„Creating Rurality from Below“

 

Ich hatte es vor einiger Zeit schon mal erwähnt: Am vergangenen Wochenende fand in Bamberg eine interdisziplinäre und internationale Tagung statt, organisiert von Marc Redepenning, Julia Rössel und Christoph Baumann, alle drei Sozial- und KulturgeographInnen.

Tagungsposter; http://www.blogs.uni-mainz.de/fb09cultural-geography/events-and-conferences/rurality-new-perspectives-and-themes/; alle Rechte dort.http://www.blogs.uni-mainz.de/fb09cultural-geography/events-and-conferences/rurality-new-perspectives-and-themes/

Diskutiert wurde, wie man mit einem relationalen Verständnis von Ländlichkeit diese diskutieren und analysieren kann. Ich war eingeladen und durfte netterweise erste Überlegungen zu einem Kapitel meiner Habilitation zu den „Übergangsgesellschaften“ vorstellen.

Die Tagung war für mich sehr interessant und in vielerlei Hinsicht anregend. Nicht nur, dass ich sehr nette Menschen kennengelernt und interessante Gespräche geführt habe, ich habe auch einen ganzen Haufen methodischer und theoretischer Anregungen bekommen und war ganz überrascht von dem Werkzeugkoffer, mit dem manche Geograph/innen so unterwegs sind – sehr beeindruckend! Dass darüber hinaus mein Vortrag gut angekommen ist, ist natürlich ganz besonders toll und gibt mir einen kräftigen Motivationsschub!

Im Folgenden gebe ich nun eine Kurzfassung meines Vortrages wieder; wer an einer ausführlicheren Fassung interessiert ist: Ich bin dabei, einen Aufsatz daraus zu machen und werde selbstverständlich Bescheid geben, wenn er irgendwo erscheint.

 

„Ländlichkeit“ ist ein Konzept, das in der Geschichtswissenschaft in der Regel nur vermittelt eine Rolle spielt. Untersucht die Geschichtswissenschaft agrarische Gesellschaften, wird in der Regel das Charakteristikum „Ländlichkeit“ als Kennzeichen der untersuchten Gesellschaft vorausgesetzt, nicht aber selbst zu einem Gegenstand der Untersuchung gemacht. Untersucht man jedoch – und das ist in der Vergangenheit bereits ausgiebig unternommen worden – die Konstruktion von Ländlichkeit, so rücken vor allem bürgerliche, städtische Akteure in den Blick, etwa die „Agrarromantiker“, von denen Bergmann 1971 schrieb. Ländlichen Gesellschaften selbst schienen von diesen Ländlichkeitskonstruktionen weitestgehend unberührt zu sein; sie existierten quasi in einer anderen Sphäre.

Ich habe im Rahmen des Vortrags diese Forschungen insofern erweitert, als dass ich ländliche Gesellschaften als „Kontaktzonen“ in bestimmten Prozessen sichtbar mache. Kontaktzone – das ist ein Konzept, das vor allem in der post-kolonialen Forschung zu Globalisierungsprozessen eine Rolle spielt und erst langsam, vor allem vermittelt über Emily Rosenberg, seinen Weg in die Geschichtswissenschaft findet. Kontaktzonen sind in diesem Zusammenhang soziale Räume, die durch die Konfrontation und den Kontakt heterogener Interessen bestimmt sind, vor allem aber durch Hierarchien, Machtverhältnisse und die unterschiedliche Verteilung von Handlungsspielräumen gekennzeichnet sind. So kann man auch ländliche Gesellschaften als Kontaktzonen der Konstruktion von Ländlichkeit sichtbar machen.

In zwei Schritten bin ich anschließend diesem Konstruktionsprozess vor Ort, am Beispiel von Bernried, nachgegangen: am Beispiel von Heimatschutz-Gesetzgebung und der Förderung des Tourismus. Bernried eignet sich hervorragend für die Analyse dieser Beispiele – oder andersrum: Die Beispiele sind abgeleitet vom Bernrieder Fall, sicherlich wären auch andere Situationen denkbar, in denen Ländlichkeitskonstruktionen sichtbar gemacht werden könnten. Aber Bernried als früher Sommerfrische-Ort und Sinnbild eines (vermeintlich) unberührten oberbayerischen Dorfes im Voralpenland zeigt genau an diesen Stellen, wo Kontakte über die Dorfgrenzen hinaus bestehen, die exemplarisch analysiert werden können.

1. Zu diesem ersten Abschnitt habe ich bereits einen kurzen Text geschrieben. Wenn man den Maßnahmen zur Pflege heimischer Bauweise genauer nachgeht, stellt man schnell fest, dass diese zunächst (mindestens im Zeitraum bis zum Ersten Weltkrieg) vor Ort keine Relevanz hatten – oder anders gesagt: Es gab keine Baugenehmigungen, die ausgehend von der Heimatschutzgesetzgebung zum Schutz heimischer Bauweise nicht genehmigt oder nur unter Auflagen genehmigt worden wären. Aber sichtbar wird auch: Gebaut haben in Bernried in dieser Periode fast nur Städter – vor allem Angehörige des Bürgertums (vermute ich; fast alle von ihnen trugen Doktortitel), und zwar vor allem repräsentative Sommervillen, die sich ziemlich stark von der örtlichen Bauweise unterschieden. Und in der Regel waren das Entwürfe, die von einem orthodoxen Heimatschützer sofort kassiert worden wären – historizistischer Stilmix aus Folklore und Türmchen und Erkerchen. Es passierte aber nichts. Was kann man daraus schließen?

Entweder geht man davon aus: Okay, Heimatschutzgesetzgebung hat keinen Effekt, sie versandet irgendwo auf dem Weg von oben nach unten. Oder aber man fragt sich: Warum hat denn die Gemeindeverwaltung, die zuständig gewesen wäre für die Einhaltung der ortspolizeilichen Vorschriften, nicht interveniert? Dann wird das Nicht-Intervenieren zu einer aktiven Handlung, die mit bestimmten Motivlagen verknüpft sein könnte: etwa der Abwägung von monetären Interessen der Gemeinde (neue Grundsteuer-Zahler) mit ideellen (Heimatschutz); oder aber auch das bewusste Ignorieren von Heimatschutzvorstellungen, die den eigenen widersprechen (auch hierfür gibt es Hinweise). Wichtig ist also: Anhand der Heimatschutz-Gesetzgebung und ihrer (Nicht-)Umsetzung kann analysiert werden, dass die Möglichkeiten, das architektonische Bild des Dorfes zu beeinflussen, sehr ungleich verteilt waren. Die Heimatschutz-Propheten waren nicht besonders erfolgreich. Wie „erfolgreich“ oder nicht hingegen die örtlichen Akteure waren, findet man nur heraus, wenn man ihre Zielsetzungen kennt. Und es scheint zumindest möglich, dass sie – gemessen etwa an der Zielsetzung, möglichst viele Steuerzahler nach Bernried zu holen und diese nicht etwa mit irgendwelchen Bauordnungen zu verschrecken – durchaus erfolgreich waren.

