Von Köln über Barcelona zur DDR-Geschichte

Weinert

Es ist die quälende Ungewissheit, die der Film “Die Familie” von Stefan Weinert so plastisch darstellt. Weinert erzählt die Geschichte der Familien von Mauertoten. Bis heute wissen manche von ihnen nicht, was ihren Söhnen, Ehemännern oder Brüdern tatsächlich zugestoßen ist.

Auf der 7. Geschichtsmesse in Suhl präsentierte Weinert seinen Film “Die Familie”. Im “MONTAGSRADIO – Vor Ort” spricht er mit Miriam Menzel und Patrick Stegemann über seinen Weg vom Schauspieler zum Filmemacher und erklärt, warum er erst von seiner Heimatstadt Köln nach Barcelona gehen musste, um sich intensiver mit der DDR auseinanderzusetzen.

Der Film “Die Familie” wurde mittlerweile mit dem “Cinema for Peace”-Award ausgezeichnet, hier ein visueller Vorgeschmack.

Die Reihe “MONTAGSRADIO – Vor Ort in Suhl” wurde gefördert von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

 

Für einen schnellen Überblick: die Timeline zum Gespräch mit Stefan Weinert

0:35 Worum geht’s im Film “Die Familie”?

1:34 Wie kamst du zu den Protagonisten?

2:45 Vom Schauspiel zur Zeitgeschichte

7:00 Probleme als Westdeutscher und “Aufarbeitungsneuling”

12:00 Klassische Dokumentarfilme sind alle gleich – mit diesen Rezeptionsgewohnheiten möchte Weinert brechen.

13:00 Weinert vertraut der Kraft der Zeitzeugen.

15.20 Wie hält man als Filmemacher das Leid der Zeitzeugen aus, das im Film ja so eine große Rolle spielt?

17.45 Was ist die Grenze der Brutalität, die im Film gezeigt werden kann?

19.10 Was leistet der Film eigentlich?

22:00 “Cinema for Peace”-Award, aber kein Sendeplatz im deutschen Fernsehen!?

23:20 Wie kommt Film international an?

27:20 Der Film funktioniert in Spanien besser als in Westdeutschland – entscheidend ist die Diktaturerfahrung, nicht die regionale Nähe.

34:00 Montagsradio Fragebogen

35:00 Stefan Weinerts Filmempfehlung: “Die Wohnung”.

Quelle: http://www.montagsradio.de/2014/04/14/von-koeln-ueber-barcelona-zur-ddr-geschichte/

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Farben machen Leute (II): Masken auf der Bühne

Im traditionellen chinesischen Singspiel (“Oper”) erlauben die Farben der Masken Rückschlüsse auf den den einzelnen Rollen zugeschriebenen Charakter. Die folgenden Notizen geben lediglich einen ersten Überblick[1], bedürfen aber wohl noch der Ergänzung und gegebenenfalls mancher Präzisierung und Korrektur.[2].

Ist das Gesicht des Darstellers hinter einer roten Maske verborgen, so wird damit die Rolle des positiven Helden assoziiert, oft ist dies ein Hinweis auf den Kriegsgott Guandi.[3]. Die Farbe Purpur steht einerseits für Pietät, andererseits aber auch für “ruhige, loyale Beamte”.[4]

Blau kennzeichnet die Darsteller “ruchloser und verbrecherischer Personen”[5], es kann aber auch ein Gespenst symbolisieren.[6]

Ein mattes Weiß lässt auf “eine verbrecherische, gerissene, aber in angesehener Stellung befindliche Person”[7] schließen.  Die so dargestellten Charaktere gelten als besonders hinterlistig und werden als “Tofugesichter” bezeichnet – in Anspielung auf die weißgelbe Farbe, die dem “Bohnenkäse” eigen ist.[8]. Die Farbe Schwarz hingegen steht für eine “grobe, aber ehrliche Person.”[9]

Die Farbsymbolik der Masken hat auch Niederschlag in einigen Redewendungen gefunden: so bezeichnet bai bizi 白鼻子 (d. i. “weiße Nase”) eine hinterlistige Person. Ähnliche Beispiele sind chang heilian 唱黑臉 (“eine schwarze Maske tragen”, d.i. “ungeachtet der freundschaftlichen Beziehungen offen und aufrichtig reden”) und chang honglian 唱紅臉 (“eine rote Maske tragen”, d.i. “den Großzügigen und Wohlgesinnten spielen”).[10]

  1. Der Artikel “Pekingoper” des am Ostasieninstituts der Hochschule Ludwigshafen am Rhein erstellten  Ostasienlexikons fällt hinsichtlich unseres Aspekts – und auch nach Korrektur der Wortstellung – eher dürftig aus: “Ein ganz weißes Gesicht besagt, dass die Figur böse ist. Ein rotes Gesicht soll den Mut der Person hervorheben. Ein schwarzes Gesicht ist ein normales [?] Gesicht. Ein weißer Fleck auf der Nase bedeutet, dass die Person komisch ist.”
  2. Kurze Überblicke auch bei Ronald G. Knapp, Michael Freeman: Things Chinese. Antiques – crafts – collectibles (Tokyo/Rutland VT/Singapore 2011) 118 f. (‘Opera Masks’
  3. Vgl. Wolfram Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole. Die Bildsprache der Chinesen (München, 5. Aufl. 1996) 245 (“Rot”).
  4. Ebd., 177 („Lila“ [zi 紫]).
  5. Djin Ping Meh. Schlehenblüte in goldener Vase. Ein Sittenroman aus der Ming-Zeit. Herausgegeben und eingeleitet von Herbert Franke. Bd. 6: Kommentare (Berlin/Frankfurt a. M. 1987) 141 f. (53a).
  6. Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole, 40 („Blau“).
  7. Djin Ping Meh, Bd. 6, S. 142 (53a).
  8. Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole, 301 („Weiß“).
  9. Djin Ping Meh, Bd. 6, S. 142 (53a).
  10. Vgl. dazu Fan Yanqian: Farbnomenklatur im Deutschen und im Chinesischen. Eine kontrastive Analyse unter psycholinguistischen, semantischen und kulturellen Aspekten (Frankfurt a. M. 1996) 262 (mit Anm. 363) und ebd. 270 Anm. 380.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1082

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Der Holocaust-Gedenktag am 27. Januar 2014 in Hamburg

Am 27. Januar 2005, anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau im Jahr 1945, verabschiedete das Parlament der Europäischen Union die „Entschließung zum Gedenken an den Holocaust sowie zu Antisemitismus und Rassismus“.1 Bereits seit dem Jahr 1996 ist der „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus” in Deutschland ein gesetzlich verankerter Gedenktag.2 Der Holocaust-Gedenktag ist über die Jahre in Deutschland zu einem festen Bestandteil der nationalen Erinnerungskultur geworden, zu dem jedes Jahr eine Vielzahl von Gedenk-, Bildungs- und Kulturveranstaltungen stattfinden. […]

Quelle: http://musermeku.hypotheses.org/944

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Wenn Bilder plötzlich lächeln

Blick in den Ausstellungsraum: „Fotografien berühren“, ein Projekt des Ethnologen Michael Kraus und des Szenografiebüros chezweitz

Die Fotografie als scheinbar objektive Darstellungsform gewann im 19. Jahrhundert sowohl qualitativ als auch quantitativ rapide an Bedeutung. Dabei erschien das Medium auch als optimal, um Informationen über andere Kulturen und Völker zugänglich zu machen. Das Ethnologische Museum Berlin-Dahlem besitzt eine stattliche Sammlung entsprechender Aufnahmen von Forschungsreisenden aus zahlreichen Nachlässen, Ankäufen oder Schenkungen. Allein aus Lateinamerika befinden sich über 6000 Stück –  entstanden zwischen 1868 und den 1930er-Jahren – in der Sammlung.

„Fotografien berühren“ lautet der Titel der aktuellen Ausstellung in Dahlem, die sich zum Ziel gesetzt hat, eben jene Fotografien aus Lateinamerika neu zu erschließen und dabei nicht die Forschungsreisenden oder Entdeckungen in den Fokus zu rücken, sondern die Abgebildeten.

