Im Blog von Denis Walter bin ich auf sechs Tricks für eine gelingende Promotion gestoßen. Für mich ein guter Anlass, über meine Arbeitstricks nachzudenken. Leider sind es nur vier, aber immerhin … Trick Nr. 1: Arbeiten, wenn andere nicht arbeiten … Continue reading →
Nachlese: Journée d’étude „La marche vers l’unité allemande 1815–1871“
Am Freitag, 13. Dezember 2013, fand am Deutschen Historischen Institut in Paris der Studientag „La marche vers l’unité allemande 1815–1871“ statt – siehe die ausführliche Ankündigung auf dem Blog des DHI. Die von Hélène Miard-Delacroix (Université Paris-Sorbonne) und Mareike König (DHI Paris) organisierte Veranstaltung richtete sich in erster Linie an KandidatInnen für die „agrégation“ (höhere Lehramtsprüfung) aus Deutsch; der Titel entsprach der historischen Rahmenfrage, die seitens des französischen Bildungsministeriums (Ministère de l’Éducation nationale) für dieses Jahr vorgegeben ist.
Veranstalterinnen und Vortragende waren freilich gleichermaßen bemüht, das aus einer solchen Formulierung sprechende Geschichtsbild kritisch zu beleuchten. Bereits in ihren einführenden Worten machte Hélène Miard-Delacroix darauf aufmerksam, dass die deutsche Reichsgründung von 1871 in der heutigen Geschichtswissenschaft kaum mehr als zwangsläufiger Endpunkt einer notwendigen und geradlinigen Entwicklung („marche vers …“), sondern als Resultat einer Vielzahl kontingenter Einzelentscheidungen und der mehrfachen „exclusion d’alternatives“ gesehen wird. Mareike König wies darüber hinaus darauf hin, dass die Vorstellung einer linearen Bewegung in dieser einen Richtung auf einem Narrativ beruht, das über Generationen hinweg in der öffentlichen Erinnerungskultur wie in der akademischen Geschichtsschreibung immer wieder in unterschiedlichen Varianten und mit sich wandelnden Zielsetzungen konstruiert wurde.
In der einen oder anderen Weise schlugen auch die Vortragenden in diese Kerbe. In sechs kurzen Beiträgen, die thematisch wie in ihrem Zugriff bewusst unterschiedlich angelegt waren, wurde eine Reihe von Perspektiven auf die Komplexität der Vorgänge im 19. Jahrhundert eröffnet. Armin Owzar (Université Paris III) legte seine Darstellung zur deutschen Verfassungsgeschichte jener Zeit überwiegend systematisch an und ging auf die Definition, die Merkmale und die Funktionen moderner Verfassungen ein. Er machte verständlich, dass kodifizierte Verfassungen zugleich herrschaftssichernd und herrschaftsbeschränkend wirken, und wies zudem auf ihre politische und gesellschaftliche Integrationsfunktion hin; dadurch suchte er begreiflich zu machen, dass Konstitutionalisierung in manchen Fällen durchaus auch von den Regierungen der deutschen Staaten als in ihrem eigenen Interesse liegend begriffen und betrieben wurde. Katrin Rack (Universität Bielefeld, derzeit Fellow am DHI Paris) ging auf die institutionelle Struktur des Deutschen Bundes, seine Stellung im europäischen Gleichgewicht und damit auf die internationalen Aspekte der „deutschen Frage“ ein. Ob der Bund fortbestand, ob und wie er sich weiterentwickelte, ob und in welcher Form an seiner Stelle ein deutscher Bundesstaat entstand, ging keineswegs nur die BewohnerInnen und die Regierungen der deutschen Staaten an, sondern berührte auch die Interessen der anderen europäischen Staaten und wurde in deren Öffentlichkeiten wahrgenommen und diskutiert.
