“Haec sunt in fossa Bedae venerabilis ossa” – Ein Besuch bei Beda Venerabilis

Das Datum des letzten Blogbeitrages liegt schon etwas länger zurück, trotzdem war ich in den letzten Wochen nicht untätig. Neben Arbeit, der Vorbereitung meines Exposés und vielen anderen Dingen habe ich mir auch eine Woche „Erholungsurlaub“ gegönnt. Die Reise ging unter anderem in den Nordosten Englands in die Kleinstadt Durham. Aber egal wie weit man reist, der eigenen Dissertation entkommt man nicht. Im Folgenden daher ein paar Gedanken zum Verhältnis von Naturwissenschaft und Religion im Mittelalter, die mich auf und nach der Reise beschäftigt haben. Aber zunächst einige Worte zu Durham.

Durham ist vor allem für seine Kathedrale und sein Castle bekannt, danach für seine Universität und für Liebhaber antiquarischer Bücher und bizarrer Geschichte durch den erst jüngst aufgedeckten Diebstahl der Erstausgabe des shakespeareschen Gesamtwerkes. Feinschmecker schätzen das Städtchen übrigens als Ursprung des feinen englischen Senfes. Alles in allem ist Durham gerade für Mediävisten einen Abstecher wert, vor allem ab Juli, wenn der Lindisfarne Gospel in den Norden zurückkehrt, worauf man dort verständlicherweise äußerst stolz ist. Auch das hiesige Institut for Medieval and Renaissance Studies ist sehr renommiert, twittert und bietet ein interessantes Masterprogramm an.

Im Mittelalter war die Stadt als Sitz des Prince Bishops ein machtpolitisches Zentrum im Norden und bot aufgrund seiner natürlichen Lage eine ideale Verteidigung gegen wechselnde Bedrohungen, vor allem natürlich gegen Wikinger und Schotten. Aus diesem Grund kamen auch die wertvollen Gebeine Saint Cuthberts und der Kopf des heiligen Oswalds nach Durham, das nun auch als Kultstädte Bedeutung genoss. Aus der Fülle an Literatur sei hier lediglich auf das Buch von Christian Liddy verwiesen, dass sich zwar auf das späte Mittelalter konzentriert aber natürlich auch die frühere Geschichte anreißt.[1]

Besonders die Kathedrale ist wirklich beeindruckend. Vor allem bei untergehender Sonne und aus der richtigen Perspektive begreift man die Begeisterung, die Nathaniel Hawthorne in seinen Reiseberichten festhielt:

“We paused upon the bridge, and admired and wondered at the beauty and glory of the scene, with those vast, ancient towers rising out of the green shade, and looking as if they were based upon it. The situation of Durham Cathedral is certainly a noble one, finer even than that of Lincoln, though the latter stands even at a more lordly height above the town. But as I saw it then, it was grand, venerable, and sweet, all at once; and I never saw so lovely and magnificent a scene, nor, being content with this, do I care to see a better.” 

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Foto: Privat

Bei aller Begeisterung für das Offensichtliche, für mich liegt der wichtigste Schatz der Kathedrale etwas versteckt in der sogenannten Galilee Chapel aus dem späten 12. Jahrhundert (auf dem Foto unter den Türmen). Denn dort „sunt in fossa Bedae venerabilis ossa“, dort ruhen die Gebeine des Beda venerabilis im Grabe. Beda war wohl einer der bedeutendsten Gelehrten des frühen Mittelalters und lebte ganz in der Nähe im Kloster Jarrow im heutigen Sunderland als Mönch und Gelehrter.

 

Foto: Robin Widdison 

Bekannt ist Beda heute vor allem für die Historia ecclesiastica gentis Anglorum, also die Kirchengeschichte des englischen Volkes, sowie seinen „naturwissenschaftlichen“ Schriften zur Zeitberechnung und Kosmologie, vor allem De temporum ratione und De natura rerum bzw. De temporibus[2]. Zeitgenossen hätten sicher auch sein Werk zur Metrik, vor allem aber seine zahlreichen exegetischen Kommentare genannt.

Damit tritt uns also als ein sehr vielschichtiger Gelehrter entgegen, als Verfasser von Heiligenbiographien, Historiker, Theologe, Naturwissenschaftler und natürlich als Mönch. In dieser Vielschichtigkeit entzieht er sich einer eindeutigen Klassifikation. Gerade dem modernen Betrachter ist eine solche Klassifikation aber sehr wichtig, da er in klar ausdifferenzierten und getrennten Systemen wie Religion, Wissenschaft, Recht, Politik, Kultur etc. zu denken gewohnt ist.

