Computerlinguistik und Digital Humanities

In einem Kommentar zu meinem Kurzbericht von der GSCL 2013 hat Patrick Sahle folgendes geschrieben:

Das finde ich spannend: Computerlinguistik/Sprachtechnologie ist
nach diesem Beitrag KEIN “Teil” von DH, sondern macht (auch) Sachen,
die für DH relevant sind.

Michael, könntest Du ein paar Hinweise dazu geben,
a) wieso CL/ST nicht als Teil der DH aufzufassen sind und
b) wie Du DH definierst, so dass man daraus ableiten kann, welche
CL/ST-Themen für die DH einschlägig/relevant/interessant sind
?
Das würde bei mir vermutlich vieles erhellen.

Ich möchte hier zunächst Frage (a) beantworten, also die Frage, ob Computerlinguistik (CL) und Sprachtechnologie (NLP) ein »Teil« der Digital Humanities sind. Diese Frage führt natürlich direkt zur Frage, was die Digital Humanities sind. In meinem Buch definiere ich sie wie folgt:

The emerging field of digital humanities aims to exploit the possibilities offered by digital data for humanities research. The digital humanities combine traditional qualitative methods with quantitative, computer-based methods and tools, such as information retrieval, text analytics, data mining, visualization, and geographic information systems (GIS).

Nach meiner Definition ist DH also die Ergänzung traditioneller geisteswissenschaftlicher Methoden durch rechnergestützte quantitative Methoden und Werkzeuge zur Beantwortung geisteswissenschaftlicher Forschungsfragen.

Was ist unter CL und NLP zu verstehen? CL und NLP hängen eng zusammen, im üblichen Sprachgebrauch wird CL meist für stärker linguistisch und theoretisch orientierte Forschung verwendet, während NLP nicht umsonst oft auch als »language engineering« bezeichnet wird: Hier geht es nicht um linguistische Forschungsfragen, sondern primär darum, effektive und effiziente Algorithmen, Datenstrukturen usw. für die Verarbeitung natürlicher Sprachen zu erforschen und für praktische Anwendungen nutzbar zu machen. Ein gutes Beispiel dafür ist die aktuelle Forschung im Bereich der maschinellen Übersetzung (MÜ).
Diese Definition nimmt bereits einen Teil der Antwort vorweg: NLP ist meines Erachtens kein Teil der DH, da sich NLP nicht mit geisteswissenschaftlichen Forschungsfragen beschäftigt. Die Situation ist vergleichbar mit der Rolle von NLP in der Pharmaforschung: Biomedizinisches Textmining spielt ein wichtige Rolle, dennoch ist Sprachtechnologie kein Teil der Pharmazie.

Auch wenn NLP kein Teil der DH ist, ist NLP aber eine wichtige Grundlage, oder, wie ich es in meinem Buch (S. 10) ausgedrückt habe: »NLP—and NLP for historical texts in particular—should be considered a foundation for the emerging discipline of digital humanities.«
Wenn Computerlinguistik und Sprachtechnologie nicht das selbe sind, wie sieht es dann mit der Computerlinguistik aus? Die Linguistik wird ja üblicherweise zu den Geisteswissenschaften gerechnet.

Zunächst ist hier zu beachten, dass die Linguistik eine der »naturwissenschaftlichsten« geisteswissenschaftlichen Disziplinen ist; ihre Methoden unterscheiden sich deutlich von – zum Beispiel – der Geschichtswissenschaft oder der Literaturwissenschaft.
Dazu kommt, dass sich die Computerlinguistik in den letzten 50 Jahren weitgehend von der Linguistik emanzipiert hat. Natürlich gibt es noch Forscher in der Computerlinguistik, die linguistische Fragestellungen bearbeiten, der Mainstream hat sich aber stark in Richtung NLP entwickelt. Wissensfreie statistische Verfahren haben sich etabliert, und angesichts der schnellen Erfolge, die man mit ihnen insbesondere in der MÜ erreicht hat, muss man sich heutzutage für regelbasierte, linguistisch motivierte Ansätze oft rechtfertigen. Die geringe Rolle der Linguistik in der Computerlinguistik wird andererseits aber auch seit einiger Zeit innerhalb der CL diskutiert (siehe etwa die Proceedings des EACL 2009 Workshop on the Interaction between Linguistics and Computational Linguistics oder die Artikel Computational Linguistics: What About the Linguistics? von Karen Spärck Jones und What Science Underlies Natural Language Engineering? von Shuly Wintner).