Die Präsentation entstand in Kooperation des Ethnologischen Museums mit dem Museum für Asiatische Kunst in Berlin-Dahlem und ist Teil der dritten sogenannten Probebühne des Humboldt Lab. In Vorbereitung auf den Umzug der beiden Museen und ihrer Sammlungen in das im Bau befindliche Berliner Stadtschloss experimentieren Kuratoren und Gestalter mit neuen Ausstellungsformen, die vor allem neue Perspektiven auf die Sammlungen ermöglichen sollen.

[...]

Quelle: https://www.visual-history.de/2013/12/12/wenn-bilder-ploetzlich-laecheln/

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Kulturgeschichte Chinas im Netz (III)

In loser Folge werden Webseiten präsentiert und rezensiert, die sich mit der Kulturgeschichte Chinas im weitesten Sinne beschäftigen. Vgl.  “Kulturgeschichte Chinas im Netz (I)” und “Kulturgeschichte Chinas im Netz (II)”.

Das “Mission Statement” des am Ostasieninstitut der Hochschule Ludwigshafen am Rhein erstellen Ostasienlexikons, als dessen Zielgruppe “weniger die Fachgelehrten als die interessierte Öffentlichkeit” definiert wird, kann auch vielen geisteswissenschaftliche Blogs als Anregung dienen:

“Gibt es nicht bereits umfangreiche China- und Japanhandbücher, die von Fachleuten zusammengestellt wurden? Ja, die gibt es, aber sie wurden eben von Experten geschrieben, denen es oft nicht bewusst ist, dass Laien ihnen nicht immer folgen können. Oft verschwindet das Wesentliche auch unter der Fülle an Information.”[1]

Unter der Rubrik “Neue Artikel” finden sich derzeit Informationen zu den so genannten “Heiligen Bergen Chinas”[2].

Für die Kulturgeschichte Chinas wird man beim Zugriff über die alphabetische Liste rasch fündig – ganz unabhängig davon, ob man die Durchsicht bei A wie “Abakus” (chinesisch suanpan 算盤, Rechenbrett) oder bei Z wie “Zweihundertfünfzig” (erbaiwu 二百五, chinesisches Schimpfwort) beginnt.

Am Ende der einzelnen Artikel werden Querverweise auf verwandte Begriffe beziehungsweise auf die der jeweiligen Kategorie zugeordneten Stichwörter gegeben. Bei “Abakus” sind dies “Alltagsgegenstände” wie Essstäbchen, Fächer, Rückenkratzer und dergleichen. Bei “Zweihundertfünfzig” sind dies “Redewendungen und Redensarten” wie ganbei 乾杯(Prost, Prosit) oder renao 熱鬧 (belebt).

Der Artikel Bauernkalender führt zu weiteren Informationen über Feste und Feiern im Jahresverlauf sowie zu den zwölf Tierkreiszeichen. Die Querverweise unter Tierkreis führen zu einigen zentralen Begriffen für die Kultur(geschichte) Chinas. Unter der ziemlich plakativ betitelten Rubrik “Parawissenschaften und Aberglaube” werden unter anderem Feng Shui, Fünf Elemente, “I Ging”, Orakel, Tetraphobie, sowie Yin und Yang zusammengefasst.

Das Ostasienlexikon ermöglicht rasche Orientierung bei einer Vielzahl von Themen und Begriffen. Alle “Einträge” des Lexikons sind in den alphabetischen Listen mit einer kurzen Erklärung versehen. Bei vielen Stichwörtern und manchen Erklärungen, so etwa bei der Herkunft des Wortes Mandarin, wären weiterführende Literaturhinweise hilfreich und wünschenswert – trotz oder gerade wegen der intendierten Zielgruppe!

  1. “Was will dieses Ostasienlexikon?”, http://www.oai.de/de/publikationen/ostasienlexikon.html
  2. Zu diesem Thema vgl. auch zwei Beiträge auf De rebus sinicis: “Die vier berühmten Berge des Buddhismus” und “Der Kult der fünf Berge”.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/865

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Heute vor 75 Jahren – Ein Mikroblog über den 9. November 1938

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 eskalierte die Gewalt gegen die jüdische Bevölkerung im gesamten “Deutschen Rech”. Die sogenannte “Reichspogromnacht” oder auch “Kristallnacht” hatte die Zerstörung von 267 Synagogen sowie von fast 7.000 jüdischen Gemeindehäusern, Geschäften und Wohnhäusern zur Folge. In den Folgetagen setzten sich gewalttätige Übergriffe gegenüber Juden fort; knapp 30.000 jüdische Bürger wurden in Zusammenhang mit den Novemberpogromen verhaftet und in die Konzentrationslager Dachau, Sachsenhausen und Buchenwald inhaftiert. Im Jahr 2013 jähren sich die Novemberpogrome nun zum 75. […]

Quelle: http://musermeku.hypotheses.org/813

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Wissen suchen, finden und vernetzen – die Fachtagung “Semantische Technologien“ im Rückblick

Titelbild "Semantic Media Web"

Titelbild “Semantic Media Web”

Unter dem Titel „Verwertungsstrategien und Konvergenz von Metadaten” organisierten das deutsch-österreichische W3C-Büro und die Xinnovations e. V. in Zusammenarbeit mit dem Innovationsforum Semantic Media Web vom 26. bis 27. September 2013 in Berlin die Fachtagung “Semantische Technologien”, die sich mit der Nutzbarkeit semantischer Technologien für die Kultur- und Medienbranche befasste. Dabei waren Institutionen im Allgemeinen, wie Verlage, Museen und Bibliotheken, ebenso Thema wie die Bereiche Projektdokumentationen, Werbung und Marketing im Speziellen.

Der Umfang des im Internet verfügbaren Fachwissens ist in den letzten Jahren immens gewachsen, jedoch zu wenig sortiert und aufbereitet, um gut damit arbeiten zu können. Hier setzen die Technologien des semantischen Internet, genannt Web 3.0, an. Sie sollen Inhalte jeglicher Art durch Metadaten kategorisieren und in Hierarchien einordnen, um eine (möglichst einheitliche) Verknüpfung des verfügbaren Wissens und damit dessen bessere Zugänglichkeit und Anwendbarkeit zu ermöglichen.

Zentrale Fragestellung der Konferenz war es, die Möglichkeiten der Umsetzung und Nutzung solcher semantischer Daten, die Beziehungen, Kontexte und Bedeutungen von Daten erzeugen, für Kultur- und Medienbetriebe aufzuzeigen. Genutzt wird deren Aufbereitung z.B. bereits von der Deutschen Nationalbibliothek und dem Bundesarchiv, um ihre Wissensressourcen im Internet zur Verfügung zu stellen und Recherchen zu erleichtern. Die Querverlinkungen helfen hier, sich Überblick über komplexe Themenfelder und verwandte Beiträge, Bücher oder Dokumente zu verschaffen. Auch stehen die Digitalisierung von Museums- oder Archivsammlungen, wirtschaftliche Bereiche wie Bestandsaufnahmen und Vertrieb sowie bei Bibliotheken die Aufbereitung für Online-Kataloge im Mittelpunkt. Hier bringt die Nutzung semantischer Metadaten viele Vorteile und Vereinfachungen des Workflows mit sich, wie die Referenten der Fachkonferenz darlegten. Zu ihnen gehörten Alexander Haffner (Deutsche Nationalbibliothek) und Ina Blümel (TIB Hannover) als Bibliotheksvertreter, Dr. Jana Kittelmann (Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park & Schloss Branitz) mit dem Schwerpunkt Archiv, Antoine Isaac als Stellvertreter von Europeana sowie Bettina de Keijzer (Verlag de Gruyter), Steffen Meier (Verlag Eugen Ulmer, Arbeitskreis elektronisches Publizieren des Börsenverein des Deutschen Buchhandels) und Ronald Schild (Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH), die sich mit dem Thema Verlag & Buchhandel beschäftigen.

In den Beiträgen und Diskussionen wurde deutlich, dass die übergreifende Verknüpfung semantisch aufbereiteter Daten über einzelne Firmen und Institutionen hinaus noch kaum Anwendung findet. Dabei sollen neben basic data wie Autor oder Umfang eines Buches die Inhalte selbst systematisiert werden, um die Nutzung von weiterreichenden, sogenannten enhanced Data, zu ermöglichen und zum Ausgleich Wissen, Kundensympathie oder wirtschaftlichen Output zurückzubekommen. So machte Roland Schild deutlich, dass Verlage z.b. ihren Service im Social Web mit Semantik verbessern können, um ihren Kunden bei der Suche nach ähnlichen Produkten und auf diese Weise sich selbst bei der Umsatzsteigerung zu helfen. Hierfür wird das Semantic Web bisher aber kaum genutzt.

