Stefan Benz: Geschichtsschreibung der Regensburger Klöster und Stifte nach dem Dreißigjährigen Krieg

Geschichtsschreibung der Regensburger Klöster und Stifte nach dem Dreißigjährigen Krieg. Abstract des Vortrags von Stefan Benz (Bayreuth) bei der Tagung “Netzwerke gelehrter Mönche. St. Emmeram im Zeitalter der Aufklärung”, Regensburg, 21./22. September 2012

Mit der endgültigen Verlagerung des Kaisersitzes nach Wien, auch ein Ergebnis der Kaiserwahl Leopolds (I.), gewann Regensburg, gewissermaßen Vorposten Wiens im „Reich“ und Begegnungsstätte zwischen Reichsoberhaupt und Ständen, als europäische Diplomatendrehscheibe eine ganz neue zentrale Funktion, hatten doch Schweden und Frankreich die Garantie des Westfälischen Friedens übernommen. Im Gefolge der Diplomaten fanden sich Gelehrte und halfen auch in Regensburg das zu begründen, was seit jeher als Res publica litteraria bezeichnet wird: Das Netzwerk europäischer Gelehrter, selbstlos und ohne auf den Stand zu sehen, der Wissenschaft ergeben –  so jedenfalls die Selbstbeschreibung.

In diesem Zusammenhang gehört zu den klassischen Topoi der Wissenschaftsgeschichte der Historie deren Mitbegründung durch die benediktinische Kongregation der Mauriner mit Sitz in Saint Germain des Prés in Paris, das gelehrte Kloster schlechthin, dessen wichtigster Historiker Jean Mabillon ist. Wissenschaft und Ordensgeschichte scheinen miteinander unauflösbar verknüpft.

Als Ausgangspunkt für eine Untersuchung monastischer Historiographie in Regensburg kann die Bestandsaufnahme dienen, die Eberhard Wassenberg, ein Weltlicher, im Auftrag des Fürstbischofs Franz Wilhelm von Wartenberg (reg. 1649-1661) angefertigt hat. Für dieses Projekt zeigten sich die Mendikantenorden besonders aufgeschlossen, während das Reichsstift St. Emmeram noch keine besonders hervorgehobene Würdigung erfährt. Dies mag man auf die großen Sammlungsprojekte zurückführen, die gerade die Franziskaner initiiert hatten. Besonders aufschlussreich ist die Darstellung und vor allem Selbstdarstellung der Frauenklöster der Stadt als Ausdruck eines lebendigen kulturellen Gedächtnisses.

Nach Wassenberg, dessen Arbeit folgenlos bleibt, lässt sich eine erste Publikationsphase mit Drucken beobachten, die auch die Reichsstifte Obermünster und Niedermünster betreffen. Deren historiographisches Engagement ist auch im Kontext der reichsweiten Tätigkeit von Kanonissenstiftern zu untersuchen, bevor St. Emmeram selbst zusammenfassend gewürdigt werden kann. In dieser Überschau über etwa 60 Jahre wird erst verständlich, wodurch im Rückblick St. Emmeram seinen Ruf als Ort von Geschichtsforschung erhielt – begründet nämlich weniger durch Geschichtsschreibung als durch die Lieferung von Quellen an Dritte.

 

Dr. Stefan Benz

Dr. Stefan Benz lehrt an der Universität Bayreuth Geschichtsdidaktik und Theorie der Geschichte. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Historiographiegeschichte und in der Geschichte der Geschichtskultur.

Link zum Publikationsverzeichnis von Dr. Stefan Benz

 

Projekt

Im Moment bereitet er einen Überblick zur Geschichtskultur der mitteleuropäischen Frauenklöster zwischen 1500 und 1800 vor. Diese Zusammenstellung wird zugleich einen Überblick über sämtliche Frauenklöster zwischen Flandern und Mähren liefern, die in der frühen Neuzeit längere Zeit bestanden haben, und alle Orden umfassen, die potenziell die Klausur für ihre weiblichen Konvente vorsahen, insgesamt rund 1200 Niederlassungen. Ferner wird die Verzeichnung diejenigen mittelalterlichen Häuser katalogisieren, die zumindest spätmittelalterlich in der Geschichtskultur hervorgetreten sind. (Link zum Projekt “Geschichtskultur mitteleuropäischer Frauenklöster”)