Jakob Vogel (Sciences Po, Paris) widmete sich der Deutung der Kriege von 1864, 1866 und 1870/71 in der offiziellen und öffentlichen Gedenkkultur des Wilhelminischen Kaiserreiches. Dabei kam nicht nur die interessengeleitete Selektivität der meisten vermittelten Geschichtsbilder zur Sprache, sondern auch ein beachtliches Ausmaß an Deutungskonflikten sowohl innerhalb der Eliten des Kaiserreichs als auch zwischen diesen und oppositionellen Formationen – etwa in den durchaus ambivalenten Beziehungen staatlicher Stellen zu den Veteranenverbänden. Dieser Vortrag griff über die zeitliche Festlegung „1815–1871“ in einer Weise hinaus, die von den Veranstalterinnen ausdrücklich begrüßt wurde; gerade den von Mareike König hervorgehobenen Aspekt der Gemachtheit der verbreiteten Vorstellungen von der Geschichte der Einheitsbewegung unterstrichen und veranschaulichten die Ausführungen Vogels. Thorsten Logge (Universität Hamburg) behandelte die Rolle politischer Vereinsbewegungen anhand der Turner und Sänger. Er analysierte mediale Aspekte ihres Wirkens, insbesondere die zeitnahe Verbreitung eigener Deutungen ihres Tuns in Zeitungen und Druckschriften, die zu den Grundlagen der Entstehung der bereits mehrfach erwähnten Geschichtserzählung gehörte. Ebenso zeigte er, dass sowohl Turnen als auch Singen keine bloß zufällig gewählten Aktivitäten waren, sondern bürgerlich-männliche Tugenden dabei eingeübt, vermittelt und öffentlich zur Schau gestellt wurden.
Sitzung der Frankfurter Nationalversammlung (kolorierte Lithographie nach einer Zeichnung von Leo von Elliott, 1848)
Thomas Stockinger (Universität Eichstätt) bemühte sich, eine kurze, aber komplexe Phase der längeren Entwicklung übersichtlich darzustellen, nämlich die Versuche zur Bildung eines deutschen Staates im Gefolge der Revolution von 1848/49. Dazu gehörte einerseits das Verfassungswerk der Frankfurter Nationalversammlung, andererseits aber auch die parallelen, oft konkurrierenden Bemühungen der Regierungen um eine zwischenstaatliche Vereinbarungslösung, insbesondere die preußische „Unionspolitik“ von 1849/50. Der Vortrag fügte sich insoweit in den Tenor der Veranstaltung ein, als die Vielfältigkeit und teilweise Überlagerung der Interessensgegensätze ebenso betont wurden wie das hohe Maß an Kontingenz, das diesen Ereignisfolgen innewohnte. Im abschließenden Vortrag von Jean-François Eck (Université Lille III) ging es dann um den oft vernachlässigten ökonomischen Aspekt der Entwicklung: die vor allem in den 1850er und 1860er Jahren in Fahrt kommende Industrialisierung Deutschlands und die Rolle, die Vereinbarungen zur Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums dafür spielten. Hierzu zählte der Deutsche Zollverein ebenso wie die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt. Auch überwiegend privatwirtschaftliche Initiativen wie der Ausbau des Eisenbahnnetzes waren von großer Bedeutung.
Am Schluss der gut besuchten Veranstaltung kam es, wie bereits nach den einzelnen Vorträgen, zu angeregten Diskussionen, bei denen von den Zuhörenden zahlreiche wohldurchdachte Fragen gestellt wurden. Es bleibt zu hoffen, dass die Veranstaltung, für deren reibungslosen Ablauf vor allem dem Personal des DHI zu danken ist, nicht nur auf den Prüfungserfolg der „agrégatifs“ förderlich wirkt, sondern das eine oder andere von ihren Inhalten künftig auch den Weg in den Unterricht an den Schulen findet.
Die Folien der den Vortrag von Thomas Stockinger unterlegenden Präsentation finden Sie in Form eines PDF-Dokuments hier.
Archivwesen: „The Third Order of Order“ – Relationale Erschließung und Indizierung als Chance für die Defragmentierung von Kontexten und Überlieferung
„Creating Rurality from Below“
Ich hatte es vor einiger Zeit schon mal erwähnt: Am vergangenen Wochenende fand in Bamberg eine interdisziplinäre und internationale Tagung statt, organisiert von Marc Redepenning, Julia Rössel und Christoph Baumann, alle drei Sozial- und KulturgeographInnen.
Diskutiert wurde, wie man mit einem relationalen Verständnis von Ländlichkeit diese diskutieren und analysieren kann. Ich war eingeladen und durfte netterweise erste Überlegungen zu einem Kapitel meiner Habilitation zu den „Übergangsgesellschaften“ vorstellen.
Die Tagung war für mich sehr interessant und in vielerlei Hinsicht anregend. Nicht nur, dass ich sehr nette Menschen kennengelernt und interessante Gespräche geführt habe, ich habe auch einen ganzen Haufen methodischer und theoretischer Anregungen bekommen und war ganz überrascht von dem Werkzeugkoffer, mit dem manche Geograph/innen so unterwegs sind – sehr beeindruckend! Dass darüber hinaus mein Vortrag gut angekommen ist, ist natürlich ganz besonders toll und gibt mir einen kräftigen Motivationsschub!
