Ausstellungen zur Dreyfusaffäre in Frankreich und Deutschland – eine Übersicht

„Nombreux sont ceux qui pouvaient penser

qu’il n’y avait plus guère à écrire ou à montrer sur l’affaire Dreyfus.“1

Was kann über 1046636b6649d582dd57c0db56d81e2d420 Jahre nach einem Ereignis noch Neues darüber gesagt werden? Dieser Problematik wird nicht nur 2014 im Hinblick auf den Ersten Weltkrieg nachgegangen, mit ähnlichen Fragestellungen sahen sich auch die Veranstalter der Ausstellungen konfrontiert, welche die Dreyfusaffäre auch Ende des 20. und Anfang des 21. Jahrhunderts nicht ruhen ließen. Wie wurde die „immortelle affaire“2 in Ausstellungen in Deutschland und Frankreich in den letzten Jahrzehnten behandelt, welche Schwerpunkte wurden gesetzt und welche Quellen herangezogen? Neben kleineren Ausstellungen zur Dreyfusaffäre, wie etwa in Mulhouse 1981 und Orleans 19963, veranstaltete 1994 – der 100. Jahrestag der ersten Verurteilung Dreyfus‘ – das Pariser Musée d’histoire Contemporaine die Ausstellung „L’affaire Dreyfus et le tournant du siècle, 1894-1910“ und 2005 wurde die Wanderausstellung „J’accuse…! … ich klage an!“ des Moses Mendelssohn Zentrums in mehreren deutschen Städten gezeigt.4

Zunächst soll auf die Begleitkataloge der beiden letztgenannten größeren Ausstellungen eingegangen werden, wobei beide als Aufsatzsammlungen konzipiert sind und so weniger auf die Ausstellungsobjekte eingehen. Der Pariser Katalog von 1994, dessen reichliches (Bild-)Quellenmaterial Großteils aus dem Fundus der Bibliothèque de documentation internationale contemporaine (BDIC) stammt, behandelt zunächst die Affäre in ihrem chronologischen Verlauf. Er stellt dem Leser die Ereignisse und Akteure vor, um dann – wie der zweite Teil des Namens der Ausstellung schon verrät – auf das Frankreich der Jahrhundertwende einzugehen:  Neben den (un-)mittelbaren Auswirkungen der Affäre auf die Gesellschaft5 und der ausführlichen Darstellung der zeitgenössischen Berichterstattung mit ihren unzähligen und teils durch ihre Bösartigkeit sehr einprägsamen (oft antisemitischen) Karikaturen, denen im beginnenden Massenzeitalter von den Autoren dieses Bandes eine kaum zu unterschätzende Bedeutung beigemessen wird, werden auch von der Affäre unabhängige Themen, wie etwa der technologische Wandel, behandelt.

Die Wanderausstellung des Moses Mendelssohn Zentrums 2005 beruht auf der umfangreichen Sammlung an Dreyfusiana der US-amerikaMusée_des_Horreurs_6nischen Sammlerin Lorraine Beitler.6 Auf dieses reiche Quellenmaterial greift auch der Begleitband der Ausstellung zurück. Neben zahlreichen Parallelen zum Pariser Ausstellungskatalog, wie etwa dem Fokus auf die zeitgenössischen Medien und die Karikaturen, weisen Aufbau und Schwerpunktsetzung Unterschiede zum Pariser Band auf: Ausgehend von dem Situation des französischen Judentums um die Jahrhundertwende werden das Auftauchen des Borderaus und die Verurteilung Dreyfus‘ behandelt, die beteiligten Personen dargestellt, und die Ursachen der Affäre untersucht (so die Stellung von Militär und Kirche in der Dritten Republik). Der Schwerpunkt des Bandes liegt auf der Macht und Bedeutung der Medien in der Affäre: Die Berichterstattung in Frankreich, die Reaktionen der deutschen und internationalen Presse, die Bedeutung des Karikaturenwesens7 sowie der Nachhall der Affäre im deutschen Kunst- und Kulturbetrieb. Abschließend wird die Revision von 1899, die endgültige Rehabilitierung Dreyfus‘ 1906 und das Vermächtnis der Affäre betrachtet, wobei sich hier die interessante Fragestellung findet, inwieweit das deutsche Publikum von gestern und heute einen zu einseitig negativen Blick auf die Affäre wirft und deren Ausgang – den „Triumpf der Wahrheit“8 – dabei fast vergisst.

