Rural History 2013

Leider konnte ich selbst nicht dabei sein, aber ich wäre es gerne gewesen. Lediglich die Vernunft hat mich davon abgehalten, im August meinen pickepacke-vollen Schreibtisch in München zurückzulassen und in den Zug nach Bern zu steigen. Dort tagte zum ersten Mal die nun fertig konstituierte European Rural History Organisation (EURHO). Vier Tage lang gab es Panels über Panels, drei Keynote-Sessions (erstens zum Englischen als lingua franca der Agrargeschichte und den Problemen, die damit einhergehen; zweitens zur europäischen Agrargeschichte und der Publikationsreihe Rural History in Europe, erscheint bei Brepols; und drittens zu Filmen in der Agrargeschichte), Exkursionen und Treffen (das ganze Programm hier). Und na klar, sicher hätte sich der Besuch der Tagung schon allein für die vielen interessanten Gespräche, Eindrücke und persönlichen Kontakte am Rande gelohnt. Gut (oder eher: nicht gut), das habe ich verpasst.

Aber: Auch wenn die EURHO offenbar nicht von besonders vielen digital historians geprägt ist – sucht nur mal nach dem Hashtag #eurho, viel passierte da nicht –, die OrganisatorInnen haben ganze Arbeit geleistet. Auf der schweizerischen Geschichtswissenschafts-Plattform infoclio.ch sind Videos von den Keynote Sessions abrufbar (bereitgestellt von vimeo), und immer mehr Panel-Berichte werden dort online gestellt.

Ich habe mir erst ein paar Dinge angesehen. Besonders gut finde ich die Videos der dritten Session, aber vielleicht auch deshalb, weil sie durch die Filmbeispiele aufgelockert sind und eben nicht einfach einen vortragenden Historiker/eine Historikerin ablichten. Ich bin sofort ein großer Fan des Films „Glück im Stall“ geworden, der in phantastischer Mélange aus Agrarromantik und Agrar-Technizismus die schweizerischen Fleckviehbauern zu einer rationaleren Zuchtpraxis anleiten sollte. Das ganze Glanzstück der Filmkunst (von 1964) gibt’s hier, Min. 01:09 bis 08:55.

So, und nun gehe ich wieder lesen (und Filme schauen) und informiere mich über all das, was ich in Bern verpasst habe. Beim nächsten Mal will ich unbedingt dabei sein. In zwei Jahren ist es wieder so weit, dann in Girona/Spanien!

Quelle: http://uegg.hypotheses.org/138

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Digital Humanities in Österreich – Veranstaltungen im Oktober

Die Digitalen Geisteswissenschaften haben in Österreich noch nicht die Öffentlichkeit wie in Deutschland oder der Schweiz. Sie sind aber dennoch aktiv, wie folgende Doppelveranstaltung belegt:

24. Oktober 2013
Herausforderungen und Chancen des digitalen Zeitalters:
Forschungsinfrastrukturen in den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften
Ort: Haus der Industrie, Schwarzenbergplatz 4, 1031 Wien
weitere Informationen unter http://www.oeaw.ac.at/icltt/node/83

25. Oktober 2013
Was können und wollen Digital Humanities
Ort: Österreichische Nationalbibliothek, Josefsplatz 1, 1015 Wien
Weitere Informationen und Anmeldung unter: http://dhtagungwien.eventbrite.de

Die Veranstaltungen sind inhaltlich aufeinander abgestimmt und dienen der Information und dem Austausch über digitale Forschungsinfrastrukturen in Österreich. Nähere Informationen folgen in Kürze!

Für die Organisation und Beiträge zu den Veranstaltungen sind verantwortlich:
Zentrum für Informationsmodellierung in den Geisteswissenschaften an der Universität Graz
Institut für Corpuslinguistik und Texttechnologien der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Österreichische Nationalbibliothek
Österreichisches Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2139

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Experiment: Ein Sektionsthema crowdsourcen

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Auch unsere Eule macht sich Gedanken.
Foto: Charlotte Jahnz, CC-BY.

Der 50. Historikertag, der 2014 in Göttingen stattfindet, steht unter dem Thema “Gewinner und Verlierer”. Damit wir alle zu den Gewinnern gehören, wollen wir heute ein Experiment wagen. Anstatt uns zur Themenfindung für unsere Sektion ins stille Kämmerchen aka den Elfenbeinturm zurückzuziehen, möchten wir gerne wissen was Euch in punkto “Gewinner und Verlierer” als Sektion beim Historikertag interessieren würde. Deswegen wollen wir heute ein Ideen-Crowdsourcing starten. Welchen Titel müsste eine Sektion haben, die Ihr auf keinen Fall verpassen wolltet? Eine gedankliche Anregung bieten die Fragen die der Historikerverband vorab zum Thema online gestellt hat:

  • Welche Vorannahmen sind wirksam, wenn historische Akteure in der Geschichtsschreibung zu “Gewinnern” oder “Verlierern” werden. Unter welchen Voraussetzungen finden Umdeutungen in der Rollenverteilung statt?
  • Wie gehen historische Akteure mit Gewinn und Verlust, Sieg und Niederlage um? Wie reagieren sie auf Verlust, u.a. an symbolischem Kapital wie Ehre? Welche Erfahrungsgewinne können aus Verlust entstehen? Welche Einbußen, etwa an politischer Umsicht, können auf der Seite der Sieger bzw. Gewinner zu verbuchen sein?
  • Welche Formen der sozialen Interaktion lassen “Gewinner” und “Verlierer” sichtbar werden, unter welchen Bedingungen wird dies in Hinblick auf künftige Kooperation gezielt vermieden?
  • Wie sind “Gewinner” oder “Verlierer” im historischen Gedächtnis präsent? Welche Rolle spielt die Repräsentation von Sieg und Niederlage, Gewinn und Verlust in Geschichtsbüchern, Filmen, Museen, im Geschichtsunterricht für das Rollenverständnis und die öffentliche Wahrnehmung von “Gewinnern” und “Verlierern”?
  • Welche Rolle spielt die Vorstellung der engen Korrelation von Gewinn und Verlust als Nullsummenspiel in der Geschichtsschreibung beispielsweise in der Militär- und Diplomatiegeschichte, aber auch in Feldern wie der Geschichte von Mensch und Umwelt, der Wirtschaftsgeschichte oder der Geschlechtergeschichte?
  • Welche historiographischen Konzepte und Narrative bilden eine Alternative zu der binären Einteilung in “Gewinnern” und “Verlierern”?