Im Folgenden gebe ich nun eine Kurzfassung meines Vortrages wieder; wer an einer ausführlicheren Fassung interessiert ist: Ich bin dabei, einen Aufsatz daraus zu machen und werde selbstverständlich Bescheid geben, wenn er irgendwo erscheint.
„Ländlichkeit“ ist ein Konzept, das in der Geschichtswissenschaft in der Regel nur vermittelt eine Rolle spielt. Untersucht die Geschichtswissenschaft agrarische Gesellschaften, wird in der Regel das Charakteristikum „Ländlichkeit“ als Kennzeichen der untersuchten Gesellschaft vorausgesetzt, nicht aber selbst zu einem Gegenstand der Untersuchung gemacht. Untersucht man jedoch – und das ist in der Vergangenheit bereits ausgiebig unternommen worden – die Konstruktion von Ländlichkeit, so rücken vor allem bürgerliche, städtische Akteure in den Blick, etwa die „Agrarromantiker“, von denen Bergmann 1971 schrieb. Ländlichen Gesellschaften selbst schienen von diesen Ländlichkeitskonstruktionen weitestgehend unberührt zu sein; sie existierten quasi in einer anderen Sphäre.
Ich habe im Rahmen des Vortrags diese Forschungen insofern erweitert, als dass ich ländliche Gesellschaften als „Kontaktzonen“ in bestimmten Prozessen sichtbar mache. Kontaktzone – das ist ein Konzept, das vor allem in der post-kolonialen Forschung zu Globalisierungsprozessen eine Rolle spielt und erst langsam, vor allem vermittelt über Emily Rosenberg, seinen Weg in die Geschichtswissenschaft findet. Kontaktzonen sind in diesem Zusammenhang soziale Räume, die durch die Konfrontation und den Kontakt heterogener Interessen bestimmt sind, vor allem aber durch Hierarchien, Machtverhältnisse und die unterschiedliche Verteilung von Handlungsspielräumen gekennzeichnet sind. So kann man auch ländliche Gesellschaften als Kontaktzonen der Konstruktion von Ländlichkeit sichtbar machen.
In zwei Schritten bin ich anschließend diesem Konstruktionsprozess vor Ort, am Beispiel von Bernried, nachgegangen: am Beispiel von Heimatschutz-Gesetzgebung und der Förderung des Tourismus. Bernried eignet sich hervorragend für die Analyse dieser Beispiele – oder andersrum: Die Beispiele sind abgeleitet vom Bernrieder Fall, sicherlich wären auch andere Situationen denkbar, in denen Ländlichkeitskonstruktionen sichtbar gemacht werden könnten. Aber Bernried als früher Sommerfrische-Ort und Sinnbild eines (vermeintlich) unberührten oberbayerischen Dorfes im Voralpenland zeigt genau an diesen Stellen, wo Kontakte über die Dorfgrenzen hinaus bestehen, die exemplarisch analysiert werden können.
1. Zu diesem ersten Abschnitt habe ich bereits einen kurzen Text geschrieben. Wenn man den Maßnahmen zur Pflege heimischer Bauweise genauer nachgeht, stellt man schnell fest, dass diese zunächst (mindestens im Zeitraum bis zum Ersten Weltkrieg) vor Ort keine Relevanz hatten – oder anders gesagt: Es gab keine Baugenehmigungen, die ausgehend von der Heimatschutzgesetzgebung zum Schutz heimischer Bauweise nicht genehmigt oder nur unter Auflagen genehmigt worden wären. Aber sichtbar wird auch: Gebaut haben in Bernried in dieser Periode fast nur Städter – vor allem Angehörige des Bürgertums (vermute ich; fast alle von ihnen trugen Doktortitel), und zwar vor allem repräsentative Sommervillen, die sich ziemlich stark von der örtlichen Bauweise unterschieden. Und in der Regel waren das Entwürfe, die von einem orthodoxen Heimatschützer sofort kassiert worden wären – historizistischer Stilmix aus Folklore und Türmchen und Erkerchen. Es passierte aber nichts. Was kann man daraus schließen?
