Archivists meet Historians – Transferring source criticism to the digital age

Als Participant bei NFDI4Memory bringt die Archivschule Marburg – Hochschule für Archivwissenschaft – 2023 ihr 27. Archivwissenschaftliches Kolloquium am 13. und 14. Juni 2023 zusammen mit dem Herder-Institut für historische Ostmitteleuropa­forschung, Institut der Leibniz-Gemeinschaft in Marburg, in den Prozess ein. Unter dem Rahmenthema „Archivists meet Historians – Transferring source criticism to the digital age” steht die Frage nach der Quellenkritik im digitalen Zeitalter im Zentrum.

Programmskizze

Die moderne Geschichtswissenschaft ist aus der Arbeit mit Archivgut und den daran entwickelten quellenkritischen Methoden entstanden. Diese Methoden sind überwiegend textbasiert und in der Nutzung dadurch begrenzt, dass die Texte fest mit dem Trägermaterial verbunden sind. Seit den 1990er Jahren beschäftigen sich Archive verstärkt mit digitalen Unterlagen, die aus Informationen bestehen, die nicht an ein Trägermaterial gebunden sind.

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Quelle: https://digigw.hypotheses.org/4581

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Tagungsbericht: Born digitals und die historische Wissenschaft – Annäherungen an eine Quellenkunde für genuin elektronisches Archivmaterial

Am 30. und 31. August 2022 fanden sich etwa 30 Teilnehmende aus dem deutschsprachigen In- und Ausland, sowohl aus der archivischen als auch der geschichtswissenschaftlichen „Community“, im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Standort Duisburg, zusammen, um sich in einem zweitägigen Workshop mit dem Thema „born digitals und die historische Wissenschaft – Annäherungen an eine Quellenkunde für genuin elektronisches Archivmaterial“ zu befassen.

Der Workshop gliederte sich in drei Sektionen, deren Einzelthemen von jeweils einer Person aus dem Kreis der Archive und einer Person aus der Community der Geschichtswissenschaft vorgetragen wurden. Diese „community“-übergreifenden „Tandems“ sollten der Befruchtung und Belebung des Dialogs zwischen Archiven und historischer Forschung dienen, da auf diese Weise jedes Thema von zwei Seiten bespiegelt wurde und den Teilnehmenden unterschiedliche Zugänge und Fragestellungen zum jeweiligen Thema vermittelt werden konnten.

Mittlerweile wurde ein Tagungsbericht zum Workshop von Martin Schlemmer auf Zenodo veröffentlicht: https://doi.org/10.5281/zenodo.

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Quelle: https://digigw.hypotheses.org/4576

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Digitales Comeback

„Der wertvollste Dreckhaufen der Welt“[1], „Schätze aus dem Schlamm“[2] oder „Wenn ein Archiv an Demenz leidet“[3] – so lauten die aussagekräftigen Zwischenüberschriften im Sonderband der Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln „Geschichte mit Zukunft. 10 Jahre Wiederaufbau des Kölner Stadtarchivs“. Es handelt sich um Zitate aus überregionalen Medien, die beim ersten Durchblättern des Buches ein lebendiges Bild von zehn Jahren Rettungsarbeit erzeugen. Stellenbeschreibungen mit der für ArchivmitarbeiterInnen eher ungewöhnlichen Anforderung „Bereitschaft zur Reisetätigkeit innerhalb der Bundesrepublik“[4] erinnern an die verschiedenen Standorte und Asylarchive. Viele hochaufgelöste Fotos und Detailaufnahmen beeindrucken mit unter Mauerresten hervorschauenden, zerstückelten Archivalien, schwer zu bändigenden „Blumenkohl“-Akten und fertig restaurierten Evangelarien aus dem Mittelalter.

Die Katastrophe am 3. März 2019, die zwei Todesfälle verursachte und das sechsstöckige Archivgebäude im Erdboden versinken ließ, hat einen seit dem Zweiten Weltkrieg in Europa unvergleichlichen Schaden verursacht.[5] Ein Jahrtausend Stadtgeschichte in Form von 22 Regalkilometern Archivgut, drei laufenden Kilometern Bibliotheksgut und 330.000 Karten, Pläne und Plakate wurden zertrümmert und unter Bauschutt vergraben.

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Quelle: http://histrhen.landesgeschichte.eu/2020/03/digitales-comeback/

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Papierkrieg gegen Napoleon


Diplomatische Note, 1815 März 29, NLA - Hannover - Dep. 110 A Nr. 53
Diplomatische Note, 1815 März 29, NLA – Hannover – Dep. 110 A Nr. 53. Vorschau, zur Vollansicht auf den Seiten des Archivs bitte klicken.

Das Niedersächsische Landesarchiv hat auf seiner Website ein schönes Aktenstück online gestellt (via Augias.Net). Es führt uns in die dramatische Pause des Wiener Kongresses, als im März 1815 Napoleon aus dem Exil zurückkehrte. Die Kollegen in Hannover haben den historischen Zusammenhang dargestellt. Hier geht es, natürlich, um aktenkundliche Fragen.

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Ausschnitt 1: Halbbrüchige Beschriftung
Ausschnitt 1: Halbbrüchige Beschriftung

Der erste Eindruck: halbbrüchig beschrieben. Abgesehen von dem Anlagenstrich oben auf S. 1 und der Innenadresse unten auf S. 2 bleibt die linke Spalte leer. Halbbrüchigkeit ist charakteristisch für Entwürfe jeglicher Art und für Berichte an vorgesetzte Instanzen. Hier handelt es sich aber um eine relativ sauber geschriebene Ausfertigung, die – nun geht es an den Inhalt – zwischen Unterhändlern verschiedener Staaten auf dem Wiener Kongress gewechselt wurde. Die Streichung auf S. 2 ist allerdings ungewöhnlich und deutet auf große Eile hin. Gerade in der Diplomatie werden Schriftstücke gewöhnlich besonders sorgfältig ausgefertigt.