Worum es mir heute geht, ist die Frage, ob eine solch strikte Klassifikation, vor allem die Abgrenzung und Gegenüberstellung von Religion und Wissenschaft in der Vormoderne überhaupt angemessen ist, oder ob sich durch einen solchen Ansatz nicht viel eher hermeneutische Schwierigkeit für den Historiker und Kulturwissenschaftler ergeben. Meine vorläufige These ist, dass eine solche grundsätzliche Trennung, also der Dualismus von Religion und Naturphilosophie oder Naturwissenschaft für das Mittelalter eine künstliche ist, die zuweilen die Wahrnehmung dieser Epoche und ihres Weltbildes verzerrt. Diesen Gedanken möchte ich an ein paar Beispielen verfolgen.

Bedas Grab ist mit einem Zitat aus seinem Kommentar zur Apokalypse, hier zur Offenbarung 2,28 und 22,16 überschrieben, das ich persönlich sehr beeindruckend finde:

“Christus est stella matutina, qui nocte saeculi transacta, lucem vitae sanctis promittit et pandit aeternam

„Christus ist der Morgenstern, der, wenn die Nacht des Diesseits vorüber ist, den Heiligen das ewige Licht verspricht und schenkt“

Im Bild des Morgensterns kommt tiefe Erlösungshoffnung des Autors zum Ausdruck. Es ist daher nicht verwunderlich, dass es in der religiösen Welt des Mittelalters vielfach rezipiert worden ist. So zum Beispiel im 12. Jahrhundert in einem süddeutschen Offizium (Diesen Hinweis verdanke ich Eva Ferro, Freiburg), und zwar, wie ich finde in einer außerordentlich faszinierenden Weise. Zum Invitatorium der Matutin, also dem nächtlichen Gebet, das in die morgendlichen Laudes übergeht, ziehen die Mönche noch im Dunkel der Nacht singend in die Kirche:

“Stellam Christum matutinam/cum Maria prestolantes/ne sola stet foris plorans/nos cum ea vigilemus/ut per noctem quem insomnis/queritando dilexerat/hunc inventum simul una/procidentes adoremus.“[3]

Natürlich geht es hier in erster Linie um den Ausdruck einer monastischen Spiritualität. Gleichzeitig funktioniert die Stelle aber auch auf einer zweiten, realen Ebene. Denn das Bild des Morgensterns erinnert die Mönche nicht nur an die Auferstehung Jesu und die damit verbundene Erlösung, sondern es verweist darüber hinaus auch auf eine reale Beobachtung außerhalb der Liturgie und des Gebetes: Denn tatsächlich erwarten die Mönche Tag für Tag den Morgenstern, der in Wirklichkeit identisch mit der Venus ist und besonders – je nach Phase abwechselnd – in den frühen Morgen- oder Abendstunden zu sehen ist. Mehr noch, die Beobachtung der Sterne war Alltag eines Klosters, half sie doch, die Gebetszeiten und liturgischen Feste, aber auch den Beginn der Jahreszeiten und anderer fundamentaler Dinge des Lebens zu bestimmen.[4] Die Handschrift Ms 1 Aus dem Archivio Capitulare in Faenza enthält übrigens eine sehr schöne Illumination, die die singenden Mönche unter dem Sternenhimmel zeigt. Wer den Wolfenbütteler Sammelband Divinia Officia (hg. von Patrizia Carmassi 2004) zur Hand hat, kann hier auf Seite 161 nachschauen. Online habe ich die Abbildung leider nicht finden können, dafür aber die tolle Abbildung einer Sternenbeobachtung in cod. sang. 18.

 Mönche beobachtet die Sterne. Abbildung aus Cod. Sang. 18, fol. 43

 Astronomische Phänomene wie der Morgenstern, der bezeichnenderweise im Osten aufgeht und dadurch das spirituelle Bild noch verstärkt, waren damit auch Gegenstand alltäglicher „naturwissenschaftlicher“ Beobachtung und Nutzung. Wenn man so will stellt der Morgenstern hier also einen Nexus zwischen den Bereichen der religiösen Spiritualität und naturwissenschaftlicher Beobachtung dar, die sich beide befruchten, vielleicht sogar bedingen.

