Ein Quiz von Klaus Graf Vor zwei Tagen ging das folgende Quiz über die Mailingliste von Inetbib. MIt freundlicher Genehmigung von Klaus Graf geben wir den Text seiner Mail hier wieder und rufen alle Francofil-Leser/innen zum Mitmachen auf! Die Ergebnisse … Weiterlesen →
Deutsch-französische Annäherung auf vier Rädern? Das Autorennen Paris-Berlin 1901
Ein Gastbeitrag von Jan Hassink
„Was wir gestern Morgen auf dem Westender Rennplatz gesehen haben, das ist – ich zweifle nicht daran – ein Blick in unsere Zukunft.“ Als der liberale Publizist Friedrich Dernburg mit diesen Worten am 30. Juni 1901 seine Eindrücke von der Zieleinfahrt des Autorennens Paris-Berlin zusammenfasste, stand er offensichtlich noch ganz im Bann des Tags zuvor erfahrenen „Triumphzugs der Automobilisten“, so der Titel seines Essays.1 „Es steckt etwas darin, etwas Phantasievolles, Bestrickendes und zu gleicher Zeit etwas Brutales, Rücksichtsloses, beinahe Barbarisches. Mit einem Worte: etwas Modernes.“ Wie elektrisiert zeigte er sich von der eindrucksvollen Demonstration der „Hast und Rastlosigkeit in der Bewegung“ und dem „Drang nach individueller Ungebundenheit.“ Hellsichtig prophezeite er dem Automobil als genuinem Ausdruck der Moderne eine große Zukunft. Fast schon als etwas Erhabenes erscheint das Automobil bei Dernburg, in sich die Widersprüche der Moderne – die Ohnmacht des Menschen gegenüber der („barbarischen“) Technik und sein immer stärkerer Drang nach individueller Freiheit – verbindend.
Das Automobil – Fluch oder Segen?
Das dreitägige Autorennen, das die Fahrer im Sommer 1901 von Paris über Aachen und Hannover nach Berlin führte, beeindruckte nicht nur den Redakteur des Berliner Tageblatts, sondern war ein internationales Medienereignis. Die Faszination für das Automobil im Allgemeinen und das deutsch-französische Rennen im Besonderen äußerte sich in vielen Presseberichten dies- und jenseits des Rheins; sie ging dabei oft über eine Begeisterung für das rein Sportlich-Technische hinaus. Dernburg etwa gab dem Rennen eine politische Dimension: Er sah hier die „völkerverbindende Macht des Sports“ am Werk, der „dazu bestimmt [sei], die kriegerische Tendenzen im Menschen in einer milderen Gabe abzulösen.“ Schließlich wurde hier die geographische Nähe der beiden „Erbfeinde“ einmal ganz anders interpretiert: „sportlich“, nicht militärisch. Die „Maschen der Menschheit“, so Dernburg, seien „wieder einmal enger gezogen.“ Hier bündelten sich Technikbegeisterung, Fortschrittsglaube und politischer Optimismus auf eine Entspannung der deutsch-französischen Beziehungen.
Nicht alle teilten diese euphorische Einschätzung. Skeptisch fragte die Allgemeine Automobil-Zeitung (AAZ) als Reaktion auf das Rennen, „welch praktischen Nutzen es habe, automobile Ungethüme von der Species der Ueberwagen […] drei Tage hindurch über Stock und Stein rasen zu lassen“.2 Der „in Frankreich entstandene Schnelligkeitswahnsinn [greife] epidemisch um sich“. Ganz ähnlich erhoben sich auch in Frankreich kritische Stimmen zu der „Volupté de la Vitesse“, so der Titel eines Aufsatzes von Edmond Lepelletier im Écho de Paris vom 2. Juli 1901: „La vitesse, envisagée comme plaisir, comme un de ces adjuvants et de ces stimulants, fruits des paradis artificiels, dont Baudelaire a chanté et analysé les ivresses, tels que le vin, l’opium, les parfums, ne date que de l’avènement du pneu.” Der Automobilismus – eine dieser modernen Grenzüberschreitungen, die es einzuzäunen gelte, denn: „Les voluptueux de la vitesse […] sont des sadiques très désagréables, puisque leur jouissance égoïste appelle à son aide les blessures et la mort.”
Ein Autorennen als transnationaler Begegnungsort
Der neue Erfahrungsraum, den das Automobil und speziell der Automobilsport um die Jahrhundertwende öffnete – Stichworte „Überwagen“ und „Schnelligkeitswahn“ –, kann als ein transnationales Phänomen gelesen werden; exemplarisch verkörpert im Rennen Paris-Berlin. Die deutsch-französische Grenze wurde hier nicht nur physisch überschritten, sondern ebenso waren die Hoffnungen, Ängste und Zukunftserwartungen, die das rasende Auto hervorrief, an keine nationalen Grenzen gebunden. Auch der Gedanke von der „völkerverbindende[n] Macht des Sports“, von der Dernburg nach dem Rennen gesprochen hatte, wurde von der französischen Presse geteilt: „Comme la musique et la peinture, l’automobilisme et le sport n’ont pas de patrie“, wie man in der Ausgabe des Figaro vom 27. Juni 1901 lesen konnte. Und als transnationales Ereignis, das viele Franzosen anlässlich der gleichzeitig veranstalteten „Touristenfahrt“ von Paris nach Berlin führte – Dernburg nannte sie „eine Art Bierreise“ –, trug das Rennen durchaus zur „Völkerverständigung“ bei: „Ceux de nos compatriotes qui n’étaient jamais allés en Allemagne ont été stupéfaits de constater l’enthousiasme avec lequel on les accueillait […]. Ils ont pu voir que nos voisins ne nous détestaient nullement, et cela les a plus que surpris.“3 Die Begeisterung für das Neue war, im wahrsten Sinne des Wortes, grenzenlos. So bezeichnete Le Monde Illustré das Rennen als eine „solennité internationale“, und: „Nos chauffeurs reviendront enthousiasmés de Guillaume II.“4 Der Kaiser selbst ließ per Telegramm ausrichten, er sei „erfreut über das kameradschaftliche Zusammenwirken französischer und deutscher Wettfahrer.“5 Und der britische Rennfahrer Charles Jarrott, selbst Teilnehmer des Rennens, hielt es im Jahr 1906 rückblickend für eine „particularly happy idea of the French Club to hold a race between Paris and Berlin.“ Denn: „The bitterness of the struggle of the seventies was still existent, and it seemed almost impossible that even in a sporting event the nations could fraternize to the extent of opening up their roads for a race between the two great cities.“6 Der Erfolg der Veranstaltung schließlich hätte diese nationalistischen Bedenken aus dem Weg geräumt und das Gegenteil bewiesen.
Nicht nur auf sportlichem, auch auf industriell-wirtschaftlichem Gebiet stellte das Rennen eine deutsch-französische Zusammenarbeit dar. In seiner Rede beim hochrangig besetzten Festbankett anlässlich des Zieleinlaufs in Berlin fasste der preußische Handelsminister Theodor von Möller diesen Aspekt zusammen: Der „Fortschritt der Industrie“ sei nämlich „ein gleichmäßiges Product aller Culturnationen. Speciell wir beiden Nachbarvölker brauchen in der Industrie keinerlei Eifersucht aufeinander zu haben, sondern unsere Interessen sind in der Industrie wie im Handel durchaus gemeinsame.“7 Gemeinsame wirtschaftspolitische Interessen waren es wohl auch, die den Automobile-Club de France und sein deutsches Pendant, den Deutschen Automobil-Club, überhaupt erst dazu veranlasst hatten, das Rennen in Kooperation zu organisieren. Es bleibt ein offenes Feld für die Forschung, die engen personellen und institutionellen Kontakte zwischen beiden Verbänden näher zu untersuchen.
Eine besondere mediale Aufmerksamkeit zogen in Deutschland wie in Frankreich die an den beiden Rennen beteiligten Frauen auf sich. Die einzige Teilnehmerin des offiziellen Rennens, die Französin Camille du Gast – „Madame du Gast“, wie sie auch in der deutschen Presse durchweg genannt wurde – sei, so der Figaro, „une intrépide chauffeuse, […] qui conduit une voiture de 20 chevaux avec maëstria“. Und als „Madame Gobron“, die Frau eines französischen Automobilindustriellen, die Touristenfahrt erfolgreich mit einem Stundenmittel von 41 km/h beendet hatte, merkte die AAZ anerkennend an: „Das wäre für einen Chauffeur respektabel, um wie viel mehr für eine Chauffeuse!“8 Autorennen waren auf deutscher wie auf französischer Seite ein „männlicher“ Sport; die teilnehmenden Frauen stachen in der Berichterstattung jeweils besonders hervor.
Das Autorennen, soviel zeigt der Blick in die Presse, wurde in der deutschen und französischen Öffentlichkeit nicht als eine bloße Sportveranstaltung wahrgenommen. Industrielle, soziale und politische Aspekte standen zuweilen derart im Vordergrund, dass die sportliche Seite mitunter nebensächlich wurde: „Le grand match franco-allemand […] dépasse de beaucoup de limites du terrain sportif. On en parle comme d’un événement international dans le peuple“, wie der Écho de Paris im Vorfeld die allgemeine Stimmung im Volk beschrieb.9
Nationalistische Ober- und Untertöne
Diese als positiv empfundenen Berührungspunkte und Verflechtungen sollen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Autorennen insbesondere in der politisch rechten Presse zuweilen nationalistisch überhöht wurde – dies ist gewissermaßen die Schattenseite der politischen Aufladung, die das Rennen erfuhr. Der Streckenverlauf – von Paris in die Hauptstadt des Deutschen Reichs – und der Wettkampfcharakter waren geradezu prädestiniert, dem Rennen eine chauvinistische, ja sogar revanchistische Note zu geben. Hier zeigte das Rennen weniger eine integrative, sondern eher eine trennende, abgrenzende Wirkung. Das Spektrum dieser nationalistischen Tendenzen ist weit gefasst: Es reichte von Kriegsmetaphorik und politischen Andeutungen bis hin zur Verurteilung des Rennens von Rechts als Ausdruck von Geschichtsvergessenheit.
So hieß es im Figaro etwa am 28. Juni 1901: „La dernière étape, Berlin, fait naître l’idée d’une revanche industrielle et, pour beaucoup, l’essentiel est de battre nos voisins sur leur propre terrain, dans cette lutte pacifique.“ Die Rede von einer „lutte pacifique“ und einer „guerre économique“, von der „revanche industrielle“ und einer „pointe de chauvinisme“ war in vielen französischen Zeitungsberichten präsent. Und auf die Frage, ob es nicht darum ginge, gerade gegen die Deutschen den Sieg davonzutragen, antwortete der Präsident des französischen Automobilclubs, Baron von Zuylen: „J’espère bien que nous triompherons des Allemands sur ce terrain pacifique.“10 Sprachlich waren die Grenzen zwischen militärischem Konflikt und sportlichem oder industriellem Wettkampf fließend. Le Vélo schrieb am 10. Juni 1901, die Deutschen würden auf industriellem Gebiet genauso handeln wie auf dem Schlachtfeld („champ de bataille“). Und als mit Henri Fournier ein Franzose als erster die Ziellinie in Berlin überquerte, sei die Begeisterung auf französischer Seite so groß gewesen, dass man hätte glauben können, Frankreich habe einen großen militärischen Sieg errungen, wie es der Écho de Paris am 30. Juni formulierte – wenngleich dessen „blonde[s] Haar und die treuherzigen blauen Augen [ihn] eher als einen Vollblutgermanen denn als Franzosen erscheinen“ lassen, wie die Allgemeine Automobil-Zeitung zu berichten wusste.
