Es ist ein gutes Zeichen für den Fortschritt der Social Media Nutzung und der Vertrautheit mit Web 2.0-Komponenten in den deutschen Archiven, wenn es möglich ist, eine Blogparade zu veranstalten, die sich nicht nur, aber explizit an Archivare als Autoren richtet, und mit der um Mitteilungen über den fachbezogenen Umgang der Archive mit Blogs gebeten wird. Setzt man da nicht zu viel Aktivität und Interesse seitens unserer Zunft voraus, ist der potentielle Teilnehmerkreis nicht arg klein, möchte man fast fragen? Die mit Spannung erwartete Zusammenfassung der veröffentlichten Beiträge am Ende der Parade wird hierüber Aufschluss geben.
Nun ist das Universitätsarchiv Bayreuth, das im März 2013 gegründet wurde, noch sehr jung. Nach dem Einzug der ersten Bestände in ein adaptiertes und nun gut ausgestattetes Magazingebäude steht der „Ansturm“ der ersten Nutzer unmittelbar bevor. Derzeit 96 Facebook-Fans und 97 Twitter-Followers sind insofern nicht die unbeachtlichsten Zahlen. Die ersten Blogbeiträge folgten kurz darauf im Juni in “Archivalia” und “Archive 2.0″. Der Aufbausituation des neuen Archivs entsprechend, waren die Themen in den Blogbeiträgen weniger mit tagesaktuellen Archivalien und dem andernorts üblichen Tagesgeschäft verwoben. Vielmehr stehen eher Grundsatzfragen und Methodisches auf dem Programm. Da ging es um Metadatenmodelle von Erschließungssoftware ebenso wie um den Provenienzbegriff bei der Bestandsdefinition. Unser Leitbild ist das Streben danach, dem Nutzer via Internet Teilhabe und Teilnahme zu ermöglichen, das, was man heute Partizipation nennt.
Archive 2.0 als Baukasten der Partizipation
Die Beiträge der Teilnehmer der ersten Tagung „Offene Archive? Archive 2.0 im deutschen Sprachraum (und im europäischen Kontext)“ im November 2012 in Speyer äußerten sich noch relativ verschieden hinsichtlich ihres Verständnisses, was der Terminus „Archive 2.0“ beinhalte. Einer der vorgetragenen Gedanken war, dass Archive 2.0 nicht zuletzt ein Baukasten von Methoden und Instrumenten aus dem Umfeld der Web 2.0-Technologien sei, um damit Dritte in die Kernarbeiten eines Archivs einzubinden und partizipieren zu lassen.
Archiv 2.0 ist das Archiv, das moderne Internettechnologie einsetzt, um Nutzer an der Erschließung zu beteiligen, um Foren zu Bewertungsfragen bereitzustellen, um Archivaliennutzung zu virtualisieren und mit Personen und Institutionen in kollaborative Projekte zu treten. Die dafür geeigneten Technologien erlauben auch projektbezogene Kooperationen von Archivaren, zum Beispiel in ortsversetzten gleichzeitigen Erschließungsarbeiten am selben Bestand auf der Grundlage digitalisierten Archivguts. Auch der Aufbau virtueller Bestände auf der Grundlage gemeinsamer Leitlinien, die über die sozialen Medien diskutiert und vereinbart werden, kann eine Form der Bestandsbildung im Archive 2.0-Verbund sein.
Zusammengefasst geht es darum, eine Community zu koordinieren, den Interessen ihrer Mitglieder zu entsprechen, eine virtuelle Arbeitsumgebung zu schaffen und das freigesetzte Potential für die Erreichung nutzer- und serviceorientierter Ziele einzusetzen. Hier ist noch viel zu tun, doch Ansätze dazu sind allenthalben zu erkennen. Man sehe auf das Digitale Historische Archiv der Stadt Köln, auf die Planungen zur Nutzerbeteiligung in Archivportalen wie EHRI und dem Archivportal Europa, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Hinzu kommt der Einsatz der Social Media für die Fachdiskussion und den fachlichen Austausch auf kurzen Wegen. Die geschlossene Facebook-Gruppe „Archivfragen“ beispielsweise hat sich dafür bereits gut qualifiziert und umfasst heute bereits 269 Mitglieder aus dem In- und Ausland.