Entweder geht man davon aus: Okay, Heimatschutzgesetzgebung hat keinen Effekt, sie versandet irgendwo auf dem Weg von oben nach unten. Oder aber man fragt sich: Warum hat denn die Gemeindeverwaltung, die zuständig gewesen wäre für die Einhaltung der ortspolizeilichen Vorschriften, nicht interveniert? Dann wird das Nicht-Intervenieren zu einer aktiven Handlung, die mit bestimmten Motivlagen verknüpft sein könnte: etwa der Abwägung von monetären Interessen der Gemeinde (neue Grundsteuer-Zahler) mit ideellen (Heimatschutz); oder aber auch das bewusste Ignorieren von Heimatschutzvorstellungen, die den eigenen widersprechen (auch hierfür gibt es Hinweise). Wichtig ist also: Anhand der Heimatschutz-Gesetzgebung und ihrer (Nicht-)Umsetzung kann analysiert werden, dass die Möglichkeiten, das architektonische Bild des Dorfes zu beeinflussen, sehr ungleich verteilt waren. Die Heimatschutz-Propheten waren nicht besonders erfolgreich. Wie „erfolgreich“ oder nicht hingegen die örtlichen Akteure waren, findet man nur heraus, wenn man ihre Zielsetzungen kennt. Und es scheint zumindest möglich, dass sie – gemessen etwa an der Zielsetzung, möglichst viele Steuerzahler nach Bernried zu holen und diese nicht etwa mit irgendwelchen Bauordnungen zu verschrecken – durchaus erfolgreich waren.
2. Beinahe gleichzeitig mit der Implementierung der Heimatschutzgesetzgebung begann man in Bernried damit, den Ort für Touristen attraktiver zu machen. Zwar war Bernried auch schon vor der Wende zum 20. Jahrhundert ein Ort gewesen, an dem der eine oder andere prominente Münchner seine Sommerfrische verbracht hatte, schien es doch den örtlichen Verantwortlichen sinnvoll zu sein, einen Verein zu gründen, um Bernried attraktiver zu machen. Der „Dorfverschönerungsverein“ hatte es sich vor allem zur Aufgabe gemacht, Fußwege im Ortsbereich anzulegen, Baumalleen und schattige Wälder zu pflanzen sowie Parkbänke aufzustellen. Ganz offensichtlich war es also das zentrale Anliegen des Vereins, Bernried zu einem attraktiven Ort für eine zutiefst bürgerliche und touristische Aktivität zu machen: für den Spaziergang. Der erste Ansatz war, eine Promenade am Seeufer anzulegen. Dass dies letztlich am Widerstand des örtlichen Gutsbesitzers scheiterte, ist eine komplizierte Geschichte – offenbar befürchtete dieser, sein ländliches Gut werde an Wert verlieren, wenn ein öffentlicher Spazierweg darüber führte. Auch hier also waren die Chancen zur Gestaltung des Dorfes unterschiedlich verteilt; interessant erscheint darüber hinaus, dass der örtliche Verschönerungsverein nicht das architektonische (oder Kultur-)Bild des Ortes zu konservieren versuchte, sondern vor allem die „natürlichen“ Voraussetzungen des Ortes – die Naturnähe, den Ausblick etc. – durch Baumaßnahmen besonders hervortreten lassen wollte. Ländlichkeit wurde hier also vor allem über Natürlichkeit zu konstruieren versucht.
Es wird klar, dass man auch auf der Mikroebene die Herausbildung von Ländlichkeit beobachten kann – und sollte. Die Herausbildung war aber weder einfach durch städtische Akteure determiniert noch von den ländlichen Akteuren komplett steuerbar. Die Möglichkeiten, Ländlichkeit aktiv zu konstruieren und dauerhaft im Ortsbild zu verankern, waren sehr ungleich verteilt. Eine Analyse der „Kontaktzone Dorf“ nimmt also diese unterschiedlichen Vorstellungen und Verwirklichungschancen in den Blick, ohne bereits davon auszugehen, dass am Ende die „städtischen“, weil mit mehr Machtmitteln ausgestatteten Akteure als „Sieger“ aus der Schlacht hervorgingen. Zudem wurde sichtbar, dass nicht alle Formen der Ländlichkeits-Konstruktion schlichte Romantisierungen des Landlebens waren, sondern dass darüber hinaus auch eine instrumentelle Variante bedacht werden muss. Ein Beispiel ist die „ländliche Natürlichkeit“, die der Dorfverschönerungsverein forcierte, und die zumindest zu einem Gutteil dazu dienen sollte, Touristen nach Bernried zu holen.