Das nationalistische und antisemitische Blatt La Libre Parole von Éduard Drumont empfand es gar als Schande, dass nun, gerade einmal dreißig Jahre nach dem verlorenen Krieg, Franzosen und Deutsche gemeinsam nichtsahnend durch so geschichtsträchtige Orte wie Sedan und Bazeilles fahren sollten – jene blutigen Kriegsschauplätze von 1870, wo noch die Väter der sorglosen Rennfahrer und Touristen bitter gegeneinander gekämpft hätten.11 Die rechtsgerichtete Autorité meinte lakonisch, es sei „la caractéristique des nations en décadence de se consoler avec des succès sportifs des défaites subies sur le champs de bataille sérieux.“12 Und allein die Tatsache, dass ein paar Franzosen mit dem Automobil nach Deutschland gefahren seien, dort ein Bankett abgehalten hätten und von deutschen Beamten mit freundlichen Worten bedacht worden seien, bezeuge noch gar nichts: „Des incidents aussi minuscules ne sont rien dans les relations de deux grandes nations.“13
Das Autorennen hat polarisiert, und ebenso ergibt sich für den heutigen Betrachter ein ambivalentes Bild. Indem es den Zeitgenossen auf beiden Seiten des Rheins die Moderne erfahrbar machen ließ, konstituierte es in Frankreich und in Deutschland einen gemeinsam geteilten „automobilen“ Erfahrungsraum – mit allen damit einhergehenden Ängsten und Hoffnungen. Auch die Zusammenarbeit zwischen den beiden Autoclubs und die Annäherungen zwischen den „Touristen“ deuten auf wirtschaftlich-industrielle und soziale Verflechtung hin. Gleichzeitig, und entgegen solcher Transferprozesse, wurde das Bild des feindlichen Nachbarn in der Presse, zumindest auf französischer Seite, auf die sportlich-industrielle Ebene übertragen. In diesem Spannungsfeld zwischen wachsender Verflechtung einerseits und nationaler Abgrenzung andererseits verortet sich Paris-Berlin 1901.
Jan Hassink studiert seit 2010 Geschichte, Französisch und Latein an der Universität Marburg. Im Herbst 2014 hat er ein Praktikum am Deutschen Historischen Institut Paris absolviert, in dessen Rahmen auch dieser Blogeintrag entstanden ist.
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Abbildungen:
1. Le Figaro vom 27.06.1901, S. 2. (http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k285550z/f2.image)
2. Le Petit Journal, Supplément illustré vom 14.07.1901, S. 1. (http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k7164432.image.langDE)
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Bibliographie:
Buisseret, Alexandre: „Les femmes et l’automobile à la Belle Époque“, in: Le Mouvement social 192 (2000), S. 41-64. (http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k5730002b.image.f43.tableDesMatieres)
Dulier, Jean-Robert: La triomphale course Paris-Berlin, Clermont-Ferrand 1967.
Flonneau, Mathieu: „Paris au cœur de la révolution des usages de l’automobile 1884-1908“, in: Histoire, économie & société 26 (2007), S. 61-74. (http://www.cairn.info/zen.php?ID_ARTICLE=HES_072_0061)
Gardes, Jean-Claude: „La course automobile ‘Paris-Berlin’ (1901) et sa transcription graphique dans les dessins du Rire“, in: Recherches contemporaines, numéro spécial „Image satirique“ (1998), S. 53-63. (http://idhe.u-paris10.fr/servlet/com.univ.collaboratif.utils.LectureFichiergw?ID_FICHIER=1348818743595)
Merki, Christoph Maria: „Das Rennen um Marktanteile. Eine Studie über das erste Jahrzehnt des französischen Automobilismus“, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 34 (1998), S. 69-91.
Ders.: „L’internationalisation du traffic routier avant 1914“, in: Relations internationales 95 (1998), S. 329-348.
Ders.: Der holprige Siegeszug des Automobils 1895-1930. Zur Motorisierung des Straßenverkehrs in Deutschland, Frankreich und der Schweiz, Wien, Köln, Weimar 2002.
- In: Berliner Tageblatt und Handelszeitung vom 30.06.1901, 1. Beiblatt.
- Allgemeine Automobil-Zeitung (AAZ) vom 07.07.1901, S. 5.
- La Vie au Grand Air vom 14.07.1901, S. 398.
- Le Monde Illustré vom 29.06.1901, S. 487.
- AAZ vom 07.07.1901, S. 21.
- Charles Jarrott: Ten Years of Motors and Motor Racing, London 1906, S. 103.
- Seine Rede ist abgedruckt in der AAZ vom 07.07.1901, S. 21.
- AAZ vom 14.07.1901, S. 12.
- L’Écho de Paris vom 21.06.1901, S. 1.
- L’Écho de Paris vom 17.04.1901, S. 1.
- Vgl. La Libre Parole vom 23.06.1901, S. 1.
- Zit. n. Le Vélo vom 02.07.1901.
- Zit. n. Pierre Souvestre: Histoire de l’Automobile, Paris 1907, S. 527. [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k5495467j/f7.image.r=histoire%20de%20l%27automobile.langFR]
Virtueller Rundgang durch die Bibliothek des DHIP
Ab sofort kann die Bibliothek des DHIP auf Flickr besucht werden. Der virtuelle Rundgang zeigt den um mehrere Plätze erweiterten Lesesaal, die Abläufe von der Anmeldung und Auskunft bis zur Ausleihe sowie alle Angebote und Serviceleistungen der Institutsbibliothek.
Die Bibliothek des DHIP ist eine wissenschaftliche Fachbibliothek mit einem Bestand von rund 110 000 Medieneinheiten und 420 Zeitschriften. Darüber hinaus bietet sie ein ausgedehntes Online-Angebot mit Zugang zu Fachdatenbanken, Online-Publikationen und zu weiteren Hilfsmitteln für die bibliographische Suche. Regelmäßig werden Onlineseminare zur Weiterentwicklung von Informationskompetenz angeboten, die von zwei Blogs begleitet werden: Auf Germano-Fil und Franco-Fil finden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wertvolle Hinweise zu den neusten Ressourcen für ihre Forschung.
Das nächste Album ermöglicht einen Blick in den Altbestand der Bibliothek, mit Fotos von unserem ältesten Buch, einem Druck aus dem Jahr 1512: Fasciculus temporum omnes antiquorum cronicas succincte complectens von Werner Rolevinck[1]
- Informationen zu Autor und Buch finden sich bei: Klaus Graf, Studien zum Kartäuser Werner Rolevinck, in: Archialia, 6.7.2014, http://archiv.twoday.net/stories/917272035/.
Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/2186
2 Stellen im Bereich Digital Humanities zu besetzen
Das Deutsche Historische Institut Paris sucht zum 1.6.2014 oder nach Vereinbarung
im Bereich der Digital Humanities
- eine/n wissenschaftliche/n Projektleiter/in (Postdoc)
- eine/n Mitarbeiter/in (75%-Stelle) mit einem Promotionsprojekt
Das Deutsche Historische Institut Paris (DHIP) ist Teil der Max Weber Stiftung – Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland (MWS). Das Institut arbeitet unter den Leitbegriffen »Forschen – Vermitteln – Qualifizieren« auf dem Gebiet der französischen, deutsch-französischen und westeuropäischen Geschichte von der Spätantike bis zur Gegenwart und nimmt eine Vermittlerrolle zwischen Deutschland und Frankreich ein.
Das DHIP will seinen Schwerpunkt im Bereich der Digital Humanities (bes. Open Access-Publikationen, Datenbanken und soziale Medien) weiter stärken, bei denen es im Rahmen der Stiftung und deutschlandweit eine Vorreiterrolle innehat. Wir suchen deshalb:
- befristet für zwei Jahre eine/n wissenschaftliche/n Projektleiter/in (Postdoc) mit soliden historischen Kenntnissen, um in Zusammenarbeit mit der MWS, der Betreiberin von perpectivia.net und de.hypotheses.org, die Infrastruktur im Bereich Digital Humanities zu koordinieren und die zukünftige Projektfinanzierung (z.B. über EU-Förderprogramme) mit Partnern im In- und Ausland (z.B. OpenEdition) vorzubereiten. Die Arbeit an einem eigenen Forschungsprojekt ist möglich. Voraussetzungen sind Vertrautheit mit der europäischen Forschungslandschaft, sehr gute Englischkenntnisse sowie solide Kenntnisse des Französischen und Deutschen;
- befristet für drei Jahre eine/n Mitarbeiter/in, der/die ein Promotionsprojekt im Bereich der digitalen Geschichtswissenschaft verfolgt und gemeinsam mit den zuständigen Mitarbeitern die Wissenschaftskommunikation des DHIP über soziale Medien sowie das Community-Management der Blogplattform de.hypotheses.org betreibt. Wir erwarten von Bewerber(inne)n einen ausgearbeiteten Entwurf für ein eigenes geschichtswissenschaftliches Promotionsprojekt, das entweder systematisch Digital Humanities anwendet oder diese selbst zum Erkenntnisgegenstand hat (z.B. Kommunikationsgeschichte, historische Netzwerkanalyse, digitale Editionen und Forschungsmethoden). Besonders willkommen sind interdisziplinäre, komparative und/oder transkulturelle Ansätze, die das thematische Spektrum am DHIP ergänzen. Gute Kenntnisse des Französischen und Deutschen werden vorausgesetzt.
Schwerbehinderte Bewerber/innen werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt. Die Max Weber Stiftung strebt die Erhöhung des Anteils von Frauen am wissenschaftlichen Personal an und fordert deshalb qualifizierte Frauen nachdrücklich auf, sich zu bewerben. Frauen werden nach Maßgabe des Bundesgleichstellungsgesetzes bei gleicher Qualifikation vorrangig berücksichtigt.
Der Arbeitsort ist Paris. Die Bezahlung richtet sich nach dem Vergütungsschema der deutschen Botschaft Paris für französische Arbeitsverträge. Auf Fragen zur Vergütung nach dem Botschaftsschema gibt Herr Ralf Nädele (rnaedele[at]dhi-paris.fr) Auskunft.
Für inhaltliche Fragen steht Frau Dr. Mareike König (mkoenig[at]dhi-paris.fr) zur Verfügung.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen, einer Skizze des Arbeitsvorhabens und den Adressen von zwei Referenzpersonen richten Sie bitte in elektronischer Form (vollständig und in einer PDF-Datei) bis zum 14.4.2014 an:
Prof. Dr. Thomas Maissen
Deutsches Historisches Institut Paris
Mailadresse: bewerbung[at]dhi-paris.fr
Die Ausschreibung im pdf-Format.
Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/2136
Wissenschaftlicher Nachwuchs in den Digital Humanities: Ein Manifest
Die Sozial- und Geisteswissenschaften sind ein zentraler Bestandteil unserer Kultur. Sie bieten einen analytischen Einblick in die Welt, in der wir leben. Die Digital Humanities reflektieren den Übergang der Geisteswissenschaften ins digitale Zeitalter. Sie schaffen nicht nur neue technische Werkzeuge, sondern eröffnen auch neue Wege, Wissen zu generieren und zu verbreiten, und dies sowohl innerhalb der einzelnen akademischen Disziplinen als auch über diese Grenzen hinaus.
Die Digital Humanities verbinden Praxisnähe, Reflexivität und kollaboratives Erarbeiten von Standards. Sie bieten eine hervorragende Grundlage, die Geisteswissenschaften mithilfe neuer Materialien, Methoden und hermeneutischen Ansätzen zu überdenken und zu erweitern. Freier Zugang auf unser kulturelles Erbe und kollaborative Projekte, die auch nicht-akademische Zielgruppen erreichen, erlauben eine Neudefinition unseres Verhältnisses zur Gesellschaft. Wir sehen die Digital Humanities daher als Scharnierstelle für die Zukunft der Geisteswissenschaften.
Vor drei Jahren nahmen über 100 Mitglieder der wachsenden DH-Community am THATCamp Paris 2010 teil. Um ihre Anerkennung gegenüber diesem neuen Wissenschaftsbereich Ausdruck zu verleihen, verfassten sie gemeinsam das erste europäische Manifest der Digital Humanities. Der anschließende Zuwachs an beteiligten Personen und Vorhaben trug dazu bei, diesem Arbeitsfeld eine größere Sichtbarkeit zu verleihen.
