Ein Bild sagt mehr … (XI): Les mandarins lettrés (1844)

Am 24. Oktober 1844 unterzeichneten Théodor de Lagrené (1800-1862)[1] und Qiying 耆英 (1787-1858)[2] den Vertrag von Huangpu [auch "Vertrag von Whampoa", Huángpǔ tiáoyuē 黃埔條約][3], der Frankreich all das zubilligte, was im Vertrag von Nanging Großbritannien zugestanden worden war: die Öffnung von Guangzhou 廣州, Fuzhou 福州, Ningbo 寧波, Shanghai 上海 und Xiamen 廈門 für den Handel, Extraterritorialität für französische Staatsangehörige, fixe Zolltarife und das Recht, Konsulate einzurichten. Die Vertragsverhandlungen, bei denen  Joseph-Marie Callery (1810-1862) als Übersetzer fungiert hatte, hatten in Macau (Aomen 澳門) stattgefunden, die Unterzeichnung erfolgte an Bord des Dampfer L’Archimède, der im Perlflussdelta auf der Höhe der Insel Huangpu vor Anker lag.

Les mandarins lettrés (1844)

Honoré Daumier: Les mandarins lettrés (1844)
[University of Kansas Luna Insight Image Collection]

China war seit im Kontext des so genannten “Ersten Opiumkriegs” in das Blickfeld der europäischen Politik gerückt, das ‘exotische’ China faszinierte ein breites Publikum. Der wohl bedeutendste Karikaturist Frankreichs dieser Zeit konnte an der Chiffre ‘China’ nicht vorbei gehen:  Honoré Daumier produzierte zwischen Dezember 1843 und Juni 1845 “Voyage en Chine”, eine Serie von 32 Lithographien, die in Le Charivari erschienen. Die einzelnen Blätter der Serie projizierten französische Alltagsszenen in eine exotische Umgebung – und bilden so beißende Kommentare zu den Vorgängen in Frankreich. Das Spektrum der dabei behandelten Themen ist breit gefächert, es geht unter anderem um Zölle/Zollkontrollen, Musik, Tanz, Bildung und Erziehung, Eheschließung, Krieg und Politik.

Am 7. Dezember 1844 erschien in Le Charivari das Blatt “Les mandarins lettrés”[4]. Es zeigt einige ‘asiatisch’ gekleidete Männer, die um einen Tisch sitzen, auf dem einige Bücher liegen. Einer manikürt seine Fingernägel, die anderen scheinen zu schlafen. Der Text erklärt die Szene:

Il existe à Pékin une célèbre institution littéraire nommée A-KA-DE-MIE, les quarante membres de ce corps assistent une fois par an à une grande séance publique où l’on baille, et une fois par mois à une petite séance particulière où l’on dort. Il est vrai que ces personnages s’excusent en disant qu’ils rèvent au dictionnaire de la langue Chinoise, dictionnaire qu’ils sont en train de rédiger depuis cent cinquante ans; mais ils ne se pressent pas, sous le prétexte qu’ils ont tout le temps de travailler, puisqu’ils sont immortels.

Daumier zielt auf die Académie française, die 1635 auf Betreiben Richelieus von Louis XIII. gegründete Gelehrtengesellschaft, deren offizielle Aufgabe die Vereinheitlichung und Pflege der französischen Sprache war und ist.  Die Akademie hat 40 auf Lebenszeit berufene Mitglieder, “les immortels”/”die Unsterblichen” – nach dem Motto der Akademie.[5]

1637 hatte die  Académie française begonnen, an einem normativen Wörterbuch zu arbeiten. Die erste Auflage des Dictionnaire de l’Académie[6] erschien 1694 – also 150 Jahre vor Daumiers Karikatur. Bis 1844 waren 5 Ausgaben erschienen, die letzte vollständige Ausgabe ist die 8. Ausgabe (1932-1935) mit ca. 35 000 Wörtern. Seit 1986 wird an der neunten Auflage gearbeitet, deren erster Band erschien 1992, der zweite Band folgte 2000.