Quelle: http://frobeniusforster.hypotheses.org/173

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Huldvolle Queen, spendabler Kaiser: Thronjubiläen in Rom und in London

Im ersten, wunderbar ironischen Satz seiner Gedanken und Erinnerungen weist Otto von Bismarck der schulischen Bildung ihren Platz im Schauspiel des Kampfes zwischen Monarchie und Republik zu, der dem 19. Jahrhundert eine markante Signatur geben sollte: „Als normales Product unsres staatlichen Unterrichts verließ ich Ostern 1832 die Schule als Pantheist, und wenn nicht als Republikaner, doch mit der Überzeugung, daß die Republik die vernünftigste Staatsform sei, und mit...(read more)

Quelle: http://faz-community.faz.net/blogs/antike/archive/2012/08/03/huldvolle-queen-spendabler-kaiser-thronjubilaeen-in-rom-und-in-london.aspx

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Die Geschichte des "Supreme Court of the United States", Teil 3/3

Von Stefan Sasse


Dies ist der dritte und letzte Teil einer Serie zum "Supreme Court of the United States". Teil 1 und Teil 2 findet sich hier und hier. Darin wurde skizziert, wie der Supreme Court sich seine eigene Jurisdiktion schuf, die Frage der Sklaverei zu beantworten versuchte und in nie gekannte Tiefen abrutschte, indem er die Rassentrennung legalisierte. Danach verhinderte er lange Jahre eine Sozialgesetzgebung in den USA, ehe er unter Roosevelt mit liberalen Richtern besetzt  wurde und die New-Deal-Maßnahmen passieren ließ. In den 1950er und 1960er Jahren wurden zahlreiche Urteile gefällt, die die Bürgerrechtsbewegung entscheidend voranbrachten und die politische Landschaft der USA bis heute prägen. Seit dem Rücktritt Earl Warrens 1969 ist allerdings eine graduelle Rechtsverschiebung wahrnehmbar, die mit Ronald Reagans Regierungsantritt 1981 stark zunehmen sollte.

William Rehnquist
Der auf Burgers Rücktritt 1986 folgende Rehnquist-Court war einer der konservativsten Gerichtshöfe der letzten Jahrzehnte. Viele seiner Richter wurden von Ronald Reagan ernannt, und einige von ihnen sind heute noch aktiv. Interessanterweise sind einige sehr liberale Entscheidungen in seiner Zeit gefallen ein Zeichen dafür, dass die Richter tatsächlich sehr unabhängig von den Politikern sind, die sie ernennen. So erlaubte der Supreme Court explizit das Verbrennen von US-Flaggen unter dem ersten Verfassungszusatz (Texas v. Johnson, was zu einer bis heute bestehenden Bewegung für die Einführung eines Verfassungszusatzes, der Flaggenverbrennungen verbietet, führte), verbot öffentliche, von Schülern geführte Schulgebete (Lee v. Weisman), legalisierte Abtreibungen auch nach dem dritten Monat, wenn das Leben der Mutter gefährdet ist (Stenberg v. Cahart) und erlaubte homosexuellen Geschlechtsverkehr (Lawrence v. Texas). Ebenfalls in diese Reihe gehört Grutter v. Bollinger, eine Entscheidung, die die Praxis der affirmative action, also der bevorzugten Einstellung von Schwarzen, legitimierte.