Zugleich gibt es zwischen Verlagen und Bibliotheken nur wenig Zusammenarbeit in Bezug auf die einheitliche Zuordnung von Büchern und deren Inhalten zu festen semantischen Begrifflichkeiten oder Kategoriesystemen. Gleiches gilt für Archive oder Museen, die ihre Sammlungen digitalisieren. Auch sie behandeln die weiteren Kontexte der Exponate meist nur marginal und verwenden keine über-institutionellen semantischen Begriffssysteme. Solche könnten helfen, beispielsweise passende Stücke für Sonderausstellungen oder fachliche Zusatzinformationen zu Vergleichsbeispielen oder historischen Kontexten zu finden. Interessant können Metadaten auch für die Dokumentation von Projektprozessen sein, um die Auswertung und das Vermeiden von Fehlern zu verbessern. Beispielhaft präsentierte Prof. Dr.-Ing. Ernesto De Luca hierfür das Projekt SemRes, das Semantic für die tägliche Arbeit von Restauratoren nutzbar macht, um diese zugunsten der späteren Nachvollziehbarkeit dauerhaft zugänglich und leichter austauschbar zu gestalten.

Für die Erstellung und Etablierung solcher Schlagwort-Hierarchien, die allgemeingültig sein und damit von Bibliotheken, Verlagen, Museen und Wissenschaftlern gleichermaßen verstanden und genutzt werden sollen, gibt es bereits Ansätze. U.a. von W3C (World Wide Web Consortium) wurden grundlegende semantische Systeme entwickelt, die jede Institution für die eigenen Projekte nutzen kann. Forschungen kommen bisher vor allem aus Philologie und Linguistik und setzen sich mit dem Stand von Mehrsprachigkeit, Begriffsbedeutungen und eindeutiger Verständlichkeit auseinander, stellen in Bezug auf computerlinguistische Semantik derzeit aber noch ein recht kleines Forschungsfeld dar. Ein Desiderat sind die Auseinandersetzung mit diesem Problem in den einzelnen Fachbereichen und die Entwicklung von entsprechenden Thesauri. Hier ist es den Fachwissenschaftlern besser möglich, ihr Wissen zu systematisieren, als Experten aus der Sprachforschung oder Informatik ohne umfangreiche Kenntnisse der jeweilgen Wissenschaft.

Nutzbar ist semantische Aufbereitung auch für Bilder und Videos im Kontext von Marketing und Medien, Marken- und Konkurrenzanalysen. Dies ist für jede Institution interessant, die Videos oder Fotos für Ausstellungen oder PR benutzt. Wenn sie inhaltlich Ausstellungen, Aufführungen oder Publikationen zugeordnet werden können, erhöht sich ihre Nutzbarkeit. Beispielhaft präsentierte Felix Daub von Klickfilm die semantische Verknüpfung von Inhalten eines Videos mit Produkten oder Websites, um interessierte Kunden direkt anzusprechen. Dies kann mit Büchern ebenso geschehen, wie mit Sehenswürdigkeiten, Kunst oder historischen Hintergrundinformationen. Interessant sind auch semantische Websites, wie sie Dr. Thomas Hoppe von der Ontonym GmbH in der Theorie und Armin Berger von der 3pc GmbH in der Praxis präsentierten. Hierbei werden die Inhalte über Schlagworte und Kontexte in Erzählsträngen dargestellt und dem Besucher die Möglichkeit gegeben, diese je nach den eigenen Interessen selbst zu erforschen. Dieses Storytelling eignet sich besonders für Kulturinstitutionen, die damit ihre eigene Geschichte ebenso wie die Hintergründe einzelner Ausstellungen, Stücke oder Werke umsetzen können. Zugleich können auch bei Apps mehrdimensionale Datenstrukturierungen anschaulich gemacht und Zusammenhänge über mehrere Punkte erklärt werden. Diese Möglichkeiten sind aber noch in der Entwicklung begriffen und vor allem in Bezug auf dynamische, regelmäßige befüllte Webseiten noch nicht ausgereift.

Insgesamt machte die Tagung die Nutzungsmöglichkeiten des Semantic Web für Kulturunternehmen zwar deutlich, zeigte aber auch die noch vielfach bestehenden Probleme auf. Dies liegen derzeit primär in der Entwicklung von einheitlichen Hierarchien und Begrifflichkeiten sowie der daran geknüpften automatisierten Aufbereitung semantischer Daten und Verknüpfung der Projekte einzelner Institutionen. Auch die Aufbereitung und Anwendbarkeit semantischer Daten in Forschungs- oder Kultureinrichtungen für spezifische Inhalte und nicht-textuelle Digitalisate stellen noch große Komplikationen dar und sind ohne zusätzliches Budget und informatische Fachkenntnisse bisher kaum umsetzbar. Deutlich wurde dies an den Teilnehmern und Diskussionen der Fachtagung, die sich vorrangig mit Computerlinguistik und Programmierung beschäftigten. So wurde bereits das Web 4.0 als Pragmatic Web thematisiert, während es gerade in den Kultur- und Geisteswissenschaften vielfach noch Probleme beim richtigen Umgang mit dem Web 2.0 und größere Schwierigkeiten beim Zugang zur Anwendbarkeit des Web 3.0 gibt.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1102

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Die Welt der Antike und die Realität der Moderne

Change2Über ein Lehrer-Schüler-Verhältnis zwischen Zeitgeschichte und der Antikenforschung..

Gesellschaftliche und politische Prozesse, die intensive Auseinandersetzung mit der eigenen kulturellen Umwelt, Einsichten in die grundlegenden Bedürfnisse des Menschen und die stetige Suche nach dem Ursprung von Problemen – dies sind einige der Aspekte, die Jemand, der sich beruflich mit der Vergangenheit auseinandersetzt, auch für sich selbst und sein Leben zu reflektieren lernt. Und trotzdem scheint es, als stünde gerade die kritische Reflexion des beruflichen Daseins und die Suche nach den Ursachen für dessen Problemen in den historischen Wissenschaften noch immer zurück.

Womöglich ist dieses Problem typisch für die Altertumswissenschaften. Zeitgeschichtshistoriker haben verstärkt die Entwicklungen von Gesellschaft, Politik und Wissenschaft der letzten Jahrzehnte im Blick und bekommen zudem für ihre Erkenntnisse stärkeres gesellschaftliches Feedback. Die Altertumswissenschaften haben – weitgehend abgesehen von “spektakulären” archäologischen Entdeckungen – jedoch viel von ihrem öffentlichen Ansehen und ihrer Anwendbarkeit verloren, ihre Bedeutung wird angezweifelt. Dass es ohne Zweifel eine über die Wissenschaft hinausgehende Bedeutung gibt, muss einem Fachmann kaum erklärt werden.

Aus der Zeitgeschichte lernen – aber was?

Der Erklärungsbedarf besteht vielmehr gegenüber der Öffentlichkeit. Und hier liegt das Problem: Zwar ist man sich über dieses sinkende Ansehen der Geisteswissenschaften bewusst, in dem auch die marginale politische Aufmerksamkeit und zumindest zum Teil ebenso die sinkenden Fördermittel begründet sind, wie die zahlreichen Publikationen der letzten Jahre zu diesem Thema zeigen. Hier schreiben anerkannte Wissenschaftler über die Bedeutung ihrer Fächer. Da solche Sammelbände aber Fachliteratur sind und primär Fachpublikum erreichen, verfehlen sie ihre eigentlichen Zielgruppen und Wirkung.