Da die Vorschläge für Sektionen bis zum 31. Oktober 2013 eingereicht sein müssen, bitten wir darum, uns Eure Anregungen bis zum 31. August 2013 entweder als Kommentar hier im Blog zu hinterlassen, uns mit dem Hashtag #histag14 bei den @webertweets anzutwittern oder – ganz oldschool – eine E-mail an blogs@maxweberstiftung.de zu schicken.
Wir sind gespannt!

Quelle: http://gab.hypotheses.org/851

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Web Archiving Meeting 2013 – Innsbruck, Austria, 20.9.2013

http://webarchiving2013.wordpress.com The 2013 (international) Web Archiving Meeting, hosted by the Internet Archive’s Archive-It service and The University of Innsbruck (German Department / Innsbruck Newspaper Archive), will be an opportunity for professionals engaged in or curious about web archiving to connect with one another, share best practices, and learn more about web archiving.  In addition, Archive-It […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/07/4606/

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Blog zur Tagung “Geschichte Lernen digital”, 8. und 9. März 2013

http://gelerndig.hypotheses.org Die Lebenswelt der Heranwachsenden unterliegt seit einigen Jahren einem tiefgreifenden digitalen Wandel. Die alterstypischen Kommunikationen haben sich stark in digitale Social Networks verlagert (Facebook etc.), Informationen werden offenen Collaboratives (Wikipedia) oder Web-Angeboten entnommen, die nicht den herkömmlichen Reputationsregeln unterliegen (Blogs etc.). An gesellschaftlichen Wandlungen und Ereignissen nimmt man spontan, öffentlich und in Echtzeit teil […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/07/4603/

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Jahreskonferenz der Universitätsarchivare und Archivare wissenschaftlicher Institutionen (SUV) im Internationalen Archivrat in Barbados

Tagungsgebäude: 3Ws Oval, University of Wes Indies, Bridgetown (Barbados)
(Tagungsgebäude)

Das West Indies Federal Archives Centre und die University of the West Indies auf dem Cave Hill Campus in Bridgetown/Barbados waren die diesjährigen Gastgeber der Jahreskonferenz der Sektion der Universitätsarchivare und Archivare wissenschaftlicher Institutionen im Internationalen Archivrat (ICA SUV). Über 65 Archivarinnen und Archivare aus fünf Kontinenten trafen sich vom 26. bis 29. Juni 2013 auf der Karibikinsel, um ihre Ansichten und Erfahrungen zum Leitthema „Managing Archives in a Digital World“ auszutauschen. Das Treffen bot ein Forum, auf dem Experten aus aller Welt neue Trends auf den Gebieten der Digitalisierung, der elektronischen Akten und der Möglichkeiten des Internets (Web 2.0, Social Media, Cloud Archiving) im Hinblick auf die tatsächlichen und noch erforderlichen Wechselwirkungen mit den archivischen Kernaufgaben erörterten. In sieben Arbeitssitzungen zeigten insgesamt 22 Referentinnen und Referenten ihre Präsentationen zu den Themenbereichen, unter ihnen als Keynote Speakers Sir Hilary Beckles, Luciana Duranti, Henry Fraser und Kenneth Thibodeau.

Kenneth Thibodeau, der zuletzt Direktor des Center for Advanced Systems and Technology der US National Archives war, führte in das Konferenzthema ein, indem er sowohl die Entwicklungskontinuität digitaler Unterlagen auf der einen Seite als auch die technischen Eingriffe durch Archivare und die damit verbundene Frage nach der archivarischen Kompetenz dafür auf der anderen Seite erörterte. Die gegenseitigen Einflüsse der mit Medien und Technik in Beziehung Stehenden führten zu Veränderungen des Wie, des Was und des Wer des Handelns. Ein Spezifikum digitaler Unterlagen sei, dass ihre Nutzung in jedem Fall die Aktivierung eines Bearbeitungsprozesses verursache. Da dies immer die Gefahr der Verwischung früherer Bearbeitungsspuren in sich berge, existiere hier eine Herausforderung an die digitale Bestandserhaltung. Es stelle sich die Frage, welche technische Kompetenz der Archivar benötige, um digitale Archivierung koordinieren zu können. Er solle nicht versuchen, zum Technikexperten zu werden, besonders nicht im Records Management. Vielmehr seien von ihm Grundkenntnisse über gebräuchliche Technologien bei der Erzeugung von Akten, bei Transmissionsvorgängen, bei der Schriftgutverwaltung und digitalen Bestandserhaltung sowie über Technologien für die Bereitstellung und Recherche zu erwerben. Diese Kenntnisse sollten den Archivar dazu befähigen, die Tauglichkeit von technischen Verfahren zu beurteilen, nicht aber sie zu beherrschen (judgement statt expertise). Thibodeau hielt eine Art „Archival App Store“ für wünschenswert, das sich aus der Trias der Anforderungen der Archivare, der technologischen Möglichkeiten der Techniker und der Erwartungen der Nutzer speise. Sein abschließendes Statement beinhaltete die Aussage, dass die Archivare heute noch nicht die Möglichkeiten besäßen, elektronische Unterlagen sicher zu archivieren. Das technologische Umfeld sei dafür noch nicht ausreichend entwickelt. In jedem Fall könne digitale Archivierung aber nur in interinstitutioneller Kooperation gelingen.

In der ersten Session sprachen Alan Bell vom Centre for Archive and Information Studies bei der Universität Dundee und Lekoko Kenosi von der King Abdullah University of Science and Technology im saudiarabischen Jeddah. Beide wiesen darauf hin, wie nötig es sei, dass Systeme, in denen elektronische Unterlagen entstehen, den archivfachlichen Standards entsprächen und die Unterlagen nicht isoliert, sondern in ihren Kontexten archivierbar machten. Zugleich müssten solche Werkzeuge des Record Management in der Lage sein, flexibel auf ständig neu hinzukommende und vorhergehende ablösende Beziehungsvisualisierungen, Arbeitsweisen und Prioritätssetzungen zu reagieren. Dabei sei auch der Kreativität der Nutzer solcher Systeme genügend Raum zu geben, um Workflows durch Partizipation optimal zu gestalten. Außerdem sollten geeignete Systeme finanziell erschwinglich sein. Nicht zuletzt läge es aber auch an den verantwortlichen Records Managern, sich neuen Herausforderungen immer wieder bereitwillig zu stellen und selbstkritisch veränderten Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Als einschlägige professionelle Belange, die beim „mainstream information manager“ häufig zu wenig ausgeprägt seien, nannte Bell vor allem das Problembewusstsein bezüglich Bewahrung oder Rekonstruierbarkeit von Provenienz und der Geschichte der administrativen Aktivitäten.

