Die Qual der Wahl im Kampf um Kultur- und Wissenschaftpolitik

Würden Platons Philosophen die Wahl gewinnen..?!

Und wenn Platons Philosophen die Wahl gewinnen würden..?!

Kultur- und Wissenschaftspolitik spielten im Wahlkampf 2013 kaum eine Rolle und das obwohl alle Parteien nicht müde werden, die hohe Bedeutung beider Aspekte zu betonen. Dies mag daran liegen, dass Bildung, Hochschule und Kultur auf Länderebene angesiedelt sind und im Wahlkampf aus diesem Grund nur bedingt Versprechungen gemacht werden können – inwieweit diese dann eingehalten werden, ist nochmal eine andere Frage. Zumindest gibt es aber im Wahlprogramm aller großen Parteien Darlegungen zu diesen Themen, die sich durchaus mit übergreifenden Aspekten wie Finanzierung, Digitalisierung und Urheberrecht oder den Aufgaben von Kultur und (Geistes)Wissenschaft in der Gesellschaft beschäftigen. Die Herangehensweise der Parteien ist hierbei naturgemäß sehr unterschiedlich. Insgesamt ist aber wenig überraschend festzustellen, dass CDU und FDP mehrheitlich ähnliche Pläne verfolgen, die bestehendes schützen und sich an Neuerungen herantasten wollen. Die SPD zeigt sich bereits sehr offen für neue Tendenzen. Die Programme der Grünen und Piraten weisen vielfache Übereinstimmungen auf und treten stärker für Änderungen ein, gerade in puncto Open Access und digitaler Wandel. Die Linke ist zwischen ihnen und der SPD anzusiedeln.

I. Rang und Einordnung von Kulturpolitik im Parteiprogramm

Das Thema Kulturpolitik fassen CDU, FDP und auch SPD mit der Medienpolitik in einem Punkt zusammen. Keines der drei Wahlprogramme erklärt diese anscheinend selbstverständliche Zuordnung jedoch. Auch sind alle drei Stanpunkte zur Kultur recht kompakt, greifen jedoch angrenzende Bereiche in anderen Abschnitten auf, so die Arbeitsbedingungen im Kulturbereich, das Urheberrecht oder gesellschaftliche, mit Kultur verknüpfte Bildungsinhalte. Interessant sind die Oberpunkte, denen Kultur und Medien jeweils zugeordnet werden. Sie weisen in dieselbe Richtung wie das entsprechende Programm. Bei der FDP ist dies „Vielfalt und freie Wahl“, bei der CDU „Heimat schützen“ und bei der SPD „Bildung und Gleichberechtigung“. Die SPD ordnet unter den selben Programmpunkt auch Wissenschaft und Bildung. Bei der CDU und der FDP ist Forschung unter „Fortschritt“ angesiedelt. Die FDP greift zudem das Urheberrecht im Punkt „Freiheit“ noch einmal extra auf.

Etwas anders ist die Aufteilung bei der Linken, den Grünen und den Piraten. Im Wahlprogramm der Linken finden sich Bildungs- und Kulturpolitik unter dem Punkt „Solidarität neu erfinden“, wobei die Kultur- und Kreativwirtschaft einen eigenen Unterpunkt hat. Bei den Piraten ist Kultur ein Hauptpunkt, der, entsprechend den zentralen Anliegen der Partei, getrennt von Medienpolitik behandelt wird. Wissenschaft ordnen sie zu „Bildung und Forschung“. Das Parteiprogramm der Grünen zum Thema Kultur ist am umfangreichsten und umfasst unter dem Oberpunkt „Kunst und Kultur beflügeln“ sechs Unterpunkte. Auch die Medienpolitik wird unter „Freies Netz und unabhängige Medien für alle“ bei den Grünen, wie bei den Piraten, getrennt behandelt. Gleiches gilt für Forschung und Wissenschaft, die zu „Teilhaben an guter Bildung“ gehören.

II. Besonders betonte Inhalte des kulturpolitischen Programms

Die Mehrheit der Wahlprogramme bezeichnet Kultur und Forschung als einen zentralen Aspekt der Gesellschaft, der bei der Lösung sozialer Probleme helfen, moralische Werte aufrecht erhalten und Identität stiften kann. Aus diesem Grund wird betont, dass an den wert von Kultur nicht wirtschaftliche Gesichtspunkte, sondern ein eigenes Bemessungssystem angelegt werden muss. Zudem wird die Bedeutung von Kultur, Kreativwirtschaft, Bildung und Wissenschaft für den Arbeitsmarkt, Fortschritt und Wirtschaft hervorgehoben. Wegen dieser Vielzahl an Aspekten möchten alle Parteien die Bedeutung von Kultur und (Geistes)Wissenschaft im öffentlichen Ansehen erhöhen. Dabei haben sie weitgefasste Auffassungen davon, was Kultur beinhaltet. Sie schließen Hochkultur ebenso ein wie Alltagskultur, Subkultur, Freizeitmöglichkeiten und Kreativität im Allgemeinen. Aufgrund der Trennung der gesetzlichen Verantwortlichkeiten für Kultur, Bildung und Wissenschaft gibt es zwar Schnittmengen, im Allgemeinen werden aber die Geistes- und Kulturwissenschaften dem Kulturbereich nur bedingt zugeordnet.

Die zentralen Themen der Kulturpolitik, die für die Mehrheit der Parteien Reformen bedürfen, sind die Kreativwirtschaft, kulturelle Bildung, Teilhabe und Vielfalt. Das historisch-archäologisch wichtige Thema Kulturelles Erbe wird vor allem im Kontext mit der Verarbeitung der deutschen Diktaturen behandelt – die Grünen heben auch die Wiedergutmachung deutscher Kolonialgeschichte hervor. Die Baudenkmalpflege wird zudem u.a. von der Linken und auch der CDU besonders betont, die den Schwerpunkt des kulturpolitischen Programmes entsprechend ihres Mottos „Heimat schützen“ auf Bestand ausgelegt hat. Die Bodendenkmalpflege wird hingegen nur bei der SPD explizit als wichtige Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen erwähnt. Die starke Kritik von Seiten der Medien und Bürger an den Kürzungsplänen der SPD-Landesregierung in NRW im Frühjahr scheint sich die Partei zu Herzen genommen zu haben.

Inhalte, die sich nur bei einigen der Parteien finden, sind der Deutsche Filmförderfonds (DFFF) bei der SPD, das Programm „InvestOst“ bei der CDU, die stärkere Verknüpfung von Kultur und Tourismus zugunsten der Wirtschaft bei CDU und FDP und zugunsten des Kulturgüterschutzes bei der Linken. Grün macht zudem auch Sport als Aspekt des sozialen Zusammenhalts, privaten Engagements und Austausches zum Kulturthema.