Das ‘Chinesische’ in Daumiers Karikatur beschränkt sich auf ‘asiatische’ Kleidung, die Zöpfe der ‘Unsterblichen’ und auf die Schreibung “A-KA-DE-MIE”, die den Monosyllabismus aufgreift, den man seit dem 17. Jahrhundert dem Chinesischen nachgesagt hatte.[7]

BTW … Schon die klassischen einsprachigen  chinesischen Wörterbücher (Lexika, Zeichen- und Reimwörterbücher) übertrafen den Umfang des Dictionnaire de l’Académie françoise spielend:

  • Im Kangxi zidian 康熙字典 (1716[8] finden sich 47035 Schriftzeichen (von denen etwa 20000 Varianten sind).
  • 1711 wurde das Peiwen yunfu 佩文韻府[9]  [wörtlich: “Reimsammlung des kaiserlichen Studierzimmers”[10] präsentiert,  Es enthält mehr als 500.000 Einträge unter ca. 10.000 Lemmata – angeordnet nach 106 Reimgruppen.[11]

  1. Biographie in der Base de données des députés français depuis 1789.
  2. Fang Chao-ying, “Ch’i-ying (Kiying),” in A. W. Hummel, ed.: Eminent Chinese of the Ch’ing Period (1644-1912). (Washington: United States Government Printing Office, 1943), Vol I, pp. 131-134. Online: Qing Studies Workshop.
  3. S. Treaties, conventions, etc., between China and foreign states. 2d ed. Published by order of the Inspector General of Customs, Vol. 1 (Shanghai: Published at the Statistical Dept. of the Inspectorate General of Customs; and sold by Kelly & Walsh, 1917), 771-813.
  4. Voyage en Chine 18. Daumier Register Nr. 1206.
  5. S. http://www.academie-francaise.fr/les-immortels/les-quarante-aujourdhui.
  6. Académie française: Le dictionnaire de l’Académie françoise, dédié au Roy.  (Paris: Vve J. B. Coignard et J. B. Coignard 1694); Digitalisate (gallica): t. 1, t. 2.
  7. S. Gustav Ineichen: “Historisches zum Begriff des Monosyllabismus im Chinesischen”, In: Historiographia Linguistica, Volume 14 (1987),Number 3, 265-282.
  8. Zhang Yushu 張玉樹 et al.: Kangxi zidian 康熙字典 (1716). – Online: http://www.kangxizidian.com/.  Vgl. Endymion Wilkinson: Chinese History. A Manual. Revised and Enlarged (Harvard-Yenching Institute Monograph Series; Cambridge, Mass./London 2000), 64.
  9. Zhang Yushu 張玉樹 et. al.: Peiwen yunfu 佩文韻府 (1711, Supplement 1720). Vgl. Endymion Wilkinson: Chinese History. A Manual. Revised and Enlarged (Harvard-Yenching Institute Monograph Series; Cambridge, Mass./London 2000), 64.
  10. Helwig Schmidt-Glintzer: Geschichte der chinesischen Literatur. Von den Anfängen bis zur Gegenwart (München: C.H. Beck; 2. Auflage 1999), 247.
  11. Christoph Kaderas: Die Leishu der imperialen Bibliothek des Kaisers Qianlong. (Asien- und Afrika-Studien der Humboldt-Universität zu Berlin 4, Wiesbaden: Harrassowitz 1998), 236-240.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/953

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Die kleinen Diskriminierungen des Alltags – warum Stiftungen Promotionsstellen anstatt Promotionsstipendien finanzieren sollten

http://www.lisa.gerda-henkel-stiftung.de/content.php?nav_id=4533 Dieser Beitrag ist aus der Sicht eines Stipendiaten geschrieben, der an einer deutschen Universität in einem von der Gerda Henkel Stiftung finanzierten Drittmittelprojekt arbeitet. Bei Drittmittelprojekten verpflichten sich Universitäten, den durch die Stiftung bezahlten Stipendiaten die sogenannte „Grundausstattung“ zur Verfügung zu stellen. Diese Grundausstattung besteht heute im Wesentlichen aus einem Büroarbeitsplatz mit Computer. Der […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/09/4681/