Dennoch hat sich die institutionellen und traditionellen Strukturen unterworfene akademische Welt mit ihren Institutionen, Akteuren und Praktiken nicht in der gleichen Geschwindigkeit entwickelt. Auf der einen Seite entstehen neue Forschungsmethoden: vernetzt, kollektiv, horizontal, multimodal, pluridisziplinär und mehrsprachig. Akteure der Digital Humanities sind mit neuen Aufgaben und Arbeitsstellungen konfrontiert: Sie erstellen Datenbanken, entwickeln Softwares, analysieren umfangreiche Datensätze, definieren Begrifflichkeiten und Modelle, arbeiten über Wikis und Pads zusammen, kommunizieren via Websites, Blogs und anderen sozialen Medien. Auf der anderen Seite leisten Forschungseinrichtungen einen gewissen Widerstand gegen diese Veränderungen oder behindern sie sogar: Fortbildungen, Förderstrukturen, Bewertungskriterien, Auswahlprozesse und Karrierewege haben sich nur geringfügig verändert und scheinen nicht in der Lage zu sein, aus dem entstehenden digitalen Ökosystem Nutzen zu ziehen.
Die wachsende Lücke zwischen der florierenden digitalen Praxis und ihrer institutionellen Anerkennung gefährdet die akademische Gemeinschaft als Ganzes. Insbesondere aber leidet der wissenschaftliche Nachwuchs darunter, denn die gegenwärtige Situation bringt ein hohes Maß an Unsicherheit in die Planung der eigenen wissenschaftlichen Zukunft.
Am 10. und 11. Juni 2013 trafen sich Forscher/innen und andere Mitglieder der akademischen Gemeinschaft am Deutschen Historischen Institut in Paris, um an der internationalen Konferenz “Forschungsbedingungen und Digital Humanities: Welche Perspektiven hat der Nachwuchs?“ teilzunehmen. Der Konferenz war ein offener Aufruf zur Blogparade vorausgegangen, in dessen Rahmen online Beiträge publiziert wurden, um die Konferenz gemeinsam und öffentlich vorzubereiten.
Das vorliegende Manifest ist das Ergebnis dieses Arbeitsprozesses. Es betont die wichtigsten Aspekte der Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen und benennt die dringendsten institutionellen Erfordernisse.
I. Allgemeines
Der wissenschaftliche Nachwuchs leidet in allen Disziplinen unter einer hohen Arbeitsplatzunsicherheit, den Folgen von befristeten Verträgen und dem Risiko, nie eine feste Stelle zu bekommen. Digital Humanists spüren diesen Druck aufgrund relativ kurzer Finanzierungszeiträume, einer geringen Zahl geeigneter Stellen und dem Fehlen deutlicher Karriereaussichten noch stärker. Aus den genannten Gründen fordern wir:
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Langfristige Karriereaussichten für junge Forscherinnen und Forscher, Ingenieurinnen und Ingenieure sowie Bibliothekarinnen und Bibliothekare, die sich in den Digital Humanities engagieren.
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Ermutigung, Beratung und Unterstützung durch etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Diesen Aspekt betont ebenfalls das 2011 von der Europäischen Wissenschaftsstiftung einberufene Forum der Nachwuchswissenschaftler in seinen Empfehlungen (Changing Publication Cultures in the Humanities).
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Faire Grundsätze und klar definierte Richtlinien, um die wissenschaftliche Relevanz von gemeinsam erstellten Arbeiten zu beurteilen und allen Teilnehmern angemessene Anerkennung einzuräumen.
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Breite Akzeptanz und Anerkennung für die Vielfalt digitaler Medien und Veröffentlichungsformen als Mittel wissenschaftlicher Kommunikation.
Wesentliche Arbeiten von Digital Humanists bleiben zu Unrecht unter dem Radar interner und externer Evaluationen. Daher fordern wir:
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Open Access- und Open Data-Veröffentlichungen müssen ermutigt und unterstützt werden – indem die Nutzung erleichtert, adäquate Finanzierung bereit gestellt und die akademische Anerkennung erhöht wird.
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Das Recht auf Zweitveröffentlichung muss im europäischen und nationalen Recht festgeschrieben werden, um gesetzliche Sicherheit für den Grünen Weg im Open Acess zu gewährleisten.
Die Forschung und Lehre mit digitalen Mitteln erfordert spezifische Fähigkeiten und Infrastrukturen. Um Bedingungen zu schaffen, in denen diese sich entfalten können, brauchen wir:
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geeignete und nachhaltige akademische Infrastrukturen wie Repositorien, Publikationsplattformen, Kataloge, soziale Netzwerke und Blogportale.
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ein öffentliches Datenbankprojekt, das nationale und europäische Informationen zu in den DH beantragten Projekten – unabhängig von deren Bewilligung – bereithält, mit dem Ziel, durch größere Transparenz eine bessere Orientierung und Koordinierung zu erreichen.
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ehrgeizige digitale Trainingsprogramme in den Geisteswissenschaften für alle Generationen und Karrierestufen. Fortgeschrittene Studierende, Junior und Senior Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler benötigen angepasste Schulungen.
Als Geisteswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler schätzen wir interkulturellen Dialog und Mehrsprachigkeit. Veröffentlichungen sollten nicht ausschließlich in englischer Sprache erfolgen, sondern als Zusatz zu Veröffentlichungen in der eigenen Sprache angeregt werden.
II. Forschungseinrichtungen und Hochschulen
Konsistente digitale Strategien sollten in jeder Einrichtung entwickelt und gepflegt werden. Akademische Gesellschaften und Universitäten sollten den wissenschaftlichen Nachwuchs in den Digital Humanities durch adäquate Finanzierungszeiträume, Aussichten auf eine Festanstellung und Nachhaltigkeit für Wissenschaftler/innen und Techniker/innen zugleich unterstützen. Frühes Training kollaborativen Arbeitens sollte gefördert werden, dasselbe gilt für den Erwerb technischer Kenntnisse in Arbeitsgruppen.
Wir befürworten die Einrichtung von spezialisierten Arbeitsgruppen zur Förderung digitaler Vorhaben und interdisziplinärer Forschung. Institutionen müssen dies durch Schaffung eines wissenschaftlichen Ökosystems für Akteure der Digital Humanities untersützen. Dies sollte folgendes beinhalten:
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qualitätsgesicherte Open Access-Plattformen
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Archive und Technologien sowie Infrastrukturen für die langfristige Archivierung von Forschungspublikationen und -daten in Verbindung mit den Grundsätzen von Open Access und Open Data.
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Datenbanken- und Softwareinfrastrukturen (z.B. Big Data und Linked Data Anwendungen)
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effiziente Werkzeuge für die Digitalisierung analoger Quellen
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Suchmaschinen und Recherchewerkzeuge für Metadaten, um digitale Medien einfacher recherchierbar zu machen, zu kontextualisieren und zu bewerten
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Verbreitung frei zugänglicher Quellen, Lehrmaterialien und Creative Commons-Lizenzen
Wissenschaftliches Bloggen, Aktivitäten in sozialen Medien und Rezensieren in netzbasierten Formaten müssen offiziell anerkannt und gefördert werden. Forschungseinrichtungen sollten Fachkenntnisse und Trainings anbieten, die der Verbreitung folgender Kompetenzen dienen: Einsatz von sozialen Medien in der Forschung und der öffentlichen Kommunikation, Kodieren, Management von Websites, Erstellung von Datenbanken und multimediales Editieren. Alle beteiligten Akteure müssen zudem über ausreichende Kenntnisse in rechtlichen Fragen verfügen, insbesondere im Bereich des Urheberrechts und der freien Lizenzen.
III. Forschungsförderer
Es ist wichtig, dass Forschungsförderer die Bedürfnisse der wissenschaftlichen Gemeinschaften bei der Entscheidung über Art und Umfang der Förderung digitaler Projekte, Institutionen und Infrastrukturen berücksichtigen sowie die Art und Weise, wie diese evaluiert werden. Forschungsförderer müssen ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass digitale Projekte, besonders solche mit eigener Website, nie richtig zu Ende gehen: kontinuierliche Unterstützung über die Gründungsphase hinaus ist notwendig (z.B. für Serverkosten und technische Instandhaltung).
Forschungsförderer sollten spezifische Programme schaffen, die kollaborative Forschung über nationale Grenzen hinweg genauso wie nachhaltige Infrastrukturen für die Wissenschaft und praktische Schulungen für den Gebrauch digitaler Forschungswerkzeuge fördern.
Forschungsförderer sollten neue Bewertungsverfahren entwickeln, die digitale Formen und digitale Qualifikationen berücksichtigen.
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Peer-Reviewed Print-Zeitschriften können nicht länger die einzigen Veröffentlichungsformen bleiben, die bei Bewerbungen und Anträgen berücksichtigt werden. Neue Formen digitaler Wissenschaftskommunikation, -bewertung und -veröffentlichung müssen gefördert werden.
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Die Bewertung von Digital Humanities-Projekten sollte neue Kriterien in Betracht ziehen, wie etwa wissenschaftliche Qualität sowie technische Qualität und Anwendung
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Der Kreis traditioneller Gutachter muss erweitert werden: Experten für digitale Medien, Informatiker und Ingenieure müssen miteinbezogen werden, um eine verlässliche Bewertung zu ermöglichen.
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Forschungsförderer sollten Open Peer-Review-Verfahren und offene Kommentare in ihren Bewertungsprozessen berücksichtigen.
Was nun?
Akteure und Beobachter beklagen oft das langsame Tempo, in dem sich Infrastrukturen entwickeln. Während sich eine neue Wissenschaftskultur etabliert, in der digitale Instrumente und Methoden vollständig anerkannt sein werden, müssen alle Beteiligten proaktiv tätig werden, um akademische Strukturen an die neuen Forschungspraktiken anzupassen. Diese Aufgabe stellt sich ganz konkret für jeden, in jedem akademischen Bereich und jeder akademischen Disziplin. Wir alle können zu diesem gemeinsamen Neuanfang beitragen.
Die ersten Unterzeichner (vor Ort und online) waren die Teilnehmer der Konferenz “Forschungsbedingungen und Digital Humanities: Welche Perspektiven hat der Nachwuchs?”, Paris, 10. – 11. Juni 2013. Sie können das Manifest in einem Kommentar unterstützen und mitzeichnen.
Pascal Arnaud
Anne Baillot
Aurélien Berra
Dominique Boullier
Thomas Cauvin
Georgios Chatzoudis
Arianna Ciula
Camille Desenclos
André Donk
Marten Düring
Natalia Filatkina
Sascha Foerster
Sebastian Gießmann
Martin Grandjean
Franziska Heimburger
Christian Jacob
Mareike König
Marion Lamé
Lilian Landes
Matthias Lemke
Anika Meier
Benoît Majerus
Claudine Moulin
Pierre Mounier
Marc Mudrak
Cynthia Pedroja
Jean-Michel Salaün
Markus Schnöpf
Julian Schulz
Bertram Triebel
Milena Žic-Fuchs
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Abbildung: Yes we digital! by Martin Grandjean, CC-BY-SA.
English Version: Young Researchers in Digital Humanities: A Manifesto
Version française : Jeunes chercheurs et humanités numérique : un manifeste
Versión española: Jóvenes Investigadores en Humanidades Digitales: un Manifiesto
Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/1995
Wissenschaftlicher Nachwuchs in den Digital Humanities: Ein Manifest
Die Sozial- und Geisteswissenschaften sind ein zentraler Bestandteil unserer Kultur. Sie bieten einen analytischen Einblick in die Welt, in der wir leben. Die Digital Humanities reflektieren den Übergang der Geisteswissenschaften ins digitale Zeitalter. Sie schaffen nicht nur neue technische Werkzeuge, sondern eröffnen auch neue Wege, Wissen zu generieren und zu verbreiten, und dies sowohl innerhalb der einzelnen akademischen Disziplinen als auch über diese Grenzen hinaus.