Ich würde daher auch die heutige CL nicht – jedenfalls nicht als Ganzes – als Teil der DH betrachten. Da die CL aber eine der Grundlagen für NLP sind, sind sie auch eine Grundlage für DH.

CL-Forschung mit einer stärkeren linguistischen Ausrichtung – also quasi die »klassische« CL, bei der es um die rechnergestützte Modellierung sprachlicher Phänomene geht, um ein besseres Verständnis von natürlicher Sprache zu erreichen – könnte man durchaus als Teil der DH betrachten, diese Forschung ist aber heute eher in der Korpuslinguistik angesiedelt.
Die Antwort auf die Frage (a) ist jetzt schon recht lang geraten, daher werde ich mich mit (b) in einem weiteren Beitrag beschäftigen.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2532

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Nach Feierabend…

… ist leider, wie viele all zu häufig erleben, nicht zwingend der Zeitpunkt, zu dem man die Arbeit gedanklich oder geographisch hinter sich lässt, um sich seiner “Life-Work-Balance” zu widmen. Nach Feierabend ist nicht selten auch der Zeitpunkt, zu dem es erst richtig los geht. Begrüßen sollten wir dies im Falle des 9. Bandes des Zürcher Jahrbuchs für Wissensgeschichte, das am Zentrum für Wissensgeschichte der ETH Zürich herausgegeben wird und vor wenigen Tagen im Diaphanes Verlag erschienen ist. Besonders wenn, neben der intellektuellen Anregung, auch ein akademischer Schmunzler gestattet ist, denn “Nach Feierabend” ist der Titel der Zürcher Jahrbücher, der so ihre Tradition zum konstruktivistischen Wissenschaftshistoriker Paul Feyerabend aufrecht erhält. Ob dies nun als Kalauer zu werten ist, sei jedem selbst überlassen.

Unzweifelhaft positiv sollte hingegen gesehen werde, dass dieser Band dem Leitthema “Digital Humanities” gewidmet ist. Nun mag so manch einer, wie nicht selten zu hören ist, anmerken, dass von allen Seiten versucht wird auf einen Zug aufzuspringen, der sich zur Zeit gut verkauft, und dies auch noch ohne wirklich Digital Humanities zu praktizieren (im strengen Sinne einer Code geleiteten Methodik). Ich sehe jedoch in der abgrenzenden Selbstpflege einer exotischen und belächelten, aber avantgardistischen Community als die sich die Digital Humanities lange Zeit gern gesehen und genossen haben keinen Selbstzweck und schon gar kein Mittel zu Stärkung der Digital Humanities. Die Aporie zwischen Code und Text, die nicht selten auf eine Gegenüberstellung von “traditionellen” versus digitalen Geisteswissenschaften übertragen wird und öffentlichkeitswirksam gern auch als “Show don’t Tell” formuliert wird, ist nur eine Aporie weil sie alzu gerne in der Euphorie neuer technologischer Möglichkeiten zu einer solchen gemacht wird.

Code und Text sind weder widersprüchlich noch ineinander überführbar, auch wenn versierte Coder den Text gerne ersetzen wollen und Medienwissenschaftler den Code zu häufig allein im Epistem des Textes wahrnehmen. Text und Code müssen ihre Beziehung zueinander finden und eben dies beginnen nun auch Digital Humanities und “traditionelle” Geisteswissenschaften. Herauskommen werden keine Geisteswissenschaften, die identisch sind mit dem Selbstverständnis der gegenwärtigen Digital Humanities. Vielleicht ist auch deswegen die Ablehnung immer noch recht groß, die den sich häufenden theoretischen Ansätzen aus Kultur- und Medienwissenschaften sowie Philosophie von den Digital Humanities entgegengebracht wird. Auf der anderen Seite werden Konzepte, Methoden und Ansätze der Digital Humanities in weiten Teilen unhintergehbar bleiben und zu einer substanziellen Transformation der Geisteswissenschaften beitragen. Im Sinn einer solchen Transformation “aus beiden Richtungen” steht die oben aufgeführte Publikation, zu der ich – dies möchte ich nicht zum blinden Fleck meines Plädoyers machen – mit dem Titel “Text, Denken und E-Science: eine intermediale Annäherung an eine Konstellation” auch etwas beitragen durfte. Nicht unerwähnt bleiben darf die Publikation eines der letzten, wenn nicht der letzte Artikel des kürzlich verstorbenen Peter Harber. Aus dem Inhalt:

Titel Nach Feierabend 2013: Digital Humanities
Herausgeber David GugerliMichael HagnerCaspar HirschiAndreas B. KilcherPatricia PurtschertPhilipp SarasinJakob Tanner
Verlag Diaphanes Verlag, 2013

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2396

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Was macht Frankreichs neue Historiker-Generation? Eine Bestandsaufnahme

Die Annales-Dominanz ist schon lange passé. Auch die Repräsentationsgeschichte riecht nicht mehr ganz frisch. Gibt es also etwas wirklich Neues bei den jungen französischen Historikerinnen und Historikern? Auch anderswo bewegen sich ja die kunstvoll hochstilisierten “Brüche” doch im mehr oder weniger kulturkonstruktivistischen Mainstream. Die Wenden sind heute eher thematischer Natur. Vorbei der cultural turn, her mit dem animal turn. Während somit die inhaltliche Zersplitterung fortschreitet, muss die Frage gestellt werden: Gibt es noch eine gemeinsame Richtung, die die Historiker-Generation des frühen 21. Jahrhunderts einzig und wiedererkennbar macht? Was führt uns zusammen und grenzt uns ab? Zu dieser Problematik ist mir in Paris ein Buch in die Hände gefallen, das bezüglich der jüngeren französischen Wissenschaft einige spannende Fingerzeige gibt. 17 Autorinnen und Autoren fragen im von Christophe Granger herausgegebenen und eingeleiteten Band: “À quoi pensent les historiens? Faire de l’histoire au XXIe siècle”. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Beiträger Franzosen, arbeiten in Frankreich oder über Frankreich. Sie geben in der Summe ein griffiges Bild davon, was links des Rheins state of the art ist. Reflexionen dieser Art erscheinen in Frankreich etwa alle 20 Jahre. 1974 veröffentlichten Jacques Le Goff und Pierre Nora in drei Bänden “Faire de l’histoire”, die während [...]

Quelle: http://catholiccultures.hypotheses.org/1309

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“Touch ID fingerprint identity sensor” – Fingerabdruck und Sicherheitsmythos

tl;dr
1. Das Fingerabdrucksystem des neuen iPhones kann gehackt werden. 2. Für eine zentrale Speicherung bei Sicherheitsbehörden sind die Daten aber nicht interessant, weil sie nicht eindeutig einer Person zugeordnet werden können.

Jony Ive, Apples Senior Vice President of Design, beendet das iPhone 5s-Werbevideo mit den Worten: “We believe that technology is at its very best, at its most empowering, when it simply disappears.” Gerade beim Fingerabdruckverfahren gelingt es schon seit seiner Erfindung ganz gut, die Technik hinter dem Verfahren verschwinden zu lassen. Das heißt, der Fingerabdruck konnte deshalb zu einem so mächtigen Identitäts-Symbol werden, weil die Anwendungspraktiken zu einer Black Box wurden. Wer weiß schon, wie ein Fingerabdruckvergleich funktioniert? Das führt meiner Ansicht nach dazu, dass in Beiträgen über den “Touch ID fingerprint identity sensor” zwei Themen miteinander vermengt werden, die aber gesondert beantwortet werden müssen.