Die Grünen und die Piraten möchten im Besonderen die Herausforderungen des Digitalen Wandels für Kultur und Wissenschaft thematisieren. Bei den Piraten sind die Inhalte ihres kulturpolitischen Programms naturgemäß eng an den Programmschwerpunkt Medienpolitik gebunden. Aber auch die Grünen betonen, dass eine bessere Nutzung der technischen Möglichkeiten und pluralistischen, partizipativen Kulturgüter weiter vorangetrieben werden soll. Dazu gehören für beide Parteien mehr Förderung für Digitalisierungs- und Archivierungsprojekte nicht nur im historischen Bereich und daran geknüpft transparentere Mittelvergabeverfahren. Zu diesen muss es auch gehören, die Freiheit zu haben, Neues auszuprobieren. Um die geforderten Freiräume zu schaffen, ist gerade für die Piraten ein größerer Einfluss der Kulturmacher in Politik und Gremien wichtig.

III. Verantwortlichkeit für und Finanzierung von Kultur zwischen Staat und Ländern

Die Mehrheit der Parteien – die SPD, die Linken, Grünen und Piraten ­– wollen Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz aufnehmen und das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern aufheben. Dies hätte Auswirkungen auf den Kultur-, Bildungs- und Hochschulbereich, die verschiedentlich angegangen werden sollen. Insgesamt soll der Bedarf an Kultur besser mit den Angeboten in Übereinstimmung gebracht und vorhandene Infrastrukturen geprüft, verbessert und gestärkt werden. Auch sollen Kulturprogramme mit regionalem Bezug in den Händen der besser auszustattenden Kommunen verbleiben, wo die Expertise dafür angesiedelt ist. Bei größeren Aufgaben soll es dem Bund möglich sein, Koordinierungsmöglichkeiten zu schaffen, gute Ideen zu übernehmen und Defizite abzubauen. Dass hierfür eine Neustrukturierungen der finanziellen Verteilung und Fördermöglichkeiten notwendig ist, sehen auch die Parteien. Gerade die Aufgabe eines Bundeskulturministeriums soll es bei einem solchen kooperativen Föderalismus sein, neben der Kulturstiftung auch kleine Projekte, den Kulturschutz und die Vermehrung des zugänglichen Wissens zu stärken. Gerade für die SPD sind dies alles Aspekte auch für Stadtentwicklungsplanung, Sozialpolitik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft von Bedeutung.

Die CDU und die FDP sehen in einer Aufhebung des Kooperationsverbotes keine Lösung. Sie möchten stattdessen an der Finanzkraft der Kommunen und an einem Bildungspakt arbeiten, um die örtliche Daseinsvorsorge zu sichern. Die FDP würde hierbei eine Föderalismuskommission begründen und das Konnexitätsprinzip fest verankern, um die Bewältigung kultureller Aufgaben durch die Kommunen finanziell abzusichern. Daneben soll die Kulturförderung durch den Bund auch weiterhin als Vorbild für Länder und Kommunen dienen und die Rahmenbedingungen für Künstler, Kulturmacher und Wissenschaftler sowie die Zusammenarbeit mit den Bürgern als Konsumenten und Mitgestalter von Kultur sichern. Damit wird für die beiden Parteien ein Bundeskulturministerium überflüssig.

IV. Kulturpolitik und gesellschaftliche Kontexte

In Bezug auf die Verbindung zwischen Kultur, Geistesweissenschaften und Gesellschaft sind bei allen Parteien ähnliche Schwerpunkte, Gemeinsamkeiten und Unterschiede wie bei den besonders betonten Inhalten festzustellen. Einen Ausbau der kulturellen Bildung, Vielfalt und Teilhabe streben alle an, um mit ihnen Austausch, Integration und Toleranz herzustellen, soziale Spaltungen und den demographischen Wandel anzugehen und das Interesse an der Demokratie wieder zu stärken. Forschungen in diesem Bereich spielen jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Besonders neue Formate der Breiten- und Subkultur der vielen verschiedenen in Deutschland lebenden Gruppen sollen zu einem offeneren Umgang beitragen. Die Grünen fordern, Kultur dafür immer wieder an neue Gegebenheiten anzupassen und Neues auszuprobieren. Die Ideen können durch einen Ausbau privaten Engagements, z.B. in der Vereins- und Verbandskultur, geschehen, wie es CDU und FDP anstreben, oder durch eine stärkere Fokussierung auf kulturelle Bildung im schulischen und lebenslangen Lernen, wofür neben der CDU auch die SPD und die Grünen plädieren. FDP, CDU, die Grünen und die Piraten möchten sich zudem für die Stärkung der Medienkompetenz einsetzen. Von diesen Ideen weichen auch die Piraten kaum ab und stellen, passend zu ihrem Wahlprogramm, Transparenz und eine bessere Zugänglichkeit zu immateriellen Kulturgütern ins Zentrum ihrer Pläne.

In einen ähnlichen Bereich gehört die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. Auch hierbei wollen alle Parteien Neugier, Kommunikation und Gleichberechtigung wecken und vermitteln. Ein spezieller Punkt ist dabei die Weiterentwicklung der europäischen Kulturpolitik, den die CDU in engem Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik sieht, während die Linke internationale Projekte in den Mittelpunkt stellen möchte.