2. Beinahe gleichzeitig mit der Implementierung der Heimatschutzgesetzgebung begann man in Bernried damit, den Ort für Touristen attraktiver zu machen. Zwar war Bernried auch schon vor der Wende zum 20. Jahrhundert ein Ort gewesen, an dem der eine oder andere prominente Münchner seine Sommerfrische verbracht hatte, schien es doch den örtlichen Verantwortlichen sinnvoll zu sein, einen Verein zu gründen, um Bernried attraktiver zu machen. Der „Dorfverschönerungsverein“ hatte es sich vor allem zur Aufgabe gemacht, Fußwege im Ortsbereich anzulegen, Baumalleen und schattige Wälder zu pflanzen sowie Parkbänke aufzustellen. Ganz offensichtlich war es also das zentrale Anliegen des Vereins, Bernried zu einem attraktiven Ort für eine zutiefst bürgerliche und touristische Aktivität zu machen: für den Spaziergang. Der erste Ansatz war, eine Promenade am Seeufer anzulegen. Dass dies letztlich am Widerstand des örtlichen Gutsbesitzers scheiterte, ist eine komplizierte Geschichte – offenbar befürchtete dieser, sein ländliches Gut werde an Wert verlieren, wenn ein öffentlicher Spazierweg darüber führte. Auch hier also waren die Chancen zur Gestaltung des Dorfes unterschiedlich verteilt; interessant erscheint darüber hinaus, dass der örtliche Verschönerungsverein nicht das architektonische (oder Kultur-)Bild des Ortes zu konservieren versuchte, sondern vor allem die „natürlichen“ Voraussetzungen des Ortes – die Naturnähe, den Ausblick etc. – durch Baumaßnahmen besonders hervortreten lassen wollte. Ländlichkeit wurde hier also vor allem über Natürlichkeit zu konstruieren versucht.

Es wird klar, dass man auch auf der Mikroebene die Herausbildung von Ländlichkeit beobachten kann – und sollte. Die Herausbildung war aber weder einfach durch städtische Akteure determiniert noch von den ländlichen Akteuren komplett steuerbar. Die Möglichkeiten, Ländlichkeit aktiv zu konstruieren und dauerhaft im Ortsbild zu verankern, waren sehr ungleich verteilt. Eine Analyse der „Kontaktzone Dorf“ nimmt also diese unterschiedlichen Vorstellungen und Verwirklichungschancen in den Blick, ohne bereits davon auszugehen, dass am Ende die „städtischen“, weil mit mehr Machtmitteln ausgestatteten Akteure als „Sieger“ aus der Schlacht hervorgingen. Zudem wurde sichtbar, dass nicht alle Formen der Ländlichkeits-Konstruktion schlichte Romantisierungen des Landlebens waren, sondern dass darüber hinaus auch eine instrumentelle Variante bedacht werden muss. Ein Beispiel ist die „ländliche Natürlichkeit“, die der Dorfverschönerungsverein forcierte, und die zumindest zu einem Gutteil dazu dienen sollte, Touristen nach Bernried zu holen.

 

 

Quelle: http://uegg.hypotheses.org/227

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Tagung „Die Reformation und ihre Medien. Mediale Strategien im Umkreis der Wettiner im 16. Jahrhundert“

Datum, Ort: 30. September bis 2. Oktober 2013, Schloss Friedenstein Gotha, Westturm, Ekhof-Kabinett

Vom 30. September bis 2. Oktober 2013 findet auf Schloss Friedenstein die Tagung „Die Tagung_Reformation_und_MedienReformation und ihre Medien“ statt. Die Tagung beleuchtet die strategische Nutzung medialer Informationsformate vor konfessionellem, religions- und reichspolitischem Hintergrund im Umkreis der Wettiner während der Reformation. Die zu untersuchenden Medien reichen von publizistischen Erzeugnissen wie illustrierten Einblattdrucken und Flugschriften über Briefe und Bücher bis hin zu Informationsträgern, die der Schriftlichkeit entzogen sind wie Gemälde, malerische und bildhauerische Ausstattungen sakraler und öffentlicher Räume, Theateraufführungen, Münzen und Medaillen.

Die Tagung wird von der Projektgruppe Reformationsgeschichte, einem durch das TMBWK unterstützten Zusammenschluss der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha (Dr. Martin Eberle), der zur Universität Erfurt gehörenden Forschungsbibliothek Gotha (Dr. Kathrin Paasch) und des Lehrstuhls für Kirchengeschichte der Universität Jena (Prof. Dr. Christopher Spehr, Leitung) veranstaltet. Aufgabe der Projektgruppe ist es, zur Erforschung des reformatorischen Erbes in Thüringen beizutragen.

Aufgrund begrenzter Platzzahl wird um Anmeldung bis zum 20.09.2013 gebeten.

 Flyer zur Tagung

Organisation
Dr. Martin Eberle
Stiftung Schloss Friedenstein Gotha
Dr. Kathrin Paasch
Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha, Forschungsbibliothek Gotha
Prof. Dr. Christopher Spehr
Friedrich-Schiller-Universität Jena

Kontakt:

Ulrike Eydinger

Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Projektgruppe Reformationsgeschichte Stiftung Schloss Friedenstein Gotha PF 10 03 19, 99853 GOTHA Tel. 03621-8234-555 Fax 03621-8234-63 eydinger@stiftung-friedenstein.de http://www.stiftungfriedenstein.de/index.php?id=1084

 

 

 

Quelle: http://studpro.hypotheses.org/351

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#digigw2013 | Auftakttagung der AG Digitale Geschichtswissenschaft: Tweetarchiv online

Gestern fand in Braunschweig die Auftakttagung der AG “Digitale Geschichtswissenschaft” im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands statt. Das Programm der Tagung finden Sie als PDF hier.

Die Veranstalter haben im Vorfeld #digigw2013 als Hashtag festgelegt.
Insgesamt wurden bisher mehr als 780 Tweets mit diesem Hashtag verschickt, darunter 130 vom Account der Veranstalter @digigw.

 

Ein Tweetarchiv zu #digigw2013 finden Sie hier, eine Visualisierung dazu hier.


 

Zu den Social-Media-Aktivitäten der AG: Mareike König, Die AG “Digitale Geschichtswissenschaft” im Web 2.0, in: Weblog Digital Humanities am DHI Paris, 13.8.2013, URL: http://dhdhi.hypotheses.org/1960.