Ein Schriftstück der Mitteilung unter Gleichgeordneten also. Die großzügige Aufteilung des Blatts ist Teil des besonderen Zeremoniells, das diplomatische Schriftstücke bis heute auszeichnet. Der genaue Schriftstücktyp ergibt sich aus den Formularbestandteilen, genauer: aus der Eingangsformel “Les Soussignés ont reçu l’ordre de communiquer” …

Ausschnitt 2: Eingangsformel
Ausschnitt 2: Eingangsformel

… und der Schlussformel “Les Soussignés ont l’honneur de présenter à Son Excellence l’assurance de sa haute considération”.

Ausschnitt 2: Schlussformel
Ausschnitt 2: Schlussformel

Damit handelt es sich um eine klassische diplomatische “Note”, einen Schriftstücktyp mit sehr reduziertem Formular, der im unpersönlichen Stil abgefasst wurde. In der besonderen Abwandlung der nicht unterschriebenen “Verbalnoten”, in denen Behörden statt Personen als Korrespondenten figurieren, gibt es die Noten bis heute. Als persönliche Korrespondenz wurden sie allerdings im frühen 20. Jahrhundert von Schreiben im Ich-Stil nach dem Formular des französischen Privatbriefs verdrängt (dazu demnächst Berwinkel 2015).

Noch genauer handelt es sich um eine Kollektivnote, denn es zeichneten mehrere Verfasser dafür verantwortlich. Und ganz genau muss es eine von mehreren Kollektivnoten mit größtenteils gleichlautendem Text gewesen sein, denn neben Hannover wurden auch die anderen deutschen und europäischen Staaten zum Beitritt zur Vier-Mächte-Konvention vom 25. März 1815 aufgefordert, dem Bündnis gegen Napoleon, um das es hier ging. In der Diplomatie spricht man passend von “Identischen Noten”.

Für ein Regest könnte man den Inhalt des Stücks so zusammenzufassen: Übersendung des Texts der Vier-Mächte-Konvention, Einladung zum Beitritt Hannovers und Bevollmächtigung der Unterhändler für die Verhandlungen zu diesem Zweck. Letzteres war essentiell bei völkerrechtlich bindenden Vertragsverhandlungen in Abwesenheit der Souveräne (Bittner 1924: 146 f.); deshalb auch die ausdrückliche Berufung auf die erhaltene Weisung in der Eingangsformel, mit der die Identität der Absichten von Souverän und Unterhändlern bekundet wird (vgl. Martens 1866: 62).

Moment. Der König von Großbritannien ermächtigt einen Unterhändler, Verhandlungen mit dem Vertreter des Königs von Hannover aufzunehmen?

Die Regierungsgeschäfte Großbritanniens und Hannovers blieben unter der 1714 begründeten Personalunion getrennt. In London gab es eine Deutsche Kanzlei mit einem Minister, der zwischen dem hier als König residierenden Kurfürsten (ab 1814 doppelt König) und der heimischen Verwaltung vermittelte. De jure wollte Georg III. (bzw. der Prinzregent, sein gleichnamiger Sohn) hier in der Tat über mehrere Ecken mit sich selbst verhandeln. Die staatsrechtliche Konstruktion zwang dazu.

Der hannoversche Unterhändler in Wien war just der Minister der Deutschen Kanzlei, Ernst Graf Münster. An ihn ist die Note Clancartys, Humboldts, Metternichs und Nesselrodes adressiert. Wäre das Stück außerhalb des archivischen Zusammenhangs überliefert, würden wir als Provenienz wohl den Aktenbestand dieser Kanzlei vermuten. Tatsächlich entstammt es aber dem auf Ernst Graf Münster zurückgehenden Teil des Münsterschen Familienarchivs, das heute am Standort Hannover des Niedersächsischen Landesarchivs verwahrt wurde.

Auch ohne den übrigen Inhalt jenes Aktenbandes mit der Signatur NLA – Hannover – Dep. 110 A Nr. 53 zu kennen, lässt sich mit einiger Berechtigung vermuten, dass es sich um Kommissionsakten handelt. Darunter versteht man Handakten, die ein Beamter auf eine auswärtige Mission mitnahm und nach deren Beendigung an die Registratur seiner Behörde zurückgeben haben sollte. Was häufig aber auch nicht geschah. Dann findet man Kommissionsakten, im Grunde entfremdetes dienstliches Schriftgut, eben in  Nachlassbeständen, hier als Teil eines Familien- und Gutsarchivs.

Literatur

Berwinkel, Holger 2015. Der diplomatische Schriftverkehr im 20. Jahrhundert. In: Archiv für Diplomatik 61. Im Druck.

Bittner, Ludwig 1924. Die Lehre von den völkerrechtlichen Vertragsurkunden. Stuttgart.

Martens, Charles de [Karl von Martens 1866. Manuel diplomatique. Précis des droit et des fonctions des agents diplomatiques et consulaires […]. 5. Aufl, hg. v. M. F. H. Geffcken, Bd. 2. Leipzig/Paris. (Online – wie auch die erste Auflage von 1822, die näher an den Ereignissen ist, die Stilformen aber nur durch Beispiele erläutert.)

Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/358

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