Neben diesen Katalogen haben auch die beiden eingangs erwähnten Ausstellungen in Mulhouse und Orléans kleine, mit zahlreichen Illustrationen versehene Katalogbände hervorgebracht; auch hier liegt das Hauptaugenmerk auf der Bedeutung der Karikaturen.9

Abschließend kann festgehalten werden, dass die hier analysierten Kataloge ihren Hauptfokus auf die Medien und besonders auf die die Berichterstattung begleitenden Karikaturen legen. Darüber hinaus betonen sie die Bedeutung der Affäre für die französische (und europäische) Gesellschaft und ihre andauernde Aktualität als „Modellfall der Herausforderung der Staatsbürger, in Grundsatzfragen Stellung zu nehmen“.10 Alfred Dreyfus‘ Zeitgenosse und Mitstreiter Anatole France zog folgendes Fazit zur Affäre: „Die Dreyfusaffäre wird vermutlich niemals aufhören, künftige Generationen zu interessieren, da sie ein Gesamtbild des ‚menschlichen Gewissens‘ bietet, indem sie sowohl ihre besten als auch ihre schlechtesten Seiten zeigt.“11

Ausgewertete Ausstellungskataloge:

  • L’affaire Dreyfus et le tournant du siècle, 1894-1910. Exposition, Paris, Musée d’histoire contemporaine et Nanterre, Bibliothèque de documentation contemporaine. Sous la dir. de Laurent Gervereau et Christophe Prochasson, Nanterre 1994.
  • L’affaire Dreyfus par l’image. Exposition, Médiathèque et Centre Charles-Péguy, Orléans, 1er avril-15 mai 1996. Catalogue par Julie Bertrand-Sabiani, Orléans 1996.
  • Autour de l’affaire Dreyfus. Une bibliographie commentée ; Exposition, Bibliothèque municipale de Mulhouse, novembre 1981, Mulhouse 1981.
  •  J’accuse…! … ich klage an! Zur Affäre Dreyfus. Eine Dokumentation; Begleitkatalog zur Wanderausstellung in Deutschland Mai bis September 2005. Hrsg. im Auftrag des Moses Mendelssohn Zentrum von Elke-Vera Kotowski und Julius H. Schoeps, Berlin 2005.

________________________________________________

Bildquellen: Cover des Ausstellungskataloges “J’accuse…! … ich klage an! Zur Affäre Dreyfus. Eine Dokumentation; Begleitkatalog zur Wanderausstellung in Deutschland Mai bis September 2005“; Karikatur Le Traître von Victor Lenepveu.

  1. L’affaire Dreyfus et le tournant du siècle, 1994, S. 8.
  2. L’affaire Dreyfus par l’image, 1996, S. 7.
  3. Weitere Ausstellungen fanden auch in Paris (Musée d‘art et d‘histoire du Judaïsme) und Frankfurt (Jüdisches Museum) 2006/2007 statt, jedoch ohne Publikation eines Katalogs. Dies ist auch beim Stadtmuseum Rennes der Fall, welches eine Dauerausstellung zu den Geschehnissen um Alfred Dreyfus zeigt.
  4. Eine Übersicht über Ausstellungen zur Dreyfusaffäre weltweit findet sich bei Vincent Duclert: L’affaire Dreyfus. Quand la justice éclaire la République, Toulouse 2010, S. 517.
  5. So stieg beispielsweise die Anzahl der Duelle während der Dreyfusaffäre strak an, vgl. L’affaire Dreyfus et le tournant du siècle, 1994, S. 169.
  6. Mittlerweile befindet sich der Großteil dieser Sammlung in der Bibliothek der University of Pennsylvania, vgl. J’accuse…! … ich klage an!, 2005, S. 15.
  7. So findet sich u.a. am Ende des Bandes ein Exkurs über „Le Musée des Horreurs“, eine Reihe von Karikaturen von Persönlichkeiten, die mehr oder weniger direkt an der Affäre beteiligt waren, welche ab 1899/1900 in Frankreich zu erhalten war. Der Karikaturist, der ein Pseudonym verwendete, focht den Kampf der Anti-Dreyfusards also auch nach der Revision von Rennes 1899 weiter, vgl. J’accuse…! … ich klage an!, 2005., S. 204.
  8. Ebd., S. 187.
  9. Der Mulhouser Band ist zudem mit einer ausführlichen Bibliographie versehen.
  10. Ebd., S. 198.
  11. Zit. nach: Autour de l’affaire Dreyfus, 1981, S. 12.