Man könnte weitere Beispiele anführen, etwa die vergleichsweise häufige annalistische Nennung von Sonnenfinsternissen, ein Phänomen, dass immerhin die Kreuzigung Jesu begleitete und schon durch die Evangelisten einer durch und durch religiösen Deutung unterworfen wurde. Und trotzdem bestand schon im frühen Mittelalter und bis in die höchsten Kreise des Kaiserhofes ein Interesse an einer rationalen Erklärung dieser Phänomene.[5]

Religiöse Deutung und rationale Erklärung der natürlichen Zusammenhänge schließen und schlossen sich offenbar nicht aus, im Gegenteil. Gerade die Klöster zeigen im frühen Mittelalter ein großes Interesse an der Astronomie, das vom Kaiserhof aus gefördert und gefordert wurde und vom dem noch heute viele Handschriften zeugen. Etwa die am Kaiserhof gefertigte Leidener Aratea, die gegenwärtig ausgestellt wird.

Ich glaube allerdings, dass man dieses Interesse nicht, wie es oft geschieht, primär auf eine Rolle als christliche bzw. theologische Hilfswissenschaft reduzieren darf. Natürlich diente etwa die Chronologie im Kloster vor allem zur Berechnung liturgischer Daten. Aber das hierfür notwendige Verständnis und die laufende Beobachtung der Gestirne, von Sonne und Mond, dem Wechsel von Tag und Nacht oder den Jahreszeiten bedurfte doch eines breiteren naturwissenschaftlicheren Wissens.

Deshalb hat Beda zum Beispiel De temporibus, also seiner Schrift zur Chronologie das kosmologische Werk De natura rerum vorangestellt, und auch die karolingischen Enzyklopädien kommen nicht ohne grundsätzliche Aussagen über den Ablauf der natürlichen Welt aus. Hinter der praktischen Anwendung dieses Wissens verbarg sich eben immer auch ein Interesse an umfassender und theoretischer Kosmologie.

Das ist auch nicht verwunderlich, denn im Grunde gibt es in der Vormoderne überhaupt keinen Lebensbereich, der ohne eine Kosmologie auskommt. Bevor man im 18. Jahrhundert die Beobachtung der physikalischen Welt ins Labor verbannte, sie mechanisierte und mathematisierte und damit von der eigenen Lebenswelt entkoppelte, war war sie unumgänglicher Bestandteil des alltäglichen Lebens in einer Agrargesellschaft, dem man sich nicht wie heute entziehen konnte. Um diese Beobachtungen der Natur für das alltägliche Leben nicht nur praktisch nutzbar zu machen, sondern sie auch mit Bezug zur eigenen Lebenswelt zu deuten, bedarf es aber zwangsläufig der Kosmologie.

Wenn Kosmologie und Naturwissenschaft also nicht, wie das heute der Fall ist, abstrakte Probleme behandeln, sondern unmittelbar die eigene Lebenswelt erklären und deuten, dann nehmen sie im Grunde eine ganz ähnliche Funktion ein, wie die Religion. Denn auch Religion dient und diente der Deutung der Welt und der eigenen Existenz. Im Christentum liegt diese vor in der Heilsgeschichte und dem besonderen Band zwischen Schöpfergott und Schöpfung begründet. Religion und kosmologische Naturbeobachtung sind damit, wenn man so will, zwei Seiten derselben Medaille, die durch das Geschaffensein der Welt zwar ihre untrennbare Verbindung finden, gleichzeitig aber auch unterschiedliche Modi der Weltdeutung darstellen. Eine Ausdifferenzierung von Religion und Wissenschaft als eigenständige und isolierte Systeme mit unterschiedlichen Zielsetzungen kann es in der Vormoderne und ihrer Lebenswelt daher gar nicht geben. Sie sind weder getrennt voneinander zu verstehen, noch erschöpft sich die Kosmologie darin, eine religiöse Hilfswissenschaft zu sein.

Im Umkehrschluss bedeutet das aber, dass sich die Lebens- und Geisteswelt des Mittelalters nur durch Würdigung beider Aspekte und ihrer Verknüpfung rekonstruieren lässt. Vielleicht ließe sich dies sinnvoller bewerkstelligen, wenn dafür nicht die Kategorien unserer ausdifferenzierten Moderne – Wissenschaft und Religion verwendet werden –, sondern stattdessen auf den Begriff der Weltdeutung zurückgegriffen würde.