Das betrifft 1. das Problem der Sicherheit: Die Frage, ob das System gehackt werden kann und ob der Fingerabdruckvergleich das iPhone vor fremden Zugriff sichert, kann relativ leicht beantwortet werden. Die Antwort ist: Ja, kann gehackt werden. Der Grund dafür ist, dass das Verfahren auf dem automatisierten Vergleich von Merkmalen beruht (pattern recognition). Das bedeutet, es werden charakteristische Merkmale der Fingerkuppen gespeichert und beim Auflegen des Fingers auf den Home-Button werden die Merkmale des aufgelegten Fingers mit den gespeicherten Merkmalen verglichen. Vorher wurde festgelegt, ab wie vielen Übereinstimmungen die Person als identifiziert gilt. Die Identitätsfeststellung durch den Fingerabdruckvergleich beruht daher immer auf Wahrscheinlichkeiten, weil vorher ein Punkt festgelegt werden muss, an dem eine Person bestätigt wird. Charakteristisch für biometrische Identifizierungsverfahren sind daher die Werte der FAR (False Acceptance Rate) und FRR (False Rejection Rate). Im ersten Fall wird eine Person irrtümlich akzeptiert, im zweiten Fall irrtümlich zurückgewiesen. Je mehr Merkmale übereinstimmen müssen, desto niedriger ist zwar die FAR, gleichzeitig steigt aber auch die FRR, weil zwei Fingerabdrücke eben nie exakt gleich sind. Das sind Fingerabdrücke deshalb nicht, weil je nach Druck, Untergrund oder Schmutzpartikel das Bild einer Fingerkuppe anders aussieht und immer anders aussehen muss. Zwei exakt gleiche Fingerabdrücke würde ein Daktyloskop als Fälschung einstufen, weil er sie für eine Kopie halten würde. Soll heißen, Biometrie beruht nicht nur auf Wahrscheinlichkeiten, sondern auch auf Interpretation. Fingerabdrucksysteme bieten also wunderbare Voraussetzungen, um gehackt zu werden.

Dass sich Fingerabdrücke nur schlecht als Passwortersatz eignen, ist schon häufig genannt worden. Natürlich argumentiert Apple in dem Werbevideo, dass Fingerabdrücke ein grandioser Passwortersatz sind, weil die Merkmale einzigartig sind und wir sie immer dabei haben. Aber gerade weil sich biometrische Informationen nicht verändern, ist es ein Problem, wenn sie veröffentlicht sind. Apple sollte mal bei Wolfgang Schäuble nachfragen, ob es für ihn noch sinnvoll ist, seinen Fingerabdruck ernsthaft zu Identifizierungszwecken zu verwenden. Zu leicht können Fingerabdrücke nachgebastelt werden. Einen Grund gibt es aber, den “Touch ID fingerprint identity sensor” dennoch zu verwenden. Wer bislang gar kein Passwort verwendet hat oder nur einen 4-stelligen Pincode kann sich überlegen, ob die Sicherung durch den Fingerabdruck nicht sicherer ist. Wohlgemerkt sicherer, nicht sicher.

Das 2. Thema betrifft die Frage nach der Verwendbarkeit bzw. den Missbrauch der (biometrischen) Daten durch Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden.

Ich glaube nicht, dass Sicherheitsbehörden ein großes Interesse an den Daten haben und dass eine zentrale Speicherung der Fingerabdrücke zu befürchten ist. Es hat gute Gründe, warum Sicherheitsbehörden in zentralen Datenbanken wie AFIS (Automatisierte Fingerabdruckidentifizierungssystem) oder EURODAC (European Dactyloscopy) mit 10-Fingerabdrucksets arbeiten. Denn die Merkmalsdichte an einem Finger muss schon sehr hoch sein, um ihn in einer Datenbank mit mehreren 100.000 Abdrücken als eindeutig zu bestimmen (siehe FAR und FRR).

Primary classificationJetzt gäbe es freilich noch das Argument, dass beim “Touch ID fingerprint identity sensor” ja bis zu 5 Fingerabdrücke gespeichert werden können. Und mit 5-Fingersets ließe sich sicherlich problemlos eine größere Datenbank aufbauen. Allerdings gibt es bei der Geschichte einen Haken. Denn beim Anlegen eines neuen Fingerabdruckprofils kann nicht überprüft werden, wessen Fingerabdruck gespeichert wird. Im Fall einer zentralen Speicherung der Fingerabdrücke wäre das ein Problem. Denn wer garantiert denn, dass alle 5 Fingerabdrücke von einer bestimmten Person sind? Vielleicht ist ja ein Fingerabdruck eines Freundes/einer Freundin oder des Partners/der Partnerin dabei. Um für Sicherheitsbehörden interessant zu sein, müssten die einzelnen Abdrücke jeweils eindeutig zuordenbar sein. Das sind sie aber nicht, solange das Anlegen eines neuen Fingerabdruckprofils nicht unter Aufsicht einer Behörde geschieht.