Zwei gänzlich andere, kontroverse Entscheidungen des Supreme Court jener Epoche aber zeigen deutlich seine konservative Ausrichtung. In United States v. Lopez 1995 entschied das Gericht zum ersten Mal seit Roosevelts Tagen über eine deutliche Grenze für das Recht des Bundes, über die commerce clause in die Rechte der Einzelstaaten einzugreifen. Der Anlass war geradezu trivial; ein Schüler ging in Berufung, weil er unter Berufung auf die commerce clause angeklagt worden war, eine Waffe in der Schule verkauft zu haben. Der Supreme Court zog in seinem Urteil deutliche Grenzen und setzte damit einen Präzedenzfall für einen Umschwung hin zu mehr Staatenrechten. Das wohl berühmteste Urteil des Rehnquist-Court aber ist Bush v. Gore von 2000: die damals in vollem Gange befindliche Nachzählung der Stimmenabgabe zur Präsidentschaftswahl in Florida wurde gestoppt, weil sie den Gleichbehandlungsgrundsatz verletze. Als Folge zog George W. Bush ins Weiße Haus ein. Kaum eine Entscheidung war direkt politischer als diese und ist bis heute unter Hardlinern beider Seiten mythenumrankter. Tatsächlich hat diese Entscheidung der politischen Hygiene in den USA schweren Schaden zugefügt und den Supreme Court dem Verdacht der Parteilichkeit ausgesetzt.

John Roberts
Seit Rehnquists Tod im Jahr 2005 wird der Supreme Court von John G. Roberts geführt, einem Konservativen, der jüngst mit seinem Votum für Obamas Gesundheitsreform Schlagzeilen machte. Bereits vor dieser Entscheidung aber fällte er einige wichtige Entscheidungen, die eine Rechtsbewegung der amerikanischen Politik zementierten. So wurde in Carvetti v. Ceballos bestimmt, dass Staatsbedienstete über ihre Tätigkeit nicht unter dem Schutz des ersten Verfassungszusatz reden dürfen, bestätigte in Kansas v. Marsh die Verfassungsmäßigkeit der Todesstrafe in Kansas, bestätigte das Verbot von Abtreibungen nach der 24. Schwangerschaftswoche in Gonzales v. Carhart, schränkte das Recht auf Privatsphäre ein, indem er die Bedingung bei Hausdurchsuchungen, dass Polizisten sich ankündigen müssen relativierte (aufgefundene Beweise dürfen weiterhin verwendet werden, Hudson v. Michigan) und erlaubte explizit den Besitz von Handfeuerwaffen (District of Columbia v. Heller). Die wohl größte Entscheidung aber ist die Citizens United v. Federal Election Commission-Entscheidung von 2007, die im aktuellen Wahlkampf immer und immer wieder als Beispiel Nr. 1 für die Probleme mit der amerikanischen Demokratie zitiert wurde.

Citizens United ist eine private non-profit-Organisation mit konservativer Stoßrichtung, die Einfluss auf alle möglichen Wahlen zu nehmen versucht beispielsweise durch Produktion und Ausstrahlung von politischen Werbespots. Die Federal Election Commission versuchte, die Ausstrahlung eines solchen Films zu verhindern, da sie solche Interventionen als unzulässig ansah - direkte Spenden von Organisationen oder Firmen an Kandidaten, die für Bundesämter kandidieren, sind illegal, und die Argumentation war, dass ein solcher Beitrag nichts anderes sei. Der Supreme Court sah das anders und erlaubte Citizens United die Ausstrahlung unter dem Schutz des ersten Verfassungszusatzes, der freedom of speech. Die direkte Folge ist der im aktuellen Wahlkampf 2012 oft beklagte gigantische Einfluss der Super PACs (Political Action Committee) auf die Finanzierung und Themensetzung. Problematisch an der Entscheidung ist, dass die free speech eigentlich eingeschränkt wird, denn wer in der Lage ist, seine Meinung mit bezahlten Werbespots im Fernsehen zu verbreiten hat eine völlig andere Ausgangslage als jemand, der kein Geld für solcherlei Dinge hat eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Der Supreme Court sah das anders. Die Folgen davon erleben wir gerade im Präsidentschaftswahlkampf.

