Zum Wechselverhältnis semantischer und materieller Innovation in Gewaltordnungen [1]
Andrea Kretschmann
Mit Weber bringt das von Sofsky, Schlichte, Elwert und anderen geprägte Konzept der Gewaltordnungen zum Ausdruck, dass staatliche Gewalt der Organisation bedarf. Über Weber hinausgehend verweist es auf das Wechselverhältnis von Gewaltordnung und sozialem Wandel. Restrukturierungen der Regeln legitimer Gewaltausübung lassen sich dabei nicht immer als bloße Reaktionen auf äußere Gegebenheiten verstehen. Manchmal kann die Art und Weise, wie staatliche Gewalt organisiert ist, selbst der Motor für den Wandel einer Gewaltordnung sein, insofern ihr – dies hat prominent Elwert betont – eine sozialkonstitutive Qualität zukommt, aus der sich im Weiteren neuartige Handlungsbedürfnisse ableiten.
Als ein geradezu paradigmatischer Fall für eine solche Verschiebung einer Gewaltordnung – hier der bundesrepublikanischen – lässt sich die Entstehung der Figur des Gefährders verstehen. Denn sie entsteht aus der Organisations- und Denkweise eines spezifischen kriminalpolitischen Kontextes, und verändert diesen dann, da sie neuartige polizeiliche Interventionen notwendig erscheinen lässt. Die Verschiebung ist hierbei weniger quantitativer als qualitativer Art: Sie prozessiert vor allem ein Verständnis von Strafverfolgung, das über ein klassisches Verständnis liberaler Rechtsstaatlichkeit hinausgeht.
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Quelle: https://gewo.hypotheses.org/409