Lekoko Kenosi befasste sich vorwiegend mit digitalen Vorgängen und Dokumenten einschließlich Social Media Records und Archivierungsstrategien in der „Cloud“. Das zentrale Problem bei der Nutzung der Cloud für Archivierungszwecke sei die fehlende Nachprüfbarkeit, was dort mit den Daten geschehe. Nur verbindliche Vorgaben an die Provider könnten Rahmenbedingungen schaffen, die eine Archivierung in der Cloud in Erwägung ziehen ließen. Sein Vortrag stieß eine Diskussion über den Kompositionscharakter von Social Media-Beiträgen an. Dabei wurde die Ansicht vertreten, dass erst dann von Records bei dieser Art von Unterlagen gesprochen werden könne, wenn sie im Kontext einer umfassenderen Aufgabenwahrnehmung mit mehr oder weniger klaren Funktionsbezügen entstanden seien, etwa wenn es sich um einen behördlichen Facebook-Account handele, dessen Pflege in die Aufgaben der Stelle integriert sei. Lägen diese Voraussetzungen nicht vor, könne allenfalls von Dokumenten die Rede sein, nicht aber von Records. Wenngleich Folgerungen daraus für mögliche Bewertungen von Social Media Dokumenten und Records nicht explizit diskutiert wurden, deutete sich im Verlauf der Konferenz mehrmals an, dass ihre Archivwürdigkeit in der Mehrzahl der Fälle offenbar überwiegend noch verneint werden könne. Wie stark Social Media und Web 2.0 in zentrale Bereiche von Universitäten dennoch verwoben seien, zeigte Elizabeth Shaffer in ihrer Präsentation am Ende der Konferenz (s.u.).

Geoffrey Yeo, der Records Management und Archivische Erschließung am University College London (UCL) unterrichtet, befasste sich mit der veränderten Situation der Erschließung im digitalen Zeitalter. Die Tendenz zur flachen Erschließung, durch die Erschließungsrückstände vermeintlich aufgeholt werden könnten, sei kontraproduktiv zum Anliegen der Archivare, den Benützerinteressen zu entsprechen. Dagegen sei auch eine gute Kontextbeschreibung auf höherer Verzeichnungsstufe kein Heilmittel und schon gar nicht dürfe eine solche Kombination zum Erschließungsprinzip werden. Vielmehr müssten die Archivare die offengelegten Kontextinformationen auf die Aktenebene herunterbrechen und anhand der Inhalte greifbar machen. Er stellte die Frage, ob nicht im Laufe des (vorarchivischen) Lebenszyklus digitaler Unterlagen bereits so viele Metainformation entstehe, dass ein automatisiertes Abgreifen im Zuge der Übernahme ins Archiv die retrospektive Erschließung weitestgehend ablösen könne. Dabei sei es wünschenswert, dass die von Sachbearbeitern im Alltag genutzte Software die erforderlichen Metadaten automatisch generiere. Anzustreben sei des Weiteren, die Möglichkeiten des softwarebasierten Natural Language Processing (NLP) zu nutzen. Dieses Verfahren erkennt Namen und Ortsbezeichnungen bei der Digitalisierung von Dokumenten und kann die Grundlage für die Auswertung ihrer Bezüge untereinander und zu den Inhalten der betroffenen Akten liefern. Eingesetzt werde NLP beispielsweise bereits im ChartEx Projekt (www.chartex.org). Das Verfahren eigne sich auch zur Analyse von E-Mail-Accounts. Problematisch sei jedoch der Umgang mit sensiblen Daten, die mit automatisierten Verfahren vollständig erkannt zu haben nur schwer garantiert werden könne. Perspektivisch sah Yeo die erschließende Funktion des Archivars zunehmend zugunsten eines automatisierten Metadaten-Managements schwinden.

Geoffrey Yeo
(Geoffrey Yeo)

Mehrere Beiträger berichteten über Ergebnisse aus den Projekten „InterPares“ und „InterPares Trust“, „Records in the Clouds“, „Digital Records Forensics“ und „The Law of Evidence in the Digital Environment“ des Centre for the International Study of Contemporary Records and Archives an der School of Library, Archival and Information Studies der University of British Columbia (UBC), darunter auch dessen Direktorin Luciana Duranti. Genaue Information über die Projekte findet sich im Internet unter www.ciscra.org.

In seinem Beitrag über digitale Forensik und Archivwissenschaft empfahl Adam Jansen den Universitätsarchivaren nachdrücklich, ihre besondere Situation zu nutzen und hochqualifizierte Kräfte innerhalb der eigenen Universität in die Lösung von Fragen der digitalen Archivierung einzubeziehen und mit Instituten und Postgraduates in Projekten zusammenzuarbeiten. In seinem Vortrag ging er auch auf die Risiken der Archivierung in der Cloud ein, die eine Kontrolle über den Bereich der „Integrity Metadata“ (administrative Metadaten) unmöglich mache. Er sah in ihr eine Gefahr für die Integrität und Authentizität des Archivguts.

Um digitalisiertes Material und die Nutzung digitaler Techniken zur Auswertung und Verbreitung ging es in den Beiträgen von Lucia Velloso de Olivieira, Dominique Taffin und Ruth Frendo. Unter anderem stellte Dominique Taffin das „Portail de la Banque Numérique des Patrimoines Martiniquais“ (www.patrimoine-martinique.org) vor, das sich mit der Geschichte dieses französischen Übersee-Départements befasst. Ruth Frendo von der Londoner Theater- und Bildungseinrichtung Shakespeare’s Globe präsentierte die Methoden ihrer Einrichtung bei der Archivierung und Auswertung mit Hilfe neuer Technologien. Ihr Beitrag warf ein Schlaglicht darauf, wie das Mandat einer archivierenden Institution sowohl die Ziele als auch die Methodik zu beeinflussen in der Lage sein kann. Zugleich stellte sie wesentliche methodische Unterschiede im Umgang mit Inhalts- und Kontextinformation bei einer Dokumentation einerseits und einer Archivierung andererseits klar heraus. Kenneth Thibodeau wies darauf hin, dass angesichts der Flut der auf die Archive zuströmenden elektronischen Daten die Gründe, weshalb bestimmte Information als archivwürdig angesehen werde, mit besonderer Sorgfalt transparent gemacht werden müssten (why are we doing, what we do?).