Wie die entsprechende Zielgruppen aber angesprochen werden können, scheint noch immer ein Rätsel zu sein – eines, das auch nicht unbedingt entdeckt werden will. Nach wie vor zählt eine Laufbahn in der Medien- und Vermittlungsarbeit, in der Wissenschaftskommunikation, im Wissenschaftsmanagement, in der Wissenschaftspolitik oder auch im Verlagsbereich weniger als eine Tätigkeit im Fach. Anstellungen an Universitäten oder Forschungsinstitutionen werden als Ziel eines entsprechenden Studiums vermittelt, an Vorbereitung für andere Berufswege mangelt es. Hieran wird der fehlende kritische Umgang mit den veränderten beruflichen Umständen deutlich. Aufgrund veränderter Wertschätzung zugunsten anderer Bereiche erhält längst nicht mehr jeder qualifizierte Absolvent der (alt)historischen Wissenschaften ein Stipendium oder eine – wohlgemerkt besfristete – Anstellung als wissenschaftlicher oder Projektmitarbeiter. Zudem nehmen die Zahlen der Professuren ab, die Elite wird schmaler, die Chancen sinken. Wie auch kürzlich in der Zeit zu lesen war, ist es nicht selten, dass man mit 4o noch zum wissenschaftlichen Nachwuchs zählt, obwohl man bereits seit ca. 2o Jahren in diesem Bereich tätig ist, Aufstiegschancen außerhalb der Professur aber selten sind.

Was scheinbar vergessen wird, ist, dass nicht mehr nur die Wissenschaftler die Zukunft ihrer Disziplin sichern. Diese ist immer stärker an öffentliche Aufmerksamkeit und damit an diejenigen geknüpft, die wissenschaftliche Inhalte zu kommunizieren verstehen. Egal ob Journalist, Pressesprecher oder die Experten selbst – Herunterbrechen ist das Zauberwort. Hinzu kommen Kreativität, Spaß und die Angst vor dem Niveauverlust, die mit populärwissenschaftlichen Arbeiten oft einhergeht. Populärwissenschaftlich wird beinahe zum Schimpfwort. Die Vielfalt der Möglichkeiten aber wächst. Multimediale E-Books, Histo-Caching- und Zeitreise-Apps, virtuelle Museen oder Science Slams bieten nicht nur für jede Zielgruppe, sondern auch für jeden Content-Vermittler das Richtige, egal ob in Form von Bild, Video, Text oder Präsentation. Und gerade historische Inhalte, die unzählige erzählbare Geschichten enthalten, und die geisteswissenschaftlichen Fähigkeiten des übergreifenden Arbeitens, Erzählens und Präsentierens scheinen die ideale Grundlage, um “was mit Medien” zu machen.

Warum aus der Zeitgeschichte lernen?

Nun ist zu diesem Thema schon viel geschrieben worden und Änderungen nehmen nur langsam Form an. Dies wurde mir erneut deutlich, als ich kürzlich auf die Fachzeitschrift “Wissenschaftsmanagement” stieß und bereits beim Editorial feststellte, dass die thematisierten Probleme – Management, Personal, Marketing – exakt jenen entsprechen, die auch für den Kulturbereich im weitesten Sinne gelten. Dabei sollte ein kritischer Umgang mit den Entwicklungen der letzten Jahre verdeutlichen, dass der Weg zur Besserung in den Wissenschaften selbst beginnen muss. Wie der Wahlkampf gezeigt hat, ist das Thema politisch noch immer unterpräsentiert. Technologische Innovationen, Wachstum in der Kreativwirtschaft und sichere Arbeitsbedingungen an den Universitäten sollen gefördert werden, Geisteswissenschaften aber wurden seltener erwähnt als Kultur- oder Bildungspolitik. Notwendig ist Aufmerksamkeit – und gerade in der Zeit des Social Web bekommt man diese nicht geschenkt. Das große mediale Feedback und die Empörung der Menschen gegenüber den Kürzungsplänen in NRW haben aber gezeigt, dass es durchaus möglich ist, dass Thema auf die Tagesordnung zu bringen.

Ein wichtiger Punkt hierbei ist, dass sich die universitär tätigen Historiker selbst die Anwendung ihrer Ergebnisse selbst sehr passiv gestalten. Diese aber spielen eine besondere Rolle. Zum einen, weil sie, wie oft thematisiert wurde, die Bedeutung wissenschaftlicher Arbeit durch ihren Kontext zu Problemen der Gegenwart aufzeigen können und zum anderen, weil Fachbereiche wie Geschichte und Archäologie nicht nur zur deutschen Wissenschafts, sondern auch zur Kulturlandschaft gehören. Trotzdem scheint es, als ordneten sich hier angesiedelte Wissenschaftler nicht in den Bereich der Kultur ein. Mit mehr Ausrichtung auf museale oder Verlagsarbeit wäre dies aber möglich und würde Positives mit sich bringen. Auch scheint der Blick von außen ein anderer zu sein, denn nicht umsonst gehören archäologische Fachämter in den Bundesländern zu Kulturabteilungen oder unterstehen Ministerien für Bildung und Kultur. Kultur hat im Kulturstaat trotz sinkender Gelder ein sehr hohes Ansehen – ein höheres als die Geisteswissenschaften. Diese sollten also bemüht sein, sich der gelebten Kultur anzunähern, um stärker wahrgenommen zu werden.

Leider überrascht es trotzdem wenig, dass erst kürzlich ein Buchprojekt gescheitert ist, dass es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Bedeutung historischer Wissenschaften für eine politische Zielgruppe aufzubereiten. Ansätze gibt es hier viele: Kulturgüterschutz in der internationalen Politik, das Zusammenwachsen der EU unter dem Blickpunkt einer langen gemeinsamen Vergangenheit, lokale Archäologie und die Suche nach Identität, Raubgrabungen als Verbrechen, Archäologie im Heiligen Land und kulturelle Interessen, Geschichte der Archäologie und internationale Konflikte, Archäologie, Evolution und die Entwicklung des Menschen usw. Obwohl in einem solchen Projekt also offensichtlich eine Chance liegt, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen, weitreichende Problemfelder anzusprechen und die richtige Zielgruppe zu erreichen, scheiterte das Projekt an zu wenig Bereitschaft von Seiten der Archäologen, Historiker und Altertumswissenschaftler, sich zu beteiligen.

Auch der kurze Aufschrei, die Medienbeiträge und das öffentliche Interesse, die mit den Kürzungen in NRW einherging, ebbte mit der Übergabe der Petitionso schnell wieder ab, wie er gekommen waren. Bis Ende September musste man mangels weiterer Möglichkeiten seines Schicksals und weiterer Entscheidungen harren. Nun gab die Landesregierung den Haushaltsentwurf der DGUF bekannt, dass es 2014 indirekte weitere Kürzungen um über 50% geben werde und dass der Umstieg auf Darlehen weiterhin geplant sei. Die Chancen für eine bessere Unterstützung 2015 stehen demnach schlecht, die öffentliche Empörung und über 20.000 Unterschriften scheinen umsonst und ein umfangreiches Aufrütteln von Seiten der Fachwelt notwendiger denn je.
Diesen Schluss zieht auch die DGUF selbst: “Die anwesenden Politiker betonten, wie schwierig es für sie angesichts der generellen Haushaltslage und beschlossenen Schuldenbremse sei, ihre Kollegen zu einem konkreten Einstehen für die Belange von Archäologie und Baudenkmalpflege zu bewegen. [...] Ott sagte: “Wenn es gute konkrete Argumente gibt und Auswirkungen, die belegen, dass die Kürzungen für die NRW-Archäologie nicht annehmbar sind, werden wir diese Argumente wägen.” Aus DGUF-Sicht sind damit Situation und Botschaft klar: Nur wir Fachleute können diese Argumente liefern. Jetzt ist jeder einzelne Archäologe und Baudenkmalpfleger gefordert, in den nächsten wenigen Wochen das Gespräch mit seinen Wahlkreisabgeordneten der Regierungsfraktionen zu suchen.

Spätestens hier sollten auch Historikern der Vormoderne neben den für sie wichtigen Entwicklungen der Zeitgeschichte auch bewusst sein, dass Revolutionen, Änderungen, Befreiungen und Innovationen zumeist aus den betroffenen Schichten kamen, die Lösungen erarbeiteten und oft auch durchsetzten. Dieses Wissen auf die eigenen Probleme anzuwenden scheint demnach etwas zu sein, was auch Vergangenheitsexperten noch aus der Geschichte lernen können.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1084

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Die Qual der Wahl im Kampf um Kultur- und Wissenschaftpolitik

Würden Platons Philosophen die Wahl gewinnen..?!

Und wenn Platons Philosophen die Wahl gewinnen würden..?!