Quelle: http://uegg.hypotheses.org/227
Nachlese: Vorträge am 26. und 27. Juni 2013 in Speyer und Rastatt
Wie zuvor angekündigt, haben die beiden Projektmitarbeiter Thomas Stockinger und Tobias Hirschmüller bei zwei Veranstaltungen aus ihren Forschungen im Rahmen des Projekts berichtet. Dabei sprach Thomas Stockinger zum Thema „Ministerien aus dem Nichts. Die Einrichtung der Provisorischen Zentralgewalt“ und Tobias Hirschmüller über „Erzherzog Johann als Reichsverweser 1848/49“.
Vortragsabend im Stadtarchiv Speyer am 26. Juni 2013
Der erste der beiden Abende, den die Hambach-Gesellschaft gemeinsam mit dem Stadtarchiv Speyer veranstaltete, fand am 26. Juni ab 18.30 in den Räumlichkeiten des Letzteren statt. Nach einer kurzen Begrüßung durch Archivdirektor Dr. Joachim Kemper sprach Projektleiter Prof. Karsten Ruppert einleitend über den historischen Stellenwert der Provisorischen Zentralgewalt als erster Regierung (im heutigen Sinne des Wortes) für Deutschland sowie über die Ziele und Tätigkeiten unseres Projekts. Auf die beiden Vorträge folgte eine offene Diskussion, in der unter anderem die Erfolgschancen der Zentralgewalt und die Absichten der Mehrheit in der Frankfurter Nationalversammlung bei ihrer Einsetzung vertieft besprochen wurden.
Ein weiterer Bericht über den Abend findet sich auf der Facebook-Seite des Stadtarchivs. Zudem hat sich Dr. Kemper dankenswerter Weise bereit gefunden, die Powerpoint-Folien zum Vortrag „Ministerien aus dem Nichts“ online zugänglich zu machen.
Der zweite Abend fand am 27. Juni, gleichfalls ab 18.30 Uhr, in den historischen Räumen des Rastätter Schlosses statt, wo die Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte untergebracht ist. Wie die Leiterin der Erinnerungsstätte, Dr. Elisabeth Thalhofer, in ihren einleitenden Worten festhielt, fehlte nur ein Tag auf den 165. Jahrestag des Datums, an dem die Frankfurter Nationalversammlung das Gesetz zur Einsetzung der Provisorischen Zentralgewalt beschloss. Im Anschluss an die Vorträge kam es auch hier zu einer angeregten Diskussion, die von Dr. Clemens Rehm, Abteilungsleiter Fachprogramme und Bildungsarbeit im Landesarchiv Baden-Württemberg, in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des Fördervereins der Erinnerungsstätte moderiert wurde. Der Förderverein hatte auch den anschließenden kleinen Umtrunk organisiert, bei dem die Gespräche fortgesetzt wurden. Bereits vor Beginn des Programms hatten die beiden Besucher aus Eichstätt es sich angelegen sein lassen, die Dauerausstellung der Erinnerungsstätte zu besichtigen, und dabei unter anderem den Kabinettstisch bewundert, an dem das Gesamtreichsministerium damals seine Sitzungen hielt.
Nochmaliger Dank den Veranstaltern und Gastgebern für die Ermöglichung dieser Vorstellung unserer Forschungen! Da der Zuspruch beträchtlich war, ist an ähnliche Präsentationen durch die weiteren Mitglieder des Projekts im kommenden Jahr gedacht.
Komposittechnik: Zwischen wissenschaftlicher Evidenzbehauptung und künstlerischer Subversion – Raul Gschrey
Das Institut für Wissenschafts- und Technikforschung lädt ein:
Komposittechnik: Zwischen wissenschaftlicher Evidenzbehauptung und künstlerischer Subversion
Donnerstag 20. Juni 2013, 12.30 Uhr
Bibliothek STS (NIG, Universitätsstr. 7, Stg. II, 6. Stock)
Bring your lunch-Vortrag von Raul Gschrey (GCSC, Liebig-Universität Gießen)
Raul Gschrey stellt sein Dissertationsprojekt “Composite and Eigenface. Histories and Continuities of Human Measurement between Arts and Science vor. Moderation: Christoph Musik/Daniel Meßner
Abstract
In den 150 Jahren seit ihrer Begründung durch den viktorianischen Wissenschaftler Francis Galton oszilliert die Komposittechnik zwischen Wissenschaft und Kunst: von den künstlerischen Vorgängern über ihre Nutzung zur Typifizierung im späten 19. Jahrhundert bis zu heutigen künstlerischen Positionen. Anhand von Kompositbildern aus 150 Jahren werden die Entwicklung der Technik, ihre historischen Implikationen und heutige künstlerisch-subversive Nutzungen betrachtet.