Den zweiten Konferenztag eröffnete Luciana Duranti mit ihrem Vortrag über die Ergebnisse des InterPares Trust-Projekts und des Projekts „Records in the Cloud“. Darin geht es um die Risiken und Chancen der Archivierung in Speichermedien, die nur über Internetverbindungen zu erreichen sind („Cloud“). Die Grundvoraussetzungen für Archivierung bei Drittanbietern fasste sie in das etymologische Wortspiel des Vertrauens gegenüber vertrauenswürdigen Treuhändern (trust trustworthy trustees). Sie stellte fest, dass es eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen Erwartungen und Kenntnissen an Cloud Storage und Cloud Archiving gebe: Die meisten Firmen oder anderen Nutzer von Cloudangeboten wüssten nicht, was in der Cloud mit ihren Daten geschehe, obwohl sie mit dem Anbieter einen Vertrag geschlossen hätten. Ferner sei es bemerkenswert, dass von den Providern in aller Regel zwar communication, data processing und data storage, nicht aber Archivierung angeboten werde. Für den Nutzer heiße dies, er müsse sich nach dem „Caveat emptor“-Prinzip verhalten, unterliege der juristischen „voluntary vulnerability“ und müsse demnach bereit sein, die sprichwörtliche Katze im Sack zu kaufen und nicht zuletzt auch hinsichtlich der finanziellen Belastungen auf Überraschungen gefasst sein. Sie führte diese Thesen anschließend in die Tiefe und deckte die Unwägbarkeiten und Risiken der Cloudarchivierung weiter auf. Offen blieben Fragen nach dem Verbleib der Datenhoheit des Dateneigners und der Nachprüfbarkeit von Authentizitätswahrung zum einen, unwägbare technische Risiken zum anderen und zum dritten juristische Schwachstellen, wie etwa die Wahrung von Geheimnissen, Datenschutzrechten oder des urkundlichen Werts von Dokumenten. Der faktische Verlust der Nachprüfbarkeit der Metadaten und die Unkenntnis über ihre korrekte Fortschreibung sei das zentrale Argument gegen die Cloud. Duranti sah für eine akzeptable Vertrauensbalance die Entwicklung vertrauenswürdiger Technologien, Prozesse und Vertragsbedingungen als erforderlich an. Die Voraussetzungen dafür seien, dass notwendige Änderungen im Verständnis von dem, was die Beteiligten unter Vertrauen auf Daten, Akten und Aktenführungssysteme verstünden, identifiziert und auf dieser Basis international anerkannte Grundsätze für Vertrauenswürdigkeit entwickelt würden.

Luciana Duranti
(Luciana Duranti)

Shadrock Katuu von der Internationalen Atomenergiebehörde (Wien) nahm in seinem Beitrag über ein Enterprise Content Management (ECM) Bezug auf den Vortrag von Kenneth Thibodeau und sprach sich dafür aus, dass auch Archivare sich auf dem IT-Gebiet tiefergehende Fachkenntnisse aneignen sollten, um in der Sprache der Informatik kommunizieren zu können. ECM sei in Data Management Systems (DMS) eingesetzt, seine Möglichkeiten gingen aber weit darüber hinaus, es sei beispielsweise geeignet, als Gesamtinfrastruktur für ganz unterschiedlich organisierte Geschäfts- und Prozessbereiche eines Unternehmens zu fungieren, möglicherweise inklusive der Archivierung. Zwischenzeitlich gebe es dafür einen ICA-Standard sowie eine ISO-Norm und den Standard Moreq2010.

Mit der Archivierung digitaler Fotos beschäftigte sich die Archivarin und Fotografin Jessica Bushey von der University of British Columbia, die auch Mitarbeiterin im Records in the Cloud-Projekt war. Sie wies darauf hin, dass in der Praxis der Verwendung von Fotos für Nachrichtenberichterstattung der Film gegenüber dem Foto erheblich an Bedeutung gewinne, da sich aus digitalen Filmsequenzen problemlos einzelne Fotos herauspicken ließen. Die Cloud sei für die Verfügbarmachung von Fotos häufig genutzt, unter anderem von digitalen Repositorien. Es sei aber festzustellen, dass in der Regel vom Cloudanbieter für die Wahrung integrierter Metadaten nicht Sorge getragen werde. Metadaten würden  beim Hochladen fast regelmäßig gelöscht. Gleiches geschehe beispielsweise beim Download von Bildern von Facebook in umgekehrter Richtung. Cloudnutzer seien sich der Zugriffsmöglichkeiten auf die hochgeladenen Daten oft wenig bewusst. Bushey verwies auf die Schließung des Social Medium „MySpace“, dessen Nutzer erstaunt auf die Frage von MySpace reagierten, ob sie Wert darauf legten, ihre Einträge zurück zu erhalten. Beim Austausch von Fotos sei das Bewusstsein von Eigentum an den Daten und den Rechten noch weit höher ausgeprägt.

Am Beispiel der Erfahrungen bei der Einführung der elektronischen Akte im Rahmen des eGovernments auf Martinique referierte Cindy Mencé über digitale Archivierungsprojekte. Ihr Resümee mündete in die Empfehlungen, sich zunächst nicht zu große Ziele in zu kurzer Zeit zu setzen, nicht anzunehmen, dass alles ausschließlich auf archivischen Praktiken basieren müsse und nicht zu glauben, dass eine gute Spezifikation die Entwicklung eines guten CAS (Content Addressed Storage) sicherstelle. Vielmehr seien die IT-Manuals und unterschiedlichen zur Verfügung stehenden Spezifikationen sorgfältig zu lesen und miteinander zu vergleichen. Mencé legte ausdrücklich Wert darauf, dass befriedigende CAS-Systeme dem OAIS-Referenzmodell entsprechen müssten.