Kultur- und Wissenschaftspolitik spielten im Wahlkampf 2013 kaum eine Rolle und das obwohl alle Parteien nicht müde werden, die hohe Bedeutung beider Aspekte zu betonen. Dies mag daran liegen, dass Bildung, Hochschule und Kultur auf Länderebene angesiedelt sind und im Wahlkampf aus diesem Grund nur bedingt Versprechungen gemacht werden können – inwieweit diese dann eingehalten werden, ist nochmal eine andere Frage. Zumindest gibt es aber im Wahlprogramm aller großen Parteien Darlegungen zu diesen Themen, die sich durchaus mit übergreifenden Aspekten wie Finanzierung, Digitalisierung und Urheberrecht oder den Aufgaben von Kultur und (Geistes)Wissenschaft in der Gesellschaft beschäftigen. Die Herangehensweise der Parteien ist hierbei naturgemäß sehr unterschiedlich. Insgesamt ist aber wenig überraschend festzustellen, dass CDU und FDP mehrheitlich ähnliche Pläne verfolgen, die bestehendes schützen und sich an Neuerungen herantasten wollen. Die SPD zeigt sich bereits sehr offen für neue Tendenzen. Die Programme der Grünen und Piraten weisen vielfache Übereinstimmungen auf und treten stärker für Änderungen ein, gerade in puncto Open Access und digitaler Wandel. Die Linke ist zwischen ihnen und der SPD anzusiedeln.

I. Rang und Einordnung von Kulturpolitik im Parteiprogramm

Das Thema Kulturpolitik fassen CDU, FDP und auch SPD mit der Medienpolitik in einem Punkt zusammen. Keines der drei Wahlprogramme erklärt diese anscheinend selbstverständliche Zuordnung jedoch. Auch sind alle drei Stanpunkte zur Kultur recht kompakt, greifen jedoch angrenzende Bereiche in anderen Abschnitten auf, so die Arbeitsbedingungen im Kulturbereich, das Urheberrecht oder gesellschaftliche, mit Kultur verknüpfte Bildungsinhalte. Interessant sind die Oberpunkte, denen Kultur und Medien jeweils zugeordnet werden. Sie weisen in dieselbe Richtung wie das entsprechende Programm. Bei der FDP ist dies „Vielfalt und freie Wahl“, bei der CDU „Heimat schützen“ und bei der SPD „Bildung und Gleichberechtigung“. Die SPD ordnet unter den selben Programmpunkt auch Wissenschaft und Bildung. Bei der CDU und der FDP ist Forschung unter „Fortschritt“ angesiedelt. Die FDP greift zudem das Urheberrecht im Punkt „Freiheit“ noch einmal extra auf.

Etwas anders ist die Aufteilung bei der Linken, den Grünen und den Piraten. Im Wahlprogramm der Linken finden sich Bildungs- und Kulturpolitik unter dem Punkt „Solidarität neu erfinden“, wobei die Kultur- und Kreativwirtschaft einen eigenen Unterpunkt hat. Bei den Piraten ist Kultur ein Hauptpunkt, der, entsprechend den zentralen Anliegen der Partei, getrennt von Medienpolitik behandelt wird. Wissenschaft ordnen sie zu „Bildung und Forschung“. Das Parteiprogramm der Grünen zum Thema Kultur ist am umfangreichsten und umfasst unter dem Oberpunkt „Kunst und Kultur beflügeln“ sechs Unterpunkte. Auch die Medienpolitik wird unter „Freies Netz und unabhängige Medien für alle“ bei den Grünen, wie bei den Piraten, getrennt behandelt. Gleiches gilt für Forschung und Wissenschaft, die zu „Teilhaben an guter Bildung“ gehören.

II. Besonders betonte Inhalte des kulturpolitischen Programms

Die Mehrheit der Wahlprogramme bezeichnet Kultur und Forschung als einen zentralen Aspekt der Gesellschaft, der bei der Lösung sozialer Probleme helfen, moralische Werte aufrecht erhalten und Identität stiften kann. Aus diesem Grund wird betont, dass an den wert von Kultur nicht wirtschaftliche Gesichtspunkte, sondern ein eigenes Bemessungssystem angelegt werden muss. Zudem wird die Bedeutung von Kultur, Kreativwirtschaft, Bildung und Wissenschaft für den Arbeitsmarkt, Fortschritt und Wirtschaft hervorgehoben. Wegen dieser Vielzahl an Aspekten möchten alle Parteien die Bedeutung von Kultur und (Geistes)Wissenschaft im öffentlichen Ansehen erhöhen. Dabei haben sie weitgefasste Auffassungen davon, was Kultur beinhaltet. Sie schließen Hochkultur ebenso ein wie Alltagskultur, Subkultur, Freizeitmöglichkeiten und Kreativität im Allgemeinen. Aufgrund der Trennung der gesetzlichen Verantwortlichkeiten für Kultur, Bildung und Wissenschaft gibt es zwar Schnittmengen, im Allgemeinen werden aber die Geistes- und Kulturwissenschaften dem Kulturbereich nur bedingt zugeordnet.

Die zentralen Themen der Kulturpolitik, die für die Mehrheit der Parteien Reformen bedürfen, sind die Kreativwirtschaft, kulturelle Bildung, Teilhabe und Vielfalt. Das historisch-archäologisch wichtige Thema Kulturelles Erbe wird vor allem im Kontext mit der Verarbeitung der deutschen Diktaturen behandelt – die Grünen heben auch die Wiedergutmachung deutscher Kolonialgeschichte hervor. Die Baudenkmalpflege wird zudem u.a. von der Linken und auch der CDU besonders betont, die den Schwerpunkt des kulturpolitischen Programmes entsprechend ihres Mottos „Heimat schützen“ auf Bestand ausgelegt hat. Die Bodendenkmalpflege wird hingegen nur bei der SPD explizit als wichtige Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen erwähnt. Die starke Kritik von Seiten der Medien und Bürger an den Kürzungsplänen der SPD-Landesregierung in NRW im Frühjahr scheint sich die Partei zu Herzen genommen zu haben.

Inhalte, die sich nur bei einigen der Parteien finden, sind der Deutsche Filmförderfonds (DFFF) bei der SPD, das Programm „InvestOst“ bei der CDU, die stärkere Verknüpfung von Kultur und Tourismus zugunsten der Wirtschaft bei CDU und FDP und zugunsten des Kulturgüterschutzes bei der Linken. Grün macht zudem auch Sport als Aspekt des sozialen Zusammenhalts, privaten Engagements und Austausches zum Kulturthema.

Die Grünen und die Piraten möchten im Besonderen die Herausforderungen des Digitalen Wandels für Kultur und Wissenschaft thematisieren. Bei den Piraten sind die Inhalte ihres kulturpolitischen Programms naturgemäß eng an den Programmschwerpunkt Medienpolitik gebunden. Aber auch die Grünen betonen, dass eine bessere Nutzung der technischen Möglichkeiten und pluralistischen, partizipativen Kulturgüter weiter vorangetrieben werden soll. Dazu gehören für beide Parteien mehr Förderung für Digitalisierungs- und Archivierungsprojekte nicht nur im historischen Bereich und daran geknüpft transparentere Mittelvergabeverfahren. Zu diesen muss es auch gehören, die Freiheit zu haben, Neues auszuprobieren. Um die geforderten Freiräume zu schaffen, ist gerade für die Piraten ein größerer Einfluss der Kulturmacher in Politik und Gremien wichtig.

III. Verantwortlichkeit für und Finanzierung von Kultur zwischen Staat und Ländern

Die Mehrheit der Parteien – die SPD, die Linken, Grünen und Piraten ­– wollen Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz aufnehmen und das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern aufheben. Dies hätte Auswirkungen auf den Kultur-, Bildungs- und Hochschulbereich, die verschiedentlich angegangen werden sollen. Insgesamt soll der Bedarf an Kultur besser mit den Angeboten in Übereinstimmung gebracht und vorhandene Infrastrukturen geprüft, verbessert und gestärkt werden. Auch sollen Kulturprogramme mit regionalem Bezug in den Händen der besser auszustattenden Kommunen verbleiben, wo die Expertise dafür angesiedelt ist. Bei größeren Aufgaben soll es dem Bund möglich sein, Koordinierungsmöglichkeiten zu schaffen, gute Ideen zu übernehmen und Defizite abzubauen. Dass hierfür eine Neustrukturierungen der finanziellen Verteilung und Fördermöglichkeiten notwendig ist, sehen auch die Parteien. Gerade die Aufgabe eines Bundeskulturministeriums soll es bei einem solchen kooperativen Föderalismus sein, neben der Kulturstiftung auch kleine Projekte, den Kulturschutz und die Vermehrung des zugänglichen Wissens zu stärken. Gerade für die SPD sind dies alles Aspekte auch für Stadtentwicklungsplanung, Sozialpolitik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft von Bedeutung.