V. Medien-/Internetpolitik, Urheberrecht und Kultur

Mit Entwicklungen wie Digitalisierungsprojekten, E-Learning-Möglichkeiten und Problemen mit dem Urheberrecht wird die Verknüpfung von Kultur-, Medien- und Netzpolitik immer enger. Aus diesem Grund greifen alle Parteien diese Themen in ihrem Wahlprogramm auf, zeigen sich dabei aber unterschiedlich innovativ. Einig sind sie sich darüber, dass ein reformiertes Urheberrecht ebenso notwendig ist wie flächendeckender Zugang zum Breitbandinternet. Während die Linke diese in öffentliches Gemeingut umwandeln möchte, sieht die FDP im freien Wettbewerb zwischen den Anbietern den richtigen Weg.Auch beim Urheberrecht herrscht kaum Einigkeit. Alle Parteien möchten die Urheber gerade im Internet besser schützen und zugleich die Möglichkeiten der Um- und Weiternutzung geschützter Inhalte weiterentwickeln. Für die CDU ist es dabei zentral, Urheber, Rechteinhaber, Verbraucher und Verwerter unter einem angepassten Urheberrecht zusammenbringen. Explizite Ideen für die dafür notwendigen Regelungen hat die Partei aber noch nicht entwickelt. Die SPD möchte neue wirtschaftliche Möglichkeiten der Kulturbranche im Internet fördern, wobei Künstler und Kreative zugleich Urheber und Weiternutzer geschützter Güter sein können. Auch möchte sie ein neues Urheberrecht bildungs- und wissenschaftsfreundlicher gestalten, Zweitpublikation vereinfachen und eine bessere Nutzung entsprechender Inhalte in Schulen und Hochschulen ermöglichen. Ebenso liegt es der FDP nahe Urhebern, Rechteinhabern und Nutzern gerecht zu werden. Der Schwerpunkt soll für sie jedoch weiterhin in der analogen Welt liegen. Für beide Welten möchte die FDP unterschiedliche Lizenzmodelle etablieren, ohne dabei auf bereits bekannte Modelle einzugehen, und die Freiheit der Urheber ausweiten, ihre Werke nach ihren Wünschen zu vermarkten. Das Programm der Linken beschäftigt sich schon intensiver mit den Möglichkeiten, die bereits zur Verfügung stehen. So wollen sie, wie auch die Grünen, die Verwertungs- und Nutzungsrechte unter Einbeziehung neuer Lizenz- und Vergütungsmodelle wie Creative Commons oder Crowdfunding reformieren. Zudem spricht sich die Linke für die Kulturwertmark als auf einer Kulturflatrate basierende Verwertungsgesellschaft aus. Die Piraten gehen noch einen Schritt weiter. Sie möchten die Urheber vor allem gegenüber den Rechteinhabern stärken, Zweitverwertungsrechte einräumen, undefinierte Nutzungen verhindern und ausschließliche Nutzungsrechte beschränken. Auch soll die Geltungsdauer des Urheberrechts gesenkt bzw. an die Bedürfnisse der Sparten und Nutzer angepasst werden. Alternativen Bezahl- und Finanzierungsmodellen gehören für sie selbstverständlich dazu. Auch ist es ein Anliegen der Grünen, für kommerzielle Nutzungen eine zentrale Anlaufstelle zum Erwerb von Bearbeitungsrechten einrichten. Für sie ist auch eine vereinfachte nichtkommerzielle (Weiter)Gestaltung von geschützten Werken zentral, die den Urhebern ein Mitbestimmungsrecht einräumt.

Sehr unterschiedlich sind die Meinungen der Parteien auch in Bezug auf Open Access. Die SPD will die Zugänglichkeit für Kultur, Wissenschaft und Bildung erweitern. Auch die Linke unterstützt dieses Prinzip. Sie möchte zusätzlich auch Open-Source-Softwares, E-Learning-Modelle und Digitalisierungsprojekte fördern, wenn sie hierzu beitragen. Hierfür sollen es zu einem Grundprinzip werden, dass öffentlich finanzierte Inhalte dauerhaft frei zur Verfügung stehen. Auch die Piraten und die Grünen stehen für die Nutzung von Open Educational Resources, für erweiterte urheberrechtsfreie Zugänge zu Kulturgütern für Bildungs- und Forschungseinrichtungen und mehr finanzielle Möglichkeiten für Digitalisierungsprojekte. Außerdem möchten die Grünen die Publikation von Forschungsergebnissen unter dem Open-Access-Prinzip im Allgemeinen ausweiten, die Piraten öffentliche geförderte Ergebnisse sofort, andere nach einem halben Jahr für alle zugänglich machen. CDU und FDP sind zurückhaltender bezüglich solcher Optionen. Zwar setzt sich auch die CDU für die Nutzung von Daten und Wissen für die Wissenschaft und die Zugänglichkeit zu Erkenntnissen in, allerdings nicht prinzipiell, sondern nach einer angemessenen Zeitspanne, die nicht näher definiert wird. Die FDP möchte das Open-Access-Prinzip für wissenschaftliche Ergebnisse nicht bedingungslos vorantreiben, sondern in jedem Fall der Zustimmung der Wissenschaftler überlassen.

VI. Bildungs- und Hochschulpolitik

Um die Wissenschaftslandschaft in Deutschland voranzubringen, sehen alle Parteien die Notwendigkeit von Reformen für diesen Sektor als notwendig an. Gerade für die CDU scheint der Schwerpunkt hierbei allerdings vor allem bei den Natur- und Ingenieurswissenschaften zu liegen, da sie stets den Kontext von Forschung und Technik betont. SPD, Piraten, Grüne und Linke hingegen stellen den Bezug von Forschung, gesellschaftlichen Fragen und sozialen Problemen in den Mittelpunkt und sehen hier eine enge Verknüpfung zu den Geistes- und Kulturwissenschaften.

Um die häufig prekären Situationen gerade von Nachwuchswissenschaftlern und dem akademischen Mittelbau zu verbessern, möchte die CDU ein Förderprogramm einführen. Wie genau dieses aussehen sollen, lässt sie offen. Im Gebiet Forschung ist es das Anliegen, die Exzellenzinitiative und den Pakt für Forschung und Innovation zu verlängern sowie herausragende Forschung in der Spitze und in der Breite mehr zu unterstützen. Um dies zu ermöglichen, möchte die CDU in diesem Bereich, im Gegensatz zur Kulturpolitik, die Zusammenarbeit von Bund und Ländern stärken, damit der Bund mehr Impulse vor allem für technologische Innovationen geben kann. Anliegen der SPD ist es, sachgrundlose Befristungen abzuschaffen und neue verlässliche Berufsperspektiven zu entwickeln. Für die Linke kommen Mindestlöhne im Wissenschaftssektor hinzu. Ihr Ziel ist es zudem, die finanzielle Grundausstattung des Wissenschaftssystems zu erhöhen. Dafür soll eine Neustrukturierung der Förderungsvergabe erfolgen, die auch Geistes- und Kulturwissenschaften stärker unterstützt. Auch Grüne und Piraten möchten durch höhere Haushalte Langfristigkeit und eine möglichst breite Aufstellung der Wissenschaftslandschaft – und hierbei auch eine strukturelle Stärkung der kleinen Fächer – in den Mittelpunkt stellen. Hierfür soll die Exzellenzinitiative auslaufen, die Breitenforschung anstatt nur spezifischer Wissenschaftszweige unterstützt und die Projektförderung transparenter und gleichberechtigter gestaltet werden. Als reformwürdig erachten beide Parteien das Wissenschaftszeitvertragsgesetz und hier vor allem die grundlose Befristung von Stellen. Für die Grünen ist auch in diesem Bereich ein kooperativer Bildungsföderalismus zwischen Bund, Ländern und Kommunen unerlässlich, um den Bund für Planung und Finanzierung der Hochschulen miteinbeziehen zu können. Die FDP möchte andere Wege gehen, die mit der Hochschulpolitik als Ländersache vereinbar sind. Mit einem flächendeckenden Wissenschaftstarifvertrag will sie die Personalstrukturen flexibler halten, attraktivere Arbeitsbedingungen für den Mittelbau schaffen und wissenschaftliche Laufbahnen sicherer machen. Forschung soll nach der FDP von den Studentenzahlen der Fächer mit freiwilliger Landesunterstützung sowie von Investitionen in „strategisch notwendige Forschungs- und Wachstumsfelder“ und der Exzellenzinitiative abhängen, womit die Geistes- und Kulturwissenschaften wohl mit weiteren Einbrüchen zu rechnen hätten.