Quelle: http://redaktionsblog.hypotheses.org/1595

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Rural History 2013

Leider konnte ich selbst nicht dabei sein, aber ich wäre es gerne gewesen. Lediglich die Vernunft hat mich davon abgehalten, im August meinen pickepacke-vollen Schreibtisch in München zurückzulassen und in den Zug nach Bern zu steigen. Dort tagte zum ersten Mal die nun fertig konstituierte European Rural History Organisation (EURHO). Vier Tage lang gab es Panels über Panels, drei Keynote-Sessions (erstens zum Englischen als lingua franca der Agrargeschichte und den Problemen, die damit einhergehen; zweitens zur europäischen Agrargeschichte und der Publikationsreihe Rural History in Europe, erscheint bei Brepols; und drittens zu Filmen in der Agrargeschichte), Exkursionen und Treffen (das ganze Programm hier). Und na klar, sicher hätte sich der Besuch der Tagung schon allein für die vielen interessanten Gespräche, Eindrücke und persönlichen Kontakte am Rande gelohnt. Gut (oder eher: nicht gut), das habe ich verpasst.

Aber: Auch wenn die EURHO offenbar nicht von besonders vielen digital historians geprägt ist – sucht nur mal nach dem Hashtag #eurho, viel passierte da nicht –, die OrganisatorInnen haben ganze Arbeit geleistet. Auf der schweizerischen Geschichtswissenschafts-Plattform infoclio.ch sind Videos von den Keynote Sessions abrufbar (bereitgestellt von vimeo), und immer mehr Panel-Berichte werden dort online gestellt.

Ich habe mir erst ein paar Dinge angesehen. Besonders gut finde ich die Videos der dritten Session, aber vielleicht auch deshalb, weil sie durch die Filmbeispiele aufgelockert sind und eben nicht einfach einen vortragenden Historiker/eine Historikerin ablichten. Ich bin sofort ein großer Fan des Films „Glück im Stall“ geworden, der in phantastischer Mélange aus Agrarromantik und Agrar-Technizismus die schweizerischen Fleckviehbauern zu einer rationaleren Zuchtpraxis anleiten sollte. Das ganze Glanzstück der Filmkunst (von 1964) gibt’s hier, Min. 01:09 bis 08:55.

So, und nun gehe ich wieder lesen (und Filme schauen) und informiere mich über all das, was ich in Bern verpasst habe. Beim nächsten Mal will ich unbedingt dabei sein. In zwei Jahren ist es wieder so weit, dann in Girona/Spanien!

Quelle: http://uegg.hypotheses.org/138

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Digital Humanities in Österreich – Veranstaltungen im Oktober

Die Digitalen Geisteswissenschaften haben in Österreich noch nicht die Öffentlichkeit wie in Deutschland oder der Schweiz. Sie sind aber dennoch aktiv, wie folgende Doppelveranstaltung belegt:

24. Oktober 2013
Herausforderungen und Chancen des digitalen Zeitalters:
Forschungsinfrastrukturen in den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften
Ort: Haus der Industrie, Schwarzenbergplatz 4, 1031 Wien
weitere Informationen unter http://www.oeaw.ac.at/icltt/node/83

25. Oktober 2013
Was können und wollen Digital Humanities
Ort: Österreichische Nationalbibliothek, Josefsplatz 1, 1015 Wien
Weitere Informationen und Anmeldung unter: http://dhtagungwien.eventbrite.de

Die Veranstaltungen sind inhaltlich aufeinander abgestimmt und dienen der Information und dem Austausch über digitale Forschungsinfrastrukturen in Österreich. Nähere Informationen folgen in Kürze!

Für die Organisation und Beiträge zu den Veranstaltungen sind verantwortlich:
Zentrum für Informationsmodellierung in den Geisteswissenschaften an der Universität Graz
Institut für Corpuslinguistik und Texttechnologien der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Österreichische Nationalbibliothek
Österreichisches Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2139

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Experiment: Ein Sektionsthema crowdsourcen

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Auch unsere Eule macht sich Gedanken.
Foto: Charlotte Jahnz, CC-BY.

Der 50. Historikertag, der 2014 in Göttingen stattfindet, steht unter dem Thema “Gewinner und Verlierer”. Damit wir alle zu den Gewinnern gehören, wollen wir heute ein Experiment wagen. Anstatt uns zur Themenfindung für unsere Sektion ins stille Kämmerchen aka den Elfenbeinturm zurückzuziehen, möchten wir gerne wissen was Euch in punkto “Gewinner und Verlierer” als Sektion beim Historikertag interessieren würde. Deswegen wollen wir heute ein Ideen-Crowdsourcing starten. Welchen Titel müsste eine Sektion haben, die Ihr auf keinen Fall verpassen wolltet? Eine gedankliche Anregung bieten die Fragen die der Historikerverband vorab zum Thema online gestellt hat:

  • Welche Vorannahmen sind wirksam, wenn historische Akteure in der Geschichtsschreibung zu “Gewinnern” oder “Verlierern” werden. Unter welchen Voraussetzungen finden Umdeutungen in der Rollenverteilung statt?
  • Wie gehen historische Akteure mit Gewinn und Verlust, Sieg und Niederlage um? Wie reagieren sie auf Verlust, u.a. an symbolischem Kapital wie Ehre? Welche Erfahrungsgewinne können aus Verlust entstehen? Welche Einbußen, etwa an politischer Umsicht, können auf der Seite der Sieger bzw. Gewinner zu verbuchen sein?
  • Welche Formen der sozialen Interaktion lassen “Gewinner” und “Verlierer” sichtbar werden, unter welchen Bedingungen wird dies in Hinblick auf künftige Kooperation gezielt vermieden?
  • Wie sind “Gewinner” oder “Verlierer” im historischen Gedächtnis präsent? Welche Rolle spielt die Repräsentation von Sieg und Niederlage, Gewinn und Verlust in Geschichtsbüchern, Filmen, Museen, im Geschichtsunterricht für das Rollenverständnis und die öffentliche Wahrnehmung von “Gewinnern” und “Verlierern”?
  • Welche Rolle spielt die Vorstellung der engen Korrelation von Gewinn und Verlust als Nullsummenspiel in der Geschichtsschreibung beispielsweise in der Militär- und Diplomatiegeschichte, aber auch in Feldern wie der Geschichte von Mensch und Umwelt, der Wirtschaftsgeschichte oder der Geschlechtergeschichte?
  • Welche historiographischen Konzepte und Narrative bilden eine Alternative zu der binären Einteilung in “Gewinnern” und “Verlierern”?

Da die Vorschläge für Sektionen bis zum 31. Oktober 2013 eingereicht sein müssen, bitten wir darum, uns Eure Anregungen bis zum 31. August 2013 entweder als Kommentar hier im Blog zu hinterlassen, uns mit dem Hashtag #histag14 bei den @webertweets anzutwittern oder – ganz oldschool – eine E-mail an blogs@maxweberstiftung.de zu schicken.
Wir sind gespannt!