Die CDU und die FDP sehen in einer Aufhebung des Kooperationsverbotes keine Lösung. Sie möchten stattdessen an der Finanzkraft der Kommunen und an einem Bildungspakt arbeiten, um die örtliche Daseinsvorsorge zu sichern. Die FDP würde hierbei eine Föderalismuskommission begründen und das Konnexitätsprinzip fest verankern, um die Bewältigung kultureller Aufgaben durch die Kommunen finanziell abzusichern. Daneben soll die Kulturförderung durch den Bund auch weiterhin als Vorbild für Länder und Kommunen dienen und die Rahmenbedingungen für Künstler, Kulturmacher und Wissenschaftler sowie die Zusammenarbeit mit den Bürgern als Konsumenten und Mitgestalter von Kultur sichern. Damit wird für die beiden Parteien ein Bundeskulturministerium überflüssig.

IV. Kulturpolitik und gesellschaftliche Kontexte

In Bezug auf die Verbindung zwischen Kultur, Geistesweissenschaften und Gesellschaft sind bei allen Parteien ähnliche Schwerpunkte, Gemeinsamkeiten und Unterschiede wie bei den besonders betonten Inhalten festzustellen. Einen Ausbau der kulturellen Bildung, Vielfalt und Teilhabe streben alle an, um mit ihnen Austausch, Integration und Toleranz herzustellen, soziale Spaltungen und den demographischen Wandel anzugehen und das Interesse an der Demokratie wieder zu stärken. Forschungen in diesem Bereich spielen jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Besonders neue Formate der Breiten- und Subkultur der vielen verschiedenen in Deutschland lebenden Gruppen sollen zu einem offeneren Umgang beitragen. Die Grünen fordern, Kultur dafür immer wieder an neue Gegebenheiten anzupassen und Neues auszuprobieren. Die Ideen können durch einen Ausbau privaten Engagements, z.B. in der Vereins- und Verbandskultur, geschehen, wie es CDU und FDP anstreben, oder durch eine stärkere Fokussierung auf kulturelle Bildung im schulischen und lebenslangen Lernen, wofür neben der CDU auch die SPD und die Grünen plädieren. FDP, CDU, die Grünen und die Piraten möchten sich zudem für die Stärkung der Medienkompetenz einsetzen. Von diesen Ideen weichen auch die Piraten kaum ab und stellen, passend zu ihrem Wahlprogramm, Transparenz und eine bessere Zugänglichkeit zu immateriellen Kulturgütern ins Zentrum ihrer Pläne.

In einen ähnlichen Bereich gehört die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. Auch hierbei wollen alle Parteien Neugier, Kommunikation und Gleichberechtigung wecken und vermitteln. Ein spezieller Punkt ist dabei die Weiterentwicklung der europäischen Kulturpolitik, den die CDU in engem Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik sieht, während die Linke internationale Projekte in den Mittelpunkt stellen möchte.

V. Medien-/Internetpolitik, Urheberrecht und Kultur

Mit Entwicklungen wie Digitalisierungsprojekten, E-Learning-Möglichkeiten und Problemen mit dem Urheberrecht wird die Verknüpfung von Kultur-, Medien- und Netzpolitik immer enger. Aus diesem Grund greifen alle Parteien diese Themen in ihrem Wahlprogramm auf, zeigen sich dabei aber unterschiedlich innovativ. Einig sind sie sich darüber, dass ein reformiertes Urheberrecht ebenso notwendig ist wie flächendeckender Zugang zum Breitbandinternet. Während die Linke diese in öffentliches Gemeingut umwandeln möchte, sieht die FDP im freien Wettbewerb zwischen den Anbietern den richtigen Weg.Auch beim Urheberrecht herrscht kaum Einigkeit. Alle Parteien möchten die Urheber gerade im Internet besser schützen und zugleich die Möglichkeiten der Um- und Weiternutzung geschützter Inhalte weiterentwickeln. Für die CDU ist es dabei zentral, Urheber, Rechteinhaber, Verbraucher und Verwerter unter einem angepassten Urheberrecht zusammenbringen. Explizite Ideen für die dafür notwendigen Regelungen hat die Partei aber noch nicht entwickelt. Die SPD möchte neue wirtschaftliche Möglichkeiten der Kulturbranche im Internet fördern, wobei Künstler und Kreative zugleich Urheber und Weiternutzer geschützter Güter sein können. Auch möchte sie ein neues Urheberrecht bildungs- und wissenschaftsfreundlicher gestalten, Zweitpublikation vereinfachen und eine bessere Nutzung entsprechender Inhalte in Schulen und Hochschulen ermöglichen. Ebenso liegt es der FDP nahe Urhebern, Rechteinhabern und Nutzern gerecht zu werden. Der Schwerpunkt soll für sie jedoch weiterhin in der analogen Welt liegen. Für beide Welten möchte die FDP unterschiedliche Lizenzmodelle etablieren, ohne dabei auf bereits bekannte Modelle einzugehen, und die Freiheit der Urheber ausweiten, ihre Werke nach ihren Wünschen zu vermarkten. Das Programm der Linken beschäftigt sich schon intensiver mit den Möglichkeiten, die bereits zur Verfügung stehen. So wollen sie, wie auch die Grünen, die Verwertungs- und Nutzungsrechte unter Einbeziehung neuer Lizenz- und Vergütungsmodelle wie Creative Commons oder Crowdfunding reformieren. Zudem spricht sich die Linke für die Kulturwertmark als auf einer Kulturflatrate basierende Verwertungsgesellschaft aus. Die Piraten gehen noch einen Schritt weiter. Sie möchten die Urheber vor allem gegenüber den Rechteinhabern stärken, Zweitverwertungsrechte einräumen, undefinierte Nutzungen verhindern und ausschließliche Nutzungsrechte beschränken. Auch soll die Geltungsdauer des Urheberrechts gesenkt bzw. an die Bedürfnisse der Sparten und Nutzer angepasst werden. Alternativen Bezahl- und Finanzierungsmodellen gehören für sie selbstverständlich dazu. Auch ist es ein Anliegen der Grünen, für kommerzielle Nutzungen eine zentrale Anlaufstelle zum Erwerb von Bearbeitungsrechten einrichten. Für sie ist auch eine vereinfachte nichtkommerzielle (Weiter)Gestaltung von geschützten Werken zentral, die den Urhebern ein Mitbestimmungsrecht einräumt.

Sehr unterschiedlich sind die Meinungen der Parteien auch in Bezug auf Open Access. Die SPD will die Zugänglichkeit für Kultur, Wissenschaft und Bildung erweitern. Auch die Linke unterstützt dieses Prinzip. Sie möchte zusätzlich auch Open-Source-Softwares, E-Learning-Modelle und Digitalisierungsprojekte fördern, wenn sie hierzu beitragen. Hierfür sollen es zu einem Grundprinzip werden, dass öffentlich finanzierte Inhalte dauerhaft frei zur Verfügung stehen. Auch die Piraten und die Grünen stehen für die Nutzung von Open Educational Resources, für erweiterte urheberrechtsfreie Zugänge zu Kulturgütern für Bildungs- und Forschungseinrichtungen und mehr finanzielle Möglichkeiten für Digitalisierungsprojekte. Außerdem möchten die Grünen die Publikation von Forschungsergebnissen unter dem Open-Access-Prinzip im Allgemeinen ausweiten, die Piraten öffentliche geförderte Ergebnisse sofort, andere nach einem halben Jahr für alle zugänglich machen. CDU und FDP sind zurückhaltender bezüglich solcher Optionen. Zwar setzt sich auch die CDU für die Nutzung von Daten und Wissen für die Wissenschaft und die Zugänglichkeit zu Erkenntnissen in, allerdings nicht prinzipiell, sondern nach einer angemessenen Zeitspanne, die nicht näher definiert wird. Die FDP möchte das Open-Access-Prinzip für wissenschaftliche Ergebnisse nicht bedingungslos vorantreiben, sondern in jedem Fall der Zustimmung der Wissenschaftler überlassen.