Was Archive 2.0 nicht sein sollte, ist eine Fassade für eine zusätzliche Aufgabe mit dem Charakter allein einer weiteren Komponente der allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit mit dem Angebot informeller Kurzkommunikation als propagablem Novum. Freilich soll der Nutzen für die Außendarstellung auch dann nicht verneint oder abgelehnt werden.
Der Blog und das „Prosumieren“
Die Blogbeiträge des Universitätsarchivs Bayreuth betrafen bisher die Themenfelder Dokumentationsprofil, Tagungsdokumentation, Software und Methode der Erschließung. Dahinter war immer die Absicht gestanden, die Leser zur Diskussion zu ermutigen und auf diese Weise Work in Process zu „prozessieren“. Denn das darf der Blog sein: Ein Publikationsforum für Work in Progress, für Ware, die erörtert, korrigiert, fortgeführt und praxistauglich gemacht werden will.
Am 25. Juni 2013 erschien der erste Beitrag: „Ein Dokumentationsprofil für ein Universitätsarchiv – Teil 1: Grundlegung“. Dem folgten zwei weitere Teile. Eine Diskussion ergab sich nicht. Bis heute folgten noch vier Artikel, die insgesamt vier Diskussionsbeiträge zeitigten. Wurde das ursprünglich mit dem Bloggen angestrebte Ziel der konstruktiven Kommunikation mit dem partizipierenden Internetuser demnach nicht erreicht? Innerhalb des Blogs wurde zwar kaum diskutiert, jedoch entspannte sich als Folge in mehreren Fällen ein konstruktiver E-Mail-Verkehr. Auch das Abtauchen in die Nichtöffentlichkeit kann ein Weg des Prosumierens sein, analog zur geschlossenen Facebook-Gruppe oder zum privaten Chat. So willkommen diese Form der Kommunikation auch ist, so darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die technischen Instrumente, die für den Blog typisch sind, auf diese Weise umgangen werden und deshalb zu hinterfragen sind. Ist der Blog demnach für unser Archiv weiterhin ein geeignetes Medium?
Blogs dienen als Publikationsforen, in denen Veröffentlichen und gegenseitiges Austauschen ohne monatelange Wartezeiten auf die nächsten Ausgaben eines Printmediums möglich ist, in denen Material zur Nachnutzung bereitgestellt und ohne sofort sichtbare Spuren ausgewertet, verlinkt und erneut kontextualisiert wird. Das dazu erforderliche Informationsangebot wollen wir unseren potentiellen Nutzern und den übrigen am Archiv interessierten Kreisen nicht entziehen. Immerhin gab es für die bisherigen Beiträge des Universitätsarchivs doch 144 Verlinkungen zu den Social Media Facebook, Twitter und Google+, so dass die Texte offenbar durchaus Leser gefunden haben. Fraglich bleibt dabei, ob das bloße Weiterkommunizieren via Links in die Social Media bereits als Prosumieren bezeichnet werden kann, oder ob die Grenze vom Web 1.0 zum Web 2.0 damit nutzerseits vielleicht noch gar nicht wirklich überschritten wurde.
Der Blog als öffentliche Partizipationsplattform
Wird das Universitätsarchiv Bayreuth also auch künftig in Weblogs auftreten? Es darf nicht übersehen werden, dass die wissenschaftliche Akzeptanz dieses Mediums und der darin erfolgten Veröffentlichungen als seriöse und zitable Beiträge erst zuzunehmen begonnen hat, und dass Strategien zu einer weithin gut wahrnehmbaren Verbreitung von Blogbeiträgen auch erst ansatzweise befriedigend funktionieren. Doch geradezu täglich lässt sich die Dynamik beobachten, mit der die Bedeutung des Bloggens in den aufstrebenden „Digital Humanities“ vorangetrieben und die erforderlichen virtuellen Infrastrukturen optimiert werden.
Deshalb, und weil es unser Anliegen bleibt, die Möglichkeit zur öffentlichen Partizipation zu geben, werden aus unserem Archiv auch künftig Texte in Blogs wie „Archive 2.0“ oder „Archivalia“ und Materialien auf Plattformen wie Slideshare veröffentlicht werden.
Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1231