Quelle: http://19jhdhip.hypotheses.org/1590

Weiterlesen

Propaganda- und Privatfotografie im Zweiten Weltkrieg

Ein finnisches PK-Foto von PK-Fotograf Manninen, aufgenommen in der Nähe von Sortavala im August 1941. Laut Bildunterschrift zeigt das Bild sowjetische Gefangene. Vorne sind zwei Soldatinnen zu erkennen, die nicht dem deutschen Feindbild von blutrünstigen „Flintenweibern“ entsprachen. Das Bild ist, womöglich wegen der Unschärfe von der Zensur als "nicht zu veröffentlichen" klassifiziert. Quelle: Finnish Wartime Photograph Archive (CC)

Olli Kleemola promoviert am Institut für Zeitgeschichte der Universität Turku (Finnland) zum Thema „Das Feindbild an der Ostfront anhand von deutschen und finnischen Fotobeständen aus dem Zweiten Weltkrieg“.
Lucia Halder (Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung) sprach mit dem Fotohistoriker über seine Arbeit.

 

Lucia Halder: Bereits der Erste Weltkrieg ist durch eine Vielzahl visueller Erzeugnisse dokumentiert. Welche Rolle spielte deiner Ansicht nach das Medium Fotografie im Zweiten Weltkrieg?

Olli Kleemola: Der Zweite Weltkrieg kann durchaus als erster wirklicher „Fotokrieg“ bezeichnet werden, da die Fotografie erst während dieses Krieges in den Propaganda-Apparaten der kriegsführenden Länder zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Diese Entwicklung spiegelt sich unter anderem darin, dass im Zweiten Weltkrieg die Fotopropaganda zunehmend in die Hände von staatlich und militärisch gelenkten Profis geriet: NS-Deutschland hatte seine Propagandakompanien, Finnland seine Informationskompanien, wie die Propagandaeinheiten dort genannt wurden. Während des Zweiten Weltkriegs waren überdies die Chancen eines „normalen Frontsoldaten“ zu fotografieren größer, da die technische Entwicklung die Kameras im Vergleich zu den Zeiten des Ersten Weltkriegs erschwinglicher gemacht hatte.

Heeresfilmstelle. Bildarchiv, 341.321.7 356.255.2 Deutschland, März 1940 Bildberichter der P.K. bei der Auswertung ihrer im Labor der P.K. entwickelten Aufnahmen. Bildberichter: Schröter. P.B.z. Neg.Nr. P.K. 104/1

Heeresfilmstelle. Bildarchiv, 341.321.7 356.255.2
Deutschland, März 1940
Bildberichter der P.K. bei der Auswertung ihrer im Labor der P.K. entwickelten Aufnahmen.
Bildberichter: Schröter. P.B.z., Neg.Nr. P.K. 104/1
Quelle: Bundesarchiv
CC-BY-SA

Lucia Halder: In den „Anweisungen für Kriegs-Photographen und Kinematographen“ des deutschen Generalstabs vom Dezember 1914 war streng geregelt, was veröffentlicht werden durfte und sollte und was nicht. Gab es solche Steuerungsbestrebungen auch im Zweiten Weltkrieg?

Olli Kleemola: Durchaus, in NS-Deutschland gab es etwa in Form „halboffizieller Kompanie-Fotografen“ viele Versuche, die knipsenden Soldaten gewissermaßen in den Dienst der NS-Propaganda zu stellen. In Finnland  versuchte man währenddessen, ein Monopol der Kriegsfotografie zu schaffen, indem die Fotografie an der Front neben den Propagandaeinheiten nur denjenigen gestattet war, die über eine besondere Lizenz verfügten. In der Lizenz stand festgeschrieben, dass die aufgenommenen Fotos beim Vorgesetzten vorzuzeigen waren und dass bestimmte Motive wie Gefallene nicht fotografiert werden durften. Dieser Versuch war natürlich von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Neben dem Knipsen wurde natürlich auch die Arbeit der offiziellen Propagandafotografen streng geregelt. In finnischen Archiven habe ich die Übersetzung einer Liste von verbotenen Motiven für deutsche Propagandafotografen gefunden, die meines Wissens in deutschen Archiven nicht überliefert ist. Die an finnische Propagandafotografen gerichteten Anweisungen sind in Finnland komplett überliefert und bilden eine wichtige Grundlage meiner Arbeit. Allein die Richtlinien für Fotozensur fehlen in beiden Ländern – sollte jemand diesbezüglich einen Hinweis für mich haben, wäre ich natürlich sehr dankbar!

Lucia Halder: Soldaten in Kriegshandlungen stehen im Einflussbereich von Streitkräften, Regierung, Gesellschaft und auch des internationalen Umfelds. Der Kriegsberichterstatter  Phillip Knightley bezeichnete Angehörige seines Berufsstands gleichermaßen als „Hero, Propagandist, and Myth-Maker“. Spiegelt sich diese Ambivalenz auch in den von dir analysierten Aufnahmen wider?