Beda erschiene unter diesem Aspekt dann weder als Naturwissenschaftler, Theologe und/oder Historiker, sondern als Weltdeuter, in dessen Werken sich verschiedene Modi dieser Weltdeutung ergänzen und überscheiden. Damit wäre er im wahrsten Sinne des Wortes ein Universalgelehrter – und hätte mit der Universitätsstadt Durham wohl eine passende letzte Ruhestädte gefunden.

 

[1] Liddy, Christian D.: The Bishopric of Durham in the late Middle Ages: lordship, community and the cult of St Cuthbert. Woodbridge 2008. Bei Googlebooks.

[2] Hier sei noch einmal auf die Übersetzungen, vor allem aber die sehr nützlichen inhaltlichen Kommentare von Wallis und Kendall hingewiesen: Kendall: Calvin/Wallis, Faith: Bede On the Nature of Things and On Times. Liverpool 2010 (Googlebooks); Wallis, Faith: Bede The Reckoning of Time. Liverpool 1999 (Googlebooks).

[3] Ferro, Eva: Suavissime universorum domine: Ein unediertes Offizium für Maria Magdalena im Kontext der Hirsauer Reform. Unveröffentlichte Masterarbeit Erlangung des akademischen Grades Master of Arts an der Universität Freiburg im Sommersemester 2011, S. 14.

[4] Wiesenbach, Joachim: Der Mönch mit dem Sehrohr : die Bedeutung der Miniatur Codex Sangallensis 18. In: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 44 (1994), S. 367-388.

[5] Eine gute Einführung bietet Eastwood, Bruce: Ordering the Heavens. Roman Astronomy and Cosmology in the Carolingian Renaissance. Boston/Leiden 2007. Googlebooks.

Quelle: http://quadrivium.hypotheses.org/89

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Ausstellung: "Merkur & Co. – Kult und Religion im römischen Haus"

Abb. 1: Lebensbild, Kulthandlung am Hausaltar
Das Historische Museum Baden (Schweiz) präsentiert vom 1. Februar bis zum 26. Mai 2013 die Sonderausstellung "Merkur & Co. - Kult und Religion im römischen Haus".

Anhand von 150 Originalfunden aus der Schweiz wird die römische Religion im privaten Rahmen vermittelt.

Abb. 2: Gorgo
Die Ausstellung ist eine Wanderausstellung des Museums für Urgeschichte(n) Zug, die durch Funde aus Baden ergänzt wird. 
Besondere Beachtung verdienen die Götterfiguren eines Hausheiligtums, welche 1871 in Baden gefunden wurden. 
Ergänzt wird die Ausstellung von einer Fotoserie des Badener Stadtfotografen André Urech, der sich auf die Suche nach Religion und Kult in heutigen Haushalten gemacht hat. 
Die Sonderausstellung wird durch ein Rahmenprogramm und Veranstaltungen für Schulen erweitert.


Abb. 1 u. 2: Historisches Museum Baden

Quelle: http://provinzialroemer.blogspot.com/2013/03/ausstellung-merkur-co-kult-und-religion.html

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Electronic Journal of Mithraic Studies (EJMS)

Die University of Canterbury (Christchurch, Neuseeland) und die University of Huelva (Spanien) unterhalten die Internetseite Electronic Journal of Mithraic Studies (EJMS), die sich Forschungen zum Mithraskult widmet. Der letzte Eintrag in der Kategorie "News"  stammt zwar aus dem Jahr 2008, doch findet sich eine Vielzahl von Aufsätzen und Texten, die sich mit dem römischen Mithraskult beschäftigen.

Quelle: http://provinzialroemer.blogspot.com/2013/02/electronic-journal-of-mithraic-studies.html

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Kulturgeschichtliches zu den Himmelsrichtungen (III): der Süden

Die Himmelsrichtungen hatten in der Kulturgeschichte Chinas ihren festen Platz in den – in ihren einzelnen Zuschreibungen zum Teil höchst unterschiedlichen – kosmologischen Systemen. (vgl. auch (I) der Norden und (II) der Osten)

Das Schriftzeichen nan 南 (“Süden”) zeigt ein Gebiet mit üppiger Vegetation. [1] Traditionell ordnete man dem Süden das Element (die Wandlungsphase) Feuer – einer der Namen des Feuergottes lautete Nanfangjun 南方君 (“Herr der südlichen Gegenden”) [2] – und die Farbe Rot zu (erst im 20. Jahrhundert wurde der Osten “rot”). Von den Planeten war dem Süden der Mars zugeordnet, von den Jahreszeiten der Sommer und von den inneren Organen das Herz. [3]