VI. Bildungs- und Hochschulpolitik

Um die Wissenschaftslandschaft in Deutschland voranzubringen, sehen alle Parteien die Notwendigkeit von Reformen für diesen Sektor als notwendig an. Gerade für die CDU scheint der Schwerpunkt hierbei allerdings vor allem bei den Natur- und Ingenieurswissenschaften zu liegen, da sie stets den Kontext von Forschung und Technik betont. SPD, Piraten, Grüne und Linke hingegen stellen den Bezug von Forschung, gesellschaftlichen Fragen und sozialen Problemen in den Mittelpunkt und sehen hier eine enge Verknüpfung zu den Geistes- und Kulturwissenschaften.

Um die häufig prekären Situationen gerade von Nachwuchswissenschaftlern und dem akademischen Mittelbau zu verbessern, möchte die CDU ein Förderprogramm einführen. Wie genau dieses aussehen sollen, lässt sie offen. Im Gebiet Forschung ist es das Anliegen, die Exzellenzinitiative und den Pakt für Forschung und Innovation zu verlängern sowie herausragende Forschung in der Spitze und in der Breite mehr zu unterstützen. Um dies zu ermöglichen, möchte die CDU in diesem Bereich, im Gegensatz zur Kulturpolitik, die Zusammenarbeit von Bund und Ländern stärken, damit der Bund mehr Impulse vor allem für technologische Innovationen geben kann. Anliegen der SPD ist es, sachgrundlose Befristungen abzuschaffen und neue verlässliche Berufsperspektiven zu entwickeln. Für die Linke kommen Mindestlöhne im Wissenschaftssektor hinzu. Ihr Ziel ist es zudem, die finanzielle Grundausstattung des Wissenschaftssystems zu erhöhen. Dafür soll eine Neustrukturierung der Förderungsvergabe erfolgen, die auch Geistes- und Kulturwissenschaften stärker unterstützt. Auch Grüne und Piraten möchten durch höhere Haushalte Langfristigkeit und eine möglichst breite Aufstellung der Wissenschaftslandschaft – und hierbei auch eine strukturelle Stärkung der kleinen Fächer – in den Mittelpunkt stellen. Hierfür soll die Exzellenzinitiative auslaufen, die Breitenforschung anstatt nur spezifischer Wissenschaftszweige unterstützt und die Projektförderung transparenter und gleichberechtigter gestaltet werden. Als reformwürdig erachten beide Parteien das Wissenschaftszeitvertragsgesetz und hier vor allem die grundlose Befristung von Stellen. Für die Grünen ist auch in diesem Bereich ein kooperativer Bildungsföderalismus zwischen Bund, Ländern und Kommunen unerlässlich, um den Bund für Planung und Finanzierung der Hochschulen miteinbeziehen zu können. Die FDP möchte andere Wege gehen, die mit der Hochschulpolitik als Ländersache vereinbar sind. Mit einem flächendeckenden Wissenschaftstarifvertrag will sie die Personalstrukturen flexibler halten, attraktivere Arbeitsbedingungen für den Mittelbau schaffen und wissenschaftliche Laufbahnen sicherer machen. Forschung soll nach der FDP von den Studentenzahlen der Fächer mit freiwilliger Landesunterstützung sowie von Investitionen in „strategisch notwendige Forschungs- und Wachstumsfelder“ und der Exzellenzinitiative abhängen, womit die Geistes- und Kulturwissenschaften wohl mit weiteren Einbrüchen zu rechnen hätten.

VII. Personalpolitik im Kulturbereich und Künstlersozialkasse

Darüber, dass Kulturbranche und Kreativwirtschaft einen wichtigen Beitrag zur Wirtschaftskraft in Deutschland leisten, dafür jedoch zu wenig zurückbekommen, sind sich die Parteien einig. Die Einkommen und Absicherungen sollen verbessert und das Innovations- und Wachstumspotenzial dieser Bereiche gefördert werden. Hierzu gehören für alle Parteien eine Stärkung der Künstlersozialkasse mit Beachtung der besonderen Arbeitsumstände und neuen Tätigkeitsbereiche der Kreativen. Die Grünen möchten dies in ihre Bürgerversicherung integrieren. Die Urheberrechtsreformen sollen ebenfalls nach Meinung aller den z.T. schwierigen Arbeitssituationen Abhilfe schaffen und neue Vergütungsmöglichkeiten mit sich bringen. Die SPD, die Grünen und die Linke möchten zudem Mindestlöhne – Linke und Grüne auch Ausstellungsvergütungen, Honoraruntergrenzen und Gewinnbeteiligungen für Künstler – und neue Regelungen in der Arbeitslosen- oder Rentenversicherung für Kultur und Kreativwirtschaft einführen. Für die Piraten ist auch eine dauerhafte, nicht nur projektgebundene Absicherung der Künstler unabdingbar. Sie wollen, wie die anderen, auch Selbstständige besser unterstützen. Zudem soll nach der Linken der Unterfinanzierung von Kultureinrichtungen und Privatisierungen entgegengetreten werden. Die CDU sieht Lösungsansätze in der Fortführung der „Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft“, in engerer Zusammenarbeit von Kultur und Tourismus sowie in der Weiterentwicklung der Existenzgründer-Branche durch neue Gründungsfinanzierungen und Rahmenbedingungen für Crowdfunding. Auch hier scheint es jedoch, dass primär Jungunternehmen im Bereich Technik unterstützt werden sollen. Für die FDP ist ein Neuanfang der richtige Weg. Dafür sollen der Innovationsbeitrag der Kultur- und Kreativwirtschaft geprüft werden. Zudem kann für die FDP der Absatzmarkt von Kultur und Kreativen durch besseren Zugang zu Fremdkapital und ausländischen Märkten erweitert werden. Auch die Piraten und die Grünen möchten neue Wege gehen. Nach den Piraten soll ein größerer Teil des Kulturetats den Künstlern und ein Investitionspaket für Kultur den Kultureinrichtungen zugewiesen werden. Die Grünen sehen Möglichkeiten in der besseren Unterstützung der kleinen und mittelständischen Unternehmen in mehr Darlehen und Mikrokrediten und besseren Beratungsmöglichkeiten. Kunstförderung möchten sie besser an die schnellen Zyklen und kurzfristigen Entscheidungen dieser Branche anpassen. Außerdem ist es den Grünen wichtig, die Zukunftsfähigkeit von Kunst und Kultur durch mehr Möglichkeiten für neue Tätigkeitsbereiche, zunehmend auch im Netz, voran zu bringen. Mit einer stärkeren Unterstützung von Sozio- und Nischenkultur, der Aufhebung des Doppelfinanzierungsverbots und einem KfW-Sonderprogramm Kulturförderung möchten sie Kunst und Kultur zu einer sichereren Lebensgrundlage machen.

Weitere Infos zu Open Access in den Wahlprogrammen auf dem Science-Blog Frischer Wind gibt es von hier.
Einen schönen Vergleich der netzpolitischen Programme bietet t3n hier.
Eine ausführliche Darstellung der kulturpolitischen Planungen der einzelnen Parteien findet sich unter dem Schlagwort “Wahlkultur” auf kulturmanagement.net.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1066

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“Ein Weg aus dem Kulturpessimismus”. Das erste stARTcamp in Wien

start-camp-riesenradNach dem SciCamp von Wissenschaft im Dialog Anfang Juni, durfte ich nun auch am ersten österreichischen stARTcamp am 23. August in der Kunsthalle im Museumsquartier in Wien teilnehmen. Das innovative Format eines solchen, Barcamps hat sich in Deutschland bereits etabliert und auch in Österreich gab es rund 100 neugierige TeilnehmerInnen, die über verschiedenste Aspekten von Social Media sprechen wollten. Der Schwerpunkt der stARTcamps ist dabei immer der Kulturbereich. Damit ergab sich für mich eine wunderbare Ergänzung zum Thema Wissenschaftskommunikation des SciCamps. Bei beiden waren jedoch – zu meinem Bedauern – die Geistes- und Kulturwissenschaftler kaum vertreten, was den vielen interessanten und auch für diesen Bereich anwendbaren Sessions aber keinen Abbruch tat. In Wien waren die stARTcamper aus den unterschiedlichsten Bereichen der österreichischen und deutschen Kulturszene zusammengekommen und repräsentierten Museen, Theater und Festivals. Auch Journalisten, Grafikdesigner und Studenten waren dabei. Durch ihre verschiedenen Blickwinkeln und Herangehensweisen bereicherten alle TeilnehmerInnen den Tag und zeigten sich im Anschluss durchweg begeistert vom ersten österreichischen stARTcamp.Die charakteristische, namensgebende Eigenschaft einer Barcamp genannten “Unkonferenz” ist, dass sie sich gegen die gewöhnlichen Konferenzabläufe stellt: Sie hat kein festes Programm, keine vorher festgelegten Sprecher und auch nur selten ein eng begrenztes Thema. Stattdessen kann jeder Teilnehmer zu Beginn Sessions zu Themen vorschlagen, die ihm am Herzen liegen, Best-Practice-Beispiele vorstellen oder auch Probleme und offene Fragen thematisierten. Dies kann in Form eines Vortrages geschehen. Gern gesehen sind aber auch Workshops und offene Diskussionen, die häufig gänzlich neue Facetten und Ideen ans Licht bringen. Daneben ist für Kulturmacher wie Wissenschaftler und Kommunikationsexperten vor allem der Aspekt der Vernetzung und des Austausches interessant.