Olli Kleemola: Ja und nein. Anhand der deutschen Propagandafotos kann man erkennen, dass die Fotografen dazu geschult worden sind, propagandistische Fotos zu machen. In Deutschland mussten die Angehörigen der Propagandakompanien an einem Kurs teilnehmen, in welchem ihnen die Grundlagen der Propaganda beigebracht wurden. Die Inhalte dieser Kurse sind meines Wissens nicht genau überliefert, doch ist es mir gelungen, eine Übersichtsdarstellung zu finden. In Finnland gab es solche Kurse nicht, und anhand der Fotos von finnischen Propagandaeinheiten kann man auch leicht erkennen, dass die finnische Propagandafotografie weitaus realitätsnaher und weniger propagandistisch aufgeladen war.

Lucia Halder: Was  verraten uns die Fotografien aus dem Zweiten Weltkrieg im Gegensatz zu den Presseberichten?

Olli Kleemola: Interessant ist vor allem das, was die Fotos nicht zeigen, obwohl sie es angeblich tun. Ein Beispiel sind  deutsche Propagandafotos, die laut Begleittext „Flintenweiber“ zeigten, die „ihre Weiblichkeit abgelegt und mit Kind und Kegel in den Krieg gezogen sind“. Auf den Fotos waren jedoch oft sehr junge, erschrockene Frauen zu sehen, die von den Deutschen gefangengenommen worden sind. In solchen Fällen kann man leicht erkennen, wie die Propagandisten in Erklärungsnot geraten sind. In dem besagten Fall kam es zu einer Anweisung des Reichspropagandaleiters, dass jene Fotos in der deutschen Presse nicht mehr veröffentlicht werden durften, weil sie mehr Mitleid als Hass erzeugen könnten. In dem Sinne sind Fotos vielleicht ein wenig wahrheitsgetreuer, denn Textberichte können ja beliebig umgeschrieben werden.

Ein finnisches PK-Foto von PK-Fotograf Manninen, aufgenommen in der Nähe von Sortavala im August 1941. Laut Bildunterschrift zeigt das Bild sowjetische Gefangene. Vorne sind zwei Soldatinnen zu erkennen, die nicht dem deutschen Feindbild von blutrünstigen „Flintenweibern“ entsprachen. Das Bild ist, vielleicht auch wegen der Unschärfe, von der Zensur als "nicht zu veröffentlichen" klassifiziert. Quelle: Finnish Wartime Photograph Archive (CC)

Ein finnisches PK-Foto von PK-Fotograf Manninen, aufgenommen in der Nähe von Sortavala im August 1941. Laut Bildunterschrift zeigt das Bild sowjetische Gefangene. Vorne sind zwei Soldatinnen zu erkennen, die nicht dem deutschen Feindbild von blutrünstigen „Flintenweibern“ entsprachen. Das Bild ist, vielleicht auch wegen der Unschärfe, von der Zensur als “nicht zu veröffentlichen” klassifiziert.
Quelle: Finnish Wartime Photograph Archive (CC)

Lucia Halder: In deiner Dissertation analysierst du aber nicht nur Bilder von ausgebildeten Fotografen, sondern auch private Fotografien. Wie unterscheiden sich die sogenannten Knipserbilder von den offiziellen Bildern?

Olli Kleemola: Obwohl manche Knipserfotos auch den jeweiligen Tenor der Propaganda scheinbar nur wiederholen, gibt es durchaus auch Fotos, die ein anderes Bild des Krieges vermitteln – etwa Fotos, die geschändete Leichen des Gegners zeigen.

Lucia Halder: Viele dieser privaten Bilder verschwanden nach Kriegsende in privaten Schränken. Wie hast du sie aufgestöbert?

Olli Kleemola: Was die finnischen Privatbilder angeht, habe ich – angeregt durch Erzählungen meines Großvaters, der selbst Kriegsteilnehmer war –  bereits mit elf Jahren begonnen, Privatfotos von finnischen Soldaten zu sammeln. Die Sammlung, die mittlerweile etwa 11.000 Fotos umfasst, stellt eine bedeutende Grundlage meiner Arbeit dar, obwohl natürlich auch Bestände zahlreicher Museen ergänzend mit einbezogen werden.

Was die deutschen Privatfotos angeht, konnte ich zum Glück auf Bestände verschiedener Museen und Privatarchive zurückgreifen. Vor allem die Bestände im Deutsch-Russischen Museum in Berlin und im Hamburger Institut für Sozialforschung sind für meine Arbeit von großer Bedeutung.