Update, 22.9.2013: Das ging dann schneller als gedacht und bestätigt oben argumentierte These; dass das System gehackt werden kann ist daher auch nicht besonders überraschend.

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=5579

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Happy Birthday, Adorno!

Wolfgang Pohrt charakterisierte in der Festschrift zu Hermann L. Gremlizas 50er (Hamburg: Verlag 20. November, 1990.) den Geburtstag als "[einen Tag], den jeder Mensch mit Verstand und Empfindung besser als nichtexistent aus seiner Wahrnehmung streicht".

Nun, ich begehe Adornos heutigen 110. Geburtstag, indem ich den äußerst empfehlenswerten @neinquarterly für das zukünftige Nichts - zu erwarten unter: http://neinquarterly.com/ - subskribiere und widme ihm Adornos Frankfurter Hausnummer, Kettenhofweg 123:

Frankfurt_Kettenhofweg123_Hausnummer_Adorno

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/483766433/

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Es geht los!

Macht Musik wirklich stark und schlau? Wie lassen sich mit Musik die Köpfe und Herzen von Menschen erobern? Warum können wir uns Lieder besser merken als reine Texte?

Kurz: Was lernt man durch Musik? Das ist die übergeordnete Fragestellung der summer school des Max-Planck-Institutes für Bildungsforschung, Berlin. Dabei greift der Hirnforscher  zur Flöte, die Psychologin haut in die Tasten und eine Gruppe Musiker sucht tanzend nach ihrer Nische in der menschlichen Evolution. 5 Tage lang beschreiten internationale Experten und 30 Nachwuchswissenschaftler und Musikvermittler neue Wege der Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen sowie zwischen Theorie und Praxis.

Dieser Blog dokumentiert die gemeinsame Arbeit der summer school und lässt die verschiedenen Perspektiven  zu Wort kommen. Jede und jeder darf  mitbloggen!

Schloss Rheinsberg     Foto: Schloss Rheinsberg, Amodorrado  CC-BY-SA-3.0

Quelle: http://elm.hypotheses.org/20

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Journée d’étude „Les historiens et Michel Foucault“, Paris 14.6.2013

Am 14. Juni 2013 findet an der Pariser EHESS die Tagung Régimes de vérité, gouvernementalité et biopolitique : les historiens et Michel Foucault mit folgenden sieben Vorträgen statt:

Michael C. Behrent (Appalachian State University) : Penser le XXe siècle avec Foucault

Luca Paltrinieri (CIEPFC/Cirphles - ENS Ulm) : Biopouvoir : les sources historiennes d'une fiction politique

Elsa Dorlin (université Paris 8) : Le plaisir a-t-il une histoire ? Les historiens de la sexualité et Foucault

Paolo Napoli (EHESS) : Foucault et l'histoire de la normativité

Vincent Denis (Paris 1) : L’historiographie de la police et ses usages de Foucault

Luc Berlivet (CNRS / Cermes3) : Actualité de la biopolitique : sécurité, régulation et subjectivation au prisme de l’histoire de la santé

Jean-Baptiste Fressoz (Imperial College, Londres) : Le modèle foucaldien de la biopolitique et l'histoire : chronologie et outils du biopouvoir dans le cas de l'inoculation et de la vaccination 1720-1820

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/418666568/

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Wozu eine wissenschaftliche Fragestellung?

Fragestellung, Forschungsstand und historische Argumentation – oder: warum tun sich viele Geschichtsstudentinnen und -studenten so schwer damit, „richtig“ Geschichtswissenschaft zu betreiben?

Von Christine Roll

Als ich im Februar die Themen für die Examensklausuren formulierte, stieg wieder die Unsicherheit in mir auf, ob wir unsere Studentinnen und Studenten eigentlich gut ausgebildet haben. Werden sie mit der Aufgabenstellung etwas anfangen können? Werden sie in der Lage sein, ihr Wissen als Argument einzusetzen? Oder werden auch dieses Mal wieder viele der Examenskandidatinnen und -kandidaten den gelernten Stoff einfach chronologisch heruntererzählen, ohne die strukturierenden Gesichtspunkte und analytischen Kategorien zu berücksichtigen, die ihnen die Themenstellung anbietet? Und werden sie ihre Klausuren mit einleitenden und abschließenden Reflexionen über das Thema in den Rang einer geschichtswissenschaftlichen Darstellung heben oder werden sie auf dem Niveau eines Schulaufsatzes bleiben?