Die Digital Humanities verbinden Praxisnähe, Reflexivität und kollaboratives Erarbeiten von Standards. Sie bieten eine hervorragende Grundlage, die Geisteswissenschaften mithilfe neuer Materialien, Methoden und hermeneutischen Ansätzen zu überdenken und zu erweitern. Freier Zugang auf unser kulturelles Erbe und kollaborative Projekte, die auch nicht-akademische Zielgruppen erreichen, erlauben eine Neudefinition unseres Verhältnisses zur Gesellschaft. Wir sehen die Digital Humanities daher als Scharnierstelle für die Zukunft der Geisteswissenschaften.
Vor drei Jahren nahmen über 100 Mitglieder der wachsenden DH-Community am THATCamp Paris 2010 teil. Um ihre Anerkennung gegenüber diesem neuen Wissenschaftsbereich Ausdruck zu verleihen, verfassten sie gemeinsam das erste europäische Manifest der Digital Humanities. Der anschließende Zuwachs an beteiligten Personen und Vorhaben trug dazu bei, diesem Arbeitsfeld eine größere Sichtbarkeit zu verleihen.
Dennoch hat sich die institutionellen und traditionellen Strukturen unterworfene akademische Welt mit ihren Institutionen, Akteuren und Praktiken nicht in der gleichen Geschwindigkeit entwickelt. Auf der einen Seite entstehen neue Forschungsmethoden: vernetzt, kollektiv, horizontal, multimodal, pluridisziplinär und mehrsprachig. Akteure der Digital Humanities sind mit neuen Aufgaben und Arbeitsstellungen konfrontiert: Sie erstellen Datenbanken, entwickeln Softwares, analysieren umfangreiche Datensätze, definieren Begrifflichkeiten und Modelle, arbeiten über Wikis und Pads zusammen, kommunizieren via Websites, Blogs und anderen sozialen Medien. Auf der anderen Seite leisten Forschungseinrichtungen einen gewissen Widerstand gegen diese Veränderungen oder behindern sie sogar: Fortbildungen, Förderstrukturen, Bewertungskriterien, Auswahlprozesse und Karrierewege haben sich nur geringfügig verändert und scheinen nicht in der Lage zu sein, aus dem entstehenden digitalen Ökosystem Nutzen zu ziehen.
Die wachsende Lücke zwischen der florierenden digitalen Praxis und ihrer institutionellen Anerkennung gefährdet die akademische Gemeinschaft als Ganzes. Insbesondere aber leidet der wissenschaftliche Nachwuchs darunter, denn die gegenwärtige Situation bringt ein hohes Maß an Unsicherheit in die Planung der eigenen wissenschaftlichen Zukunft.
Am 10. und 11. Juni 2013 trafen sich Forscher/innen und andere Mitglieder der akademischen Gemeinschaft am Deutschen Historischen Institut in Paris, um an der internationalen Konferenz “Forschungsbedingungen und Digital Humanities: Welche Perspektiven hat der Nachwuchs?“ teilzunehmen. Der Konferenz war ein offener Aufruf zur Blogparade vorausgegangen, in dessen Rahmen online Beiträge publiziert wurden, um die Konferenz gemeinsam und öffentlich vorzubereiten.
Das vorliegende Manifest ist das Ergebnis dieses Arbeitsprozesses. Es betont die wichtigsten Aspekte der Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen und benennt die dringendsten institutionellen Erfordernisse.
I. Allgemeines
Der wissenschaftliche Nachwuchs leidet in allen Disziplinen unter einer hohen Arbeitsplatzunsicherheit, den Folgen von befristeten Verträgen und dem Risiko, nie eine feste Stelle zu bekommen. Digital Humanists spüren diesen Druck aufgrund relativ kurzer Finanzierungszeiträume, einer geringen Zahl geeigneter Stellen und dem Fehlen deutlicher Karriereaussichten noch stärker. Aus den genannten Gründen fordern wir:
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Langfristige Karriereaussichten für junge Forscherinnen und Forscher, Ingenieurinnen und Ingenieure sowie Bibliothekarinnen und Bibliothekare, die sich in den Digital Humanities engagieren.
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Ermutigung, Beratung und Unterstützung durch etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Diesen Aspekt betont ebenfalls das 2011 von der Europäischen Wissenschaftsstiftung einberufene Forum der Nachwuchswissenschaftler in seinen Empfehlungen (Changing Publication Cultures in the Humanities).
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Faire Grundsätze und klar definierte Richtlinien, um die wissenschaftliche Relevanz von gemeinsam erstellten Arbeiten zu beurteilen und allen Teilnehmern angemessene Anerkennung einzuräumen.
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Breite Akzeptanz und Anerkennung für die Vielfalt digitaler Medien und Veröffentlichungsformen als Mittel wissenschaftlicher Kommunikation.
Wesentliche Arbeiten von Digital Humanists bleiben zu Unrecht unter dem Radar interner und externer Evaluationen. Daher fordern wir:
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Open Access- und Open Data-Veröffentlichungen müssen ermutigt und unterstützt werden – indem die Nutzung erleichtert, adäquate Finanzierung bereit gestellt und die akademische Anerkennung erhöht wird.
-
Das Recht auf Zweitveröffentlichung muss im europäischen und nationalen Recht festgeschrieben werden, um gesetzliche Sicherheit für den Grünen Weg im Open Acess zu gewährleisten.
Die Forschung und Lehre mit digitalen Mitteln erfordert spezifische Fähigkeiten und Infrastrukturen. Um Bedingungen zu schaffen, in denen diese sich entfalten können, brauchen wir:
-
geeignete und nachhaltige akademische Infrastrukturen wie Repositorien, Publikationsplattformen, Kataloge, soziale Netzwerke und Blogportale.
-
ein öffentliches Datenbankprojekt, das nationale und europäische Informationen zu in den DH beantragten Projekten – unabhängig von deren Bewilligung – bereithält, mit dem Ziel, durch größere Transparenz eine bessere Orientierung und Koordinierung zu erreichen.
-
ehrgeizige digitale Trainingsprogramme in den Geisteswissenschaften für alle Generationen und Karrierestufen. Fortgeschrittene Studierende, Junior und Senior Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler benötigen angepasste Schulungen.
Als Geisteswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler schätzen wir interkulturellen Dialog und Mehrsprachigkeit. Veröffentlichungen sollten nicht ausschließlich in englischer Sprache erfolgen, sondern als Zusatz zu Veröffentlichungen in der eigenen Sprache angeregt werden.
II. Forschungseinrichtungen und Hochschulen
Konsistente digitale Strategien sollten in jeder Einrichtung entwickelt und gepflegt werden. Akademische Gesellschaften und Universitäten sollten den wissenschaftlichen Nachwuchs in den Digital Humanities durch adäquate Finanzierungszeiträume, Aussichten auf eine Festanstellung und Nachhaltigkeit für Wissenschaftler/innen und Techniker/innen zugleich unterstützen. Frühes Training kollaborativen Arbeitens sollte gefördert werden, dasselbe gilt für den Erwerb technischer Kenntnisse in Arbeitsgruppen.
Wir befürworten die Einrichtung von spezialisierten Arbeitsgruppen zur Förderung digitaler Vorhaben und interdisziplinärer Forschung. Institutionen müssen dies durch Schaffung eines wissenschaftlichen Ökosystems für Akteure der Digital Humanities untersützen. Dies sollte folgendes beinhalten:
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qualitätsgesicherte Open Access-Plattformen
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Archive und Technologien sowie Infrastrukturen für die langfristige Archivierung von Forschungspublikationen und -daten in Verbindung mit den Grundsätzen von Open Access und Open Data.
-
Datenbanken- und Softwareinfrastrukturen (z.B. Big Data und Linked Data Anwendungen)
-
effiziente Werkzeuge für die Digitalisierung analoger Quellen
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Suchmaschinen und Recherchewerkzeuge für Metadaten, um digitale Medien einfacher recherchierbar zu machen, zu kontextualisieren und zu bewerten
-
Verbreitung frei zugänglicher Quellen, Lehrmaterialien und Creative Commons-Lizenzen
Wissenschaftliches Bloggen, Aktivitäten in sozialen Medien und Rezensieren in netzbasierten Formaten müssen offiziell anerkannt und gefördert werden. Forschungseinrichtungen sollten Fachkenntnisse und Trainings anbieten, die der Verbreitung folgender Kompetenzen dienen: Einsatz von sozialen Medien in der Forschung und der öffentlichen Kommunikation, Kodieren, Management von Websites, Erstellung von Datenbanken und multimediales Editieren. Alle beteiligten Akteure müssen zudem über ausreichende Kenntnisse in rechtlichen Fragen verfügen, insbesondere im Bereich des Urheberrechts und der freien Lizenzen.
III. Forschungsförderer
Es ist wichtig, dass Forschungsförderer die Bedürfnisse der wissenschaftlichen Gemeinschaften bei der Entscheidung über Art und Umfang der Förderung digitaler Projekte, Institutionen und Infrastrukturen berücksichtigen sowie die Art und Weise, wie diese evaluiert werden. Forschungsförderer müssen ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass digitale Projekte, besonders solche mit eigener Website, nie richtig zu Ende gehen: kontinuierliche Unterstützung über die Gründungsphase hinaus ist notwendig (z.B. für Serverkosten und technische Instandhaltung).
Forschungsförderer sollten spezifische Programme schaffen, die kollaborative Forschung über nationale Grenzen hinweg genauso wie nachhaltige Infrastrukturen für die Wissenschaft und praktische Schulungen für den Gebrauch digitaler Forschungswerkzeuge fördern.
Forschungsförderer sollten neue Bewertungsverfahren entwickeln, die digitale Formen und digitale Qualifikationen berücksichtigen.
-
Peer-Reviewed Print-Zeitschriften können nicht länger die einzigen Veröffentlichungsformen bleiben, die bei Bewerbungen und Anträgen berücksichtigt werden. Neue Formen digitaler Wissenschaftskommunikation, -bewertung und -veröffentlichung müssen gefördert werden.
-
Die Bewertung von Digital Humanities-Projekten sollte neue Kriterien in Betracht ziehen, wie etwa wissenschaftliche Qualität sowie technische Qualität und Anwendung
-
Der Kreis traditioneller Gutachter muss erweitert werden: Experten für digitale Medien, Informatiker und Ingenieure müssen miteinbezogen werden, um eine verlässliche Bewertung zu ermöglichen.
-
Forschungsförderer sollten Open Peer-Review-Verfahren und offene Kommentare in ihren Bewertungsprozessen berücksichtigen.
Was nun?
Akteure und Beobachter beklagen oft das langsame Tempo, in dem sich Infrastrukturen entwickeln. Während sich eine neue Wissenschaftskultur etabliert, in der digitale Instrumente und Methoden vollständig anerkannt sein werden, müssen alle Beteiligten proaktiv tätig werden, um akademische Strukturen an die neuen Forschungspraktiken anzupassen. Diese Aufgabe stellt sich ganz konkret für jeden, in jedem akademischen Bereich und jeder akademischen Disziplin. Wir alle können zu diesem gemeinsamen Neuanfang beitragen.
Die ersten Unterzeichner (vor Ort und online) waren die Teilnehmer der Konferenz “Forschungsbedingungen und Digital Humanities: Welche Perspektiven hat der Nachwuchs?”, Paris, 10. – 11. Juni 2013. Sie können das Manifest in einem Kommentar unterstützen und mitzeichnen.
