Digitale Spiele: ein Fenster zur Geschichtskultur – hier eine Szene aus dem Steinzeit-Abenteue...
Matisse, Baptiste, Patrice und die revolutionäre Kraft der Perzeption
Ich mag es nicht, wenn man mich nach meinem Namen fragt und diesen dann auf einen Pappbecher schreibt. Ich kann das Prinzip gut verstehen, es ist praktisch, weil so jeder genau weiß, was ihm zusteht, denn abgesehen vom Namen schreiben die Leute von Starbucks ja auch drauf, was man trinken will, wodurch der Arbeitsablauf beschleunigt wird. Was mich an den Namen nervt, ist die Intimität, die künstlich hergestellt wird, und die ich nicht aufgezwängt bekommen möchte. Ähnlich nervt mich auch das penetrante „Du“ beim Ikealaden, welches sich als fortschrittliche und kritische Haltung gegenüber Hierarchien verkleidet, in Wirklichkeit aber einfach nur ein Ausdruck der Ignoranz gegenüber der vielfältigen Funktion der Höflichkeitsdistinktion im Deutschen ist. Hierarchie ist das geringste, was durch das „Sie“ im Deutschen ausgedrückt wird, und nur weil das Schwedische die Form verloren hat, muss das nicht heißen, dass jede Sprache, die sie noch hat, sich ihrer auch entledigen sollte.
Ich frage mich beim Starbucks immer, was passiert, wenn Menschen den gleichen Namen haben. In China könnte das sehr häufig vorkommen, vor allem, wenn die Menschen nur ihren Nachnahmen preisgeben, denn da gibt es nunmal nicht so viele verschiedene Varianten. Gleiches gilt auch für das Russische, welches die Armut an Vornamen durch Reichtum an Kosenamen wettmacht, die schon viele deutsche Muttersprachler gequält hat, die Anna Karenina in der deutschen Übersetzung gelesen haben. Vielleicht nummeriert man am Ende einfach durch, und teilt den Kaffee an Sergej-1, Sergej-2, etc.
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Quelle: https://wub.hypotheses.org/11
Logbuch “Schizophrene Ökologien” 1: Arno Schmidts “Schwarze Spiegel” und Akteur-Netzwerke
10. April 2015, 14:32 – Parkbank, Campus Heinrich-Heine-Universität
Zwischen Abfassen des Logbucheintrags 1 und der Aufnahme des Gesprächs liegen etwa 15 Minuten. Vorgängig legten wir fest, dass wir uns 30 Minuten Zeit nehmen und das Gespräch mit dem Iphone aufnehmen.
Nach einer kurzen Materialsichtung und einem ‚Was-bisher-geschah‘ widmen wir uns in diesem ersten Logbuch Arno Schmidt. Im Hinblick auf eine Bewerbung für eine Vortrag für die Arno-Schmidt-Jahrestagung (bis zum 31.05.2015) besprechen wir den ohnehin für unser Projekt wichtigen Text ‚Schwarze Spiegel‘.
Vorausgegangen ist ein kurzes Gedanken-Exposé von Martin Bartelmus, das erste Ideen zur Interpretation des Textes formuliert: ausgedruckt im Doktorandenbüro, auf Umweltpapier, von einem Samsung-Drucker und geschrieben auf einem MacBook Pro. Die Textstellen, die im Exposé verwendet werden, stammen vom ersten Durchlesen des Textes, als das Projekt noch gar nicht existierte (vor ca. einem Jahr). Diese mit Bleistift markierten Passagen finden nun Eingang in das Projekt.
Wir besprechen also das Exposé und stellen fest, dass wir zwei Hauptaspekte analysieren wollen: zum einen eine Poetik oder Poetologie, zum anderen die Interaktion zwischen Leser und Text bzw. Realität und Fiktion. Dabei geht es um die poetologischen Figuren des letzten Überlebenden und des oikos, das für uns die Frage aufwirft, wie Latours ANT auf Schmidts Text reagiert und umgekehrt.