Lucia Halder: Ein sehr bekanntes Bild hat ein deutscher Soldat 1942 während des sogenannten Russlandfeldzugs aufgenommen. Das Bild zeigt ein auf den ersten Blick nahezu idyllisches Motiv: Eine Frau watet mit geschürztem Rock durch eine Furt. Erst die Beschriftung auf der Rückseite des Fotos verdeutlicht das tatsächliche Motiv: „Die Minenprobe“ steht dort geschrieben.[1] Die Frau wurde als Minensucherin missbraucht und hätte zum Zeitpunkt der Aufnahme jeden Moment einem Sprengsatz zum Opfer fallen können. Oft sind Fotografien aber ohne Begleittexte überliefert. Wie kannst du den Entstehungskontext dieser Bilder ermitteln?

Olli Kleemola: Eine sehr gute Frage. Es ist ohne Weiteres klar, dass ich die Fotos anders anschaue als zum Beispiel ein Soldat der deutschen Wehrmacht oder der finnischen Armee in den 1940er-Jahren. Um die Denk- und Handlungsorientierungen der Soldaten zu rekonstruieren, greife ich auf neuere Forschungen etwa von Felix Römer oder Sönke Neitzel und Harald Welzer zurück.

Ich habe aber auch nicht vor, jedes einzelne Bild als solches zu analysieren. In den Bildmassen suche ich Tendenzen, allgemeine Entwicklungslinien, und versuche diese dann zu deuten. Oftmals entwickeln sich dabei viele verschiedene Deutungsmöglichkeiten.

Lucia Halder: Du vergleichst in deiner Arbeit finnische und deutsche Fotografien. Was sind die frappierendsten Unterschiede und Ähnlichkeiten, die du bislang feststellen konntest?

Olli Kleemola: Jedes kriegführende Land hat sicher seine eigenen Fotos gehabt, die das eigene Volk von der „Bestialität“ der Gegner überzeugen sollten. Ähnliche Muster in der Propaganda sind also durchaus vorhanden.

Eine teils entkleidete Sowjetsoldatin, Mitglied eines sowjetischen Spähtrupps, von finnischen Soldaten getötet. Dieses Foto war in Fotoalben finnischer Soldaten weit verbreitet.

Eine teils entkleidete Sowjetsoldatin, Mitglied eines sowjetischen Spähtrupps, von finnischen Soldaten getötet. Dieses Foto war in Fotoalben finnischer Soldaten weit verbreitet.

Ein prägnantes Distinktionsmerkmal ist zunächst das Rassentheorem, das in der deutschen Propaganda im Vergleich zur finnischen eine sehr große Rolle spielte. Aber der vielleicht interessanteste bisher feststellbare Unterschied besteht darin, dass die finnischen Soldaten relativ oft tote, teils entkleidete sowjetische Soldatinnen fotografiert haben, die anhand ihrer Bekleidung als solche zu erkennen sind. In deutschen Fotobeständen finden sich ähnliche Privatfotos, doch beim genaueren Betrachten konnte ich feststellen, dass die Frauen auf den deutschen Fotos tote Zivilistinnen sind, die wiederum in den finnischen Fotobeständen nicht zu finden sind. Aus irgendeinem Grund gibt es hier also keine Übereinstimmungen zwischen den Fotobeständen beider Länder. Diesen Grund gilt es nun zu eruieren.

Lucia Halder: Olli Kleemola, herzlichen Dank für das Gespräch.

 

[1] Das Bild wurde in der Ausstellung Fremde im Visier – Fotoalben aus dem Zweiten Weltkrieg gezeigt (20.10.2012 bis 1.9.2013 im Universalmuseum Joanneum in Graz).

 

Institution: Institut für Zeitgeschichte der Universität Turku, Finnland
Kontakt: owklee@utu.fi

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/02/03/propaganda-und-privatfotografie-im-zweiten-weltkrieg/

Weiterlesen

Fundstücke

Von Stefan Sasse

- Erster Weltkrieg: Erziehung vor Verdun. Martin Schulz ist mir sympathisch. 

- Alternative Geschichtesschreibung scheint langsam hoffähiger zu werden. 

- In Großbritannien wird darüber gestritten, ob auch Pazifisten in die Erinnerung des Ersten Weltkriegs einbezogen werden dürfen oder ob es ein patriotisches Erinnern wird (Englisch). 

- Als 1861 die Sezession der Südstaaten stattfand, sanken die Sklavenpreise um ein Drittel, weil viele Investoren einen Sieg des Nordens erwarteten. (Englisch)

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2014/02/fundstucke_3.html

Weiterlesen

Webressourcen aus Nordeuropa – Fundstücke Januar 2014

Im letzten Blogbeitrag zum Kieler Frieden und der Entstehung des “neuen Nordens” werden bereits viele der Jubiläen angesprochen, die in diesem Jahr in den nordischen Ländern in unterschiedlicher Gewichtung begangen werden. Insbesondere drei Jubiläen, nämlich das im vergangenen Jahr gefeierte “Stemmerettsjubileet” in Norwegen, das Jubiläum des norwegischen Grundgesetzes (“Grunnloven”) 1814 und der Deutsch-Dänische Krieg 1864 haben auch im Netz an zahlreichen Stellen ihre Spuren hinterlassen, die wir zu Beginn des Jubiläumsjahres gebündelt präsentieren wollen.