Präsident Barack Obama
Die aktuellste und größte Entscheidung des Supreme Courts unter Roberts aber war die über Obamas Gesundheitsreform, den Patient Reform and Affordable Healthcare Act, von den Gegnern Obamacare getauft. Für die meisten Beobachter überraschend erklärte der Supreme Court, obwohl strukturkonservativ, das Werk für verfassungsgemäß. Bereits in der Debatte vorher hatten zwei Argumente die Agenda bestimmt, die im Verlauf dieser kleinen Geschichtsschreibung immer wieder eine Rolle gespielt haben: die Teilung des Gerichtshofs in 5:4 entlang ideologischer Scheidelinien und den daraus resultierenden Vorwurf der allzu großen Einflussnahme nicht gewählter Gremien auf den politischen Prozess einerseits und die Rolle der Einzelstaaten in ihrem Verhältnis zum Bund über die commerce clause andererseits. Roberts erklärte, dass die Zwangsvorschrift (individual mandate) in Obamacare keine Verletzung der commerce clause darstelle, wie die Konservativen argumentiert hatten also einen unzulässigen Eingriff in die Rechte der Bundesstaaten sondern eine Steuer, zu der der Bund prinzipiell berechtigt sei. Gleichzeitig erklärte er, dass die Bundesstaaten darüber hinaus nicht zur Teilnahme an dem Projekt gezwungen werden könnten. Der Vergleich mit Marshalls wegweisender Entscheidung von Marbury v. Madison drängt sich geradezu auf. Roberts zwang Obama durch seinen  Sieg geradezu, sich auf die Seite des Supreme Court zu stellen und das Urteil zu begrüßen, stärkte aber die Rolle der Einzelstaaten und machte spätere Reformen dieser Art fast unmöglich, indem er einen Präzedenzfall schuf. Es ist gut möglich, dass National Federation of Independent Business v. Sebelius, wie die Entscheidung heißt, eine ähnliche Bedeutung für die Zukunft erlangt.

 Der Supreme Court ist eine sehr amerikanische Institution. Fest eingefügt in das System der Checks&Balances, dem wohl bedeutendsten Beitrag der USA zu der Entwicklung politischer Systeme, hat er über mehr als zwei Jahrhunderte die Politik in ihren Schranken gehalten. Dies war beileibe nicht immer zum Besten wie die Politik auch hat sich der Supreme Court einige Male schwer geirrt, und es hat lange gedauert, diese Irrtümer zu revidieren. Das Vertrauen der amerikanischen Bürger in ihn ist aber nicht ohne Grund. Die Richter haben ihre Unabhängigkeit von der Politik stets verteidigt, und in den Geruch der Parteilichkeit kamen sie äußerst selten. Selbst ihre Angehörigkeit zu einer bestimmten Richtung, etwa den Konservativen oder Liberalen, kann nach ihrer Ernennung auf Lebenszeit kaum als garantiert angenommen werden. Oft genug entschieden die Richter unabhängig von ihrer Einstellung. Auch das, das muss deutlich gesagt werden, hat nicht immer zum Besseren geführt. Es steht aber fest, dass die Amerikaner in ihrem Obersten Gericht eine Stelle haben, in der sie davon ausgehen können, dass sie Entscheidungen unabhängig vom Staat und dem Ansehen der Person fällt und das ist etwas, das nur sehr wenige Staaten vorweisen können und das nicht unerheblich zur außergewöhnlichen Stabilität des amerikanischen politischen Systems beigetragen hat. Roosevelts gescheiterter Versuch, den Supreme Court auszuhebeln, zeigt dies deutlich auf.

Thomas Jefferson
Ohne Kritik war das System freilich noch nie. Thomas Jefferson selbst hasste es, weil es verkörperte, was die USA eigentlich hatten beseitigen wollen eine Aristokratie nicht gewählter Männer, die mit fast absoluter Macht dem Volkswillen Schranken aufwiesen. Tatsächlich ist der Vorwurf, dass der Supreme Court mit Demokratie nicht besonders viel zu tun hat, kaum von der Hand zu weisen. Seine Mitglieder werden vom Präsidenten ernannt und dienen lebenslang. Sie sind niemandem jemals Rechenschaft schuldig. Warum aber stehen sie höher als eine Entscheidung des Volkes, dem die Verfassung selbst in ihrem ersten Satz die volle Souveränität zubilligt? Zu erklären ist dies nicht demokratisch, sondern nur mit dem System der Checks&Balances. Manchmal kann es nötig sein, die Demokratie vor sich selbst zu schützen. Es gab 1954 nicht auch nur im Ansatz eine Mehrheit für die Vorstellung, schwarze Kinder mit weißen auf eine Schule gehen zu lassen. Der Supreme Court scherte sich nicht darum. Es wäre möglich gewesen, dass der Präsident mit der Billigung des Volkes im Rücken die Verfassung ignoriert, um eine populäre, aber verfassungsfeindliche Maßnahme durchzudrücken. 1974 zeigte der Supreme Court klar, dass das niemals möglich sein kann. Er ist ein Korrektiv, nicht mehr, nicht weniger. Die alte Frage, wer die Wächter überwacht, kann auch er nicht beantworten.