Einen Schwerpunkt auf die Archivierung und Zugänglichmachung digitaler Audiounterlagen legte Lorraine Nero von der University of West Indies im in der Republik Trinidad und Tobago liegenden St. Augustin. Sie zeigte unter anderem am Bestand „BBC Carribean Service“, wie Tondokumente erschlossen werden. Nach der Konvertierung in die Formate WAV und MP3 werden bei der Erschließung die inhaltlichen Beziehungen unterschiedlicher BBC-Beiträge sichtbar gemacht. Neben einer Zusammenfassung des Inhalts einer Audioeinheit wurde bisher ein ausführlicher Enthältvermerk angebracht, in dem nacheinander jeder einzelne Beitrag aufgelistet wurde. Da die Intensität dieser Erschließung mit den vorhandenen Ressourcen nicht fortzuführen sei, gehe man dazu über, Erschließung nicht mehr als Vakuum zu begreifen, sondern Nutzer und Experten einzubeziehen und sich auf „user generated content“ einzulassen. Nero benennt die hierbei auftauchenden Probleme des Urheberrechts an solchen Erschließungsbeiträgen Dritter und betont, dass hier vom Archiv eine Regelung zu finden sei, bevor man damit beginne. Des Weiteren wolle man die Tonspuren in Text konvertieren und eine Volltext- und Schlagwortsuche darin ermöglichen.

In einer weiteren Session ging es um die speziellen Unterlagengruppen der Akten aus studentischen Organisationen und um E-Mail-Überlieferung. Jay Gaidmore von der Earl Gregg Swem Library am College of William and Mary im US-Bundesstaat Virginia berichtete über die Umsetzung eines Dokumentationsprofils hinsichtlich studentischer Provenienzen im Archiv der University of North Carolina. Dabei nahm er Bezug auf die von Helen Willa Samuels in ihrem Buch „Varsity Letters“ herausgearbeiteten zentralen Funktionen von Universitätsarchiven. Die Dokumentation der studentischen Aktivitäten subsumierte er dabei unter die universitäre Zentralfunktion des „Fostering Socialization“. Im Fokus stünden vor allem studentische Verbindungen und Organisationen, unterrepräsentierte Gruppen sowie studentische Aktivistengruppen. Gaidmore hielt es für wichtig, den Studenten ebenso wie den vorgesetzten Stellen der Hochschularchive zu kommunizieren, welche Bedeutung die Dokumentation der hier sichtbar werdenden Auswirkungen universitären Lebens für die Bewahrung eines umfassend aussagekräftigen Abbilds der Universität habe. Er empfahl, etwa in den hauseigenen Archivnachrichten „Tipps for preserving your organization’s history“ zu veröffentlichen und Alumni einzubeziehen.

Dass E-Mails in Universitätsverwaltungen keine Privatkorrespondenz und schon gar kein Privateigentum seien, war der Ausgangspunkt für den Beitrag der Universitätsarchivarin der University of Wyoming Laura Jackson über administrative E-Mails in öffentlichen Universitäten der Vereinigten Staaten. Die wichtigsten Informationen über Entscheidungsfindungsprozesse fänden sich heute oftmals in den E-Mail-Ordnern höherer Universitätsbediensteter, aber nicht mehr mit hinreichender Sicherheit auch in den offiziellen Akten. Um Aktivitäten, Funktionen und Ereignisse transparent und nachvollziehbar erhalten zu können, sei die Einbeziehung von E-Mails in die Archivierung daher zwingend erforderlich. Allerdings sei damit ein scheinbar unverhältnismäßig hoher Erschließungsaufwand verbunden, da E-Mails in aller Regel weitgehend ungeordnet abgelegt seien und in nicht immer sofort erkennbaren Kontexten mit anderen Überlieferungsteilen stünden. Jackson empfahl, mittels entsprechend konfigurierter Software, die den Bearbeitern zur Verfügung gestellt werden sollte, eine Auswahl herauszufiltern, die dann vom Archiv übernommen werde. Dafür gebe es geeignete Software, mit der man zentrale Korrespondenzstränge ermitteln und private von geschäftlicher Korrespondenz trennen könne. Im Universitätsarchiv Wyoming würden übernommene E-Mails mit der Software Aid4Mail oder Emailchemy in die Formate MBOX und PDF/A konvertiert. Aus den E-Mails bilde man E-Mail-Akten und Serien nach inhaltlichen Gesichtspunkten. Die Nutzbarmachung erfolge durch direkte Zugriffspunkte in den digitalen Findmitteln. Für die Zukunft sei es aber wichtig, nicht nur rechtzeitig mit den Bearbeitern in Kontakt zu treten, sondern auch Richtlinien für die Organisation von E-Mail-Accounts und den Transfer ins Archiv zu erarbeiten.

Laura Jackson
(Laura Jackson)

In der vorletzten Session ging es um Grundsätze und Standards bei der Erschließung und Bereitstellung digitaler und digitalisierter Archivalien. Gavan McCarthy, Direktor des University of Melbourne eScholarship Research Centre, konzentrierte sich in seinem Beitrag auf den deskriptiven Standard Encoded Archival Context (EAC) und stellte das Projekt „Find and Connect“ der australischen Regierung vor. Darin wird EAC nicht mehr nur zur Beschreibung von Überlieferungsbildnern, sondern generell zur Beschreibung von Entitäten genutzt, d.h. für Akteure ebenso wie zum Beispiel auch für Events. Karsten Kühnel vom Universitätsarchiv Bayreuth veranschaulichte in seinem Beitrag über die Möglichkeiten zur Visualisierung von Beziehungen anhand von Digitalisaten die Bedeutung der Beschreibung von Funktionen in einem Erschließungssystem, das Beziehungen und Beziehungsgemeinschaften zur Grundlage virtueller Bestandsbildung macht, und bemängelte dabei das Fehlen eines EAC-Profils für Funktionen (EAC-F), um sie analog zum ISDF-Standard in einem digitalen Austauschformat beschreiben zu können.