1913 – Stemmerettsjubileet

Bereits im vergangenen Jahr fand das 100-jährige Jubiläum der Einführung des norwegischen Frauenwahlrechtes seinen Niederschlag im Internet. So listet das Reichsarchiv in Oslo auf seinen Themenseiten zum Stemmerettsjubileet digitalisiertes Quellenmaterial nicht nur aus dem eigenen Haus auf (z. B. eine Unterschriftenaktion von Frauen aus dem Jahr 1905), sondern auch das mehrerer norwegischer Stadtarchive.

In Zusammenarbeit mit dem Norwegischen Lokalgeschichtlichen Institut hat das Reichsarchiv ein Wiki eingestellt, das als Projektstart die ersten 100 gewählten weiblichen Gemeindevertreter in Norwegen vorstellt. Die privaten und kommunalen Archive in Vest-Agder, Aust-Agder, Telemark, Vestfold und Buskerud haben ihre Quellen auf der Internetseite Kvinnestemmerett zugänglich gemacht.

1814 – Jahr des Kieler Friedens

Die norwegische Nationalbibliothek stellt eine überarbeitete Version seiner 1814 – Bibliografie in Netz, die Literaturangaben über bzw. aus dem Zeitraum 1812 – 1814 umfasst.

Das norwegische Reichsarchiv hat das Archiv sowie das Tagebuch des Königs Christian Frederik als wichtige Quelle für den Zeitraum 1813-1814 digitalisiert und als Datenbank zugänglich gemacht. Ganz modern kann man sich Königs Christian Frederiks “Erlebnisse” über Twitter zukommen lassen. Auf den Themenseiten verweist das Reichsarchiv auf weitere (digitalisierte) Quellen zum Thema.

Im Herbst 2013 veröffentlichte das Archiv des norwegischen Parlaments die digitalisierten Geschäftsberichte (Stortingsforhandlinger) 1814 2001.

Mit der Entstehung des Grundgesetzes (“Grunnlovet”) beschäftigt sich die Datenbank Eidsvollsmennenes etterkommere, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Geschichte sämtlicher am Entstehungsprozess des Grundgesetzes beteiligter Vertreter der Reichsversammlung (nach dem Ort der Reichsversammlung “Eidsvollmenn” genannt) und deren Nachfahren zu recherchieren und auf dieser Seite öffentlich zu machen. Dort kann man im Rahmen von “Open Source” als Nachkomme seinen Eidsvollman “adoptieren” und mit Informationen zur Datenbank beitragen.

Das Eisenmuseum in Tvedestrand widmet dem “Eidsvollman” und Eisenwerksbesitzer Jacob Aall eine Seite mit digitalisiertem Quellenmaterial, Büchern und Artikeln.

Das Wiki 1814 – Historien sett nedenfra des Norwegischen lokalgeschichtlichen Instituts beinhaltet eine Bibliografie mit Artikeln, Büchern und Buchkapiteln, die das Thema 1814 aus lokaler Perspektive beleuchten.

Zum Jubiläumsjahr wurde auch ein neues norwegisches Wörterbuch erarbeitet und ins Netz gestellt: Norsk Ordbok 2014 - ordbok over det norske folkemålet og det nynorske skriftmålet.

1864 – Deutsch-Dänischer Krieg

Das Portal 1864.dk präsentiert das umfangreiche digitale Archiv des dänischen Geschichtszentrums ” Düppeler Schanze”.

Für April 2014 ist eine Datenbank mit dänischen und deutschen Kriegsgräbern und Gedenksteinen in Südjütland angekündigt.

Quelle: http://nordichistoryblog.hypotheses.org/2102

Weiterlesen

Programm: Offene Archive 2.1 – Social media im deutschsprachigen Archivwesen (und im internationalen Kontext)

Offene Archive 2.1 – Social media im deutschsprachigen Archivwesen (und im internationalen Kontext)

Termin und Ort: 3. bis 4. April 2014, Stuttgart (Landesarchiv Baden-Württemberg – Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Konrad-Adenauer-Str. 4, 70173 Stuttgart)

Bei den Vortragstiteln handelt es sich in einigen Fällen noch um Arbeitstitel. Änderungen am Programm bzw. Verschiebungen zwischen den Vorträgen sind möglich. Stand: 3. Februar 2014.