Mit dem Süden, der nach chinesischen Vorstellungen mit dem Leben assoziiert wird, ist traditionell auch der Gott der Langlebigkeit (Shouxing 壽星), eine Gestirnsgottheit, verknüpft: Dieser residiert in einem Palast im Süden, in dessen Garten auch das Kraut der Unsterblichkeit wachsen soll:

“Daher die Auffassung, daß, wenn ‘der Alte des Südscheffels’ [nanji laoren 南極老人] erscheine, im Reich der Mitte Frieden herrsche. Man opfert ihm, um langes Leben und damit zusammenhängend Gesundheit und Glück zu erlangen.” [4]

Rituellen Vorschriften entsprechend saß der Kaiser bei Audienzen mit dem Gesicht nach Süden gewandt, empfing so die positive Energie (yang) und somit “gleichsam als einziger die Ausstrahlung des Himmels aus der Richtung, wo die Sonne am hellsten scheint.” [5]

Zur Zeit der Yuan-Dynastie (1260/1279-1368) war nanren 南人 (“Menschen aus dem Süden”) die Bezeichnung der untersten der vier offiziellen Kategorien der BevölkerungAls nanren wurden all jene Bewohner Chinas bezeichnet, die bis 1279 im Herrschaftsbereich der Südlichen Song-Dynastie gelebt hatten. Die alternative Bezeichnung manzi 蠻子 lebte auch im Begriff Mangi beziehungsweise Manzi fort, den Marco Polo für Südchina verwendete. [6]
Ein Hinweis auf den Süden ist auch im chinesischen Ausdruck für Kompass enthalten. Der chinesische Ausdruck für Kompass lautet zhinan 指南 (bzw. zhinanzhen 指南針 , d.i. Kompassnadel), bedeutet wörtlich “der nach Süden weisende” beziehungsweise “Südweiser” und im übertragenen Sinn “Handbuch”. [7]

 

[1] Robert Morrison: A Dictionary of the Chinese Language. In Three Parts. Part II. Vol. I (Macao 1819), 608: “The region of heat and luxuriant vegetation. The region which contains and cherishes plants and living creatures.” [nach oben]

[2] Vgl. Patricia Bjaaland Welch: Chinese Art (2008) 162 (“God of Fire”). [nach oben]

[3] Grand Dictionnaire Ricci de la langue chinoise, Bd. 4, S. 559 (Nr. 8080). [nach oben]

[4] Wolfram Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole. Die Bildsprache der Chinesen (München: Diederichs, 5. Aufl., 1996) 171 f. (“Langlebigkeit, Gott der”). [nach oben]

[5] Palastmuseum Peking. Schätze aus der Verbotenen Stadt (1985) 67. [nach oben]

[6] Charles O. Hucker: A Dictionary of Official Titles in Imperial China (Stanford: Stanford University Press, 1985) 339 (Nr. 4099). [nach oben]

[7] Herbert A. Giles: A Chinese-English Dictionary (Shanghai: Kelly & Walsh, 2. Aufl. 1912) 1007 (Nr. 8128). [nach oben]

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/182

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non habemus papam. Zeit für einen Papst 2.0?

Auch ein Zeitgeschichts-Historiker erkennt wohl nur selten ein “historisches Ereignis” in dem Moment, in dem es passiert. Meine Geschichtslehrerin erzählte uns, sie habe nicht erwartet, überhaupt jemals etwas zu erleben, dass man später in den Geschichtsbüchern finden würde – bis … Weiterlesen

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/533

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Das Ende einer akademischen Wanderschaft. Interview mit Michael Matheus

 


Michael Matheus war von 2002–2012 Direktor des DHI Rom. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Mittlere und Neuere Geschichte und Vergleichende Landesgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, an den er im Oktober 2012 zurückkehren wird.

Michael Matheus, Sie haben zehn Jahre lang das Deutsche Historische Institut in Rom geleitet. Was verbindet Sie besonders mit dem Institut?