VII. Personalpolitik im Kulturbereich und Künstlersozialkasse

Darüber, dass Kulturbranche und Kreativwirtschaft einen wichtigen Beitrag zur Wirtschaftskraft in Deutschland leisten, dafür jedoch zu wenig zurückbekommen, sind sich die Parteien einig. Die Einkommen und Absicherungen sollen verbessert und das Innovations- und Wachstumspotenzial dieser Bereiche gefördert werden. Hierzu gehören für alle Parteien eine Stärkung der Künstlersozialkasse mit Beachtung der besonderen Arbeitsumstände und neuen Tätigkeitsbereiche der Kreativen. Die Grünen möchten dies in ihre Bürgerversicherung integrieren. Die Urheberrechtsreformen sollen ebenfalls nach Meinung aller den z.T. schwierigen Arbeitssituationen Abhilfe schaffen und neue Vergütungsmöglichkeiten mit sich bringen. Die SPD, die Grünen und die Linke möchten zudem Mindestlöhne – Linke und Grüne auch Ausstellungsvergütungen, Honoraruntergrenzen und Gewinnbeteiligungen für Künstler – und neue Regelungen in der Arbeitslosen- oder Rentenversicherung für Kultur und Kreativwirtschaft einführen. Für die Piraten ist auch eine dauerhafte, nicht nur projektgebundene Absicherung der Künstler unabdingbar. Sie wollen, wie die anderen, auch Selbstständige besser unterstützen. Zudem soll nach der Linken der Unterfinanzierung von Kultureinrichtungen und Privatisierungen entgegengetreten werden. Die CDU sieht Lösungsansätze in der Fortführung der „Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft“, in engerer Zusammenarbeit von Kultur und Tourismus sowie in der Weiterentwicklung der Existenzgründer-Branche durch neue Gründungsfinanzierungen und Rahmenbedingungen für Crowdfunding. Auch hier scheint es jedoch, dass primär Jungunternehmen im Bereich Technik unterstützt werden sollen. Für die FDP ist ein Neuanfang der richtige Weg. Dafür sollen der Innovationsbeitrag der Kultur- und Kreativwirtschaft geprüft werden. Zudem kann für die FDP der Absatzmarkt von Kultur und Kreativen durch besseren Zugang zu Fremdkapital und ausländischen Märkten erweitert werden. Auch die Piraten und die Grünen möchten neue Wege gehen. Nach den Piraten soll ein größerer Teil des Kulturetats den Künstlern und ein Investitionspaket für Kultur den Kultureinrichtungen zugewiesen werden. Die Grünen sehen Möglichkeiten in der besseren Unterstützung der kleinen und mittelständischen Unternehmen in mehr Darlehen und Mikrokrediten und besseren Beratungsmöglichkeiten. Kunstförderung möchten sie besser an die schnellen Zyklen und kurzfristigen Entscheidungen dieser Branche anpassen. Außerdem ist es den Grünen wichtig, die Zukunftsfähigkeit von Kunst und Kultur durch mehr Möglichkeiten für neue Tätigkeitsbereiche, zunehmend auch im Netz, voran zu bringen. Mit einer stärkeren Unterstützung von Sozio- und Nischenkultur, der Aufhebung des Doppelfinanzierungsverbots und einem KfW-Sonderprogramm Kulturförderung möchten sie Kunst und Kultur zu einer sichereren Lebensgrundlage machen.

Weitere Infos zu Open Access in den Wahlprogrammen auf dem Science-Blog Frischer Wind gibt es von hier.
Einen schönen Vergleich der netzpolitischen Programme bietet t3n hier.
Eine ausführliche Darstellung der kulturpolitischen Planungen der einzelnen Parteien findet sich unter dem Schlagwort “Wahlkultur” auf kulturmanagement.net.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1066

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aventinus varia Nr. 41 [20.09.2013]: Kolonialismus und Arbeitszwang. Ein Fallbeispiel: das koloniale Algerien im 19. Jahrhundert

In diesem Artikel wird die Kolonie Algerien als Fallstudie verwendet, um die verschiedenen Arten des Zwangs zu zeigen, die in den Kolonien systematisch angewandt wurden, um die kolonisierte Bevölkerung in untergeordnete Arbeitsverhältnisse zu zwängen. http://bit.ly/16LZ5qW

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/09/4699/

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Ein wichtiger Moment im Wissenschaftler-Leben…

… ist es, die erste Publikation in den Händen zu halten.

Nun sind in den letzten Wochen direkt zwei Aufsätze von mir im Druck erschienen und ganz normal im Buchhandel zu erwerben (und bald auch in den Bibliotheken). Natürlich ist so ein Aufsatz, gerade im Vergleich zur Dissertation und dem darauf folgenden Buch, nur eine kleine Sache – aber toll ist es doch!

Und, hier nun auch die Angaben:

A new approach to an old document – The narrative elements in the Bill of Rights. In: Nünning, Vera (Ed.): New Approaches to Narrative: Cognition – Culture – History, Wissenschaftlicher Verlag Trier: Trier 2013, S. 213-222.
=> dieser Beitrag ist noch relativ nahe an meiner Dissertation dran; ich habe mir mal einige Gedanken darüber gemacht, wie Historiker, die den linguistic turn ernst nehmen wollen, narratologische Methoden in der Quellenkritik nutzen können. Das konkrete Beispiel ist dann die englische Bill of Rights von 1689, die ganz korrekt gesehen eigentlich illegal ist (andererseits hat rechtliche Durchsetzungskraft ja auch immer viel mit der allgemeinen Anerkennung zu tun), und das vermutlich die Autoren auch wußten (zumindest nutzten sie auffallend viele narrative Strukturen um über kritische Punkte hinweg gehen zu können)

Und zu einem ganz anderem Thema, eher einem Steckenpferd von mir:
Bloggen als akademische Praxis. In: Frietsch, Ute; Rogge, Jörg (Hg.): Über die Praxis des kulturwissenschaftlichen Arbeitens. Ein Handwörterbuch, transcript: Bielefeld 2013, S. 74-78.