Ähnliche Überlegungen gehen mir auch dann durch den Kopf, wenn ich die Seminararbeiten eines vergangenen Semesters korrigiere. Natürlich habe ich viel Freude an den gelungenen und klugen studentischen Arbeiten; aber in etwa der Hälfte der Gutachten, die ich zu jeder Hausarbeit formuliere, steht im Grunde dasselbe: „Gute Kenntnisse im Detail, auch recht gute Ideen, aber es fehlt ein Forschungsbericht; folglich fehlt auch die Herleitung der Fragestellung aus der Forschungssituation. Zudem wird die Fragestellung nicht konsequent durchgehalten“. Eine so begutachtete Arbeit kann dann nicht besser als mit „3“ bewertet werden, meistens steht leider sogar eine schlechtere Note darunter.

Solche Ergebnisse sind für die Studierenden wie für mich gleichermaßen unbefriedigend. Auch Kolleginnen und Kollegen klagen über diese Schwächen bei ihren Studentinnen und Studenten. Diese wiederum scheinen oftmals gar nicht zu verstehen, „was sie da falsch gemacht“ und warum sie keine bessere Note bekommen haben. Angesichts dessen erscheint es mir lohnend, grundsätzlich darüber nachzudenken, warum sich Studierende so schwer damit tun, ihre Ausführungen an einer leitenden Fragestellung zu orientieren, einen Forschungsbericht zum Thema ihrer Arbeit zu verfassen, einen Zusammenhang zwischen dem Forschungsstand und der eigenen Fragestellung herzustellen und eine schlüssige geschichtswissenschaftliche Argumentation aufzubauen. Zudem handelt es sich keineswegs um eine neue Beobachtung: Ich kann mich gut an entsprechende Klagen meines Konstanzer Doktorvaters aus den 1980er und 1990er Jahren erinnern. Immerhin dürften die Fähigkeiten der Studierenden seither nur graduell schlechter geworden sein; hier muss also nicht der Untergang des Abendlandes herbei geredet werden. Aber nach wie vor gibt es zu viele lausige Historiker/innen und Geschichtslehrer/innen, ein Ende des Teufelskreises ist also nicht zu erkennen. Woher rühren also diese Schwierigkeiten mit der Geschichte als Wissenschaft? Vier Thesen stelle ich zur Diskussion.

1. Untaugliche akademische Lehrer, studentische Lebenshektik und pädagogikfeindliche Studienordnungen – die Missstände des Studienalltags

Wir wissen es alle: Bis heute gibt es in Deutschland Historische Institute, an denen Studierende ihr Geschichtsexamen ablegen können, ohne je mit dem Anspruch auf Fragestellung und Forschungskontext konfrontiert worden zu sein; leider ist ja sogar in Publikationen von Professorinnen und Professoren haltloser Enzyklopädismus anzutreffen; von solchen Kolleginnen und Kollegen kann folglich „richtige“ Geschichtswissenschaft nicht gelernt werden.

Zugleich unterliegen die Studierenden einer neuartigen Lebenshektik: Gesellschaftlicher Jugendwahn, die Ökonomisierung der Universitäten zu einem geradezu akademischen Kapitalismus1 und die neuen Studiengänge suggerieren den jungen Leuten, „fertig werden“ mit dem Studium sei wichtiger als gut ausgebildet zu sein. Und die Lehramtsstudiengänge mit Modulprüfungen auch im Staatsexamen (wie sie in NRW zwar bald auslaufen, aber noch üblich sind) senden ganz falsche Signale: Sie fordern die Studierenden auf, möglichst bald Teilprüfungen abzulegen – und eben auch Examensklausuren zu schreiben –, und zwar schon bevor sämtliche Seminare absolviert, bevor also auch die entsprechenden Hausarbeiten geschrieben sind! Die Verfasser/innen der Prüfungsordnung haben offenbar gemeint, dass die Studierenden lediglich etwas über die Frühe Neuzeit lernen, wenn sie eine Hausarbeit über Luther schreiben; dabei lernen sie doch ebenfalls, wie man Hausarbeiten schreibt, wie man historisch argumentiert! Wenn sie die anderen Examensteile bereits abgeschlossen haben, können sie diese Fertigkeit aber gar nicht mehr anwenden – weshalb sie ggf. sogar wieder verloren geht! Und die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge zwingen die Studierenden, ihre Seminararbeiten drei Wochen nach Semesterende abzugeben. Wir Lehrende wiederum können die Arbeiten nur noch benoten, wir dürfen aber nicht, jedenfalls nicht offiziell, Korrekturen einfordern, Korrekturen, mit denen die Studierenden zeigen könnten, das sie aus ihren Fehlern gelernt haben. Wie soll sich unter diesen Bedingungen das gerade für das Argumentieren so wichtige implizite Wissen in den studentischen Köpfen anreichern?