In diesen Jahren habe ich die auch für den Direktor anregende wissenschaftliche Arbeit sowie die gute Atmosphäre am DHI Rom geschätzt, nicht zuletzt den Schwung, den Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler dem Institut vermittelten. Wir haben in Teamarbeit immer wieder versucht, kulturgeschichtliche Fragestellungen und Methoden für unsere eigene Arbeit fruchtbar werden zu lassen. Für jemanden, der einmal Geiger werden wollte, war es zudem ein besonderer Glücksfall, ein Institut mit einer musikgeschichtlichen Abteilung leiten zu dürfen. Viele wissenschaftliche Veranstaltungen konnten wir mit dazu passenden Konzerten verbinden. Eine besonders wichtige Erfahrung war, dass unsere wissenschaftlichen Veranstaltungen und Projekte nicht nur in Rom, sondern in vielen Städten und Regionen Italiens durchgeführt werden konnten, in Genua und Venedig, in der Toskana und den Marken, in Sizilien, Apulien und im südlichen Latium.

Welche Erwartungen hatten Sie bei Ihrem Amtsantritt als Institutsdirektor? Was hat sich seither geändert?

Ich hatte gehofft, mehr eigene Forschungen durchführen zu können. Dies war nur begrenzt möglich, auch weil die Sanierung der Institutsgebäude sowie der Bau von Bibliotheksmagazinen und einem Gästehaus viel Zeit und Energie gekostet haben. Aber wir haben dadurch mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Italien (ELKI) und dem Melanchthon Zentrum Rom Nachbarn erhalten, von denen auch die wissenschaftliche Arbeit des Instituts profitiert. Im Jahre 2002 wurde die Stiftung DGIA gegründet. In den Aufbau und die Strukturierung der Stiftung habe ich mich gerne eingebracht und dabei auch viel gelernt.

Welche Schwerpunkte haben Sie während Ihrer Amtszeit in Rom gesetzt, um das Profil des DHI Rom zu schärfen?

Das DHI Rom hat seine traditionellen Schwerpunkte in der Grundlagenforschung mit der Entwicklung elektronischer Publikationsformate verknüpft. Zudem wurde das Institutsprofil durch interdisziplinare, international vergleichende und epochenübergreifende Forschungsprojekte geschärft. Ein besonderes Anliegen war ferner die Intensivierung der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung.

Kürzlich wurde das Institut im Rahmen der Qualitätssicherung der Max Weber Stiftung – Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland evaluiert. Welche Einsichten haben Sie daraus gewonnen?

Zusammen mit dem Deutschen Institut für Japanstudien Tokyo war das DHI Rom das erste Stiftungsinstitut, das einer externen Evaluierung unterzogen wurde. Der Aufwand war beachtlich, doch bot die Evaluierung eine willkommene Gelegenheit für alle Institutsmitglieder, über Starken und Schwachen der wissenschaftlichen Arbeit und über künftige Schwerpunkte der Institutsarbeit nachzudenken. Die Ergebnisse der Evaluierung sind für die wissenschaftliche Arbeit des Instituts insgesamt sehr erfreulich und ermutigend. Unter anderem freut es mich, dass die Bedeutung der am DHI Rom entwickelten historischen Datenbanken und der hierzu notwendigen Software gewürdigt und als Alleinstellungsmerkmal bezeichnet wird. Damit hat das Institut schon vor Jahren Entwicklungen eingeleitet, die in den Empfehlungen des Wissenschaftsrats aus dem Jahre 2011 zu den Forschungsinfrastrukturen in den Geistes- und Sozialwissenschaften beschrieben werden. Aufgrund ihres prototypischen Charakters wird empfohlen, die am römischen DHI entwickelten Lösungen den Instituten der Stiftung bereitzustellen. Zugleich soll dieser Arbeitsbereich am Institut in Rom weiter gefördert werden.

Max Weber, dessen Namen die Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland seit Juli 2012 trägt, hat unter anderem auch in Italien und Rom gewirkt. Was lässt sich zu seinem Verhältnis zum DHI sagen?