Welche Stellung hat der Text in unserem Korpus? ‚Schwarze Spiegel‘ steht als Nachfolgetext von ‚Leviathan‘ sowie dessen Frage nach der Daseinsberechtigung der Welt und eröffnet somit die Perspektive auf die Ökologie im Anthropozän. Apokalypse – Enthüllung. Zuerst die Zerstörung und dann die Wiederversammlung der Kollektive? Zentral ist das Hausbauen. Somit zeigt sich, dass wir Schmidts Text ‚Schwarze Spiegel‘ dreiteilen können: Am Anfang steht der letzte Mensch, der sich in Verbindung mit den Dingen und anderen nichtmenschlichen Lebewesen eine Welt konstruiert. Mit dem Auftauchen einer Frau, wird die Trennung der Moderne von Natur und Gesellschaft reaktualisiert und die Dinge werden wieder Zwischenglieder für das soziale Verhältnis. Später – nach ihrem Verschwinden – kehrt die Kollektivierung wieder zurück. Dinge sind wieder Akteure/Mittler.
Ersetzen die Dinge den Menschen? Wir vermuten es. Die Kollektivierung würde dabei auf zwei Arten passieren. Erstens durch die Umwandlung der Dinge in Verben, wodurch ihnen Agency zukommt, zweitens durch die Anreicherung des Textes mit Zitaten. Wann sind die Dinge Zwischenglieder und wann sind sie Mittler? Diese Frage entscheidet die Konstruktion von sozialer Welt/Natur vom Kollektiv. Sind die Zitate Mittler? Haben auch sie Handlungsmacht? Wenn ja, verweisen beide sprachlichen Mittel also auf eine schizophrene Poetik der Ökologie. Die Vervielfältigung des Sprechens als Akteur. Kann die Verwendung der Zitate als Modell für unsere Übersetzung der Koexistenz funktionieren?
Wichtig sind uns die Problematik des Wahnsinns und die psychoanalytische Deutung des letzten Überlebenden. Ist diese Assoziation mit den nichtmenschlichen Akteuren einfach nur pathologisch oder – so wie wir es interpretieren wollen – ontologisch? Wir könnten zeigen, dass gerade die psychologisierte Deutungsweise zum Dispositiv der Moderne gehört und Teil der Reinigungs- und Trennungsarbeit ist.
Zuletzt rekapitulieren wir alle potentiellen Akteure: Handy, Aufnahme-App, Umwelt des Campus, Sonne, Sonnenbrille. Allerdings stellen wir fest, dass der Einfluss der Akteure schwierig zu quantifizieren ist. Klar feststellbar ist die Wirkung der Aufnahme-App, weil wir an uns selbst bemerkt haben, dass wir besonders zu Beginn des Gesprächs anders intonierten und gewählter formulierten.
Per Münzwurf entscheiden wir, wer den ersten Entwurf des Eintrags schreiben muss (Martin Bartelmus) und nachträglich legen wir fest, die ganze Audio-Datei des Gesprächs auf den Blog zu stellen.
Filmproduktion im Museum – Wael Shawkys „Cabaret Crusades“
In der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen (K20) ist zurzeit eine Einzelausstellung des Ägypters Wael Shawky zu sehen. Der 1971 in Alexandria geborene Künstler präsentiert dort sein Filmprojekt "Cabaret Crusades", das während der dOCUMENTA (13) im Jahr 2012 viel Beachtung erfahren hat und auf Amin Maaloufs Buch "Der heilige Krieg der Barbaren. Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht" von 1983 basiert.
In Shawkys dreiteiliger Arbeit sind Marionetten Akteure der historischen Geschehnisse der Kreuzzüge vom ausgehenden 11. bis ins frühe 13. Jahrhundert: Der erste, in Italien produzierte Teil "The Horror Show File" (2010) stellt die Geschichte des Ersten Kreuzzugs von 1095 bis zur Einnahme Jerusalems durch die Franken im Jahr 1099 dar. Die Protagonisten – in dem Fall kostbare Holzmarionetten aus dem 18. Jahrhundert – vertont Shawky wie auch in den beiden weitern Filmen in Hocharabisch. In dem zweiten, in Frankreich entstandenen Teil "The Path to Cairo" (2012) spielen detailreiche, handgefertigte Marionetten aus Keramik die Ereignisse der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts nach, in der den Muslimen mit der Einnahme von Edessa 1144 ein wichtiger Schlag gegen die europäischen Kreuzritter gelingt. Und in dem letzten, längsten und aufwendigsten der drei Filme – "The Secrets of Karbalaa" (2014) – führen eigens für das Projekt auf Murano produzierte Glasmarionetten den Zweiten und den Dritten Kreuzzug im 12. Jahrhundert auf. Die Trilogie endet mit der Zerstörung Konstantinopels durch venezianische Kreuzfahrer im Jahr 1204.