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SSK 1: 4. Studentischer Soziologienkongress zum Thema “Krisen, Prozesse, Potenziale” (Bamberg, 04.-06.10.2013

In den-Beiträgen SSK (1-4) stellt sich der 4. Studentische Soziologienkongress, 04.-06.10.2013 in Bamberg, vor. Im Ersten Beitrag (SSK 1 ) gibt es nach einem persönlichen Eindruck in die Vorbereitungen des Arbeitskreis Soziologie in Bamberg, eine Programmübersicht und eine Einstimmung auf … Weiterlesen

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/5396

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Emotionen und Wirtschaftsethik – ein Einwurf

Von Christoph Lütge

Wie man mit Geld und anderen ökonomischen Mechanismen umgeht, ist auch Thema der Ethik, insbesondere der Wirtschaftsethik (K. Homann/Ch. Lütge: Einführung in die Wirtschaftsethik, 3. Aufl., Münster 2013). Dabei setzen so manche Ansätze der Wirtschaftsethik vor allem auf die rationale Kraft der Argumentation: Peter Ulrich (Integrative Wirtschaftsethik: Grundlagen einer lebensdienlichen Ökonomie, Bern 1997) und Horst Steinmann etwa berufen sich auf die Diskursethik Habermas’ als grundlegendes Paradigma einer Ethik, die vor allem mit rationalen Überzeugungsmethoden, mit Appellen an das Gewissen und an die Einsicht, die Akteure im Wirtschaftsgeschehen “zur Vernunft” bringen will.

Der Ansatz der Ordnungsethik (Ch. Lütge: Wirtschaftsethik ohne Illusionen, Tübingen 2012) dagegen ist skeptisch gegenüber der Kraft rationaler Argumentation. Sie muss dazu gar nicht pessimistisch gegenüber den Motivationen der Menschen sein. Nur: Im Wettbewerb stehen Akteure unter dem Druck von Anreizen, der ihre guten Motivationen leicht erodieren lässt. Man kann solche Vorgänge mit Emotionen erklären – und diese wiederum mit zugrunde liegenden Interaktionsstrukturen (Dilemmasituationen). Daher setzt die Ordnungsethik statt auf Änderungen der Motivationen (“Bewusstseinswandel”) auf Änderungen der Regeln. Gleiche Spielregeln erlauben es, mit den Emotionen der Akteure und den Anreizen der sozialen Welt besser umzugehen – und das heißt: so dass alle Seiten etwas davon haben.

Quelle: http://reichtum.hypotheses.org/231

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Der Zisterzienser Adam von Perseigne und das Speculum virginum

In der ersten Hälfte der 1990er Jahre habe ich mich recht intensiv mit der Geschichte des Klosters Hirsau befasst und auch auf Werkvertragsbasis unter Volker Himmelein, damals Direktor des Badischen Landesmuseums, die Eröffnung des Klostermuseums Hirsau vorbereitet. Aus dem umfangreichen Forschungsbericht, den ich für die Blätter für württembergische Kirchengeschichte schreiben wollte, ist nichts geworden. Besonders gefesselt hatte mich das Problem des als Konrad von Hirsau bekannten Autors, des Verfassers des Jungfrauenspiegels “Speculum virginum”. Vor kurzem habe ich in diesem Blog eine umfangreiche Besprechung des [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/5570

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aventinus academica Nr. 2 [06.09.2013]: Verwendung des Hashtags #studpubl für “Studentisches Publizieren” bzw. “Student Publications”

Um eine bessere Vernetzung von Trägern, Autoren und Befürwortern Studentischen Publizierens zu erreichen, etabliert aventinus die Verwendung des Hashtags #studpubl. Er soll sowohl im deutschsprachigen, als auch im angloamerikanischen Raum verwendet werden. http://bit.ly/17e0u8S

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/09/4679/

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