Quelle: http://gab.hypotheses.org/851

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Web Archiving Meeting 2013 – Innsbruck, Austria, 20.9.2013

http://webarchiving2013.wordpress.com The 2013 (international) Web Archiving Meeting, hosted by the Internet Archive’s Archive-It service and The University of Innsbruck (German Department / Innsbruck Newspaper Archive), will be an opportunity for professionals engaged in or curious about web archiving to connect with one another, share best practices, and learn more about web archiving.  In addition, Archive-It […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/07/4606/

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Blog zur Tagung “Geschichte Lernen digital”, 8. und 9. März 2013

http://gelerndig.hypotheses.org Die Lebenswelt der Heranwachsenden unterliegt seit einigen Jahren einem tiefgreifenden digitalen Wandel. Die alterstypischen Kommunikationen haben sich stark in digitale Social Networks verlagert (Facebook etc.), Informationen werden offenen Collaboratives (Wikipedia) oder Web-Angeboten entnommen, die nicht den herkömmlichen Reputationsregeln unterliegen (Blogs etc.). An gesellschaftlichen Wandlungen und Ereignissen nimmt man spontan, öffentlich und in Echtzeit teil […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/07/4603/

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Jahreskonferenz der Universitätsarchivare und Archivare wissenschaftlicher Institutionen (SUV) im Internationalen Archivrat in Barbados

Tagungsgebäude: 3Ws Oval, University of Wes Indies, Bridgetown (Barbados)
(Tagungsgebäude)

Das West Indies Federal Archives Centre und die University of the West Indies auf dem Cave Hill Campus in Bridgetown/Barbados waren die diesjährigen Gastgeber der Jahreskonferenz der Sektion der Universitätsarchivare und Archivare wissenschaftlicher Institutionen im Internationalen Archivrat (ICA SUV). Über 65 Archivarinnen und Archivare aus fünf Kontinenten trafen sich vom 26. bis 29. Juni 2013 auf der Karibikinsel, um ihre Ansichten und Erfahrungen zum Leitthema „Managing Archives in a Digital World“ auszutauschen. Das Treffen bot ein Forum, auf dem Experten aus aller Welt neue Trends auf den Gebieten der Digitalisierung, der elektronischen Akten und der Möglichkeiten des Internets (Web 2.0, Social Media, Cloud Archiving) im Hinblick auf die tatsächlichen und noch erforderlichen Wechselwirkungen mit den archivischen Kernaufgaben erörterten. In sieben Arbeitssitzungen zeigten insgesamt 22 Referentinnen und Referenten ihre Präsentationen zu den Themenbereichen, unter ihnen als Keynote Speakers Sir Hilary Beckles, Luciana Duranti, Henry Fraser und Kenneth Thibodeau.

Kenneth Thibodeau, der zuletzt Direktor des Center for Advanced Systems and Technology der US National Archives war, führte in das Konferenzthema ein, indem er sowohl die Entwicklungskontinuität digitaler Unterlagen auf der einen Seite als auch die technischen Eingriffe durch Archivare und die damit verbundene Frage nach der archivarischen Kompetenz dafür auf der anderen Seite erörterte. Die gegenseitigen Einflüsse der mit Medien und Technik in Beziehung Stehenden führten zu Veränderungen des Wie, des Was und des Wer des Handelns. Ein Spezifikum digitaler Unterlagen sei, dass ihre Nutzung in jedem Fall die Aktivierung eines Bearbeitungsprozesses verursache. Da dies immer die Gefahr der Verwischung früherer Bearbeitungsspuren in sich berge, existiere hier eine Herausforderung an die digitale Bestandserhaltung. Es stelle sich die Frage, welche technische Kompetenz der Archivar benötige, um digitale Archivierung koordinieren zu können. Er solle nicht versuchen, zum Technikexperten zu werden, besonders nicht im Records Management. Vielmehr seien von ihm Grundkenntnisse über gebräuchliche Technologien bei der Erzeugung von Akten, bei Transmissionsvorgängen, bei der Schriftgutverwaltung und digitalen Bestandserhaltung sowie über Technologien für die Bereitstellung und Recherche zu erwerben. Diese Kenntnisse sollten den Archivar dazu befähigen, die Tauglichkeit von technischen Verfahren zu beurteilen, nicht aber sie zu beherrschen (judgement statt expertise). Thibodeau hielt eine Art „Archival App Store“ für wünschenswert, das sich aus der Trias der Anforderungen der Archivare, der technologischen Möglichkeiten der Techniker und der Erwartungen der Nutzer speise. Sein abschließendes Statement beinhaltete die Aussage, dass die Archivare heute noch nicht die Möglichkeiten besäßen, elektronische Unterlagen sicher zu archivieren. Das technologische Umfeld sei dafür noch nicht ausreichend entwickelt. In jedem Fall könne digitale Archivierung aber nur in interinstitutioneller Kooperation gelingen.

In der ersten Session sprachen Alan Bell vom Centre for Archive and Information Studies bei der Universität Dundee und Lekoko Kenosi von der King Abdullah University of Science and Technology im saudiarabischen Jeddah. Beide wiesen darauf hin, wie nötig es sei, dass Systeme, in denen elektronische Unterlagen entstehen, den archivfachlichen Standards entsprächen und die Unterlagen nicht isoliert, sondern in ihren Kontexten archivierbar machten. Zugleich müssten solche Werkzeuge des Record Management in der Lage sein, flexibel auf ständig neu hinzukommende und vorhergehende ablösende Beziehungsvisualisierungen, Arbeitsweisen und Prioritätssetzungen zu reagieren. Dabei sei auch der Kreativität der Nutzer solcher Systeme genügend Raum zu geben, um Workflows durch Partizipation optimal zu gestalten. Außerdem sollten geeignete Systeme finanziell erschwinglich sein. Nicht zuletzt läge es aber auch an den verantwortlichen Records Managern, sich neuen Herausforderungen immer wieder bereitwillig zu stellen und selbstkritisch veränderten Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Als einschlägige professionelle Belange, die beim „mainstream information manager“ häufig zu wenig ausgeprägt seien, nannte Bell vor allem das Problembewusstsein bezüglich Bewahrung oder Rekonstruierbarkeit von Provenienz und der Geschichte der administrativen Aktivitäten.

Lekoko Kenosi befasste sich vorwiegend mit digitalen Vorgängen und Dokumenten einschließlich Social Media Records und Archivierungsstrategien in der „Cloud“. Das zentrale Problem bei der Nutzung der Cloud für Archivierungszwecke sei die fehlende Nachprüfbarkeit, was dort mit den Daten geschehe. Nur verbindliche Vorgaben an die Provider könnten Rahmenbedingungen schaffen, die eine Archivierung in der Cloud in Erwägung ziehen ließen. Sein Vortrag stieß eine Diskussion über den Kompositionscharakter von Social Media-Beiträgen an. Dabei wurde die Ansicht vertreten, dass erst dann von Records bei dieser Art von Unterlagen gesprochen werden könne, wenn sie im Kontext einer umfassenderen Aufgabenwahrnehmung mit mehr oder weniger klaren Funktionsbezügen entstanden seien, etwa wenn es sich um einen behördlichen Facebook-Account handele, dessen Pflege in die Aufgaben der Stelle integriert sei. Lägen diese Voraussetzungen nicht vor, könne allenfalls von Dokumenten die Rede sein, nicht aber von Records. Wenngleich Folgerungen daraus für mögliche Bewertungen von Social Media Dokumenten und Records nicht explizit diskutiert wurden, deutete sich im Verlauf der Konferenz mehrmals an, dass ihre Archivwürdigkeit in der Mehrzahl der Fälle offenbar überwiegend noch verneint werden könne. Wie stark Social Media und Web 2.0 in zentrale Bereiche von Universitäten dennoch verwoben seien, zeigte Elizabeth Shaffer in ihrer Präsentation am Ende der Konferenz (s.u.).