Viele Länder, die ihre Demokratien am Beispiel der USA aufgebaut haben, versuchten auch, den Supreme Court zu imitieren. Die Einrichtung eines unabhängigen Obersten Gerichts aber ist eine Hürde, an der viele von ihnen scheiterten. Deutschland hat sie genommen, und das Bundesverfassungsgericht genießt in der BRD ein ähnlich hohes Ansehen, obgleich es selten eine solche Bedeutung erlangt wie der Supreme Court (fallen doch schon die Probleme der Staatenrechte hier fast völlig unter den Tisch). Als Gegenbeispiel kann dafür Russland dienen. Nach einigen hoffnungsvollen Ansätzen ist das russische Verfassungsgericht heute eine leere Hülle. Niemand kann in Russland hoffen, einen Prozess gegen den Staat zu gewinnen. Genau diese Aussicht aber ist es, die einen Rechtsstaat erst ausmacht. Die USA hatten das Glück, von Anfang an einen Gerichtshof zu haben, der solche Verfahren ermöglichte. Die Rechte der Bürger werden von seiner Existenz garantiert. Oftmals geht die Bedeutung solcher Institutionen in den Berichten über die Akteure auf der Bühne der großen Politik verloren. Gleichwohl sollte man sie nie unterschätzen für die Existenz einer lebendigen Demokratie und ihren Erhalt sind sie von essenzieller Bedeutung.

Bildnachweise: 
William Rehnquist - United States Department of Justice (gemeinfrei)
Owen Roberts - Steve Petteway (gemeinfrei)
Barack Obama - Pete Souza, The Obama-Biden-Project (gemeinfrei)
Thomas Jefferson - Rembrandt Peale (gemeinfrei)

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2012/08/die-geschichte-des-supreme-court-of.html

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Deutsche haben Konzepte und Franzosen haben Methoden


Einer der Hauptunterschiede zwischen der deutschen und der französischen Historiographie besteht darin, was vor und nach der Quellenarbeit steht. Dieser selten bemerkte Unterschied bewirkt nicht nur, dass Historiker von links und rechts des Rheins gerne mal aneinander vorbeireden. Sondern er birgt auch die Chance, dass durch die Kombination der Unterschiede echter wissenschaftlicher Fortschritt entstehen kann. Es ist dies gleichzeitig ein schönes Beispiel für implizite, lange inkorporierte und unbewusst angewandte Kulturtechniken.

Woraus besteht also der deutsch-französische Historikerunterschied? Nun, ein deutscher – das heißt an einer deutschen Universität ausgebildeter – Wissenschaftler nimmt zur Beantwortung einer historischen Frage ein Bündel Quellen, liest diese durch, vergleicht sie, ordnet sie ein, kritisiert sie in ihrer Aussageabsicht und prüft ihren Wahrheitsgehalt. Denn deutsche Historiker wollen schreiben, wie es wirklich gewesen ist. Oder wie es wirklich gewesen sein könnte, das heißt sie formulieren ein Konzept oder eine Hypothese, die dieses Konzept nuanciert. Gerade Dissertationen werden in der Einleitung gerne noch etwas garniert mit einer Luhmann- oder Foucault-Paraphrase, von der sich recht wenig in der Quellenarbeit wiederfindet. Ein Beispiel: Die deutsche Religionsgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts untersuchte bis vor kurzem Gesetzestexte, Verwaltungsstrukturen oder theologische Normen, und zwar nach Konfessionen getrennt (auch so eine deutsche Spezialität). Am Ende stand das Konfessionalisierungsparadigma, wonach Konfessionen separat und parallel zueinander von oben nach unten durch Haupt- und Staatsaktionen entstanden seien.