Pascal Arnaud
Anne Baillot
Aurélien Berra
Dominique Boullier
Thomas Cauvin
Georgios Chatzoudis
Arianna Ciula
Camille Desenclos
André Donk
Marten Düring
Natalia Filatkina
Sascha Foerster
Sebastian Gießmann
Martin Grandjean
Franziska Heimburger
Christian Jacob
Mareike König
Marion Lamé
Lilian Landes
Matthias Lemke
Anika Meier
Benoît Majerus
Claudine Moulin
Pierre Mounier
Marc Mudrak
Cynthia Pedroja
Jean-Michel Salaün
Markus Schnöpf
Julian Schulz
Bertram Triebel
Milena Žic-Fuchs
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Abbildung: Yes we digital! by Martin Grandjean, CC-BY-SA.
English Version: Young Researchers in Digital Humanities: A Manifesto
Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/1995
Wissenschaftlicher Nachwuchs in den Digital Humanities: Ein Manifest
Die Sozial- und Geisteswissenschaften sind ein zentraler Bestandteil unserer Kultur. Sie bieten einen analytischen Einblick in die Welt, in der wir leben. Die Digital Humanities reflektieren den Übergang der Geisteswissenschaften ins digitale Zeitalter. Sie schaffen nicht nur neue technische Werkzeuge, sondern eröffnen auch neue Wege, Wissen zu generieren und zu verbreiten, und dies sowohl innerhalb der einzelnen akademischen Disziplinen als auch über diese Grenzen hinaus.
Die Digital Humanities verbinden Praxisnähe, Reflexivität und kollaboratives Erarbeiten von Standards. Sie bieten eine hervorragende Grundlage, die Geisteswissenschaften mithilfe neuer Materialien, Methoden und hermeneutischen Ansätzen zu überdenken und zu erweitern. Freier Zugang auf unser kulturelles Erbe und kollaborative Projekte, die auch nicht-akademische Zielgruppen erreichen, erlauben eine Neudefinition unseres Verhältnisses zur Gesellschaft. Wir sehen die Digital Humanities daher als Scharnierstelle für die Zukunft der Geisteswissenschaften.
Vor drei Jahren nahmen über 100 Mitglieder der wachsenden DH-Community am THATCamp Paris 2010 teil. Um ihre Anerkennung gegenüber diesem neuen Wissenschaftsbereich Ausdruck zu verleihen, verfassten sie gemeinsam das erste europäische Manifest der Digital Humanities. Der anschließende Zuwachs an beteiligten Personen und Vorhaben trug dazu bei, diesem Arbeitsfeld eine größere Sichtbarkeit zu verleihen.
Dennoch hat sich die institutionellen und traditionellen Strukturen unterworfene akademische Welt mit ihren Institutionen, Akteuren und Praktiken nicht in der gleichen Geschwindigkeit entwickelt. Auf der einen Seite entstehen neue Forschungsmethoden: vernetzt, kollektiv, horizontal, multimodal, pluridisziplinär und mehrsprachig. Akteure der Digital Humanities sind mit neuen Aufgaben und Arbeitsstellungen konfrontiert: Sie erstellen Datenbanken, entwickeln Softwares, analysieren umfangreiche Datensätze, definieren Begrifflichkeiten und Modelle, arbeiten über Wikis und Pads zusammen, kommunizieren via Websites, Blogs und anderen sozialen Medien. Auf der anderen Seite leisten Forschungseinrichtungen einen gewissen Widerstand gegen diese Veränderungen oder behindern sie sogar: Fortbildungen, Förderstrukturen, Bewertungskriterien, Auswahlprozesse und Karrierewege haben sich nur geringfügig verändert und scheinen nicht in der Lage zu sein, aus dem entstehenden digitalen Ökosystem Nutzen zu ziehen.
Die wachsende Lücke zwischen der florierenden digitalen Praxis und ihrer institutionellen Anerkennung gefährdet die akademische Gemeinschaft als Ganzes. Insbesondere aber leidet der wissenschaftliche Nachwuchs darunter, denn die gegenwärtige Situation bringt ein hohes Maß an Unsicherheit in die Planung der eigenen wissenschaftlichen Zukunft.
Am 10. und 11. Juni 2013 trafen sich Forscher/innen und andere Mitglieder der akademischen Gemeinschaft am Deutschen Historischen Institut in Paris, um an der internationalen Konferenz “Forschungsbedingungen und Digital Humanities: Welche Perspektiven hat der Nachwuchs?“ teilzunehmen. Der Konferenz war ein offener Aufruf zur Blogparade vorausgegangen, in dessen Rahmen online Beiträge publiziert wurden, um die Konferenz gemeinsam und öffentlich vorzubereiten.
Das vorliegende Manifest ist das Ergebnis dieses Arbeitsprozesses. Es betont die wichtigsten Aspekte der Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen und benennt die dringendsten institutionellen Erfordernisse.
I. Allgemeines
Der wissenschaftliche Nachwuchs leidet in allen Disziplinen unter einer hohen Arbeitsplatzunsicherheit, den Folgen von befristeten Verträgen und dem Risiko, nie eine feste Stelle zu bekommen. Digital Humanists spüren diesen Druck aufgrund relativ kurzer Finanzierungszeiträume, einer geringen Zahl geeigneter Stellen und dem Fehlen deutlicher Karriereaussichten noch stärker. Aus den genannten Gründen fordern wir:
-
Langfristige Karriereaussichten für junge Forscherinnen und Forscher, Ingenieurinnen und Ingenieure sowie Bibliothekarinnen und Bibliothekare, die sich in den Digital Humanities engagieren.
-
Ermutigung, Beratung und Unterstützung durch etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Diesen Aspekt betont ebenfalls das 2011 von der Europäischen Wissenschaftsstiftung einberufene Forum der Nachwuchswissenschaftler in seinen Empfehlungen (Changing Publication Cultures in the Humanities).
-
Faire Grundsätze und klar definierte Richtlinien, um die wissenschaftliche Relevanz von gemeinsam erstellten Arbeiten zu beurteilen und allen Teilnehmern angemessene Anerkennung einzuräumen.
-
Breite Akzeptanz und Anerkennung für die Vielfalt digitaler Medien und Veröffentlichungsformen als Mittel wissenschaftlicher Kommunikation.
Wesentliche Arbeiten von Digital Humanists bleiben zu Unrecht unter dem Radar interner und externer Evaluationen. Daher fordern wir:
-
Open Access- und Open Data-Veröffentlichungen müssen ermutigt und unterstützt werden – indem die Nutzung erleichtert, adäquate Finanzierung bereit gestellt und die akademische Anerkennung erhöht wird.
-
Das Recht auf Zweitveröffentlichung muss im europäischen und nationalen Recht festgeschrieben werden, um gesetzliche Sicherheit für den Grünen Weg im Open Acess zu gewährleisten.
Die Forschung und Lehre mit digitalen Mitteln erfordert spezifische Fähigkeiten und Infrastrukturen. Um Bedingungen zu schaffen, in denen diese sich entfalten können, brauchen wir:
-
geeignete und nachhaltige akademische Infrastrukturen wie Repositorien, Publikationsplattformen, Kataloge, soziale Netzwerke und Blogportale.
-
ein öffentliches Datenbankprojekt, das nationale und europäische Informationen zu in den DH beantragten Projekten – unabhängig von deren Bewilligung – bereithält, mit dem Ziel, durch größere Transparenz eine bessere Orientierung und Koordinierung zu erreichen.
-
ehrgeizige digitale Trainingsprogramme in den Geisteswissenschaften für alle Generationen und Karrierestufen. Fortgeschrittene Studierende, Junior und Senior Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler benötigen angepasste Schulungen.
Als Geisteswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler schätzen wir interkulturellen Dialog und Mehrsprachigkeit. Veröffentlichungen sollten nicht ausschließlich in englischer Sprache erfolgen, sondern als Zusatz zu Veröffentlichungen in der eigenen Sprache angeregt werden.
II. Forschungseinrichtungen und Hochschulen
Konsistente digitale Strategien sollten in jeder Einrichtung entwickelt und gepflegt werden. Akademische Gesellschaften und Universitäten sollten den wissenschaftlichen Nachwuchs in den Digital Humanities durch adäquate Finanzierungszeiträume, Aussichten auf eine Festanstellung und Nachhaltigkeit für Wissenschaftler/innen und Techniker/innen zugleich unterstützen. Frühes Training kollaborativen Arbeitens sollte gefördert werden, dasselbe gilt für den Erwerb technischer Kenntnisse in Arbeitsgruppen.
Wir befürworten die Einrichtung von spezialisierten Arbeitsgruppen zur Förderung digitaler Vorhaben und interdisziplinärer Forschung. Institutionen müssen dies durch Schaffung eines wissenschaftlichen Ökosystems für Akteure der Digital Humanities untersützen. Dies sollte folgendes beinhalten:
-
qualitätsgesicherte Open Access-Plattformen
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Archive und Technologien sowie Infrastrukturen für die langfristige Archivierung von Forschungspublikationen und -daten in Verbindung mit den Grundsätzen von Open Access und Open Data.
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Datenbanken- und Softwareinfrastrukturen (z.B. Big Data und Linked Data Anwendungen)
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effiziente Werkzeuge für die Digitalisierung analoger Quellen
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Suchmaschinen und Recherchewerkzeuge für Metadaten, um digitale Medien einfacher recherchierbar zu machen, zu kontextualisieren und zu bewerten
-
Verbreitung frei zugänglicher Quellen, Lehrmaterialien und Creative Commons-Lizenzen
Wissenschaftliches Bloggen, Aktivitäten in sozialen Medien und Rezensieren in netzbasierten Formaten müssen offiziell anerkannt und gefördert werden. Forschungseinrichtungen sollten Fachkenntnisse und Trainings anbieten, die der Verbreitung folgender Kompetenzen dienen: Einsatz von sozialen Medien in der Forschung und der öffentlichen Kommunikation, Kodieren, Management von Websites, Erstellung von Datenbanken und multimediales Editieren. Alle beteiligten Akteure müssen zudem über ausreichende Kenntnisse in rechtlichen Fragen verfügen, insbesondere im Bereich des Urheberrechts und der freien Lizenzen.
III. Forschungsförderer
Es ist wichtig, dass Forschungsförderer die Bedürfnisse der wissenschaftlichen Gemeinschaften bei der Entscheidung über Art und Umfang der Förderung digitaler Projekte, Institutionen und Infrastrukturen berücksichtigen sowie die Art und Weise, wie diese evaluiert werden. Forschungsförderer müssen ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass digitale Projekte, besonders solche mit eigener Website, nie richtig zu Ende gehen: kontinuierliche Unterstützung über die Gründungsphase hinaus ist notwendig (z.B. für Serverkosten und technische Instandhaltung).
Forschungsförderer sollten spezifische Programme schaffen, die kollaborative Forschung über nationale Grenzen hinweg genauso wie nachhaltige Infrastrukturen für die Wissenschaft und praktische Schulungen für den Gebrauch digitaler Forschungswerkzeuge fördern.
Forschungsförderer sollten neue Bewertungsverfahren entwickeln, die digitale Formen und digitale Qualifikationen berücksichtigen.
-
Peer-Reviewed Print-Zeitschriften können nicht länger die einzigen Veröffentlichungsformen bleiben, die bei Bewerbungen und Anträgen berücksichtigt werden. Neue Formen digitaler Wissenschaftskommunikation, -bewertung und -veröffentlichung müssen gefördert werden.
-
Die Bewertung von Digital Humanities-Projekten sollte neue Kriterien in Betracht ziehen, wie etwa wissenschaftliche Qualität sowie technische Qualität und Anwendung
-
Der Kreis traditioneller Gutachter muss erweitert werden: Experten für digitale Medien, Informatiker und Ingenieure müssen miteinbezogen werden, um eine verlässliche Bewertung zu ermöglichen.
-
Forschungsförderer sollten Open Peer-Review-Verfahren und offene Kommentare in ihren Bewertungsprozessen berücksichtigen.
Was nun?