Als Künstler, Kurator und Wissenschaftler beschäftigt sich Raul Gschrey mit sozial und gesellschaftlich relevanten Themen. In den vergangenen Jahren untersuchte er das Phänomen der visuellen Überwachung und entwickelte künstlerische Subversionen. Sein derzeitiges Ausstellungs- und Publikationsprojekt „grenzlinien“ eröffnet künstlerische, wissenschaftliche und politische Perspektiven auf irreguläre Migration im europäischen Kontext. Er arbeitet an seinem Promotionsprojekt “Composite and Eigenface. Histories and Continuities of Human Measurement between Arts and Science” am International Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC) der Justus-Liebig-Universität Gießen. Weitere Informationen: www.gschrey.org
Bayern und die MGH – (Fast) 200 Jahre gemeinsame Geschichte
In principio erat verbum et verbum erat manu scriptum1
Im Anfang war das Wort, und das Wort war von Hand geschrieben. Im Anfang war es ungedruckt. In ihm war das historische Leben. Aber es war verborgen in Archiven und Bibliotheken. Es trat ein Mann an den Wassern des Mains auf, der von Gott gesandt war.
Reichsfreiherr vom Stein
(Quelle: MGH-Archiv)
Sein Name war Heinrich Friedrich Karl, Reichsfreiherr vom Stein (1757-1831), und die Welt der deutschen Mittelalterforschung ist durch ihn das geworden, was sie noch heute darstellt. Das Paradies war in weiter Ferne. Es galt die Erkenntnis, dass Dornen und Disteln den schwer bestellbaren Boden bedeckten, und Staub war ein ständiger Begleiter. Diese Situation besteht noch heute, nach fast 200 Jahren.
Am Anfang stand die romantische Begeisterung für ein deutsches Reich vor dem Deutschen Bund. Ein altes Reich vor der Abdankung des römischen Kaisers Franz II., ein gemeinsames Reich vor den fast 20jährigen Kriegen Napoleons und seiner Fremdherrschaft, ein religiös geeintes Reich vor den Glaubenskämpfen, kurzum: ein einheitliches Reich – so wie man sich das Mittelalter vorstellen wollte. Am Anfang verbrüderten sich also Vaterlandsliebe und aufgeklärter Wissensdurst nach historischer Wahrheit, unverfälscht und unverschleiert.
Dieser Vortrag handelt also von Worten und Menschen und dem langen Weg der Monumenta Germaniae Historica nach Bayern und in die Moderne.
Man schrieb das Jahr 1819. Am 20. Januar, einem Mittwoch, „um zwei Uhr des Nachmittags“ trafen sich in der Privatwohnung des preußischen Ministers a. D. Karl Freiherr vom Stein (1757-1831) am Ort der Bundesversammlung Frankfurt die Bundesgesandten Bayerns, Badens, Württembergs und Mecklenburgs, um die „Societas aperiendis fontibus rerum Germanicarum medii aevi“ – die „Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde“, genauer zunächst deren Zentraldirektion zu gründen. Der Gesandte Bayerns, Johann Adam Freiherr von Aretin (1769-1822), hatte zusammen mit dem württembergischen Gesandten (Karl August Freiherr von Wangenheim) Stein bereits im Vorfeld bei seinen Plänen intensiv unterstützt. Letzterer schrieb wenig später: „Seit meinem Zurücktreten aus öffentlichen Verhältnissen beschäftigte mich der Wunsch, den Geschmack an deutscher Geschichte zu beleben, ihr gründliches Studium zu erleichtern und hierdurch zur Erhaltung der Liebe zum gemeinsamen Vaterland und Gedächtnis unserer großen Vorfahren beizutragen. Meine Absicht war auch, dahin zu wirken, daß die durch die Umwälzung des Jahres 1803 zerstreuten vielen Urkunden sorgfältig gesammelt und gegen den Untergang aufbewahrt würden, welches aber hauptsächlich von Maßregeln der Regierungen abhängt und wozu der Entschluß von einzelnen nicht ausreicht.“ „Im ganzen würden etwa 8 bis 10 Gelehrte sich das Hauptwerk teilen und in etwa eben so vielen Jahren wohl damit zustande kommen“. Der nicht nur gelehrte, sondern auch kluge Aretin ging keine zwei Wochen nach dem ersten formalen Treffen in einem ausführlichen Gutachten bereits von 10 bis 20 Jahren Dauer aus und regte die Schaffung einer erweiterten „gelehrten Gesellschaft“ an, in der neben Adeligen auch Wissenschaftler wirken sollten.