Ein französischer Forscher legt sich ein Bündel Quellen zurecht – und wendet auf sie eine präzise Methode an. Die wird nicht immer explizit theoretisch ausgeführt, man muss nicht zeigen, dass man Luhmann gelesen hat. Doch die Methode oder besser: die Untersuchungsstrategie und -perspektive sind stringent. Tendenziell über längere Zeiträume werden bestimmte Praktiken, Objekte, Verhaltensweisen als Repräsentationsformen von Kulturen, Zeiten und Zivilisationen des plus grand nombre untersucht und strukturiert. Wie diese einzuordnen sind, was sie soziologisch bewirken können, dafür gibt es Hilfen aus der theoriegestützten Methode. Am Ende werden die Beobachtungen zusammengefasst, aber das “deutsche” Konzept fehlt. Ein Beispiel: Die französische Religionsgeschichte des 15. bis 18. Jahrhunderts untersuchte lange Visitationsakten, Testamente und alles, was sich irgendwie zählen ließ (la methode sérielle) konfessionsübergreifend. Am Ende standen die Beobachtungen, dass im Lauf der Frühen Neuzeit religiöse Praktiken normkonformer ausgeübt wurden, Reformen groß geschrieben wurden, sich (religiöse) Demographien veränderten, das Europa des Gemeinen Mannes erst richtig christlich wurde und Angst um sich griff. Das sind Beobachtungen, die aus präzise zugeschnittenen Methoden resultieren und deren Erklärungsansätze theoriegestützt sind. Aber keine Konzepte – und somit mangelt es mitunter an der clarté française im Abschluss.

Wäre es da nicht ein echter Gewinn, Methode und Konzept zu vereinen?

Ich gebe zu, meine Vermutung über den deutsch-französischen Unterschied ist verallgemeinernd und ein wenig stereotyp. Aber das haben gute Konzepte so an sich. Ganz bekomme ich den Deutschen nicht aus mir heraus…

Ein gutes Band möchte ich zum Thema noch empfehlen: Christophe Duhamelle/Philippe Büttgen (Hg.): Religion ou confession. Un bilan franco-allemand sur l’époque moderne (XVIe – XVIIIe siècles), Paris 2010.

Quelle: http://catholiccultures.hypotheses.org/124

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CFP: Digital Classicist Seminar Berlin

[english version below]

Das neu gegründete Digital Classicist Seminar Berlin [1], das erstmals im Wintersemester 2012/13 stattfinden wird, freut sich den Call for Papers bekannt zu geben. Diese Seminarreihe orientiert sich an dem Digital Classicist Work in Progress Seminar [2] in London und wird unter anderem von dem Deutschen Archäologischen Institut  und dem Excellenzcluster TOPOI und in Berlin veranstaltet.

Sie sind herzlich dazu eingeladen, Vorschläge zu Beiträgen einzureichen, welche die innovative Anwendung moderner digitaler Methoden, Ressourcen und Techniken in den Altertumswissenschaften thematisieren. Vorschläge in deutscher oder englischer Sprache im Umfang von 300-500 Wörtern (ohne bibliographische Angaben) können bis 14. September 2012 über die unten genannte Webseite hochgeladen werden [3].

Die Vorträge können folgende Themenbereich adressieren: digitale Texte, sprachwissenschaftliche Technologien, Bildverarbeitung und Visualisierung, Linked Data und Semantic Web, Open Access, Raum- und Netzwerk-Analyse und andere digitale oder statistische Methoden. Besonders werden dabei Vorschläge begrüßet, aus denen hervorgeht, wie dank der Anwendung digitaler Methoden fachübergreifende Fragen beantwortet werden können. Die im Seminar präsentierten Inhalten sollten sowohl Philologen, Historiker und Archäologen als auch Informationswissenschaftler und andere Geisteswissenschaftler mit Interesse an den genannten Fragestellungen ansprechen.