=> Kurz und knapp über Sinn und (manchmal auch) Unsinn von Bloggen in der Wissenschaft. Offensichtlich bin ich eher ein Verfechter des Bloggens in der Wissenschaft, auch wenn das Zeitproblem sich bei mir deutlich bemerkbar macht (kurze Statistik: in inzwischen fast 6 Jahren habe ich nur 120 Beiträge geschrieben, das ist etwas mehr als 1 Beitrag pro Monat)

Quelle: http://csarti.net/2013/09/ein-wichtiger-moment-im-wissenschaftler-leben/

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Ullrich Dittler u.a. (Hrsg.): E-Learning: Eine Zwischenbilanz Kritischer Rückblick als Basis eines Aufbruchs, Münster u.a. 2009

http://www.waxmann.com/fileadmin/media/zusatztexte/2172Volltext.pdf Nach mehreren Förderprogrammen auf Ebene des Bundes und einiger Länder sowie nach 40 Jahren Bildungstechnologie, wird in diesem Buch kritisch hinterfragt, was an nachhaltigen Projekten, konkreten Materialien, Werkzeugen und Konzepten für praktizierende Lehrende eigentlich vorgewiesen werden kann. Eine Zwischenbilanz stellt sich – wie in den verschiedenen Beiträgen dieses Buches deutlich wird – aus Sicht […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/09/4697/

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Der »Catalogue collectif de France«

Der von der französischen Nationalbibliothek verwaltete »Catalogue collectif de France« (CCFR) ist der Verbundkatalog der französischen Bibliotheken. Er erlaubt die Lokalisierung von über 30 Millionen Dokumenten und liefert Informationen zu über 5.000 Informationseinrichtungen und ihren Beständen. Mit dem CCFR kann … Continue reading

Quelle: http://francofil.hypotheses.org/816

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Verbundprojekt 1914 – Mitten in Europa. Das Rheinland und der Erste Weltkrieg

100 Jahre ist es her, dass Europa sich dem Abgrund näherte: Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) erinnert 2013 /2014 in einem großen Verbundprojekt an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Erstmalig arbeiten die LVR-Museen und Kulturdienste mit zahlreichen Partnern der kommunalen Familie im Rheinland zusammen, um Voraussetzungen und Konsequenzen eines Ereignisses zu beleuchten, das die Geschichtsbücher als »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts« vermerken.

Diese bisher einzigartige Kooperation umfasst einen internationalen Kongress sowie zahlreiche Ausstellungen, Veranstaltungs- und Exkursionsangebote. Wir möchten Sie herzlich einladen, sich einem Thema zu widmen, das uns im Rheinland, mitten in Europa, nach wie vor besonders angeht:

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Quelle: http://1914lvr.hypotheses.org/179

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Call for Papers “Kunstgeschichte im digitalen Zeitalter – Studientag zur Digitalen Kunstgeschichte für Doktorandinnen und Doktoranden”

Veranstaltungstag: Samstag, 30.11.2013
Veranstaltungsort
: Institut für Kunstgeschichte, Ludwig-Maximilians-Universität München, Zentnerstraße 31, Raum 007, 80798 München

Einreichungsfrist: 15.10.2013

Die Digitalen Geisteswissenschaften, bzw. eHumanities erleben in jüngster Zeit einen großen Aufschwung. Jedoch beteiligt sich daran – zumindest im deutschsprachigen Raum – bislang überwiegend textorientierte Forschung. Bildbasierte Wissenschaften, wie die Kunstgeschichte oder Bildwissenschaft, sind noch kaum mit Projekten vertreten. Vor diesem Hintergrund soll der Studientag „Kunstgeschichte im digitalen Zeitalter – Studientag zur Digitalen Kunstgeschichte für Doktorandinnen und Doktoranden“ hierauf aufmerksam machen und zugleich zeigen, dass sich der wissenschaftliche Nachwuchs im Bereich der Kunstgeschichte aktuell intensiv mit digitalen Forschungsmethoden und Themen auseinandersetzt. Mit dem Studientag soll Doktorandinnen und Doktoranden im Bereich der Digitalen Kunstgeschichte ein Forum geboten werden, sich zu vernetzen, auszutauschen und zu diskutieren.

Der Studientag findet am Samstag, den 30. November 2013, am Institut für Kunstgeschichte der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München statt. Hierzu werden Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, die ihre Doktorarbeit zu einem Thema im Bereich der Digitalen Kunstgeschichte noch nicht abgeschlossen haben, herzlich eingeladen, ihre Promotionsprojekte einem überregionalen Publikum vorzustellen. Ziel ist es einen Überblick über aktuelle digitale Forschungsmethoden und Themen zu bieten sowie zur Diskussion und Vernetzung anzuregen, um das Fach der Digitalen Kunstgeschichte weiter zu etablieren und die Forschungsmöglichkeiten innerhalb der Digitalen Geisteswissenschaften zu erweitern.

Das Themenspektrum kann beispielsweise folgende Bereiche umfassen:

  • Digitale Infrastrukturen im Bereich der Kunstgeschichte
  • Visualisierungsmethoden, Rekonstruktionen
  • Bildanalyse und -annotation, semantische Verknüpfung
  • Rezeptionsforschung
  • Cultural and Visual Analytics
  • Digitale Kunst, ihre Präsentation, Wartung und Langzeitarchivierung
  • Das Kunstmuseum im digitalen Zeitalter: Interaktivität, Partizipation und mehr?
  • Publikationswesen und Social Media
  • Digitale Techniken und Methoden in der kunsthistorischen Lehre/Vermittlung
  • Das Urheberrecht und die digitalen (Un-)Möglichkeiten der Kunstgeschichte
  • Etc.

Am Freitag, den 29. November 2013, sind alle Vortragenden herzlich eingeladen, sich bei einem gemeinsamen Abendessen vorab kennen zu lernen und auszutauschen.

Vorschläge für Vorträge von max. 20 Minuten Länge (plus 10 Minuten Diskussion) sollten in Form eines Abstracts von ca. 2000 Zeichen inklusive Titelangabe (für die Ankündigung im Programm) eingereicht werden. Ein Kurzlebenslauf sollte die Bewerbung komplettieren. Die Frist zur Einreichung bei den Organisatorinnen endet am 15. Oktober 2013.

Kosten für An- und Abreise sowie für eine Übernachtung der Vortragenden werden durch die Förderung des GraduateCentersLMU der LMU München übernommen.

Organisation: Heike Messemer M.A. und Sabine Scherz M.A.