Marionette aus Murano-Glas für den dritten Teil "The Secrets of Karbalaa".
© Achim Kukulies / © Kunstsammlung NRW
Shawky thematisiert mit seinen Filmen – und zwar bereits vor dem Ausbruch des Arabischen Frühlings 2010/11 – die Konflikte im Nahen Osten, deren Schauplätze damals, vor rund 1000 Jahren, wie heute Aleppo, Bagdad und Damaskus sind.Mit dem Perspektivenwechsel, nämlich der Schilderung der christlichen Kreuzzüge aus arabischer Sicht, wirft der Künstler Fragen nach den Mechanismen und Konstruktionen der Geschichtsschreibung auf. Auch die Darsteller, die an Schnüren geführten, ferngesteuerten Marionetten, unterstützen diesen Aspekt: Wer eigentlich sind die Fädenzieher?
Was interessiert nun uns, Mitglieder des GRK1678 an dieser Ausstellung? Das für uns Besondere an der Düsseldorfer, von Doris Krystof kuratierten Schau ist die Tatsache, dass der dritte Film "The Secrets of Karbalaa" während der Ausstellung im Museum produziert wurde – sichtbar für alle Besucher. Die Grabbehalle des K20 wurde dafür dreigeteilt: In einem Kinosaal sind die beiden ersten Teile der "Cabaret Crusades" zu sehen. Darüber hinaus sind einige der Keramikmarionetten aus dem zweiten Teil in Vitrinen präsentiert, und den größten Teil der Ausstellung nimmt das eigens für die Shawky-Produktion eingerichtete Filmstudio ein. Gut einen Monat lang hat ein etwa dreißigköpfiges Team – Künstler, Kulissenbauer, Beleuchter, Marionettenspieler, Kostümbildner, Techniker – dort akribisch an dem Projekt gearbeitet. Wer im Oktober das Museum besuchte, konnte durch eine Glasscheibe in das Studio blicken und den Betrieb beobachten: Manchmal wurde laut gehämmert, manchmal lag der Geruch von Weihrauch in der Luft, weil für die Filmhandlung Rauch benötigt wurde. Der Künstler gab seine Anweisungen, die Kulisse wurde umgebaut, Marionetten wurden angekleidet. Alles unter den Blicken der Besucher. Das Museum als Herstellungsstätte, als Ort der Produktion, als temporäres Künstleratelier. Der Herstellungsprozess, der kreative Akt als öffentliches, als ausstellungswertes Ereignis.
Inzwischen ist der Dreh abgeschlossen, das Studio aber bleibt weiter ausgestellt: Eine aufwendig gestaltete Drehbühne, technisches Equipment, Werktische, Regale voller Requisiten und vor allem die bizarren Glasmarionetten in ihren auf den Leib geschneiderten Kostümen sind weiterhin sichtbar und zeugen von einem einzigartigen Experiment.
Der Film befindet sich zurzeit in der Postproduktion, am 04.12.14 wird er im Düsseldorfer Schmela Haus uraufgeführt – wir sind gespannt!
Linda Walther & Anja Gottwaldt
Uraufführung: "The Secrets of Karbalaa", 04.12.14, 19:00 Uhr, Schmela Haus
Ausstellung: "Wael Shawky. Cabaret Crusades", bis 04.01.15, Kunstsammlung NRW (K20)
Konferenz: "The Art of Making History", 11. + 12.12.14, Schmela Haus
Ausstellungskatalog: "Wael Shawky. Cabaret Crusades", Kerber Verlag
Kombinierte Produktionsformen in Deutschland. Entwicklungswissenschaftliche Perspektiven auf sozialen Wandel in einem Industrieland – von Florian Engel
Mit der vielbeschworenen Rückkehr der sozialen Frage hat auch das Thema des sozialen Wandels neue Konjunktur. Ideen für dessen Beschreibung und Analyse liefern jedoch nicht allein aktuelle Sonderforschungsbereiche und Projekte. So soll dieser Artikel einen bereits bestehenden theoretischen Zugang zur … Continue reading