Geoffrey Yeo, der Records Management und Archivische Erschließung am University College London (UCL) unterrichtet, befasste sich mit der veränderten Situation der Erschließung im digitalen Zeitalter. Die Tendenz zur flachen Erschließung, durch die Erschließungsrückstände vermeintlich aufgeholt werden könnten, sei kontraproduktiv zum Anliegen der Archivare, den Benützerinteressen zu entsprechen. Dagegen sei auch eine gute Kontextbeschreibung auf höherer Verzeichnungsstufe kein Heilmittel und schon gar nicht dürfe eine solche Kombination zum Erschließungsprinzip werden. Vielmehr müssten die Archivare die offengelegten Kontextinformationen auf die Aktenebene herunterbrechen und anhand der Inhalte greifbar machen. Er stellte die Frage, ob nicht im Laufe des (vorarchivischen) Lebenszyklus digitaler Unterlagen bereits so viele Metainformation entstehe, dass ein automatisiertes Abgreifen im Zuge der Übernahme ins Archiv die retrospektive Erschließung weitestgehend ablösen könne. Dabei sei es wünschenswert, dass die von Sachbearbeitern im Alltag genutzte Software die erforderlichen Metadaten automatisch generiere. Anzustreben sei des Weiteren, die Möglichkeiten des softwarebasierten Natural Language Processing (NLP) zu nutzen. Dieses Verfahren erkennt Namen und Ortsbezeichnungen bei der Digitalisierung von Dokumenten und kann die Grundlage für die Auswertung ihrer Bezüge untereinander und zu den Inhalten der betroffenen Akten liefern. Eingesetzt werde NLP beispielsweise bereits im ChartEx Projekt (www.chartex.org). Das Verfahren eigne sich auch zur Analyse von E-Mail-Accounts. Problematisch sei jedoch der Umgang mit sensiblen Daten, die mit automatisierten Verfahren vollständig erkannt zu haben nur schwer garantiert werden könne. Perspektivisch sah Yeo die erschließende Funktion des Archivars zunehmend zugunsten eines automatisierten Metadaten-Managements schwinden.

Geoffrey Yeo
(Geoffrey Yeo)

Mehrere Beiträger berichteten über Ergebnisse aus den Projekten „InterPares“ und „InterPares Trust“, „Records in the Clouds“, „Digital Records Forensics“ und „The Law of Evidence in the Digital Environment“ des Centre for the International Study of Contemporary Records and Archives an der School of Library, Archival and Information Studies der University of British Columbia (UBC), darunter auch dessen Direktorin Luciana Duranti. Genaue Information über die Projekte findet sich im Internet unter www.ciscra.org.

In seinem Beitrag über digitale Forensik und Archivwissenschaft empfahl Adam Jansen den Universitätsarchivaren nachdrücklich, ihre besondere Situation zu nutzen und hochqualifizierte Kräfte innerhalb der eigenen Universität in die Lösung von Fragen der digitalen Archivierung einzubeziehen und mit Instituten und Postgraduates in Projekten zusammenzuarbeiten. In seinem Vortrag ging er auch auf die Risiken der Archivierung in der Cloud ein, die eine Kontrolle über den Bereich der „Integrity Metadata“ (administrative Metadaten) unmöglich mache. Er sah in ihr eine Gefahr für die Integrität und Authentizität des Archivguts.

Um digitalisiertes Material und die Nutzung digitaler Techniken zur Auswertung und Verbreitung ging es in den Beiträgen von Lucia Velloso de Olivieira, Dominique Taffin und Ruth Frendo. Unter anderem stellte Dominique Taffin das „Portail de la Banque Numérique des Patrimoines Martiniquais“ (www.patrimoine-martinique.org) vor, das sich mit der Geschichte dieses französischen Übersee-Départements befasst. Ruth Frendo von der Londoner Theater- und Bildungseinrichtung Shakespeare’s Globe präsentierte die Methoden ihrer Einrichtung bei der Archivierung und Auswertung mit Hilfe neuer Technologien. Ihr Beitrag warf ein Schlaglicht darauf, wie das Mandat einer archivierenden Institution sowohl die Ziele als auch die Methodik zu beeinflussen in der Lage sein kann. Zugleich stellte sie wesentliche methodische Unterschiede im Umgang mit Inhalts- und Kontextinformation bei einer Dokumentation einerseits und einer Archivierung andererseits klar heraus. Kenneth Thibodeau wies darauf hin, dass angesichts der Flut der auf die Archive zuströmenden elektronischen Daten die Gründe, weshalb bestimmte Information als archivwürdig angesehen werde, mit besonderer Sorgfalt transparent gemacht werden müssten (why are we doing, what we do?).

Den zweiten Konferenztag eröffnete Luciana Duranti mit ihrem Vortrag über die Ergebnisse des InterPares Trust-Projekts und des Projekts „Records in the Cloud“. Darin geht es um die Risiken und Chancen der Archivierung in Speichermedien, die nur über Internetverbindungen zu erreichen sind („Cloud“). Die Grundvoraussetzungen für Archivierung bei Drittanbietern fasste sie in das etymologische Wortspiel des Vertrauens gegenüber vertrauenswürdigen Treuhändern (trust trustworthy trustees). Sie stellte fest, dass es eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen Erwartungen und Kenntnissen an Cloud Storage und Cloud Archiving gebe: Die meisten Firmen oder anderen Nutzer von Cloudangeboten wüssten nicht, was in der Cloud mit ihren Daten geschehe, obwohl sie mit dem Anbieter einen Vertrag geschlossen hätten. Ferner sei es bemerkenswert, dass von den Providern in aller Regel zwar communication, data processing und data storage, nicht aber Archivierung angeboten werde. Für den Nutzer heiße dies, er müsse sich nach dem „Caveat emptor“-Prinzip verhalten, unterliege der juristischen „voluntary vulnerability“ und müsse demnach bereit sein, die sprichwörtliche Katze im Sack zu kaufen und nicht zuletzt auch hinsichtlich der finanziellen Belastungen auf Überraschungen gefasst sein. Sie führte diese Thesen anschließend in die Tiefe und deckte die Unwägbarkeiten und Risiken der Cloudarchivierung weiter auf. Offen blieben Fragen nach dem Verbleib der Datenhoheit des Dateneigners und der Nachprüfbarkeit von Authentizitätswahrung zum einen, unwägbare technische Risiken zum anderen und zum dritten juristische Schwachstellen, wie etwa die Wahrung von Geheimnissen, Datenschutzrechten oder des urkundlichen Werts von Dokumenten. Der faktische Verlust der Nachprüfbarkeit der Metadaten und die Unkenntnis über ihre korrekte Fortschreibung sei das zentrale Argument gegen die Cloud. Duranti sah für eine akzeptable Vertrauensbalance die Entwicklung vertrauenswürdiger Technologien, Prozesse und Vertragsbedingungen als erforderlich an. Die Voraussetzungen dafür seien, dass notwendige Änderungen im Verständnis von dem, was die Beteiligten unter Vertrauen auf Daten, Akten und Aktenführungssysteme verstünden, identifiziert und auf dieser Basis international anerkannte Grundsätze für Vertrauenswürdigkeit entwickelt würden.