Johann Adam Freiherr von Aretin
(Quelle: MGH-Archiv)
Der Bayer Aretin sollte auch im Juli/August als stellvertretender Vorsitzender der zwischenzeitlich gegründeten Zentraldirektion an Stelle des abwesenden Stein das Projekt der Bundesversammlung erfolgreich vorlegen. Es wurde einstimmig angenommen, doch die von der Bundesversammlung zugesprochenen Geldmittel blieben großenteils aus. Ständige Geldnot bedrohte das Unternehmen von Anfang an erheblich, doch „Zuspruch und Zuwendung kamen von unerwarteter Seite, zum Beispiel von Zar Alexander I. von Russland, der sogar bereit war, die gesamten Kosten zu übernehmen. Stein wies diese Offerte aus patriotischer Selbstachtung zurück … „, wie Horst Fuhrmann bemerkt. Stein hatte bis zu seinem Tod 1831 ein Viertel der Kosten aus seinem Privatvermögen zugeschossen. Man darf bitte auf gut Bayerisch kommentieren: Respekt – Herr Minister a. D.! Bayern tat sich in keiner Weise rühmlich hervor, die Regierung Maximilians I. Joseph knauserte, und Akademie wie Reichsarchiv lehnten auch nur geringfügige Unterstützungen ab. Auch König Ludwig I. übertraf seinen Vater nicht an Großzügigkeit. Von den ursprünglich sechs subskribierten Bänden der Monumenta-Editionen in Edelausstattung gab man 1830 zwei zurück, da die Universitäten Erlangen und München neben der königlichen Bibliothek diese auf eigene Kosten bezogen hatten und man für die übrigen keine Verwendung fand!
Der Stein-Biograph Heinz Duchhardt stößt in seiner jüngsten Steinbiographie ins selbe Horn: „Dass die Monumenta … eine Erfolgsgeschichte werden sollten, war gleichwohl lange nicht absehbar – manche bitteren Worte Steins sind überliefert, mancher Ärger über seine Direktionskollegen aus dem Kreis der Bundestagsdiplomaten musste hinuntergeschluckt werden, manche Krisensitzungen waren anzusetzen, manche Enttäuschungen waren zu verkraften, wenn der eine oder andere Bundesstaat aus durchsichtigen Gründen sich gegenüber Bitten um Zuschüsse verweigerte oder wenn Standeskollegen auf seine ‚Bettelbriefe’ nicht reagierten. Die Empfehlung des Frankfurter Bundestags, das Unternehmen finanziell oder durch Subskriptionen zu unterstützen, hatte zunächst allenfalls begrenzten Widerhall gefunden.“ … Preußen, die Fürsten und die meisten Bundesstaaten versagten auf voller Linie. Einmal brach es aus Stein heraus: „Man macht kostbare naturhistorische Expeditionen von Wien, München und Berlin nach Ägypten, Nubien, Brasilien, dem Kap, man erforscht die Geschichte der Pharaonen, das Leben und Weben der Kolibris, Gazellen und Affen mit und ohne Schwänzen, aber für die Geschichte unseres Volkes geschieht nichts.“ [...] Der vollständige Artikel kann hier gelesen werden.
1Vortrag anlässlich des Symposions zur Ausstellungseröffnung „Bayern und die Monumenta Germaniae Historica“ am 19. Januar 2013 veranstaltet im Historicum der Ludwig-Maximilians-Universität München basierend auf Vorarbeiten zum „Zeitstrahl“ von Nikola Becker.
Wladislaw II. und Ludwig II. – Das jagiellonische Erbe in Kamenz
Das vom böhmisch-ungarischen König Wladislaw II. in Kamenz gegründete Franziskanerobservantenkloster St. Annen steht im Mittelpunkt des Vortrags von Jan Rüttinger M.A., wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sakralmuseum St. Annen in Kamenz, am Donnerstag den 13.06.2013. Zum Abschluß der Ausstellung Camencia Jagellonica. Die Gründung des Franziskanerklosters St. Annen in Kamenz, die am 16.06.2013 schließt, werden nochmal die Hintergründe und die Entstehungsgeschichte des Klosters beleuchtet, sowie die intensive Förderung durch die jagiellonischen Herrscher Wladislaw II. und Ludwig II. Die Besonderheit der letzten franziskanischen Klostergründung in der Oberlausitz als eine herrschaftliche Stiftung [...]