 3. April

  • 10.30 Uhr: Begrüßung (Robert Kretzschmar/Landesarchiv Baden-Württemberg; Thomas Aigner/ICARUS; Ulrich Nieß, Stadtarchiv Mannheim/BKK; NN)

 

  • 10.45 Uhr: Einführung in die Tagung (Organisationsteam)

 

  • 11.00 Uhr: Kate Theimer, Keynote

 

  • 12.00 Uhr: Mittagspause

 

  • 13.30 Uhr:

Christoph Deeg, Gaming und Social Media in Archiven – Ein Grundkonzept

Marcus Bösch, Gaming und Archive: CC Play. Das 20. Jahrhundert zum Puzzeln [Kurzvortrag]

Maria Rottler, Bloggen und Archive: Das Blogportal de.hypotheses.org

Tanja Praske, Bloggen und Social Media im Museum – eine Erfolgsstory?

Kathrin Pindl/Christopher Kolbeck, Digitale Korpora und sprachhistorische Synergien. Forschungs- und Archivinfrastrukturen 2.0 für Rechnungsbücher

Alexander Ebel, Soziale Netzwerke in der kirchlichen Arbeit. Beispiele aus der Praxis [Kurzvortrag]

  • 16.00 Uhr: Pause

 

  • 16.30 Uhr:

Christoph Sonnlechner, Wien Geschichte Wiki. Ein semantisches MediaWiki als Wissensplattform für die Stadt

Bastian Gillner, Startbahn, Spielwiese oder Sackgasse? Erfahrungen mit dem Facebook-Auftritt des Landesarchivs NRW

Angela Stilwell, Die Facebook-Gruppe Archivfragen [Kurzvortrag]

Silke Jagodzinski, Linked Open Data im Archivportal Europa

Andrea Rönz, Zur Erarbeitung von Web 2.0 – Empfehlungen im Unterausschuss Historische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Deutschen Städtetag (BKK) [Kurzvortrag]

 

4. April

  • 09.00 Uhr

Ingmar Koch, E-Government 2.0 und Soziale Netzwerke in den Niederlanden

Neil Bates, Pinterest for heritage institutions

Annabella Arahuetes Barroso, The Ecclesiastical Historical Archive of Biscay (AHEB-BEHA) and the ICARO-center

Anna Sobczak, Polnische Staatsarchive und Social Media [Kurzvortrag]

Anneke van Waarden-Koets , Follow an Archive and Ask Archivists – Events on Twitter to promote archives worldwide.

  • 11.15 Uhr: Pause

 

  • 11.30 Uhr

Esther Howell, Das Crowdsourcing-Konzept des Landesarchivs Baden-Württemberg

Nanna Floor Clausen, Danish experience with crowdsourcing: the Danish Demographic Database

Nicole Graf, Crowdsourcing: Swissair-Projekt

Elisabeth Steiger, Crowdsourcing, Online-Präsentationen und -Ausstellungen. zur Nutzung von Flickr im Stadtarchiv Speyer [Kurzvortrag]

  • 13.15 Uhr: Mittagspause

 

  • 14.30 Uhr

Claudius Kienzle, Das Projekt Kriegsgräberlisten im Landesarchiv Baden-Württemberg

Jochen Hermel, Das Digitale Historische Archiv Köln

Andreas Job, Genealogen im Rollenwechsel: Vom Archivnutzer zum ehrenamtlichen Mitarbeiter – neue Chancen durch kollaborative, digitale Projekte des Vereins für Computergenealogie [Kurzvortrag]

Karsten Kühnel, Partizipation durch Standardisierung? Wie die Emanzipation des Nutzers die Methode der Erschließung beeinflussen kann

Gegen 16.30 Uhr: Ausblick (Mario Glauert) und Schlussdiskussion

 

Weitere Informationen:

Tagungssprachen: Deutsch und Englisch. WLAN wird verfügbar sein. Die Teilnahme ist kostenfrei. Anmeldungen zur Teilnahme: elisabeth.steiger@stadt-speyer.de

Organisationsteam: Dr. Andreas Neuburger/Christina Wolf (Landesarchiv Baden-Württemberg); Dr. Joachim Kemper/Elisabeth Steiger (Stadtarchiv Speyer/ICARUS); Thomas Wolf (Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein).

“Offene Archive 2.1” wird organisiert und gefördert durch folgende Einrichtungen:

Landesarchiv Baden-Württemberg

Stadtarchiv Speyer

ICARUS

Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein

Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg

LaBW_cmyk JPG

 

Logo_Stadtarchiv_Speyer

icarus-logo

ENArC-Logo_blank

DEF flag-logoeac-CULTURE_EN

Logo Menschen_4c

With the support of the Culture Programme 2007-2013 of the European Union.