Luciana Duranti
(Luciana Duranti)

Shadrock Katuu von der Internationalen Atomenergiebehörde (Wien) nahm in seinem Beitrag über ein Enterprise Content Management (ECM) Bezug auf den Vortrag von Kenneth Thibodeau und sprach sich dafür aus, dass auch Archivare sich auf dem IT-Gebiet tiefergehende Fachkenntnisse aneignen sollten, um in der Sprache der Informatik kommunizieren zu können. ECM sei in Data Management Systems (DMS) eingesetzt, seine Möglichkeiten gingen aber weit darüber hinaus, es sei beispielsweise geeignet, als Gesamtinfrastruktur für ganz unterschiedlich organisierte Geschäfts- und Prozessbereiche eines Unternehmens zu fungieren, möglicherweise inklusive der Archivierung. Zwischenzeitlich gebe es dafür einen ICA-Standard sowie eine ISO-Norm und den Standard Moreq2010.

Mit der Archivierung digitaler Fotos beschäftigte sich die Archivarin und Fotografin Jessica Bushey von der University of British Columbia, die auch Mitarbeiterin im Records in the Cloud-Projekt war. Sie wies darauf hin, dass in der Praxis der Verwendung von Fotos für Nachrichtenberichterstattung der Film gegenüber dem Foto erheblich an Bedeutung gewinne, da sich aus digitalen Filmsequenzen problemlos einzelne Fotos herauspicken ließen. Die Cloud sei für die Verfügbarmachung von Fotos häufig genutzt, unter anderem von digitalen Repositorien. Es sei aber festzustellen, dass in der Regel vom Cloudanbieter für die Wahrung integrierter Metadaten nicht Sorge getragen werde. Metadaten würden  beim Hochladen fast regelmäßig gelöscht. Gleiches geschehe beispielsweise beim Download von Bildern von Facebook in umgekehrter Richtung. Cloudnutzer seien sich der Zugriffsmöglichkeiten auf die hochgeladenen Daten oft wenig bewusst. Bushey verwies auf die Schließung des Social Medium „MySpace“, dessen Nutzer erstaunt auf die Frage von MySpace reagierten, ob sie Wert darauf legten, ihre Einträge zurück zu erhalten. Beim Austausch von Fotos sei das Bewusstsein von Eigentum an den Daten und den Rechten noch weit höher ausgeprägt.

Am Beispiel der Erfahrungen bei der Einführung der elektronischen Akte im Rahmen des eGovernments auf Martinique referierte Cindy Mencé über digitale Archivierungsprojekte. Ihr Resümee mündete in die Empfehlungen, sich zunächst nicht zu große Ziele in zu kurzer Zeit zu setzen, nicht anzunehmen, dass alles ausschließlich auf archivischen Praktiken basieren müsse und nicht zu glauben, dass eine gute Spezifikation die Entwicklung eines guten CAS (Content Addressed Storage) sicherstelle. Vielmehr seien die IT-Manuals und unterschiedlichen zur Verfügung stehenden Spezifikationen sorgfältig zu lesen und miteinander zu vergleichen. Mencé legte ausdrücklich Wert darauf, dass befriedigende CAS-Systeme dem OAIS-Referenzmodell entsprechen müssten.

Einen Schwerpunkt auf die Archivierung und Zugänglichmachung digitaler Audiounterlagen legte Lorraine Nero von der University of West Indies im in der Republik Trinidad und Tobago liegenden St. Augustin. Sie zeigte unter anderem am Bestand „BBC Carribean Service“, wie Tondokumente erschlossen werden. Nach der Konvertierung in die Formate WAV und MP3 werden bei der Erschließung die inhaltlichen Beziehungen unterschiedlicher BBC-Beiträge sichtbar gemacht. Neben einer Zusammenfassung des Inhalts einer Audioeinheit wurde bisher ein ausführlicher Enthältvermerk angebracht, in dem nacheinander jeder einzelne Beitrag aufgelistet wurde. Da die Intensität dieser Erschließung mit den vorhandenen Ressourcen nicht fortzuführen sei, gehe man dazu über, Erschließung nicht mehr als Vakuum zu begreifen, sondern Nutzer und Experten einzubeziehen und sich auf „user generated content“ einzulassen. Nero benennt die hierbei auftauchenden Probleme des Urheberrechts an solchen Erschließungsbeiträgen Dritter und betont, dass hier vom Archiv eine Regelung zu finden sei, bevor man damit beginne. Des Weiteren wolle man die Tonspuren in Text konvertieren und eine Volltext- und Schlagwortsuche darin ermöglichen.

In einer weiteren Session ging es um die speziellen Unterlagengruppen der Akten aus studentischen Organisationen und um E-Mail-Überlieferung. Jay Gaidmore von der Earl Gregg Swem Library am College of William and Mary im US-Bundesstaat Virginia berichtete über die Umsetzung eines Dokumentationsprofils hinsichtlich studentischer Provenienzen im Archiv der University of North Carolina. Dabei nahm er Bezug auf die von Helen Willa Samuels in ihrem Buch „Varsity Letters“ herausgearbeiteten zentralen Funktionen von Universitätsarchiven. Die Dokumentation der studentischen Aktivitäten subsumierte er dabei unter die universitäre Zentralfunktion des „Fostering Socialization“. Im Fokus stünden vor allem studentische Verbindungen und Organisationen, unterrepräsentierte Gruppen sowie studentische Aktivistengruppen. Gaidmore hielt es für wichtig, den Studenten ebenso wie den vorgesetzten Stellen der Hochschularchive zu kommunizieren, welche Bedeutung die Dokumentation der hier sichtbar werdenden Auswirkungen universitären Lebens für die Bewahrung eines umfassend aussagekräftigen Abbilds der Universität habe. Er empfahl, etwa in den hauseigenen Archivnachrichten „Tipps for preserving your organization’s history“ zu veröffentlichen und Alumni einzubeziehen.