Karsten Kühnel
(Karsten Kühnel)

Corinne Rogers referierte in der abschließenden Session über das noch bis 2015 laufende Projekt „The Law of Evidence in the Digital Environment“, einer Kooperation zwischen der juristischen Fakultät und der School of Library, Archival and Information Studies (SLAIS) an der University of British Columbia (http://www.lawofevidence.org/). Das Projekt befasst sich damit, wie digitale Unterlagen und Produkte digital organisierter Geschäftsprozesse die gleiche juristische Qualität wie herkömmliche papierbasierte Dokumente erlangen und dauerhaft behalten können. Sie ging dabei auch auf die juristischen Probleme im Umgang mit E-Mails ein.

Auf die Praxis der Web 2.0-Nutzung im Zusammenhang mit E-Learning-Prozessen richtete Elizabeth Shaffer von der University of British Columbia die Aufmerksamkeit des Publikums. Sie zeigte, dass im Umfeld der Universitäten Web 2.0 elementare Kommunikationsmethoden bereitstelle, die in die Kernbereiche universitären Handelns und Wirkens Einzug genommen hätten. Kollaboration, verteilte Autorenschaft, enthierarchisierte Partizipation, interaktive Kommunikation, Kontinuität in der Produktion, Reproduktion und Transformation von Information, fehlende Finalität von Prozessen und verteilte Eigentumsverhältnisse versus Open Access seien zentrale Schlagworte, die das derzeitige E-Learning auf Web 2.0-Basis charakterisierten. Die Herausforderung an die Archive sei die Bewahrung der dabei entstehenden digitalen Erzeugnisse als Evidenzbelege für studentische Lern- und Sozialisierungsprozesse, verstanden als Ausfluss universitärer Funktionen. Shaffer gelang es, den Kontext zwischen den Aktivitäten der unterschiedlichen Handlungsträger einer Universität und ihren Web 2.0- und Social Media-basierten Produkten auf einem von ihr eingegrenzten Gebiet klar herauszustellen und auf dieser Grundlage die Zusammenhänge zwischen E-Learning und Record making sowie die sich daraus ergebenden Anforderungen an das Record keeping zu verdeutlichen.

Elizabeth Shaffer
(Elizabeth Shaffer)

Zum Abschluss der Konferenz gab der SUV-Vorsitzende William Maher eine Zusammenfassung der Beiträge und stellte die Frage, welche Rolle künftig der SUV als Sektion und dem ICA als Ganzem zukommen könne, um die internationale Komponente einer gemeinsamen Strategie zum Umgang mit digitaler Überlieferung zu stärken.

William Maher
(William Maher)

Das Programmkomitee der Sektion im ICA und die Veranstalter vor Ort haben in Barbados eine in organisatorischer und inhaltlicher Hinsicht vorbildliche Leistung erbracht. Die Referentinnen und Referenten erfüllten die im CfP formulierten Wünsche, wonach für die Vorträge ein „fortgeschrittenes wissenschaftliches Niveau“ Voraussetzung sein sollte, durchwegs. Einmal mehr zeigte sich, wie untrennbar Recordsmanagement und Archivwesen im digitalen Zeitalter miteinander verbunden sind und wie die Anforderungen an ein digitales Archiv nur durch frühzeitige Eingriffe und Beteiligung der Archivare an den Fragen der Schriftguterzeugung und -verwaltung im öffentlichen Sektor in juristisch und forschungsbezogen einwandfreier Weise auf einem zielführenden Weg zu ihrer Erfüllung gebracht werden können.

Die nächste Jahreskonferenz findet im Juli 2014 an der Universität Paris statt. Der Call for Papers wird auf der SUV-Website veröffentlicht (http://www.library.illinois.edu/ica-suv/index.php).

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/743

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Wissen in der ländlichen Gesellschaft, Essen 14.-16. Juni 2013

Das Thema der diesjährigen Sommertagung – „Wissen in der Landwirtschaft und der ländlichen Gesellschaft“ – stellt keinen zentralen Bereich meines Projektes dar, und das ist auch der Grund, weshalb ich von vorneherein nur als Zuhörerin und Diskutantin nach Essen fahren wollte.

Zunächst vorneweg: Die Tagung war toll. Der Tagungsort, das Kulturwissenschaftliche Institut (KWI) in Essen, ist ideal für solch eine Veranstaltung, die auch viel auf Gespräche setzt, außerdem ist die Lage natürlich unschlagbar – gute zehn Fußminuten vom Essener Hauptbahnhof entfernt. Außerdem habe ich schon lange keine Tagung mehr erlebt, die so bunt gemischt war, was die methodischen Richtungen, die untersuchten Epochen und auch das Alter der Beteiligten anging. Gleichzeitig war die Gesprächsatmosphäre sehr angenehm. Vielleicht denke ich noch mal genauer darüber nach, warum die Kommunikation in kleinen historischen „Nischen“ häufig so angenehm ist, wenig hierarchisch und durch ehrliches Interesse an den Forschungen anderer geprägt.

Berlin, Landwirtschaftliche Schulung

Bild: Bundesarchiv, Bild 183-23203-0003 / CC-BY-SA; Berlin, Landwirtschaftliche Schulung

Es ist kaum möglich, einen wirklichen Bericht über diese Tagung zu schreiben, der jedem einzelnen Beitrag gerecht wird – dafür waren die Vorträge einfach zu divers. Sie erstreckten sich von einer Studie über einen landwirtschaftlichen Ratgeber (oder eine Grundlegung der Agrarwissenschaft) im Kastilien des frühen 16. Jahrhunderts (Stefan Schlelein, Berlin) bis hin zur landwirtschaftlichen Erziehung in Südafrika in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Julia Tischler, Berlin), von der Hühnerzucht in Ostwestfalen (Ulrike Heitholt, Bielefeld) bis zum Medien- und Akteurswandel am Ende der Epoche der agrarisch-industriellen Wissensgesellschaft (Beat Bächi, Bern). Literaturwissenschaftliche, transfergeschichtliche, ethnologische und epistemologische Ansätze waren vertreten, die Spanne reichte von sehr mikrogeschichtlichen Untersuchungen bis hin zu allgemeineren konzeptionellen Überlegungen zur Konturierung bestimmter historischer Epochen.

Einige der Vorträge möchte ich gerne noch einmal genauer diskutieren.