Akteure und Beobachter beklagen oft das langsame Tempo, in dem sich Infrastrukturen entwickeln. Während sich eine neue Wissenschaftskultur etabliert, in der digitale Instrumente und Methoden vollständig anerkannt sein werden, müssen alle Beteiligten proaktiv tätig werden, um akademische Strukturen an die neuen Forschungspraktiken anzupassen. Diese Aufgabe stellt sich ganz konkret für jeden, in jedem akademischen Bereich und jeder akademischen Disziplin. Wir alle können zu diesem gemeinsamen Neuanfang beitragen.
Die ersten Unterzeichner (vor Ort und online) waren die Teilnehmer der Konferenz “Forschungsbedingungen und Digital Humanities: Welche Perspektiven hat der Nachwuchs?”, Paris, 10. – 11. Juni 2013. Sie können das Manifest in einem Kommentar unterstützen und mitzeichnen.
Pascal Arnaud
Anne Baillot
Aurélien Berra
Dominique Boullier
Thomas Cauvin
Georgios Chatzoudis
Arianna Ciula
Camille Desenclos
André Donk
Marten Düring
Natalia Filatkina
Sascha Foerster
Sebastian Gießmann
Martin Grandjean
Franziska Heimburger
Christian Jacob
Mareike König
Marion Lamé
Lilian Landes
Matthias Lemke
Anika Meier
Benoît Majerus
Claudine Moulin
Pierre Mounier
Marc Mudrak
Cynthia Pedroja
Jean-Michel Salaün
Markus Schnöpf
Julian Schulz
Bertram Triebel
Milena Žic-Fuchs
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Abbildung: Yes we digital! by Martin Grandjean, CC-BY-SA.
English Version: Young Researchers in Digital Humanities: A Manifesto
Version française : Jeunes chercheurs et humanités numérique : un manifeste
Versión española: Jóvenes Investigadores en Humanidades Digitales: un Manifiesto
Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/1995
Von Paris nach Berlin – der Publikumserfolg der „rue du Caire“
Von Jan Maier
Fast 32 Millionen Menschen besuchten vom 6. Mai bis zum 31. Oktober 1889 die Weltausstellung in Paris. Auf der 96 Hektar großen Ausstellungsfläche befanden sich unter anderem ein sogenanntes „village nègre“ und die „rue du Caire“. Sieben Jahre später waren auf der Berliner Gewerbe-Ausstellung gleichzeitig eine „Kolonialausstellung“ sowie die „Sonderausstellung Kairo“ zu sehen. 7,4 Millionen Besucher strömten auf die mit 1,1 Millionen Quadratmetern bis dato größte Ausstellungsfläche Europas im Treptower Park, davon allein zwei Millionen auf die 60 000 Quadratmeter der Kolonialausstellung. Diese Sonderattraktionen in beiden Städten sind Zeugnisse Zurschaustellung kolonisierter Bevölkerungen, die einem bestimmten Muster folgten, das bei allen europäischen Kolonialausstellungen zu finden ist. Alice von Plato spricht bei der „rue du Caire“ von einem internationalen „Prototyp“, der die Grundlage für viele weitere Ausstellungen wurde1.

Die Pariser „rue du Caire“ von 1889
Bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts begann eine Faszination für Ägypten bei den Weltausstellungen. Zeigte man 1867 noch eigene Exponate mit dem Wunsch sich als „unabhängige Nation mit eigenen, unverwechselbaren Traditionen“2 darzustellen, überwog in der „rue du Caire“ in Paris von 1889 der koloniale Gedanke. Neben den fast 400 „Einheimischen“, einer bunten Mischung aus Händlern, Gauklern und verschleierten Frauen, waren auch Kamele und Affen zu sehen. In den vermeintlichen exotischen Cafés der engen Straße sollten die Besucher „orientalische Luft schnuppern“ und Souvenirs kaufen. Man sollte sich wie auf einem Basar fühlen. Die Berliner „Sonderausstellung Kairo“ war fast identisch mit ihrem von Baumeister Gabriel Wohlgemuth und Schausteller Willy Möller aufgegriffenen Pariser Vorbild. Nur mit dem Nachbau der Cheops-Pyramide ging man noch einen Schritt weiter und übertraf das französische Original. Dabei hatten die beiden Bauherren die Idee, nicht aber die Nachbauten aus Paris übernommen3.
Die hier gezeigten Beispiele sind nach dem selben Schema aufgebaut: Zunächst sollte eine exotische Atmosphäre geschaffen werden, in der sich die Besucher zugleich fremd- und wohlfühlten. Gleichzeitig sollte man menschlichen „Exponaten“ zusehen, wie sie ihren anscheinend normalen Tagesabläufen folgten, lebten sie doch in ihrer „natürlichen“ Umgebung. Durch diese stark reduzierte Darstellung der vermeintlich typischen Lebensweise wurde das Entstehen von Stereotypen gegenüber den kolonialisierten Kulturen gefördert. In beiden Fällen handelte es sich um eine bewusste Inszenierung zur Rechtfertigung des imperialen Ausgreifens auf die Welt.
Ähnlich war es auch im Pariser „village nègre“. Dort „lebten“ zirka 400 Menschen in Nachbauten von Hütten, die der Architektur der jeweiligen Stämme aus den französischen Kolonien nachempfunden waren. Umgekehrt zeigten die 1896 errichteten „Eingeborenendörfer“ in Berlin 103 Menschen aus den Kolonien des Deutschen Reichs (z.B. aus Kamerun und Togo). Daneben waren in beiden Ausstellungen kulturtypische Gegenstände und Häuser zu sehen. Das gemeinsame Prinzip bestand in der Nachahmung der Struktur eines afrikanischen Dorfes. In Paris spielte ferner die Idee des théâtre colonial eine Rolle, d.h. man wollte bei den Franzosen der Metropole einen Zuspruch zu den Kolonien auslösen, „zu einem Konsens über das empire gelangen“4. Ziel war also, „die Öffentlichkeit des Mutterlandes [Frankreich, J. Maier] zu verführen, indem man sie mit ‚ihren‘ weit entfernten Besitztümern vertraut machte“5. Neben der Kolonialpropaganda erfüllten die Sonderattraktionen in Berlin auch den Wunsch, der Gewerbe-Ausstellung einen internationalen Charakter zu verleihen.
Unterstützt wurde dies durch die mediale Präsenz der beiden Ausstellungen in der zeitgenössischen Presse. Trotz des Publikumserfolgs finden sich auch zeitgenössische kritische Stimmen zur Berliner Ausstellung. So zweifelte der Politiker Friedrich Naumann am Erfolg der Inszenierung von „Kairo“ und der „Kolonialausstellung“ und wirft ihr eine zu große Nähe zum Theater vor. Alfred Kerr, Theaterkritiker, äußerte ähnliche Bedenken zu „Kairo“, lobte diese in einem Brief vom 3. Mai 1896 jedoch als „sehr geistvolle[n] und […] anregende[n] Mumpitz.“6 Für die Kolonialausstellung dagegen konnte er sich überhaupt nicht begeistern.
Mit dem Ende der Gewerbe-Ausstellung am 15. Oktober 1896 verschwanden die dort gezeigten Beispiele aber nicht aus Berlin. 1899 ging aus der Kolonialausstellung das Deutsche Kolonialmuseum hervor (bis 1915) und eine Replik der „Straße von Kairo“ befand sich 1904-1934 im Luna-Park, wo ebenfalls Senegalesen (1904) und Somali (1910) ausgestellt wurden.
Literatur
Volker Barth, Menschen versus Welt, Die Pariser Weltausstellung von 1867, Darmstadt 12007.
Pascal Blanchard, Sandrine Lemaire (Hg.), Culture coloniale 1871-1931, La France conquise par son Empire, Paris, 12003.
Alice von Plato, Präsentierte Geschichte, Ausstellungskultur und Massenpublikum im Frankreich des 19. Jahrhunderts, Frankfurt/New York 12001.
Ines Roman, Exotische Welten – Die Inszenierung Ägyptens in der Sonderausstellung „Kairo“ der Berliner Gewerbe-Ausstellung von 1896: http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/1114/1/Magisterarbeit_Ines_Roman.pdf (26.07.2013).
Günther Rühle (Hg.), Alfred Kerr, Wo liegt Berlin?, Briefe aus der Reichshauptstadt, Berlin 51998.
Abbildung
La rue du Caire. Avenue de Suffren: Champs-de-Mars von Brown University, Public Domain
- Alice von Plato, Präsentierte Geschichte, Ausstellungskultur und Massenpublikum im Frankreich des 19. Jahrhunderts, Frankfurt/New York 12001, S. 219, 224.
- Volker Barth, Menschen versus Welt, Die Pariser Weltausstellung von 1867, Darmstadt 12007, S. 246.
- Ines Roman, Exotische Welten – Die Inszenierung Ägyptens in der Sonderausstellung „Kairo“ der Berliner Gewerbe-Ausstellung von 1896, S. 47, 52.
- „[…] à établir un consensus sur l’empire“ (Pascal Blanchard, Sandrine Lemaire (Hg.), Culture coloniale 1871-1931, La France conquise par son Empire, Paris, 12003, S. 47.), übersetztes Zitat [J. Maier]
- „séduire le public métropolitain en le familiarisant avec ‚ses‘ possessions lointaines“ (Blanchard/Lemaire, 46), übersetztes Zitat [J. Maier]
- Günther Rühle (Hg.), Alfred Kerr, Wo liegt Berlin?, Briefe aus der Reichshauptstadt, Berlin 51998, S. 152.
Young Researchers in Digital Humanities: A Manifesto
Deutsche Fassung: Wissenschaftlicher Nachwuchs in den Digital Humanities: Ein Manifest
Version française : Jeunes chercheurs et humanités numérique : un manifeste
Versión española: Jóvenes Investigadores en Humanidades Digitales: un Manifiesto
The Humanities and Social Sciences are a vital component of human culture and offer an essential insight into the world in which we live. The Digital Humanities reflect the transition of the Humanities to the digital age. However, they do not only bring with them new technical means, but also new forms of knowledge creation and dissemination within, across and outside academic disciplines.
In the field of Digital Humanities, experimental practices, reflexivity and the collaborative elaboration of standards are deeply interconnected. They are, therefore, an occasion to rethink and extend the Humanities through new materials, methods and hermeneutics. Furthermore, they represent an opportunity to redefine our relationship to society through open access to cultural heritage and the development of collaborative projects which also engage non-academic audiences. Thus, we see them as pivotal in the future of the Humanities.
Three years ago, over 100 members of this emergent community took part in THATCamp Paris 2010. Together, they wrote the first European Manifesto of the Digital Humanities to express their commitment to this new field of studies. Subsequently, the number of individuals and projects involved has increased significantly, giving them much greater visibility.
The academic world, however, with its institutions, actors and practices has not evolved at the same pace. On the one hand, new modes of research – connected, collaborative, horizontal, multimodal, multidisciplinary and multilingual – are being developed. Digital practitioners are engaged in new activities and work with new tools, building databases, developing software, analysing big datasets, defining conceptual models, collaborating through wikis and pads, communicating through websites, blogs and other social media. On the other hand, research institutions often resist or hinder these changes: training for scholars, funding schemes, evaluation criteria, recruitment and promotion procedures have only marginally evolved and do not seem able to make the most out of the digital environment.
The widening gap between flourishing digital practices and their institutional acknowledgment represent a threat for the academic community as a whole and for young scholars in particular, since it casts uncertainty on their future as research professionals.
On 10-11 June 2013 scholars and other members of the academic community met at the German Historical Institute in Paris to participate in the international conference “Research Conditions and Digital Humanities: What are the Prospects for the Next Generation?”. The conference was preceded by an open “call to join the blogparade”, that is to publish online contributions, in order to collectively and publicly prepare the event.
This manifesto is the result of this process. It emphasises the most important aspects of the challenges and the most pressing institutional needs.
I. General
Young researchers in all disciplines face a high level of job insecurity, the consequences of short-term contracts and the risk of never obtaining permanent positions. Digital humanists feel this pressure even more, due to relatively shorter funding periods, few suitable positions and a lack of clear career perspectives.