Dass E-Mails in Universitätsverwaltungen keine Privatkorrespondenz und schon gar kein Privateigentum seien, war der Ausgangspunkt für den Beitrag der Universitätsarchivarin der University of Wyoming Laura Jackson über administrative E-Mails in öffentlichen Universitäten der Vereinigten Staaten. Die wichtigsten Informationen über Entscheidungsfindungsprozesse fänden sich heute oftmals in den E-Mail-Ordnern höherer Universitätsbediensteter, aber nicht mehr mit hinreichender Sicherheit auch in den offiziellen Akten. Um Aktivitäten, Funktionen und Ereignisse transparent und nachvollziehbar erhalten zu können, sei die Einbeziehung von E-Mails in die Archivierung daher zwingend erforderlich. Allerdings sei damit ein scheinbar unverhältnismäßig hoher Erschließungsaufwand verbunden, da E-Mails in aller Regel weitgehend ungeordnet abgelegt seien und in nicht immer sofort erkennbaren Kontexten mit anderen Überlieferungsteilen stünden. Jackson empfahl, mittels entsprechend konfigurierter Software, die den Bearbeitern zur Verfügung gestellt werden sollte, eine Auswahl herauszufiltern, die dann vom Archiv übernommen werde. Dafür gebe es geeignete Software, mit der man zentrale Korrespondenzstränge ermitteln und private von geschäftlicher Korrespondenz trennen könne. Im Universitätsarchiv Wyoming würden übernommene E-Mails mit der Software Aid4Mail oder Emailchemy in die Formate MBOX und PDF/A konvertiert. Aus den E-Mails bilde man E-Mail-Akten und Serien nach inhaltlichen Gesichtspunkten. Die Nutzbarmachung erfolge durch direkte Zugriffspunkte in den digitalen Findmitteln. Für die Zukunft sei es aber wichtig, nicht nur rechtzeitig mit den Bearbeitern in Kontakt zu treten, sondern auch Richtlinien für die Organisation von E-Mail-Accounts und den Transfer ins Archiv zu erarbeiten.

Laura Jackson
(Laura Jackson)

In der vorletzten Session ging es um Grundsätze und Standards bei der Erschließung und Bereitstellung digitaler und digitalisierter Archivalien. Gavan McCarthy, Direktor des University of Melbourne eScholarship Research Centre, konzentrierte sich in seinem Beitrag auf den deskriptiven Standard Encoded Archival Context (EAC) und stellte das Projekt „Find and Connect“ der australischen Regierung vor. Darin wird EAC nicht mehr nur zur Beschreibung von Überlieferungsbildnern, sondern generell zur Beschreibung von Entitäten genutzt, d.h. für Akteure ebenso wie zum Beispiel auch für Events. Karsten Kühnel vom Universitätsarchiv Bayreuth veranschaulichte in seinem Beitrag über die Möglichkeiten zur Visualisierung von Beziehungen anhand von Digitalisaten die Bedeutung der Beschreibung von Funktionen in einem Erschließungssystem, das Beziehungen und Beziehungsgemeinschaften zur Grundlage virtueller Bestandsbildung macht, und bemängelte dabei das Fehlen eines EAC-Profils für Funktionen (EAC-F), um sie analog zum ISDF-Standard in einem digitalen Austauschformat beschreiben zu können.

Karsten Kühnel
(Karsten Kühnel)

Corinne Rogers referierte in der abschließenden Session über das noch bis 2015 laufende Projekt „The Law of Evidence in the Digital Environment“, einer Kooperation zwischen der juristischen Fakultät und der School of Library, Archival and Information Studies (SLAIS) an der University of British Columbia (http://www.lawofevidence.org/). Das Projekt befasst sich damit, wie digitale Unterlagen und Produkte digital organisierter Geschäftsprozesse die gleiche juristische Qualität wie herkömmliche papierbasierte Dokumente erlangen und dauerhaft behalten können. Sie ging dabei auch auf die juristischen Probleme im Umgang mit E-Mails ein.

Auf die Praxis der Web 2.0-Nutzung im Zusammenhang mit E-Learning-Prozessen richtete Elizabeth Shaffer von der University of British Columbia die Aufmerksamkeit des Publikums. Sie zeigte, dass im Umfeld der Universitäten Web 2.0 elementare Kommunikationsmethoden bereitstelle, die in die Kernbereiche universitären Handelns und Wirkens Einzug genommen hätten. Kollaboration, verteilte Autorenschaft, enthierarchisierte Partizipation, interaktive Kommunikation, Kontinuität in der Produktion, Reproduktion und Transformation von Information, fehlende Finalität von Prozessen und verteilte Eigentumsverhältnisse versus Open Access seien zentrale Schlagworte, die das derzeitige E-Learning auf Web 2.0-Basis charakterisierten. Die Herausforderung an die Archive sei die Bewahrung der dabei entstehenden digitalen Erzeugnisse als Evidenzbelege für studentische Lern- und Sozialisierungsprozesse, verstanden als Ausfluss universitärer Funktionen. Shaffer gelang es, den Kontext zwischen den Aktivitäten der unterschiedlichen Handlungsträger einer Universität und ihren Web 2.0- und Social Media-basierten Produkten auf einem von ihr eingegrenzten Gebiet klar herauszustellen und auf dieser Grundlage die Zusammenhänge zwischen E-Learning und Record making sowie die sich daraus ergebenden Anforderungen an das Record keeping zu verdeutlichen.

Elizabeth Shaffer
(Elizabeth Shaffer)

Zum Abschluss der Konferenz gab der SUV-Vorsitzende William Maher eine Zusammenfassung der Beiträge und stellte die Frage, welche Rolle künftig der SUV als Sektion und dem ICA als Ganzem zukommen könne, um die internationale Komponente einer gemeinsamen Strategie zum Umgang mit digitaler Überlieferung zu stärken.

William Maher
(William Maher)

Das Programmkomitee der Sektion im ICA und die Veranstalter vor Ort haben in Barbados eine in organisatorischer und inhaltlicher Hinsicht vorbildliche Leistung erbracht. Die Referentinnen und Referenten erfüllten die im CfP formulierten Wünsche, wonach für die Vorträge ein „fortgeschrittenes wissenschaftliches Niveau“ Voraussetzung sein sollte, durchwegs. Einmal mehr zeigte sich, wie untrennbar Recordsmanagement und Archivwesen im digitalen Zeitalter miteinander verbunden sind und wie die Anforderungen an ein digitales Archiv nur durch frühzeitige Eingriffe und Beteiligung der Archivare an den Fragen der Schriftguterzeugung und -verwaltung im öffentlichen Sektor in juristisch und forschungsbezogen einwandfreier Weise auf einem zielführenden Weg zu ihrer Erfüllung gebracht werden können.

Die nächste Jahreskonferenz findet im Juli 2014 an der Universität Paris statt. Der Call for Papers wird auf der SUV-Website veröffentlicht (http://www.library.illinois.edu/ica-suv/index.php).

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/743

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Wissen in der ländlichen Gesellschaft, Essen 14.-16. Juni 2013

Das Thema der diesjährigen Sommertagung – „Wissen in der Landwirtschaft und der ländlichen Gesellschaft“ – stellt keinen zentralen Bereich meines Projektes dar, und das ist auch der Grund, weshalb ich von vorneherein nur als Zuhörerin und Diskutantin nach Essen fahren wollte.