Das wäre zuerst einmal der Vortrag von Alexander van Wickeren (Köln): „Zirkulation des Wissens über den Tabakanbau im Elsass um 1800“. Ich habe mich sehr gefreut, Alexander wiederzutreffen, den ich letzten Herbst am DHI in Paris kennengelernt habe. Er beschäftigt sich in seiner Dissertation mit dem Wissen über den Tabakanbau in Baden und im Elsass um 1800. Dabei interessiert ihn vor allem die Zirkulation von Wissen in Grenzräumen; wie bilden sich grenzübergreifende Wissensnetzwerke heraus? Interessant war der Vortrag vor allem deshalb, weil Alexander deutlich machen konnte, dass der „Grenzraum“ Elsass-Baden zumindest in Bezug auf den Tabakanbau um 1812 zunächst nicht als eigener Raum in Erscheinung tritt. Vielmehr funktioniert die Vernetzung der Tabakexperten über Organisationen, und deren Kommunikation ist nicht durch regionale Nähe determiniert, sondern es bildet sich eine spezifische Geographie des Tabakwissens heraus – mit Verbindungen etwa in die Niederlande und bis nach Amerika.

Den Auftakt am zweiten Tagungstag machte Dana Brüller aus München, ebenfalls mit einer sehr wissensgeschichtlichen Ausrichtung: „Auf der Suche nach dem Urweizen: Botanisches und agrarwissenschaftliches Wissen zwischen Ideologie und Anwendung in Palästina (1900-1930)“, einem Thema an der Schnittstelle von Wissenschafts- und jüdischer Geschichte. Überzeugend konnte sie deutlich machen, wie eng die Bereiche Botanik, Landwirtschaft und Siedlung in Palästina miteinander verbunden waren und welche überragende Bedeutung der Botanik als „Science of Settlement“ zukommt. Interessant fand ich auch in ihrem Vortrag die „Territorialisierung“ des Wissens – während das Wissen um den Urweizen als zentral für die zionistische Siedlung galt, war es gleichzeitig in ein internationales Netzwerk botanischer und landwirtschaftlicher Experten eingepasst.

Den Schlusspunkt der Tagung setzte Beat Bächi aus Bern, der das Konzept der agrarisch-industriellen Wissensgesellschaft, das am Archiv für Agrargeschichte in Bern entwickelt worden ist, von seinem historischen Ende her betrachtete. Mit einer medien- und akteursanalytischen Perspektive diskutierte er die Faktoren, die dazu beitrugen, dass spätestens in den 1980er Jahren die enge Verkopplung von Landwirtschaft und Wissenschaft aufbrach. Die Kommunikationsgemeinschaft von Praktikern und Wissenschaftlern kam an ihr Ende, die Wissensformen wurden zunehmend inkommensurabel, und auch die Habitus der Beteiligten veränderten sich. Mit diesen Überlegungen zum Ende der agrarisch-industriellen Wissensgesellschaft machte Bächi deutlich, dass die Wissensgesellschaft nicht teleologisch gedacht werden sollte. Statt von einem stetigen Ausweitungsprozess der Verwissenschaftlichung auszugehen, muss Wissensgeschichte auch die diskontinuierlichen Veränderungen sozialer Welten im Auge behalten.

Schlussendlich scheint mir die Bemerkung von Verena Lehmbrock (Jena) bei der Podiumsdiskussion zu den Chancen der Wissensgeschichte für die Agrargeschichte ein gutes Fazit unter die Veranstaltung zu setzen: Die Frage ist nicht so sehr, was die Wissensgeschichte der Agrargeschichte gibt (viel!), sondern vor allem auch, wie die Wissensgeschichte von der Agrargeschichte profitieren kann. Die Beschäftigung mit Wissen in ländlichen Gesellschaften lenkt den Blick auf viele Schwierigkeiten der Vermittlung und Produktion, auf die Hierarchie verschiedener Wissensformen und das Scheitern von Wissenskommunikation, während eine „allgemeine“ Wissensgeschichte über diese Punkte manchmal zu schnell hinweggeht. Die Geschichte ländlicher Gesellschaften (wie ich ja die „Agrargeschichte“ lieber nennen würde) tut also gut daran, sich stärker als allgemeine Geschichte zu präsentieren und zu kommunizieren.

Das Internet gibt die Möglichkeit zum zeitnahen Publizieren – ja, okay. Leider muss man aber auch die Zeit finden, ganz zeitnah etwas zu schreiben – das klappt offenbar bei mir weniger gut. Deshalb kommt erst jetzt der Bericht zur Tagung der Gesellschaft für Agrargeschichte, die schon vor rund einem Monat stattgefunden hat.

Quelle: http://uegg.hypotheses.org/71

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Jahrestagung “Wissen in Landwirtschaft und ländlicher Gesellschaft”

Am kommenden Wochenende, vom 14. bis 15. Juni 2013, findet im Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen die diesjährige Jahrestagung der Gesellschaft für Agrargeschichte (GfA) und des Arbeitskreises für Agrargeschichte (AkA) statt. Nachdem im letzten Sommer der Beitritt des AkA zur GfA beschlossen worden war, um die Ressourcen der Agrargeschichte in Deutschland zu bündeln, ist das nun die erste große gemeinsame Veranstaltung der beiden Gruppierungen. Unter dem Titel „Wissen in Landwirtschaft und ländlicher Gesellschaft“ finden von Freitagmittag bis Samstagnachmittag 12 Vorträge und eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion statt. Außerdem gibt‘s die Mitgliederversammlung der GfA. Das Programm kann man hier einsehen.

Ich werde keinen Vortrag halten, sondern freue mich auf eine interessante Tagung zum Zuhören und Mitdiskutieren. Vielleicht sehe ich wieder mehr Querverbindungen zwischen meinem aktuellen Thema (ländliche Gesellschaft) und meinem abgeschlossenen Dissertationsprojekt (Social Engineering von Verkehrsexperten – also ein wissensgeschichtliches Thema). Ich werde auf jeden Fall hier über die Tagung berichten.

Quelle: http://uegg.hypotheses.org/56

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Forschungsbedingungen und Digital Humanities: Welche Perspektiven hat der Nachwuchs?