Vortrag: Ministerien aus dem Nichts. Die Einrichtung der Provisorischen Zentralgewalt 1848
Im Rahmen zweier Vortragsabende Ende Juni werden die Projektmitarbeiter Thomas Stockinger und Tobias Hirschmüller aus ihrer Forschungstätigkeit im Rahmen des Projekts „Edition der Akten der Provisorischen Zentralgewalt“ referieren. Der erste dieser Abende wird von der Hambach-Gesellschaft veranstaltet und findet am 26. Juni ab 19 Uhr im Stadtarchiv Speyer statt. Der zweite Abend ist für den 27. Juni ab 18.30 Uhr an der Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte im Rastätter Schloss vorgesehen. Bei beiden Gelegenheiten werden dieselben zwei Vorträge gehalten.
Das folgende Abstract betrifft den Vortrag von Thomas Stockinger; eine entsprechende Ankündigung zu jenem von Tobias Hirschmüller erfolgt in Kürze.
Ministerien aus dem Nichts: Die Einrichtung der Provisorischen Zentralgewalt 1848
Am 28. Juni 1848 wurde nach intensiven Debatten in der Frankfurter Nationalversammlung das Gesetz zur Einsetzung einer vorläufigen Exekutive für den – real noch nicht existierenden – deutschen Bundesstaat beschlossen; der am folgenden Tag gewählte Reichsverweser Erzherzog Johann konnte am 12. Juli angelobt werden, etwa einen Monat später kam das erste vollständige „Reichsministerium“ zustande. Dieses konnte sich zunächst auf eine solide Mehrheit in der Versammlung stützen, vor allem auf das sogenannte „rechte Zentrum“. Die Stellung der Provisorischen Zentralgewalt zwischen dem Paulskirchenparlament, den Regierungen der deutschen Einzelstaaten und den auswärtigen Mächten war trotzdem nie eine einfache, und ihre Versuche, faktische Regierungstätigkeit zu entfalten, stießen rasch an Grenzen. Dennoch sollte die Bedeutung dieser Institution im Revolutionsgeschehen nicht unterschätzt werden.
Auf der politischen Ebene kann das Handeln der Zentralgewalt zumindest in seinen groben Zügen als bekannt gelten; hingegen ist ihrer Verwaltungsgeschichte noch kaum Aufmerksamkeit gewidmet worden. Dies erweist sich allerdings als durchaus interessant, zumal es darum ging, in kürzester Zeit funktionierende Behörden ins Leben zu rufen, wozu die Dienststellen des bisherigen Bundestages nur ganz unzureichende Anknüpfungspunkte boten. Qualifiziertes Personal musste rekrutiert, der gesamte Geschäftsgang geregelt, selbst die elementarsten Ressourcen – bis hin zum Büromaterial – mussten erst beschafft werden. Eine zeitgenössische Karikatur zeigte den neuen Reichsjustizminister Mohl bei seiner ersten „Amtshandlung“: dem Gang zu einem Papierhändler, um Schreibpapier und eine Stange Siegelwachs zu erstehen.
Dass die Ministerialbehörden der Zentralgewalt überhaupt ins Leben treten und eine geregelte Tätigkeit entfalten konnten, erscheint unter diesem Gesichtspunkt bereits als beträchtliche Leistung. Überreste dieser Tätigkeit sind nicht zuletzt die in beachtlicher Zahl angelegten und aufbewahrten Akten der Ministerien, heute im Bundesarchiv Berlin. Auf deren Grundlage soll im Vortrag versucht werden, nachzuzeichnen, welche Probleme bei der Bildung dieser Dienststellen gleichsam „aus dem Nichts“ auftraten und welche Lösungen dafür gefunden oder zumindest angestrebt wurden.
Vortrag: Disputes and Monastic Scholarship around 1700: Two Case Studies (Volltext)
„Early Enlightenment Controversies“ war das Thema eines der Panels bei der Jahrestagung der American Society for Eighteenth-Century Studies (4. bis 7. April 2013 in Cleveland, Ohio), organisiert von der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts; zusammengestellt wurde es von Rainer Godel (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) und Anita Traninger (Freie Universität Berlin). Ein gemeinsamer Vortrag von Thomas Wallnig und Thomas Stockinger vom Projekt „Monastische Aufklärung und die benediktinische Gelehrtenrepublik“ behandelte dabei „Disputes and Monastic Scholarship around 1700: Two Case Studies“. Eine ganz kurze Ankündigung des Inhalts ist bereits hier auf dem Blog erfolgt. Eine Publikation [...]