Veranstalter: Prof. Dr. Stephan Hoppe, Prof. Dr. Hubertus Kohle, Institut für
Kunstgeschichte, LMU München

Förderer: GraduateCenterLMU, LMU München

Rückfragen und Abstract sowie Kurzlebenslauf im PDF-Format bitte an die Organisatorinnen Heike Messemer M.A. und Sabine Scherz M.A. über E-Mail:

heike.messemer[at]campus.lmu.de
sabine.scherz[at]campus.lmu.de

Link zur Webseite des Studientags

Quelle: http://games.hypotheses.org/1253

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Münchner Sommerakademie Grundwissenschaften 2013 „Schriftkunde des Mittelalters. Einführung in die paläographische Praxis“ an der Ludwig-Maximilians-Universität München (22. bis 27. Juli 2013)

Ein Erfahrungsbericht

Striche, Linien, ein paar verblasste Buchstaben – mehr ist auf dem Bild nicht zu erkennen, das der Projektor an die Wand wirft. Hier und da scheinen ein n oder ein t klar hervor, aber ansonsten gleicht die Ältere römische Kursive eher den sprichwörtlichen Hieroglyphen als einem zusammenhängenden Text. Völlig ohne Ordnung und nach meinem Ermessen mit einiger Kreativität, was die Gestaltungsmöglichkeiten unserer Buchstaben anbelangt, scheint der Schreiber im Jahr 57 n. Chr. seine Buchstaben in das Wachstäfelchen eingedrückt zu haben. Schnell wird klar, vor mir liegt eine intensive Woche des Lesen und Übens.

ca. 800. Zürich Kantonsbibliothek, C I, fol, 6.

Züricher Alkuin-Bibel ca. 800.
Zürich Kantonsbibliothek, C I, fol, 6.

In den kommenden Tagen erwartet mich im Rahmen der Blockveranstaltung ein spannender Einblick in die Entwicklung der Schrift, von ihren antiken Anfängen, ihrer Weiterentwicklung im Mittelalter und der frühen Neuzeit bis hin zur Gegenwart. Den Schwerpunkt der Veranstaltung bilden Handschriften des 8. bis 16. Jahrhunderts. Ein interessanter und vor allem wichtiger Bereich, denn gegen Ende des Studiums oder spätestens während der Promotion stößt man als Mediävist mit edierten Quellen an Grenzen und muss auch Handschriften zu Rate ziehen, um im eigenen Forschungsvorhaben voranzukommen. Genau an diesem Punkt setzt die Münchner Sommerakademie an. Ziel ist es, grundlegende Schriftformen des abendländischen Mittelalters in ihren verschiedenen Ausformungen kennen zu lernen, um so alte Handschriften lesen und einordnen zu können.
Nicht alle Universitäten bieten Übungen mit mittelalterlichen Handschriften an und wenn, so sind sie selten und häufig mit dem eigenen Semesterplan nicht in Einklang zu bringen. Umso erfreulicher ist es, dass sich die Abteilung für Historische Grundwissenschaften und Historische Medienkunde der LMU in Zusammenarbeit mit der Monumenta Germaniae Historica (MGH), der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB), dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv (BayHStA) und dem Diözesanarchiv des Erzbistums München und Freising dieser Sache angenommen hat. Die Aufzählung verrät bereits den einzigartigen Charakter, den diese Veranstaltung trägt, denn mit der genannten Kooperation ist eine ideale Voraussetzung geschaffen, um die in den Veranstaltungen vermittelten Handschriften auch im „Original“ einsehen zu können.

 

Lesen „im Schweiße des Angesichts“
Die heiße und sonnenreiche Woche im Juli begann täglich um 9 Uhr im Historicum der LMU mit einer intensiven Lerneinheit, in der nach kurzer Einführung bereits erste Texte gelesen oder – wie in manchem Fall treffender – mit der Lupe entschlüsselt wurden. Das Niveau der Teilnehmer war unterschiedlich. Manche hatten bereits Vorkenntnisse, andere betraten mit der Paläographie des Mittelalters Neuland. Nach einer Kaffeepause stand eine Exkursion auf dem Programm, bei der eines der obigen Institute besucht wurde. Mein persönliches Highlight war der Besuch im Bayerischen Hauptstaatsarchiv, wo wir ein Exemplar der Goldenen Bulle und eine Urkunde Karls des Großen von 794 sehen konnten. Nach einer Mittagspause, in der die Münchner Studenten den auswärtigen Teilnehmern wertvolle kulinarische Tipps gaben, wurden am Nachmittag weitere Handschriften gelesen. Durch eine zweite Kaffeepause getrennt, gab es im Anschluss eine freiwillige 30-minütige Leseübung, um den Stoff des Tages noch einmal zu vertiefen. Nahezu alle Teilnehmer der Sommerakademie nahmen dieses Angebot gerne in Anspruch, waren doch viele der Handschriften nur mit einiger Übung zu lesen. Abends fanden schließlich Vorträge ausgewiesener Experten auf dem Gebiet der Paläographie des Mittelalters statt, die thematisch entweder auf den nächsten Tag hinwiesen oder den gelernten Stoff reflektierten. Zwischen 18 und 19 Uhr endete der Tag für gewöhnlich. Mitte der Woche waren alle Teilnehmer der Sommerakademie zum Essen eingeladen, wo man sich in angenehmer Atmosphäre austauschen konnte. Abschließend wurde am Samstag eine Klausur (ECTS 3 P.) geschrieben und wer wollte, konnte zusätzlich eine mündliche Prüfung ablegen (ECTS 5 P.). Diese ECTS-Punkte waren mit anderen Universitäten koordiniert, sodass auch Auswärtige einen Schein in München erwerben konnten.

 

Leseübung

Leseübung.
Foto: LMU München. Mit freundlicher Genehmigung der Abteilung für Historische Grundwissenschaften und Historische Medienkunde.

Von der Antike in die Gegenwart – Merkmale und Besonderheiten
Unsere heutige Schrift hat eine lange Geschichte. Sie ist viele Wege gegangen, bis sie in ihrer heutigen standardisierten Form – in Times New Roman oder Arial – angekommen ist. Die Worttrennung im Satz, wie die Trennung von Buchstaben und das Ausschreiben von Wörtern sind für uns heute Selbstverständlichkeiten. In der Geschichte der Schrift waren sie es nicht.