- Long-term career perspectives should be available to early career researchers, engineers, and librarians who engage in Digital Humanities work.
- Senior researchers should encourage, counsel and support them. This aspect is also stressed in the recommendations of the Young Researchers Forum convened by the European Science Foundation in 2011 (Changing Publication Cultures in the Humanities).
- Fair principles and clearly-defined guidelines should be established to assess the scholarly relevance of digital collaborative contributions and attribute relevant merit to all participants.
- The diversity of digital media and publication genres need to be accepted as genuine means of scientific communication.
Significant work by digital humanists remains below the radar of internal and external evaluations: it should not be ignored by their peers.
- Open Access and Open Data publications need to be encouraged and sustained – by opening up participation, supplying adequate funding and increasing academic recognition.
- The right to re-publish texts needs to be implemented in European and national law, in order to ensure legal security when engaging in the “green road” in Open Access.
Research and teaching with digital tools require specific skills and infrastructures. To create conditions in which those can deploy, we need:
- Suitable and sustainable academic infrastructures such as repositories, publication platforms, catalogues, social media networks and blogging portals.
- A public project database providing national and European information on submitted projects in DH, whether successful or rejected, for better orientation and coordination through greater transparency.
- Ambitious digital training programs in the Humanities, which should address all generations and all levels of skills and needs. Advanced students, junior and senior researchers need appropriate training.
As humanists we value intercultural dialogue and multilingualism. Publications in English should not be exclusive, but encouraged as a complement to publications in other native languages.
II. Research and higher education institutions
Coherent digital strategies should be developed and sustained in every institution. Academic societies and universities should support early-careers in Digital Humanities through adequate funding periods, promotion of tenure and long-term sustainability both for researchers and technology. They should foster early experience in collaborative work, as well as team-based technical expertise.
We advocate for the establishment of specialised working groups to encourage digital undertakings and to allow cross-disciplinary research. Institutions need to support this by creating a scientific ecosystem for Digital Humanities practitioners, including:
- trusted Open Access platforms
- long-term archives and technologies and infrastructures for the long-term archiving of research publications and research data in combination with an Open Access and Open Data policy
- database and software infrastructures (e.g. Big Data and Linked Data applications)
- efficient tools for the digitisation of analog sources
- search engines and metadata tools which facilitate the findability, contextualisation and evaluation of digital media
- promotion of open educational resources and Creative Commons licenses
Scholarly blogging, activities in social media and reviewing in non-traditional formats must be officially recognised and encouraged. Research institutions should provide expertise and training to ensure that the following skills are available: use of social media in research and public communication, encoding, website management, database construction and multimedia editing. All professionals involved must also have sufficient knowledge of legal questions, with particular regard to traditional copyright and open licenses.
III. Funding agencies
It is important that funding agencies take into consideration the needs of scientific communities, since they decide which digital projects, institutions and infrastructures are supported and how their results are evaluated. Funding agencies need to be aware that digital projects, especially when they include a website, never really end: continuous support beyond the initial funding period is essential (e.g. for server costs and technical maintenance).
We need funding agencies to build specific programs to support collaborative research across national borders, sustainable research infrastructures and practical training in the use of digital research tools.
We need funding agencies to develop new evaluation procedures, which take into account both digital formats and digital qualifications.
- Peer-reviewed texts in print journals can no longer be the only publications to be considered in application and proposal procedures. Various practices of digital scholarly communication, reviewing and publication must be recognised and encouraged.
- The evaluation of Digital Humanities projects should take new criteria into account: scientific quality, technical quality and usage.
- The traditional circle of reviewers needs to be broadened: experts on digital media, computer scientists and engineers have to be included in order to allow reliable evaluation.
- Funding agencies should integrate open peer review and open commentary in their assessment procedures.
What’s next?
Practitioners and observers often regret the slow pace at which infrastructures evolve. While a new research culture is being established, in which the value of digital means and methods will be fully acknowledged, positive action must be taken to adapt academic structures to new research practices. This is a fundamental and very concrete task for everyone, in each academic field and discipline. We can all contribute to this common reinvention.
The first signers were the participants (on-site and online) of the conference “Research Conditions and Digital Humanities: What are the Prospects for the Next Generation?”. To support the manifesto, please leave a comment below.
Pascal Arnaud
Anne Baillot
Aurélien Berra
Dominique Boullier
Thomas Cauvin
Georgios Chatzoudis
Arianna Ciula
Camille Desenclos
André Donk
Marten Düring
Natalia Filatkina
Sascha Foerster
Sebastian Gießmann
Martin Grandjean
Franziska Heimburger
Christian Jacob
Mareike König
Marion Lamé
Lilian Landes
Matthias Lemke
Anika Meier
Benoît Majerus
Claudine Moulin
Pierre Mounier
Marc Mudrak
Cynthia Pedroja
Jean-Michel Salaün
Markus Schnöpf
Julian Schulz
Bertram Triebel
Milena Žic-Fuchs
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Photo: Yes we digital! by Martin Grandjean, CC-BY-SA.
Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/1855
Beitrag im Dreiertakt #dhiha5
von Marion Lamé
Hier nun, umgeschrieben, mein spontaner Beitrag zur französischen Mailingliste “DH” auf Einladung der Organisatoren von #dhiha5. Ihnen danke ich, ebenso wie Marjorie Burghart und Anne Baillot für ihre bereichernde Lektüre. Danke an Anne Baillot, Mareike König und Anja Busch für den Ansporn und die deutsche Übersetzung meines französischen Texts. Die Präsentation bleibt spontan, so wie der Appel und die Blogs es vorsehen. Ich versuche damit auf meine Art und auf eigenes Risiko und daher nicht ohne Ungeschick und ohne Zweifel, mich an der Diskussion zu beteiligen, indem ich mich an den Artikel von Marjorie Burghart anschließe und die Themen des Aufrufs zur Blogparade von #dhiha5 bezüglich der Forschungspraxis, der Anerkennung und der Ausbildung sowie dazugehöriger Überlegungen anspreche.
Funktioniert die Maschine “Computer” mit einem binären System, so scheint mir die dreigliedrige Metapher der drei Ordnungen der Digital Humanities, dargelegt von Marjorie, mit Eleganz und Feinheit der menschlichen Komponente der DH-Problematik Rechnung zu tragen. In Anbetracht und unter Beobachtung dieses fast schon ikonischen Bildes, das sich auf einen längst vergangenen Abschnitt der Geschichte bezieht und das ich mir für die Digital Humanities ebenso vergangen wünschte, könnte man genauso Überlegungen über einen tenären Rhythmus anstellen.
Ehe ich in die Materie einsteige, möchte ich jedoch an eine der Schlussfolgerungen aus meiner ursprünglichen Email erinnern. Ich betrachte das System des Ausdrucks und der Präsentation, zur Verfügung gestellt, sagen wir, durch das Medium “Papier” – oder besser das “analoge (Medium)” – als ein System, dessen Funktionen und Vorteile dem digitalen System gegenüber sehr unterschiedlich und komplementär sind. Dies gilt auch, wenn Letzteres in der Praxis mühelos einen großen Teil dessen ausdrücken und repräsentieren kann, was ein gedrucktes Werk im Stande ist darzustellen. Ich hege gerne den Traum, dass, in einer nahen oder fernen Zukunft, beide zusammenkommen und gemeinsam funktionieren.
Sie einander gegenüber zu stellen, erscheint mir heute wie eine Art falsche Dichotomie. Auch sei hier darauf hingewiesen, dass ich, ohne sie jedoch zu vergessen (sie liegen mir sehr am Herzen) die sozialen und politischen Aspekte nur streifen werde - ich denke z.B. an den freien Zugang zu Daten - die ich der Sorgfalt anderer Think Tanks (die besser dafür Sorge tragen werden als ich) überlasse. Hier ruht der Fokus auf den folgenden drei Fragen, die zwar aus Bequemlichkeit deutlich unterschieden, dennoch eng miteinander verbunden sind. Diese Fragestellungen öffnen den Weg zur praktischen Dimension der Digital Humanities, eine Dimension, die möglicherweise andere Formen der bestätigten Publikation brauchen würden, um anerkannt zu werden.
Drei Fragestellungen
1) Forschung in den digitalen Geisteswissenschaften (und nicht etwa Forschung in den Geisteswissenschaften mithilfe der DH): kann man von DH-Forschung sprechen?
2) Anerkennung: Die Besonderheit der Digital Humanities scheint mir noch sehr implizit und verborgen. Da sie der breiten Öffentlichkeit noch unbekannt sind, ist es nicht immer leicht zu erklären, was digitale Geisteswissenschaften sind und tun. Diese Besonderheit zum Vorschein zu bringen – und damit auch die Form der Publikationen, die damit einhergehen -, ist möglicherweise einer der zahlreichen Schlüssel für ihre Anerkennung. In dem Moment, wo sie zum Vorschein gebracht wird, wird sie auch de facto anerkannt. Mein Beitrag auf der Mailingliste war weder Aufschrei des Herzens noch Ausdruck einer Karrierebesessenheit und auch nicht etwa das Herbeisehnen einer potentiell verknöchernder Institutionalisierung. Vielmehr verstand er sich als das realistische Pendant zu Marjories Metapher der drei Ordnungen, so wie ich sie verstehe: Die Hervorhebung eines zum Ausarten drohenden Ökosystems, weil diejenigen, die in diesem Bereich tätig sind – die laboratores -, der Erschöpfungen nahe sind: Sie fallen der inadäquaten Ausnutzung ihrer Arbeit zum Opfer.
Ob man DH nun als Methode, als Praxis oder als Disziplin – oder aber auch als ein Zusammenspiel von allen dreien – auffasst, es kommt einem tatsächlich seltener in den Sinn, es gegenüber der Arbeit von Ingenieuren, Ärzten oder Soziologen - im Alltag oder in der Forschung - an Anerkennung mangeln zu lassen, weil ihre Tätigkeitsfelder bekannt sind. Auch wenn es heikel sein mag dies zu schreiben, müssen wir doch den Mut aufbringen zu bekennen, dass zwischen unterschiedlichen Projekten Überschneidungen auftreten, die zu erklären bisweilen schwer fallen, da Querverweise (u.U. in Ermangelung einer anerkannt zitierbaren Form der Veröffentlichung der Egebnisse) nicht einzubauen sind. Sollte die Form, der in den Digital Humanities verfassten Beiträge, neu erfunden werden, um nicht länger Arbeiten aus der Informatik oder den Geisteswissenschaften reichhaltig nachzuahmen, ohne aber gleichwertig zu sein? Dies könnte der Arbeit der laboratores einen würdigen Platz verleihen. Was also ist eine Veröffentlichung in den Digital Humanities? Und was macht den Wert ihres Inhalts aus? Welche Publikation wird anerkannt, oft benutzt und laufend als Referenz zitiert, weil sie tatsächlich verwendet für die Realisierung eines Projektes?
3) Ausbildung in den DH: Seit einigen Jahren werden dankenswerterweise Ausbildungen im Bereich der DH aufgebaut. Diese könnten sich drei Ziele setzen: übliche Praxis, spezialisierte Praxis und Forschung. Es würde darum gehen, technische Kompetenzen und wissenschaftliche Kenntnisse zu erwerben, vor allem, wenn auch nicht ausschließlich, in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Einzubeziehen sind auch theoretische Aspekte, die zu einer Eigenständigkeit des Denkens und zu einem kritischen Umgang mit den Instrumenten führen würden. So scheint es mir merkwürdig, Programmierung zu unterrichten, ohne zuvor verständlich zu machen, was ein Algorithmus ist und die Leute zig-Mal ihre XML-Codes nachprüfen zu lassen, weil Oxygen ihnen signalisiert, die Datei sei nicht “well formed”, ohne sie jemals darin einzuweisen, was Formalismus ist. Solchen Unterricht habe ich dennoch erlebt. Einige wissen es, Andere nicht; einige Curricula passen sich dem an, andere nicht. Warum werden formale Logik und Zahlen, die doch Säulen der Digitalisierung sind, in den DH vernachlässigt?