Zunächst vorneweg: Die Tagung war toll. Der Tagungsort, das Kulturwissenschaftliche Institut (KWI) in Essen, ist ideal für solch eine Veranstaltung, die auch viel auf Gespräche setzt, außerdem ist die Lage natürlich unschlagbar – gute zehn Fußminuten vom Essener Hauptbahnhof entfernt. Außerdem habe ich schon lange keine Tagung mehr erlebt, die so bunt gemischt war, was die methodischen Richtungen, die untersuchten Epochen und auch das Alter der Beteiligten anging. Gleichzeitig war die Gesprächsatmosphäre sehr angenehm. Vielleicht denke ich noch mal genauer darüber nach, warum die Kommunikation in kleinen historischen „Nischen“ häufig so angenehm ist, wenig hierarchisch und durch ehrliches Interesse an den Forschungen anderer geprägt.

Berlin, Landwirtschaftliche Schulung

Bild: Bundesarchiv, Bild 183-23203-0003 / CC-BY-SA; Berlin, Landwirtschaftliche Schulung

Es ist kaum möglich, einen wirklichen Bericht über diese Tagung zu schreiben, der jedem einzelnen Beitrag gerecht wird – dafür waren die Vorträge einfach zu divers. Sie erstreckten sich von einer Studie über einen landwirtschaftlichen Ratgeber (oder eine Grundlegung der Agrarwissenschaft) im Kastilien des frühen 16. Jahrhunderts (Stefan Schlelein, Berlin) bis hin zur landwirtschaftlichen Erziehung in Südafrika in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Julia Tischler, Berlin), von der Hühnerzucht in Ostwestfalen (Ulrike Heitholt, Bielefeld) bis zum Medien- und Akteurswandel am Ende der Epoche der agrarisch-industriellen Wissensgesellschaft (Beat Bächi, Bern). Literaturwissenschaftliche, transfergeschichtliche, ethnologische und epistemologische Ansätze waren vertreten, die Spanne reichte von sehr mikrogeschichtlichen Untersuchungen bis hin zu allgemeineren konzeptionellen Überlegungen zur Konturierung bestimmter historischer Epochen.

Einige der Vorträge möchte ich gerne noch einmal genauer diskutieren.

Das wäre zuerst einmal der Vortrag von Alexander van Wickeren (Köln): „Zirkulation des Wissens über den Tabakanbau im Elsass um 1800“. Ich habe mich sehr gefreut, Alexander wiederzutreffen, den ich letzten Herbst am DHI in Paris kennengelernt habe. Er beschäftigt sich in seiner Dissertation mit dem Wissen über den Tabakanbau in Baden und im Elsass um 1800. Dabei interessiert ihn vor allem die Zirkulation von Wissen in Grenzräumen; wie bilden sich grenzübergreifende Wissensnetzwerke heraus? Interessant war der Vortrag vor allem deshalb, weil Alexander deutlich machen konnte, dass der „Grenzraum“ Elsass-Baden zumindest in Bezug auf den Tabakanbau um 1812 zunächst nicht als eigener Raum in Erscheinung tritt. Vielmehr funktioniert die Vernetzung der Tabakexperten über Organisationen, und deren Kommunikation ist nicht durch regionale Nähe determiniert, sondern es bildet sich eine spezifische Geographie des Tabakwissens heraus – mit Verbindungen etwa in die Niederlande und bis nach Amerika.

Den Auftakt am zweiten Tagungstag machte Dana Brüller aus München, ebenfalls mit einer sehr wissensgeschichtlichen Ausrichtung: „Auf der Suche nach dem Urweizen: Botanisches und agrarwissenschaftliches Wissen zwischen Ideologie und Anwendung in Palästina (1900-1930)“, einem Thema an der Schnittstelle von Wissenschafts- und jüdischer Geschichte. Überzeugend konnte sie deutlich machen, wie eng die Bereiche Botanik, Landwirtschaft und Siedlung in Palästina miteinander verbunden waren und welche überragende Bedeutung der Botanik als „Science of Settlement“ zukommt. Interessant fand ich auch in ihrem Vortrag die „Territorialisierung“ des Wissens – während das Wissen um den Urweizen als zentral für die zionistische Siedlung galt, war es gleichzeitig in ein internationales Netzwerk botanischer und landwirtschaftlicher Experten eingepasst.

Den Schlusspunkt der Tagung setzte Beat Bächi aus Bern, der das Konzept der agrarisch-industriellen Wissensgesellschaft, das am Archiv für Agrargeschichte in Bern entwickelt worden ist, von seinem historischen Ende her betrachtete. Mit einer medien- und akteursanalytischen Perspektive diskutierte er die Faktoren, die dazu beitrugen, dass spätestens in den 1980er Jahren die enge Verkopplung von Landwirtschaft und Wissenschaft aufbrach. Die Kommunikationsgemeinschaft von Praktikern und Wissenschaftlern kam an ihr Ende, die Wissensformen wurden zunehmend inkommensurabel, und auch die Habitus der Beteiligten veränderten sich. Mit diesen Überlegungen zum Ende der agrarisch-industriellen Wissensgesellschaft machte Bächi deutlich, dass die Wissensgesellschaft nicht teleologisch gedacht werden sollte. Statt von einem stetigen Ausweitungsprozess der Verwissenschaftlichung auszugehen, muss Wissensgeschichte auch die diskontinuierlichen Veränderungen sozialer Welten im Auge behalten.

Schlussendlich scheint mir die Bemerkung von Verena Lehmbrock (Jena) bei der Podiumsdiskussion zu den Chancen der Wissensgeschichte für die Agrargeschichte ein gutes Fazit unter die Veranstaltung zu setzen: Die Frage ist nicht so sehr, was die Wissensgeschichte der Agrargeschichte gibt (viel!), sondern vor allem auch, wie die Wissensgeschichte von der Agrargeschichte profitieren kann. Die Beschäftigung mit Wissen in ländlichen Gesellschaften lenkt den Blick auf viele Schwierigkeiten der Vermittlung und Produktion, auf die Hierarchie verschiedener Wissensformen und das Scheitern von Wissenskommunikation, während eine „allgemeine“ Wissensgeschichte über diese Punkte manchmal zu schnell hinweggeht. Die Geschichte ländlicher Gesellschaften (wie ich ja die „Agrargeschichte“ lieber nennen würde) tut also gut daran, sich stärker als allgemeine Geschichte zu präsentieren und zu kommunizieren.

Das Internet gibt die Möglichkeit zum zeitnahen Publizieren – ja, okay. Leider muss man aber auch die Zeit finden, ganz zeitnah etwas zu schreiben – das klappt offenbar bei mir weniger gut. Deshalb kommt erst jetzt der Bericht zur Tagung der Gesellschaft für Agrargeschichte, die schon vor rund einem Monat stattgefunden hat.

Quelle: http://uegg.hypotheses.org/71

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