Bereits die Vorstellungsrunde am Morgen machte deutlich, mit welch unterschiedlichen Anliegen die Teilnehmer nach Wien gekommen waren. Jeder von ihnen sollte sich mit drei Hashtags vorstellen. Die meistgenannten waren Kreativität, Neugierde und Kommunikation – die typischen Charakteristika der Social-Media-Welt. Obwohl es für die Mehrheit der Gäste die erste Veranstaltung dieses Formats war, zeigte schon die Session-Planung, welch anspruchsvollen und vielfältigen Aspekten sich das stARTcamp an diesem Tag widmen würde. Dabei machte die Planung von jeweils drei parallelen Sessions die Auswahl nicht leicht. Umso intensiver wurde die Möglichkeit genutzt, sich in den Pausen über die Themen und Inhalte auszutauschen. Zudem dokumentierten einige fleißige Twitterer die Inhalte der Sessions. Zu finden sind ihre Gedanken unter dem Hashtag #scvie (stARTcamp Vienna) bei Twitter, facebook und Google+.

Zu den Eröffnungssessions gehörte unter anderem der Vortrag Social Impact Optimization von Frank Tentler, der sich mit den Grundlagen der professionellen Social-Media-Kommunikation und deren Organisation über Social Web Command Center beschäftigte. Dabei betonte er, dass das Social Web noch immer ein Ort der Privatsphäre und des Privaten ist, den man auch als Marketer achten muss. Die Kommunikation darf keine reine Verkaufssituation sein. Stattdessen ist es angeraten, sich auf die verschiedenen Formate und vor allem den Mobile-Markt einzustellen, die Meinungsführer für das eigene Thema zu finden und die neue schlagwortbasierte Kommunikation zu beachten. Für deren Planung ist der Impact, die direkte und beidseitige Kommunikation zentral, da es darauf ankommt, auf die Stimmen und Ideen der Gäste/Leser/Nutzer zu hören und aus diesen entsprechende Inhalte zu generieren. In diesem Sinne waren auch die Sessions zu Storytelling und Facebook-Gruppen von Daniela Unterholzner vom Institut für Kulturkonzepte Wien der bestmöglichen Nutzung von Social Media für das institutionelle Marketing gewidmet.

Einen gänzlich anderen Bereich diskutierte hingegen Wolfgang Senges von C3S, der Cultural Commons Collecting Society, die sich als eine auf Creative-Commons-Lizenzen basierende Rechteverwertungsgesellschaft als Alternative zur GEMA etablieren will und damit auch für Kultur und Wissenschaft interessante Neuerungen verspricht. Auch Wolfgang Gumpelmaier, der über die Crowd-University UnuniTV und das Thema Crowdfunding im Kulturbereich sprach, sowie der Digital Artist Alexander Mikula, der sein Wissen über agile Projekte teilte, bewegten sich mit ihren Sessions weg vom Thema Marketing hin zu nicht weniger interessanten Aspekten von Social Media für die Kultur.

Gleiches gilt für Frank Tendler und Markus Kucborski. Ihre Sessions erschienen auf den ersten Blick recht techniklastig und thematisierten neben dem Schwerpunkt Mobile Geräte und dem Facebook Wifi die Entwicklung von SmartPlaces für das Museum der Zukunft. Dieser etwas abstrakt anmutende Begriff beinhaltet die Nutzung von Location Based Services wie Foursquare auf der einen und Interaktions-Diensten wie Twitter auf der anderen Seite, um nicht nur das externe Marketing einer Kultureinrichtung durch Specials und Gamification-Aspekte zu verbessern, sondern auch die direkte Interaktion mit den Besuchern. Kostenloses (Facebook-)W-Lan ermöglicht es Einrichtungen mit Facebook Orten, die Besucherströme und -präferenzen der Nutzer zu rekonstruieren und die Gestaltung ihrer Häuser entsprechend anzupassen. Im Gegenzug werden den Gästen neben dem Internetzugang spezielle Dienstleistungen und Vergünstigungen angeboten, wenn sie die Institutionen weiterempfehlen, über sie berichten oder ihre Geschichten und Ideen mit ihnen teilen. Auch sollen nicht nur die jeweilige Institution und ihre Besucher, sondern auch die Besucher und Kultureinrichtungen untereinander vernetzt werden, um inhaltliche Gemeinsamkeiten und Verknüpfungen aufzuzeigen, neue Interessen zu wecken und auf diese Weise mehr tatsächliche Aufmerksamkeit zu erhalten. Dies ist ein Aspekt, den die Wissenschaftskommunikation von Forschungseinrichtungen und Universitäten bisher kaum nutzt. Gerade für Sonderveranstaltungen wie die Lange Nacht der Wissenschaft oder Tage der Offenen Tür bieten sich hier noch viele neue Möglichkeiten. Als herausragend innovatives Beispiel wurde das Kreativzentrum Dortmunder U vorgestellt. Das Erlebnis Kultur wird dort durch vielfältige Arten der Kommunikation und augmented-reality-Implementierungen gänzlich neu definiert, um den derzeit noch recht passiven Kulturkonsumenten zu mehr Aktivität anzuregen und zu einem Prosumenten  zu machen, dessen Wünsche für die Ausgestaltung der Kulturangebote eine aktivere Rolle spielen.

Insgesamt zeigte das erste stARTcamp in Wien den Willen und die Kreativität der anwesenden Kulturmacher, das Potenzial von SocialMedia zu nutzen. Nicht zuletzt die Session zur Frage nach dem „next big thing after Facebook“ machte zudem deutlich, dass gesellschaftliche Entwicklungen und Bedürfnisse hierfür eine zunehmend große Rolle spielen. Thematisiert wurden unter anderem die zunehmende Spezialisierung der Online-Plattformen – sei es nach Interessensgebieten, nach Foto und Chat oder nach Altersgruppen – die neuer Marketingstrategien bedarf. Auch die Aspekte Datenschutz und daran gebunden die Nutzbarkeit von Digitalisierungsprojekten – ebenfalls interessant für Geisteswissenschaftler – sowie Werbung und Monetarisierung des Internet kamen auf. Sie alle sind zentral für die Zukunft von Social Media in Kultureinrichtungen. Die kreativen Ideen von Kultur und Wissenschaft und die Realität klaffen aber vielfach noch stark auseinander. Dies zeigte sich auch an dem hohen Anspruch der Sessions des stARTcamps auf der einen und den vergleichsweise wenigen Anwesenden, die darüber auch twitterten, auf der anderen Seite. Nichtsdestotrotz erwies sich das stARTcamp Wien „als Mittel gegen Kulturpessimismus bei den Kulturmachern“, wie es eine TeilnehmerInnenin formulierte, und erfüllte damit seinen Anspruch allemal.

Einen Überblick zu allen stART-Veranstaltungen gibt es hier.
Fotos des stARTcamp Wien von Karola Rieger auf flickr.
Blogbeitrag von Frank Tentler auf Echtzeitgeist
Blogbeitrag von Therese Zalud auf mqw.at

Dieser Beitrag basiert auf meinem Nachbericht zum stARTcamp Wien für kulturmanagement.net.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1055

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