2. Wikipedisierung der Geschichtswissenschaft? Die Ordnungen des Wissens und die Unordnung im Internet

Was macht das Internet, was macht Wikipedia mit unserem Fach? Ich werde nicht müde zu betonen: Wikipedia wird immer besser! Wikipedia bietet schnell – zumeist – verlässliche Informationen, auf die auch ich gar nicht mehr verzichten könnte. Wikipedia entwickelt auch Gesichtspunkte – und immer bessere Gesichtspunkte –, nach denen der Stoff geordnet wird, aber, Johan Schloeman hat unlängst darauf hingewiesen: Die Gliederung von Online-Ressourcen greift in die Ordnung des Wissens ein.2 Ob wir uns dessen immer bewusst sind? Denn Google-Funde sind nicht schon Geschichtswissenschaft! Denn es geht um Kategorien und um Problemorientierung statt um Vollständigkeit und um die Reflexion des Erkenntnisfortschritts – für den Einzelnen und für die Wissenschaft! Hier bleibt online noch viel zu tun.

3. „Bin ich denn Teil der Forschung?“ Ein Problem des studentischen Selbstverständnisses

Warum fühlen sich Studierende aber so selten als Teil eines Forschungsdiskurses? Oft fällt mir in der Sprechstunde eine übertriebene Ehrfurcht vor der Forschungsliteratur auf: „Ich bin doch nur ein kleines studentisches Licht! Ich kann doch dazu keine Position beziehen…“. Doch, gerade Du! Auch „du als Studi“ gewinnst in der Auseinandersetzung mit Texten, also mit Forschungsliteratur und Quellen, neue Einsichten. Du gewinnst diese Erkenntnisse zunächst nur für Dich, denn Du als Individuum betreibst Geschichtswissenschaft, interessierst Dich, willst etwas wissen, etwas zeigen und reflektierst kritisch andere Forschungspositionen – genau dadurch wirst Du Teil des Forschungsdiskurses!“
Nach meiner Einschätzung müsste sich diese Scheu der Studierenden durch die Mitarbeit an Wissenschaftsblogs reduzieren lassen, das käme den Studierenden zugute und täte auch den Blogs gut, denn in Blogs zählt, wie in der „richtigen“ Wissenschaft, die eigene, gut begründete Stellungnahme, die eigene, mutig vorgetragene These. Gute Geschichtswissenschaft kann man nämlich nur betreiben, wenn man sich selbst und seine eigenen Fragen an die Vergangenheit ernst nimmt und für wichtig hält.

