Grundlagenwissen und Verständnis vorhanden sind. Dieser Rückschluss wurde bei der Jahrestagung des DARV nur bedingt gezogen. Notwendig ist dafür nicht, Forschungsthemen zu ändern oder fachliche Qualität aufzugeben. Manchmal reicht ein neuer Blick auf das eigene Fach unabhängig von innerfachlicher Konkurrenz, interuniversitärem Wettkampf oder “collateral damage of publicity”. Ich war noch nie Freund von Kriegsmetaphern.

                                                                                                            

Nach einem ähnlichen Vortrag von Marcinkowski, gemeinsam mit seinem Kollegen Matthias Kohring, mit dem Titel “Wie schädlich ist Wissenschaftskommunikation?” beim Workshop der VolkswagenStiftung “Image statt Inhalt? – Warum wir eine bessere Wissenschaftskommunikation brauchen” hat auch Jens Rehländer seine Thesen einer kritischen Betrachtung unterzogen.

2 Die Ergebnisse wurden u.a. publiziert in Hans-Peter Peters, Gap between science and media revisited: Scientists as public communicators, in PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America), 110/ 2013, Suppl 3. Der gesamte Artikel kann hier gelesen werden.

3 Vgl. hier die kürzliche Aufforderung – nicht von Marcinkowski -  Wissenschaftler auf Twitter sollten lieber an Fachpublikationen arbeiten.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1372

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Der Raum der Entgrenzung. Der Cyberspace als Sinnhorizont medialer Kommunikation- Von Udo Thiedeke (Teil 3)

Im zweiten Teil von “Raum der Entgrenzungen. Der Cyberspace als Sinnhorizont medialer Kommunikation” ging es darum, einen Vorschlag zu machen, neue Medien soziologisch so zu modellieren, dass man sie als Mechanismen beobachten kann, die auf eine ihnen eigene Weise den … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/6391

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