In den Jahren 1901 bis 1903, im Vorfeld der Niederschrift der „Protestantischen Ethik“, hielt das Ehepaar Weber sich in Italien bzw. in Rom auf. Max Webers Interesse an Religion und religionssoziologischen Fragen durfte in Rom gewachsen sein. Über die damaligen intellektuellen Prägungen wüsste man gerne mehr, übrigens auch zu der Frage, ob und wie intensiv Weber Mitglieder des Preußischen Historischen Instituts (heute DHI Rom) gekannt und Kontakte gepflegt hat. Zu denken wäre etwa an den Kenner früher kapitalistischer Formen Fuggerscher Prägung, Aloys Schulte, der 1901–1903 kommissarischer Direktor des Instituts war. Oder an den Protestanten Johannes Haller, einer der vielgelesen Historiker seiner Zeit, der 1893–1902 am Institut weilte. Zwar gibt es einige Lesespuren Max Webers im alten Buchbestand des römischen Deutschen Künstlervereins. Im Archiv des DHI allerdings findet sich leider nichts Aufschlussreiches.

 

Luftgestützte Laseraufnahmen in Ninfa

Sie sind der erste bekennende Katholik unter den Direktoren des DHI Rom. Welche Bedeutung messen Sie dieser konfessionellen Bindung bei?

Die Vorgängereinrichtung des DHI Rom wurde 1888 durch Preußen auf dem Kapitol (worauf das Institutslogo anspielt) im Kontext des Kulturkampfes und in Reaktion auf die zuvor erfolgte Öffnung des Archivio Segreto Vaticano gegrundet. Die damit einhergehende Prägung mag dazu beigetragen haben, dass die Direktion des Instituts – von den wenigen Monaten der Amtszeit Aloys Schultes abgesehen – Protestanten vorbehalten blieb. Dass mit mir der erste langer amtierende katholische Direktor gewählt wurde, interpretiere ich als Signal, dass konfessionelle Prägungen in der wissenschaftlichen Arbeit keine Rolle spielen (sollten), auch wenn ich persönlich im katholischen Glauben verankert bin. Zugleich war mir daran gelegen, mit der Wahl der neuen Nachbarn, ELKI und Melanchthon Zentrum, im Zentrum der katholischen Weltkirche ein ökumenisches Signal zu setzen.

Wie beurteilen Sie das italienische Wissenschaftssystem, vor allem mit Blick auf die Arbeit des Instituts?

Wir arbeiten in zahlreichen Forschungsprojekten mit italienischen Forschungsinstituten und Universitäten zusammen. Allerdings sollte bei der Auswahl wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht die nationale Herkunft, sondern die wissenschaftliche Qualität den Ausschlag geben. In Italien spielen meines Erachtens nicht zuletzt im Bereich der Geisteswissenschaften Klientelstrukturen eine zu große und akademische Leistungen eine zu geringe Rolle. Ich hoffe, dass internationale Kooperationen hier zu Verbesserungen beitragen.

Sie haben sich ja bereits in Mainz intensiv mit italienbezogenen Forschungsthemen befasst. Inwiefern hat der lange Aufenthalt in Italien Ihr wissenschaftliches Profil verändert? Konnten Sie von Standortvorteilen profitieren?

Die Stadt Rom und das Land Italien haben entscheidenden Anteil daran, dass mein wissenschaftlicher Horizont ganz wesentlich erweitert wurde. Zu den Themen der letzten Jahre zahlen: Rom als Studienort in der Renaissance, Germania in Italia, Christen und Muslime in der Capitanata, die Geschichte der mittelalterlichen Ruinenstadt Ninfa und der pontinischen Sumpflandschaft und schließlich – nicht zuletzt dank der Nachbarschaft der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Italien und des Melanchthon Zentrums – ein faszinierendes Themenspektrum von Luthers Romreise bis zum protestantischen Rombild im 20. Jahrhundert.

 

Das Kastell von Lucera

An welchen Quellenfund der letzten Jahre denken Sie besonders gern zurück?

Da kommt mir vieles in den Sinn, aber eine Quellenkonstellation sei besonders erwähnt. Im Jahre 2005 stieß ich auf Schriftdokumente, denen zufolge ein muslimischer Adeliger eine kleine Bischofsstadt im nördlichen Apulien, der so genannten Capitanata, im ausgehenden 13. Jahrhundert als Lehen erhielt. Im Rahmen eines interdisziplinaren Projektes, an dem derzeit Historiker, Archäologen, Bauhistoriker, Kunsthistoriker, Anthropologen und Geophysiker beteiligt sind, verfolgen wir von diesem bemerkenswerten Befund ausgehend die Frage, wie sich Formen der convivenza zwischen Christen und Muslimen in dieser Zeit darstellten. Zugleich erhellen die Forschungsergebnisse ein Kapitel europäischer Geschichte, das von der muslimisch-arabischen Kultur mitgeprägt wurde.