Das 23 Buchstaben umfassende Alphabet der Römer hatten die Bewohner am Tiber von den Westgriechen und den Etruskern, für deren Schrift das Griechische ebenfalls Pate stand, übernommen. Für uns heute so geläufige Buchstaben wie W, J und U sind erst im Laufe des Mittelalters hinzugekommen. Der Buchstabe W begegnet uns etwa um 1000, die Ausdifferenzierung des I zum J etwa um 1400, das eindeutige U an Stelle des V sogar erst im 16. Jahrhundert. Beim Lesen mittelalterlicher Quellen muss man diese Mehrfach-Bedeutung der Buchstaben im Blick haben.
Denkt man an die Antike, so hat man meist Inschriften auf Triumphbögen und ähnlich repräsentativen Bauten im Kopf. Doch auch die antike lateinische Schrift hatte – wie unsere heutige  – verschiedene Ausformungen. Ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. findet sich auf Inschriften die sogenannte Römische Capitalis, eine, wie das Wort schon sagt, große und recht gut lesbare Schrift. Um das 1. Jahrhundert v. Chr. wird eine Ausdifferenzierung der Römischen Capitalis greifbar, die, neben der Inschrift (scriptura monumentalis), auch eine Buchschrift (kanonisierte Capitalis), und die Ältere römische Kursive umfasst. Wie uns ein Lesebeispiel Vergils zeigte, handelt es sich bei der kanonisierten Capitalis um eine verhältnismäßig gut lesbare Schrift, die durchweg aus Großbuchstaben besteht, allerdings ohne Worttrennung auskommt und somit einen erhöhten Anspruch an unsere heutigen Lesegewohnheiten stellt. Ausgangspunkt für die weitere Schriftentwicklung ist jedoch die Ältere römische Kursive. Ähnlich wie die heutige Schreibschrift, handelt es sich um eine Gebrauchsschrift, die wesentlich schneller ausgeführt werden konnte und somit für den Alltag, für Notizen und Rechnungen erheblich besser geeignet war. Die weitere Kursivierung der Schrift, also das stärkere Verbinden von einzelnen Buchstaben und Buchstabenelementen sowie eine Rechtsneigung und teilweise auch das Mitschreiben der Luftlinien (dies vor allem in späteren Epochen), führte im Laufe der Zeit zu einer veränderten Schriftform, die uns um das 3. Jahrhundert n. Chr. als Jüngere römische Kursive begegnet. Sie ist der Urspung aller weiteren Schriften im lateinischen Westen. Aus ihr entstanden die insularen Schriften, die sogenannten Nationalschriften, die bedeutende Karolingische Minuskel, die gotische und schließlich die humanistische Schrift, genauso wie die Schriften der verschiedenen Privat-, Herrscher- und Papsturkunden – womit auch die behandelten Schriften der Sommerakademie grob umrissen sind.

 

Eine Epoche kennt viele Schriften
Wichtig für den Umgang mit mittelalterlichen Handschriften ist die Tatsache, dass es nie nur e i n e Schrift gab. Es gab einerseits Urkunden- sowie Auszeichnungs- und Buchschriften, die klarer und vergleichsweise lesbar sind und andererseits Gebrauchsschriften, die schnell geschrieben wurden und daher oft nur mit Mühe entziffert werden können. Daneben gab es regional sehr große Unterschiede in der Gestaltung der Schrift. Vor der Vereinheitlichung durch die Karolingische Minuskel im Zusammenhang der renovatio imperii ab dem letzten Viertel des 8. Jahrhunderts gab es vielerlei Möglichkeiten das gesprochene Wort zu verschriftlichen. Hierzu gehören die insularen Schriften im irisch-angelsächsischen Bereich, die Merowingische Schrift in Gallien sowie die Westgotische Schrift und die Beneventana, die im südlichen Italien und Dalmatien verwendet wurde. Die Karolingische Minuskel löste diese Schriften keineswegs ab. Sie erweiterte zunächst lediglich die Auswahl an verfügbaren Schriften, wenngleich sie meist überall im lateinischen Europa gelesen werden konnte, was bei den anderen Handschriften häufig nicht der Fall war. Große Skriptorien der Zeit in Tours, St. Denis oder St. Gallen förderten die überregionale Verbreitung der Karolingischen Minuskel, da Informationen der Herrscher hier weitergeleitet und Vorlagen für Schriftstücke erstellt wurden.

Neben der Karolingischen Minuskel, die eine Buchschrift darstellt, gab es auch Urkundenschriften, die sich sehr stark voneinander unterscheiden können. Papsturkunden sehen anders aus als Herrscherurkunden und letztere unterscheiden sich – abhängig von ihrer regionalen Herkunft – ebenfalls voneinander. Genauso verhält es sich mit Privaturkunden, etwa von Fürsten oder Bischöfen.
Es gibt also eine Vielzahl von Schriften, die uns in jeder historischen Epoche parallel begegnen können. Auch im weiteren Verlauf, als sich die Schrift durch eine erneute Kursivierung veränderte, Brechungen und Bogenverbindungen in der gotischen Schrift auftauchen und das Mitschreiben der Luftlinien üblich wurde, ändert sich diese Tatsache nicht. Sie wird vielmehr sogar verstärkt. Das relativ klare Schriftbild der Karolingischen Minuskel wurde im Laufe der Zeit immer mehr von regionalen Nuancen aufgebrochen. Die genormten Formen der Schrift bekamen durch die verschiedenen Biographien der Schreiber individuelle Züge und auch die Anzahl der Abkürzungen im Text nahm wieder zu.
Abkürzungen und Verbindungen von Buchstaben, sogenannte Ligaturen, sind ein enorm wichtiger Bereich der Paläographie. Auch heute gehören Wortkürzungen wie ders., Bsp. oder vgl. zum Alltag der Schriftsprache. Vergangene Epochen waren ähnlich kürzungsfreudig. Es gehörte sogar zum guten Ton besonders viel zu kürzen – auch in der Literatur. Häufig verwendete Wörter wie etwa deus, iesus, ecclessia oder dominus wurden gekürzt und können dem Leser als ds, ihs, eccla oder dns begegnen – stets mit einem Strich über den Buchstaben, der die Kürzung markiert. Grammatische Formen müssen hier allerdings beachtet werden. Handelt es sich nämlich um domini anstatt dominus, so lautet die Abkürzung nicht mehr dns, sondern dni. Wie sich zeigt, ist das korrekte Erkennen der jeweiligen Kürzung unabdingbar, um den Text zu verstehen. Gelegentlich wurden auch Buchstaben in andere hineingeschrieben, sogenannte Enklaven. Hier verschwindet beispielsweise ein D im Kreis des O, woraus schließlich ein Buchstabe wird. Auch Ligaturen wurden sehr gerne benutzt. Häufige Verwendung finden zum Beispiel st- und nt-Ligaturen oder das uns heute noch präsente et (&).