Wie dem auch sei: Ebenso wichtig erscheint mir das eigene Grundwissen der Informatik, Mathematik, Philosophie, Linguistik, die in DH eine Rolle spielen, sowie zahlreicher weiterer Disziplinen. Die Liste könnte lang sein: Es bleibt überraschend, dass Studierende und manchmal auch Nicht-Studierende autodidaktisch und so als würde es sich um den Heiligen Gral handeln, zentrale Lehren, wie – um nur zwei Beispiele zu nennen, – den Memmex von Vannevar Bush, die Turingmaschine oder auch andere Wissensfelder wie die Semiotik entdecken. Warum muss es so sein?
Schließlich könnte man DH-Curricula erarbeiten, indem man jedermann den nötigen digitalen Raum eröffnet, um dort die Themen und die einschlägige Bibliographie zu deponieren, deren Kenntnis und Beherrschung seiner Meinung nach eine tragende Säule eines solchen Curriculums bilden sollten? Was, wenn wir jetzt und hier versuchen würden, eine solche Liste auf die Beine zu stellen, selbst wenn es ein wenig durcheinander geschieht?
Digital Humanities: Fragen der Praxis oder Praxisfragen
Diese drei Achsen machen aus den DH noch keine Disziplin. Meines Erachtens sind die DH keine Disziplin in dem Sinne, in dem man manchmal lesen kann, dass Medizin weder tatsächlich eine Disziplin noch tatsächlich eine exakte Wissenschaft, jederzeit tadellos reproduzierbar, sei ((« Nos connaissances, fondées sur l’observation et l’expérience, tendent au maximum d’exactitude compatible avec les fluctuations des phénomènes de la vie. » Jean Starobinsky, Histoire de la Médecine, S. 6.)). Im Zusammenspiel von Genauigkeit und Ungenauigkeit sei sie vielmehr eine Kunst, angewandt auf die Kenntnis des und die Einwirkung auf den Menschen, um nicht zu sagen des Lebendigen im Allgemeinen (normal und krankhaft), die unterteilt ist in übliche Praxis, spezialisierte Praxis und Forschung und die sich in einer Konstellation höchst facettenreicher Disziplinen ineinanderfügt. Von diesen sind einige grundlegender – aber nicht wichtiger als andere – und sie stützen sich, in einem Verhältnis der Abhängigkeit und dennoch autonom bleibend, auf harte Wissenschaften, auf Techniken und Technologien, die sie sich aneignen und die es solide zu beherrschen gilt, ohne deshalb Physiker, Biologe oder Mathematiker zu sein. Unter Umständen ist es sogar von Vorteil, dies nicht zu sein. Das Umgekehrte aber wäre problematischer, denn um Humanismus geht es immer, wenn man sich das Humane als Forschungsfeld aussucht. Der Schriftsteller und Historiker (und übrigens auch Arzt) Jean Starobinski schrieb: “[Medizin] ist in Macht verwandeltes Wissen.” ((Ebenda.)) Wenn DH Ausdruck und Darstellung, wie sie zu Papier gebracht werden, ergänzen, verpflichten sie auch dazu, die menschliche Vernunft in dem Mittelpunkt zu stellen, indem sie sie in ihrer ganzen Blöße zeigen: Wenn e:s eine Frage von Macht ist, so kann man verstehen, dass DH bewegen, Widerstand und Neid hervorrufen. Was können wir tun?
Selbst wenn diese Analogie mit der Medizin schnell auf ihre Grenzen stößt - die Struktur der medizinischen Kunst bereichert sich an kulturellen Unterschieden und wird in seiner Funktionsweise von Kritik nicht ausgenommen sein -, könnte sie ein wenig Licht auf manche Realität der Digital Humanities werfen, wie:
1) Was ich in meinem professionellen Arbeitsalltag “Problemstellungen der Digitalisierung” bezeichne.Sie sind in DH-Projekten kontinuierlich präsent und deren Bedeutung sicherlich nicht zu unterschätzen. Warum und wie definiert, repräsentiert, behandelt und drückt man einen solchen wissenschaftlichen Untersuchungsgegenstand und die damit verbundenen Phänomene aus?
2) Was ich in meinem Arbeitsalltag als “Digitalisierungsakte” bezeichne und die sich aus der Problematisierung ableiten lassen: Ausprobieren, Anwendung von Standards, Suche nach noch zu erfindenden] Lösungen, Fallstudien, Evaluierungsprotokolle durch die Gemeinschaft, Erstellung von Prototypen, …
3) Der vielgestaltige Charakter dessen, was es verdienen würde, auf dem Publikationsmarkt aufzutreten. Denn weder das Digitalitisierungsprojekt, das im Idealfall nicht einem Forscher, sondern einem Projektmanager anvertraut wird, noch dessen Ergebnis sind offensichtlich publizierbare Ergebnisse. Dennoch lösen beide zahlreiche Forschungen aus, die, obwohl nicht gleich mit diesem, dem Projekt dienlich sind: Auch diesen Ergebnissen sollten im öffentlichen Raum mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung geschenkt werden, denn auch sie und die sie produziert haben sind dem Forschungsökosystem nützlich. Es sind dies methodische Ansätze, Begrifflichkeiten, Protokolle, Prototypen, Plug-Ins, Fallstudien, Beweise, welche Schwierigkeiten aufzeigen bzw. auflösen und dabei auf bessere Praktiken zusteuern. Diese aber bürgern sich so leicht ein, dass sie zu Evidenzen werden, die im Nachhinein dermaßen überstrapaziert sind, dass man sie zu Unrecht auf dem Publikationsmarkt für wertlos hält. Ebenso scheint mir der in den Sozial- und Geisteswissenschaften bzw. in Informatik übliche Rahmen, in dem in Aufsatzform veröffentlicht wird, ungeeignet, um einer für DH grundlegenden Tätigkeit gebührend Raum zu verleihen: nämlich dem Ausarbeiten formeller Modelle.
4) Die Forschungen, die in den Digital Humanities unternommen werden, um die Ausdrucks- und Repräsentationsfähigkeit von Informationsverarbeitungssystemen auszuweiten. Diese Forschungen werden von Wissenschaftlern durchgeführt, die sich manchmal mit ihrem Status als DH-Forscher stark identifizieren und das selbst, obwohl es sich bei diesen weder um eine Wissenschaft, noch um eine Disziplin handelt. Als solche können DH derzeit keine Karrieren vorantreiben, da die in diesem Bereich produzierten Ergebnisse sich nicht in das Anerkennungssystem einfügen, das mit dem heutigen Publikationsmarkt zusammenhängt.
5) Die Eigenart der DH, weder wirklich Wissenschaft, noch Disziplin, aber fachliche Methode, die auch in einer Philosophie des Handelns sinnträchtig wird, zu sein ((Interessant ist dieser Blogbeitrag von Guido Koller, der unter Bezugnahme auf Pierre Bourdieux zu einer Reflektion über die Theorie der Praktiken der DH aufruft: «Digital Humanities: Short Outline of a Theory of Practice » http://wethink.hypotheses.org/468)). Durch ihr Ausmaß und ihre Komplexität verlangt diese Praxis, sich in einem akademisch anerkannten Ausbildungsgang zu organisieren im Sinne der oben erwähnten Dreifächerung in Allgemeinbildung, Spezialisierun und Forschung. Dies reicht, meines Erachtens, weit über ein Masterdiplom oder hier und da in den Fakultäten verstreute Module hinaus, und sei es nur aufgrund der zur Einarbeitung benötigten Zeit.
Aus den Skavenfesseln heraus zur Veröffentlichung
Selbst wenn die digitale Abbildung menschlichen Wissens nicht auf physische, elektrotechnische, mathematische oder formallogische Eigenheiten reduzieren lässt, dürfen diese tatsächlich nicht vernachlässigt werden.
Ebenso hören die Digital Humanities nicht bei Technik, Informatik und Wissen auf – Fachbereiche, die man in gewisser Hinsicht als Äste der DH verstehen könnte. Die Praxis des Digitalen wären in diesem Sinne als ganzeihtlicher Ansatz zu verstehen, der zur Synthese leitet und bei dem der Einfluß der Annalenschule und der französischen Historiographie noch immer nachwirkt, ohne damit gleichzustellen sein. Diese Praxis des Digitalen schliesst somit auch (aber nicht nur) methodische Überlegungen ein, auch solche, die sich mit dem Platz und der gesellschaftlichen bzw. epistemologischen Wirkung der Digitalisierung sowie dem Bewußtsein ihrer Einbindung in einem historischen Kontinuum auseinandersetzen.
Wie viele vielleicht festgestellt und besser als ich verstanden haben, frage ich mich, ob die Konstituierung von DH – betrachtet durch das Prisma des einen (Informatik) oder anderen (Sozial- und Geisteswissenschaften) Ansatzes -, nicht etwa einer “wissenschaftlichen Ideologie” entspringen, wie sie einem anderen Mediziner und Philosoph, Georges Canguilhem, so teuer war. Wenn das der Fall wäre, würden dann diese Herangehensweisen nicht selbst die größte Bremse sein, auch in Formatierungsfragen? Langsam und schwierig ist nämlich die Ausgestaltung einer professionellen Kommunikation, die auf dem Publikationsmarkt ihren Platz finden und dennoch den DH angepasst wäre. Aber der Traum einer solchen lässt mich nicht los: Expliziter wäre sie, einfacher, und dennoch nicht weniger komplex, und emanzipiert von dem Modell einer literarischen bzw. mathematisch-informatischen Rhetorik.
Ich wäre glücklich hier in den Kommentaren oder woanders konkrete Beispiele egal zu welchem der hier angesprochenen Themen zu lesen: Beispiele für eine vollständige Ausbildung über fünf oder sieben Jahre bzw. sogar mehr, Beispiele für gelungene Veröffentlichungen, Fallstudien, die zu Referenzgrößen geworden sind incl. der Gründe dafür, Thematiken, die in die Grundkenntnisse der DH eingegliedert gehören, Autoren, Werke und Hoffnung gebende Gegenbeispiele, die den Übergang belegen; ich werde gerne meine Beispiele dazufügen. Im Seminar “Digital Humanties” ((Seminar « Digital Humanities. Les transformations numériques du rapport aux savoirs » du 24 mars 2013 « DH EHESS : humanités numériques italiennes » http://philologia.hypotheses.org/1091 und htp://www.ehess.fr/fr/enseignement/enseignements/2012/ue/324/)) vor kurzem, haben die Beiträge der Seminarteilnehmer Paul Bertrand sagen lassen, dass die Organistion der geisteswissenschaftlichen Disziplinen selbst, Disziplinen, die auf sozialen Konstrukten beruhen, einer neuen Ordnung bedürfen, jedoch ohne tabula rasa. Was den dreiteiligen Aufbau der Metapher Marjories hervorbringt, ist für mich, dass in einer solchen Organisation sich der Mensch letztlich nur schwer entfalten kann. Die Gesellschaftsordnung, auf die Marjorie sich bezieht, wurde glücklicherweise 1789 abgeschafft. Werden wir es schaffen, im Lichte dieser gemeinsamen, neu aufgenommenen Überlegungen im Rahmen des fünften Kolloquiums zum Thema DH des Deutschen Historischen Instituts, für die Digital Humanities einen weiteren Schritt in dieselbe Richtung zu machen?
Autorin
Marion Lamé
Wissenschaftsblog : Épigraphie en Réseau
Zitierte Literatur
CANGUILHEM, George. « Qu’est-ce qu’une idéologie scientifique », Idéologie et rationalité dans l’histoire des sciences de la vie. Paris : VRIN. Édition de poche, 2009, S. 39-55. 1977.
STAROBINSKI, Jean . Histoire de la médecine. [Lausanne] : Rencontre ; [Genève] : Erik Nitsche International, 1963.
Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/1744