Welche Projekte möchten Sie künftig in Mainz realisieren?

Einigen der genannten Forschungsschwerpunkte werde ich auch in Mainz verbunden bleiben, zum Beispiel der interdisziplinar und epochenübergreifend ausgerichteten Umweltgeschichte der pontinischen Sumpflandschaft. Zudem freue ich mich auf eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, die in den verschiedensten Fächern zu italienischen Themen arbeiten.

Zehn Jahre Rom – das ist sicherlich sehr prägend. Was schätzen Sie besonders an Italien? Worauf freuen Sie sich in Deutschland und was werden Sie vermissen?

Darauf kann ich mit wenigen Worten nicht angemessen antworten. Nach diesen Jahren wurde ich mich selbst als „Deutschrömer“ bezeichnen. Darunter verstehe ich jemanden, der als Wanderer zwischen beiden Kulturen von beiden nachhaltig geprägt ist. Dennoch bin ich Deutscher geblieben. Rom und Italien werde ich allerdings auch in meinen kommenden Mainzer Jahren eng verbunden bleiben. Die Mitarbeit in italienischen wissenschaftlichen Gremien wird dies ebenso befördern wie die Tatsache, dass ich seit dem vergangenen Jahr dem Direktorat des Römischen Instituts der Goerres-Gesellschaft angehöre, das wie das DHI Rom 1888 gegründet wurde. Aber in einigen Jahren wird die Entscheidung anstehen, die akademische Wanderschaft aufzugeben und dauerhaft ansässig zu werden. Das bedeutet für meine Frau und mich voraussichtlich die Rückkehr nach Rom, von dem ein Historiker im 19. Jahrhundert sagte, die Stadt erscheine ihm so unerschöpflich „wie die Welt überhaupt.“

Das Gespräch führten Kordula Wolf, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des DHI Rom, und Deborah Scheierl, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit am Institut.

Quelle: http://mws.hypotheses.org/1149

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Staat und Kirche. Politik und Religion

Wann dient Religion als Instrument zur Durchsetzung politisch gewollter Veränderungen? Wie hängen Religion und Politik zusammen? Und gibt es Parallelen zu politischen Ideologien? In Ausgabe 7/2011 des MONTAGSRADIO diskutieren wir die Zusammenhänge von Religion und Politik mit Historiker Henning Pietzsch.

Wo Religion und Kirche in Opposition zum Staat stehen, sucht der Staat nach Ersatzinstitutionen, um das Gemeinschaftsbedürfnis der Menschen zu befriedigen. Auch unter Androhung staatlicher Repressialien gelang es zum Beispiel den Kirchen in der DDR, zum Ort für freiheitliches und oppositionelles Denken zu werden. Nach dem Ende der DDR verloren die Kirchen auf den ersten Blick an Bedeutung. Doch trotz Humanismus und Aufklärung bestimmen auch in unserem westlich geprägten Kulturkreis die Werte und Grundsätze religiöser Glaubensgemeinschaften das Handeln des Einzelnen und staatlich organisierter Systeme. Sie geben Boden für die Sinnerklärung der eigenen Existenz.

MP3 und Timeline gibt es unten…

1:30 Umbruch im Nahen Osten und die Bedeutung der Religion

5:00 Religion als Rückzugsraum

6:30 Gab es religiösen Fundamentalismus in der DDR?

8:00 Oskar Brüsewitz

10:00 „Kirche im Sozialismus“

12:00 Kirche als „bürgerlicher Überrest“

14:00 Kirche und Opposition

17:30 kirchliche Jugendarbeit wird vom Staat als „oppositionell“ eingeordnet

20:00 Bedeutung der Künstler, Heraustreten der Opposition aus der Kirche

22:00 Rolle der Kirche nach 1989

24:00 Überleben der Jugendweihe

26:00 Religiöse Züge des Kommunismus

30:00 Religion und Ideologie: Gemeinsamkeiten und Unterschiede

37:00 Rückkehr des Religiösen in der Gesellschaft?

40:00 Religiöse Einstellung der Diskutierenden

45:00 Religion und Politik heute, Täter und Versöhnung

50:00 Nihilismus, religiöse Nischen und der homo oeconomicus

52:00 Ökonomie, Ersatzreligionen und Warenfetischismus

54:00 Fragebogen

Quelle: http://www.montagsradio.de/2011/05/16/staat-und-kirche-politik-und-religion/

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