 

Von der Gotik zum Humanismus
Die Karolingische Minuskel hatte die Verwendung von Ligaturen einst beschränkt. Es war eine Schrift, die konsequent in ein Vier-Linien-System eingegliedert war, die Buchstaben einzeln stellte, weniger Ober- und Unterlinien aufwies und kursive Elemente tilgte. Es war eine eindeutige aber auch „langsame“ Schrift, die Abkürzungen vereinfachte. Dies hat ihr bis heute eine gute Lesbarkeit beschert. Mit der beginnenden Gotisierung der Schrift änderte sich dies jedoch. Das Schreibtempo erhöhte sich. Die Buchstaben f und s wurden weit in die Unterlängen ausgedehnt, Buchstabenbrechungen traten auf und die Schrift verdichtete sich. Damit sind die gotischen Schriften Vorläufer der uns noch heute im Alltag gelegentlich begegnenden Fraktur. Es gibt allerdings eine Vielzahl an gotischen Schriften, sodass nicht von d e r gotischen Schrift gesprochen werden kann. Auch hier gibt es verschiedene Entwicklungsstufen, die jede für sich Besonderheiten aufweisen, die sich an bestimmten Buchstaben feststellen lassen. Hat eine Schrift beispielsweise weit in die Unterlänge ragende, dolchförmige Verzierungen bei den Buchstaben f und s, so sind dies recht eindeutige Indizien für die sogenannte Bastarda. Da jede Schrift solche besonderen Merkmale aufweist, kann man mitunter recht eindeutige Aussagen über den Schrifttyp fällen, die Schrift somit auch zeitlich einordnen.
Gotische Schriften zu lesen ist nicht immer ein Vergnügen. Ich erinnere mich an eine Leseübung in der eine Lupe herumgereicht wurde, um die Buchstaben zu entziffern. So wundert es nicht, dass Petrarca im 14. Jahrhundert die Lesbarkeit gotischer Texte bemängelte. Die Humanisten im „Herbst des Mittelalters“ griffen daher für literarische Zwecke und um Abschreibefehler zu beseitigen wieder auf die Karolingische Minuskel zurück. Man unterschied zwischen der littera antiqua, der alten Schrift (Karolingische Minuskel) und der littera nova, der neuen Schrift (gotische Schrift). Doch auch die Humanisten übernahmen die Karolingische Minuskel nicht 1:1, sondern veränderten sie teilweise – etwa durch ein einstöckiges a oder ein unten leicht gekürztes g.
Ein weiteres Merkmal mittelalterlicher Handschriften ist die parallele Verwendung verschiedener Schriften auf demselben Beschreibstoff. Der Anfang einer Seite kann durchaus mit einer Capitalis beginnen, mit einer Unziale, einer stilisierten und fixierten Schrift mit zollgroßen Buchstaben, fortgeführt werden und den Haupttext schließlich mit einer Karolingischen Minuskel wiedergeben. Ein besonders schönes Beispiel hierfür bietet das Titelbild der Sommerakademie, das die Züricher Alkuin-Bibel aus der Zeit um 800 zeigt.

 

Teilnehmer der Sommerakademie.  Mit freundlicher Genehmigung der Abteilung für Historische Grundwissenschaften und Historische Medienkunde der LMU.

Teilnehmer der Sommerakademie.
Foto: LMU München. Mit freundlicher Genehmigung der Abteilung für Historische Grundwissenschaften und Historische Medienkunde.

Was bleibt hängen?
Das Mittelalter kannte eine Vielzahl von Schriften, die sich je nach Epoche, Region und natürlich Schreiber stark voneinander unterscheiden konnten. Sicher kann man im Laufe einer Woche nur bedingt in die Tiefe der Paläographie des Mittelalters eindringen. Genauere Betrachtungen einer bestimmten Epoche, die für das eigene Forschungsvorhaben relevant sind, können in einem über tausend Jahre umspannenden Zeitraum im Rahmen der Sommerakademie ohnehin nicht erfolgen, aber nach den sechs Tagen in München ist man wesentlich besser für kommende Handschriften gerüstet. Man weiß, worauf man achten muss, dass eine Reihe von Konsonanten eine Kürzung sein kann, dass Wörter nicht immer getrennt voneinander geschrieben wurden oder dass Buchstaben wie a, f und s Indikatoren für eine gewisse Epoche sein können. Dies sind gute Einstiegshilfen und nehmen mancher Schrift ihren Schrecken. Die Woche in München hat auch gezeigt, dass man mit der Zeit einen Blick für die Schrift entwickelt und das Lesen etwas leichter wird. Ein guter Ausgangspunkt für die individuelle paläographische Spezialisierung.

Abschließend ist mein Eindruck, dass der LMU ein guter Spagat zwischen Theorie und Praxis gelungen ist, wobei die Exkursionen mit ihren faszinierenden Originalen aus verschiedenen Epochen des Mittelalters ganz sicher ein Höhepunkt waren, der die mittelalterliche Paläographie aus der Vergangenheit in die Gegenwart hob. Es bleibt zu wünschen, dass die Sommerakademie 2013 den Anfang einer langen Münchner Tradition markiert.

Hilfreiche Quellensammlungen und Übersichten über verschiedene Datenbanken zur Paläographie des Mittelalters sind über den Link der LMU München verfügbar:
http://www.hgw.geschichte.uni-muenchen.de/service/index.html

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/2190

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DHd-Blog: Buchvorstellung “Was bleibt? Nachhaltigkeit der Kultur in der digitalen Welt” am 25.09.2013 in Frankfurt a.M.

Die Vorstellung des Werkes “Was bleibt? Nachhaltigkeit der Kultur in der digitalen Welt” findet am 25.09.2013 von 17-19 Uhr im Vortragssaal der der Deutschen Nationalbibliothek , Frankfurt am Main, statt. Der Eintritt ist frei. Um Anmeldung (Google-Formular: http://goo.gl/0aOjn9) wird gebeten. Die Publikation ist das Ergebnis der Zusammenarbeit  zwischen dem Internet & Gesellschaft Co:llaboratory und nestor, dem […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/09/4694/

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Bibliographix 10

Zu den Windows-Zeiten habe ich gern mit Bibliographix gearbeitet. Das war vor ein paar Jahren ein Programm, das in damals fast einzigartiger Weise Literatur- und Zettelverwaltung vereinte und dem damals inzwischen sehr verbreiteten Citavi überlegen war. Dann wechselte ich zum Mac und dann war die gute Zeit mit Bibliographix vorbei. Citavi lockte noch mit einer baldigen Mac-Version, stellte dann aber die Arbeiten daran ein. Ich wechselte damals zu Zotero und habe das auch nicht bereut. Mittlerweile wurde Bibliographix nicht nur weiter entwickelt und kostenlos angeboten, sondern seit neuestem - ich bin gerade erst darauf gestoßen - gibt es Bx in einer völlig neuen Version, die auch auf dem Mac läuft und demnächst auch unter Linux zur Verfügung stehen soll. Wer noch die alten Windows-Dateien von Bx 9 hat, kann diese unter Windows konvertieren und mit dem neuen Programm weiter nutzen - auch in der Cloud. Das Programm ist sehr klein und schnell, besteht nun aus insgesamt vier Teilprogrammen. Importmöglichkeiten aus Katalogen sind begrenzt auf den GBV. Mehr kann ich noch nicht sagen, aber ein ausführlichere Beschäftigung mit dem Programm ist sicher sinnvoll.

[...]

Quelle: http://digireg.twoday.net/stories/491548130/

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