4. Schließlich: die erkenntnistheoretische Herausforderung einer eigenen Fragestellung

Das vermutlich am tiefsten sitzende Problem vieler Studierender – und zugleich das ihnen am wenigsten bewusste – ist die Ahnung, ja: die Befürchtung, dass sich durch eine eigene Fragestellung das eigene Geschichtsbild ändern wird. Mit der eigenen Fragestellung nimmt man eine eigene Perspektive auf das Geschehen ein – mit der „Gefahr“ des Aufbrechens des eigenen Vorverständnisses! Aber nur, wenn man dieses Risiko auf sich nimmt, kommt man weiter. Denn dieses Risiko verweist auf die erkenntnistheoretische Grundlage unseres Fachs, auf den Konstruktionscharakter von Geschichte: „Geschichte ist stets das, was ein geschichtskonstruktivistisches Subjekt zu ihr macht“.3 Darin besteht der einzigartige Reiz der Geschichtswissenschaft.
Die beste Versicherung gegen zu viel Risiko ist übrigens wiederum die eigene Fragestellung! Der Historiker/die Historikerin erlangt Sicherheit im Umgang mit der Fülle an Empirie allein durch die Methode, durch das historische Handwerk: Fragestellung, Forschungsstand, These, Argumente und Begründungen, Ergebnisse, deren Einordnung in die Forschung – diese Arbeitsschritte sind Voraussetzung dafür, dass aus ungeordneten Mengen von Informationen „richtige Geschichtswissenschaft“ werden kann. Haben Sie also Mut, sich zu Wundern! Erstaunen – sei es über die Formulierung in einer Quelle, sei es über die Äußerung eines Historikers – ist eine wichtige Voraussetzung für Geschichtswissenschaft! Es kommt auf Sie an! „Der Kern wissenschaftlichen Arbeitens sind nicht Gänsefüßchen; es geht darum, ob das eigene Denken Hand, Fuß und Substanz hat“.4

Übrigens: unter den sieben Staatsexamensklausuren, für die ich im Februar die Themen formuliert habe, waren zwei richtig gut. Nur zwei. Die anderen haben die Fragestellung ignoriert, nicht argumentiert und folglich keine eigenen Ergebnisse gewonnen. Geschichtswissenschaft aber ist Argument – oder sie ist nicht.

  1. Vgl. etwa Richard Münch: Akademischer Kapitalismus. Über die politische Ökonomie der Hochschulreform, Berlin 2011.
  2. Johan Schloemann, „Server oder Sammelband“, Süddeutsche Zeitung, 4. Februar 2013, Feuilleton.
  3. Das beste Buch über die Geschichte der Historiographie, das mir seit langem untergekommen ist: Daniel Fulda, Wissenschaft aus Kunst. Die Entstehung der modernen deutschen Geschichtsschreibung 1760-1860, Berlin etc. 1996, das Zitat auf S. 274.
  4. Heribert Prantl, „Belehrte Unwissenheit“, Der Fall Schavan, Kommentar in der Süddeutschen Zeitung vom 7.2.2013.

Quelle: http://frueheneuzeit.hypotheses.org/1408

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Pamela Cox: The future uses of history, HWJ

Frei zugänglich:

Cox, Pamela: The Future Uses of History, in: History Workshop Journal, 75, Spring 2013, S.125-145.
http://dx.doi.org/10.1093/hwj/dbs007

Abstract:
We live in a new era of evidence. The knowledge economy demands new kinds of evidence deployed through new types of channel. Policy-makers demand evidence to support decision-making. ‘Evidence-based policy’ is built around the need to know if a strategy or a policy or any other kind of intervention – in medicine, criminal justice, welfare, banking or international aid – has ‘worked’ and whether it is cost effective. But what kind of evidence is sought and from what sources? How are outcomes evaluated? How do policy-makers deal with the uncertainty and contradictions so often generated by research?.

This article considers the contribution that historians might make in providing and critiquing evidence in these everyday scenarios. Given that our work consists of assembling, selecting, sifting and presenting evidence we might argue that we should play a major role particularly when History as a discipline faces contentious calls to demonstrate its public impact. However, we might argue the opposite. In terms of policy, for example, historians might continue to offer evidence of what ‘has not worked’ in the past as opposed to what ‘might work’ in the future. We might point to the epistemological uncertainties and doubts generated by new empirical claims to truth.

This article focuses on these opportunities and challenges. Using two contrasting case studies, from Vietnam and East Anglia, it asks how historians can carve out a distinct role as constructive sceptics in the knowledge economy.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/326525439/

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Porträt von Matthes & Seitz

"Was auch kommt, es kann nur besser werden" schrieb Magnus Klaue in konkret 6/2004, S.48, als Andreas Rötzer den durchaus verdienstvollen, wegen Streifzügen ins Rechtsextreme allerdings zu Recht berüchtigt gewordenen Verlag Matthes & Seitz übernahm (dazu u.a. Diedrich Diederichsen, Freiheit macht arm, Köln 1993, 117-157). Nun, es wurde besser, und ein Porträt des jetzigen Verlagszustandes liefert dieses Wochenende die NZZ.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/326525010/

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