Die Seminare werden alle 14 Tage dienstagabends um 17.00 – 18.30 Uhr im Hörsaal des TOPOI-Hauses in Berlin-Dahlem stattfinden [4]. Das vollständige Programm wird Ende September bekannt gegeben. Es ist geplant, Vortragende bei der Finanzierung der Reise- und Unterkunftskosten zu unterstützen. Nähere Details hierzu werden bei Veröffentlichung des Programm mitgeteilt.

[1] http://de.digitalclassicist.org/berlin/

[2] http://www.digitalclassicist.org/wip/

[3] http://de.digitalclassicist.org/berlin/submit

[4] http://www.topoi.org/buildings/

CFP: Digital Classicist Seminar Berlin

We are pleased to announce the Call for Papers for the newly established Digital Classicist Seminar Berlin [1], which will run for the first time in the Winter Term 2012. This initiative, inspired by and connected to London’s Digital Classicist Work in Progress Seminar [2], is organised in association with the German Archaeological Institute and the Excellence Cluster TOPOI.

We invite submissions on research which employ digital methods, resources or technologies in an innovative way in order to enable increased understanding of the ancient world at large. Abstracts, either in English or in German, of 300-500 words max. (bibliographic references excluded) should be uploaded by midnight MET on September 14, 2012 using the special submission form [3].

Themes may include digital text, linguistics technology, image processing and visualisation, linked data and semantic web, open access, spatial and network analysis, serious gaming and any other digital or quantitative methods. We welcome seminar proposals addressing the application of these methods to individual projects, and particularly contributions which show how the digital component can lead to crossing disciplinary boundaries and answer new research questions. Seminar content should be of interest both to classicists, ancient historians or archaeologists, as well as information scientists and digital humanists, with an academic research agenda relevant to at least one of these fields.

Seminars will run fortnightly on Tuesday evenings (17:00-18:30) starting in October 2012 in the TOPOI Building Dahlem [4], hosted by the Excellence Cluster TOPOI. The full programme will be finalised and announced in late September. It is planned to grant an allowance to speakers for travelling and accommodation costs. Further details will be available once the program is finalised.

[1] http://de.digitalclassicist.org/berlin/

[2] http://www.digitalclassicist.org/wip/

[3] http://de.digitalclassicist.org/berlin/submit

[4] http://www.topoi.org/buildings/

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=777

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Stellenausschreibung: DARIAH-DE, Technische Koordination

Die SUB Göttingen sucht für DARIAH-DE eine technische Koordinatorin / einen technischen Koordinator (Vollzeit, TV-L 14) für die Dauer von zunächst 18 Monaten. Zu den Aufgaben gehören u.a. die strategische technologische Weiterentwicklung der Forschungsinfrastruktur DARIAH-DE, die Community-Bildung und die Unterstützung und Moderation technologisch/wissenschaftlicher Entscheidungsprozesse.

Bewerbungsschluss: 15. August 2012

Zur vollständigen Ausschreibung

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=761

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aventinus historia Nr. 4 [31.07.2012]: Johannes Aventinus als Namensgeber für weitere Institutionen: “Aventinum. Stiftung für Altbayern”

http://www.stiftung-aventinum.de Die 1986 errichtete öffentliche Stiftung bürgerlichen Rechts fördert Kenntnis und Verständnis von Land und Volk, Geschichte und Kultur Altbayerns, wobei Sie hierunter alle vor 1803 zum Herzogtum oder Kurfürstentum Baiern gehörenden Gebiete versteht.

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2012/07/3093/

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aussichten Nr. 26 [31.07.2012]: Neue Einträge bei aussichten-online.net; Digest 01.06.2012-31.07.2012

rücksichten Nr. 7 [17.06.2012]: Das Klebeband, das den Präsidenten stürzte. 40 Jahre Watergate-Affäre http://www.aussichten-online.net/2012/06/2815/ http://www.tagesschau.de/ausland/watergate102.html “Am 17. Juni 1972 entdeckte ein Wachmann im Watergate-Gebäude ein Stück Klebeband – und löste so den größten Regierungsskandal der US-Geschichte aus. Systematisch hatte der damalige US-Präsident Nixon seine Gegner abhören lassen. Dazu kamen Regierungslügen, Einbrüche und geheime Konten.”[1] [1] [...]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2012/07/3087/

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