DHI Paris 1
Vom 10.–11. Juni 2013 organisieren das Deutsche Historische Institut Paris und L.I.S.A. – das Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung unter Mitarbeit des Centre pour l’édition électronique ouvert eine Tagung am DHI Paris zum Thema „Forschungsbedingungen und Digital Humanities: Welche Perspektiven hat der Nachwuchs?“

Im Zentrum der Tagung steht die Frage, welche Auswirkungen die digitalen Veränderungen auf die Forschungsbedingungen haben und welche Konsequenzen sich daraus für die Nachwuchsforscher ergeben. Welche neuen Kompetenzen gilt es zu erwerben? Welchen Platz haben sie in der Ausbildung? Wie können wissenschaftliche Leistungen im Bereich des Aufbaus von Forschungsinfrastrukturen, Datenbanken, Online-Publikationen aber auch in den sozialen Medien Anerkennung finden? Wie wird evaluiert, und wie wird Qualität gesichert?

In den Räumen des Deutschen Historischen Instituts Paris, 8 rue du Parc-Royal, 75003 Paris planen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei keine bloße Bestandsaufnahme, sondern die Herausarbeitung von Perspektiven und gezielten Maßnahmen im Umgang mit den digitalen Herausforderungen.

Um der Sicht der Nachwuchswissenschaftler gebührend Rechnung zu tragen, wurde am 18. April 2013 ein Call for Papers auf dem Blog Digital Humanities am DHIP veröffentlicht. Alle eingehenden Beiträge werden dort gesammelt und sind frei zugänglich.

Für die Tagung werden die eingereichten Beiträge von einer Gruppe junger deutsch-französischer Wissenschaftler – Aurélien Berra, André Donk, Marten Düring, Sascha Foerster, Sebastian Gießmann, Franziska Heimburger, Lilian Landes, Anika Meier, Michael Schmalenstroer, Bertram Triebel – aufbereitet und zu Beginn der jeweils vier vorgesehenen Panels zusammengefasst. Internationale Experten nehmen im Anschluss dazu Stellung.

 

Panel I: Wie verändert sich derzeit unsere Forschungs- und Wissenschaftskultur?

Dominique Bouiller, Centre d’études européennes de Sciences Po

Arianna Ciula, Wissenschaftlerin

Panel II: Universitäre Ausbildung: Welche neuen Kompetenzen sind erforderlich?

Malte Rehbein, Universität Passau

Jean-Michel Salaün, Collegium de Lyon

Panel III: Evaluierung und Qualitätssicherung in den Digital Humanities

Milena Žic-Fuchs, European Science Foundation Denise Pumain, P.A.R.I.S

Panel IV: Karriere, Finanzierung und akademische Anerkennung der Leistungen in den Digital Humanities

Claudine Moulin, Universität Trier

Pascal Arnaud, Agence nationale de la recherche

 

Die Tagung wird am 10. Juni 2013, um 18 Uhr, mit einem Vortrag von Christian Jacob eröffnet. Christian Jacob ist Professor an der École des hautes études en sciences sociales, an der er unter anderem für den Masterstudiengang „Histoire des sciences, des savoirs et des techniques“ verantwortlich ist. Er ist Autor des Blogs „Lieux de savoir“.

Tagungssprachen sind Englisch und Französisch; die Tagung wird durchgängig in Englisch und Französisch simultanübersetzt.

Gerne nimmt das Deutsche Historische Institut Paris Ihre Teilnahme- bzw. Interviewwünsche entgegen. Kontakt:

Dunja Houelleu

E-Mail: dhouelleu@dhi-paris.fr

Tel: +33 1 44 54 24 16

Das DHI Paris gehört zur Max Weber Stiftung – Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland und ist eine Schnittstelle zwischen deutscher und französischer Geschichtswissenschaft. Zu seinen Aufgaben gehört die Durchführung und Veröffentlichung von Forschungen zur französischen, deutsch-französischen und westeuropäischen Geschichte.

Das Institut verfügt über eine mit ca. 110 000 Medieneinheiten ausgestattete Spezialbibliothek und veranstaltet Vorträge, Seminare und Tagungen. Das DHI Paris gibt die Fachzeitschrift Francia sowie mehrere Buchreihen heraus. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit liegt im Bereich des elektronischen Publizierens in Form von e-Journals, auf Publikationsplattformen und durch andere Online-Projekte. Von großer Bedeutung für die Vernetzung von deutscher und französischer Wissenschaft ist auch die Nachwuchs- und Forschungsförderung des Instituts durch verschiedene Fellow- und Förderprogramme.

Mit dem interaktiven und multimedialen Wissenschaftsportal L.I.S.A. bietet die Gerda Henkel Stiftung ein Fachangebot für Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler sowie ein Kommunikationsnetzwerk für ihre Stipendiaten und Förderpartner an. Das Akronym L.I.S.A. nimmt die zentralen Möglichkeiten des Portals auf: Lesen, Informieren, Schreiben und Austauschen. Nicht zuletzt erinnert L.I.S.A. an die Gründerin der Gerda Henkel Stiftung, Frau Lisa Maskell. Ziel der Initiative ist es, sachrelevante Beiträge aus allen Bereichen der Geschichtswissenschaften sowie aus Archäologie und Kunstgeschichte zur Verfügung zu stellen und damit dem Bedarf an fächerübergreifenden Informationen in den Historischen Geisteswissenschaften Rechnung zu tragen.

Quelle: http://gab.hypotheses.org/750

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Vernetzungstagung für Nachwuchswissenschaftler_innen: Kirchengeschichte 2.1 – Themen, Projekte, Perspektiven

Eine “Vernetzungstagung für Nachwuchswissenschaftler_innen aus allen Bereichen der Kirchengeschichte” findet vom 5. bis zum 6. Juli 2013 in München statt: “Kirchengeschichte 2.1 – Themen, Projekte, Perspektiven”. Veranstaltet wird sie von der „Nachwuchsgruppe Kirchengeschichte“ der Arbeitsgemeinschaft der Kirchenhistorikerinnen und Kirchenhistoriker im deutschen Sprachraum (NG-AGKG). Anmelden kann man sich bis zum 7. Juni 2013. Das Programm ist nun online: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=21931 Programm Innovative Forschungsansätze, kritische Fragen, aktuelle Themen junger Forscher_innen, zukunftsweisende Perspektiven der Kirchengeschichte im 21. Jahrhundert – all dies vereinigt die Tagung der „Nachwuchsgruppe Kirchengeschichte“ der [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/4442

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