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1178

Weiterlesen

Guarneri-Violine in Speyerer Besitz

Pressegespräch in Nürnberg, 31. Januar – Eine Violine sucht einen Erben

036247-Gilgenstr1-Hildesheimer-wohl 1930erFelix Hildesheimer, Besitzer der alteingesessenen jüdischen Musikalienhandlung im Eckanwesen Gilgenstraße 1, erwarb das 1706 gebaute Instrument im Frühjahr 1938. August 1939 nahm er sich auf der Bahnstrecke Speyer – Schifferstadt das Leben. Seine beiden Töchter Martha und Elisabeth hatten 1937/38 noch nach den USA bzw. Australien auswandern können, ihm und seiner Frau gelang es nicht mehr: Helene Hildesheimer, geb. Simon, 1940 nach Gurs deportiert, kann 1941 über Marseille dem NS-Regime nach den USA entkommen. Seit 1938 sind jegliche Besitzwechsel der Violine unbekannt, bis sie 1974 völlig legal von Sophie Hagermann erworben wird. Nach ihrem Tod geht das Instrument in den Besitz der von ihr gegründeten Franz Hoffmann und Sophie Hagemann-Stiftung über. Letztere möchte die noch stark restaurierungsbedürftige Guarneri Studierenden der Musikhochschule Nürnberg zur Verfügung stellen, zuvor jedoch müssen eventuelle Restitutionsansprüche geklärt werden. Bisher gelang keine Kontaktaufnahme mit Nachkommen der Familie Hildesheimer.

Weiterführende Artikel unter:

http://www.restauro.de/blog/wir-moechten-aufklaerung.html

http://www.nordbayern.de/region/in-nurnberg-provenienz-krimi-um-eine-geige-1.3429541

http://www.focus.de/kultur/diverses/kunst-raubkunstverdacht-geige-sucht-ex-eigentuemer_id_3584167.html

Quelle: http://speyermemo.hypotheses.org/1483

Weiterlesen

Ein Bild sagt mehr … (XVI): “Gelbe Jacken” (1894)

Eine Karikatur ‘funktioniert’, wenn sie spontan dekodiert werden kann, wenn also der Betrachter die Elemente der satirischen Darstellung mit Fakten- und Kontextwissen zu einem bestimmten Ereignis im Moment des Betrachtens verbindet. Die zeitliche Distanz lässt manche Karikatur kryptisch, mitunter unverständlich erscheinen. Manchmal sind einzelne Elemente nicht zu identifizieren, manchmal bleibt der Kontext (‘das Gemeinte’) unklar, manchmal sind alle Elemente klar, doch der Zusammenhang bleibt offen.  Ein Beispiel, das die Herausforderungen von Karikatur als Quelle deutlich macht,  ist das Blatt “Gelbe Jacken”, die Titelseite des Beiblatts zum Kladderadatsch vom 19. August 1894.

Kladderadatsch 1894

Kladderadatsch Nr. 33 (19.8.1894) | UB Heidelberg

Die beiden Panels zeigen in einem asiatisch angehauchten Ankleidezimmer[1] jeweils vier Figuren. Die größeren Figuren sind durch Porträtköpfe und Tags in der Kleidung identifiziert: Georg Leo Graf von Caprivi de Caprera de Montecuccoli (1831-1899), Reichkanzler 1890-1894[2] (jeweils rechts im Bild) und Johannes Franz Miquel (1828-1901), Finanzminister 1890-1901[3] (jeweils links im Bild). Beide sind in ‘asiatische’ Gewänder gehüllt, Caprivi hängt ein langer Zopf nach vorn über die kahle hohe Stirn, Miquel hängt der Zopf über den Rücken.
Auf dem oberen Bild knöpft Miquel die kurze helle Jacke zu, wobei ihm ein (sehr kleinwüchsiger) asiatischer Diener mit einer Kerze leuchtet. Während Caprivi sich im Spiegel mustert, beschmiert sein Diener mit einem großen Pinsel an einem Bambusstiel Miquels Rücken mit dunkler Farbe.
Auf dem unteren Bild sitzt Miquel am Boden und liest. Captrivi steht vor dem Spiegel und knöpft die Jacke zu, während der Diener Miquels den Rücken Caprivis mit Farbe aus aus demselben Topf mit demselben Pinsel beschmiert.

Der konkrete Anlass/Bezugspunkt dieser Karikatur von Ludwig Stutz (1865-1917) aus der deutschen Innenpolititk soll hier nicht weiter diskuteirt werden.

Spannender ist die Frage nach den im Titel erwähnten “gelben Jacken” …[4]

Im September 1894 findet sich in der Deutschen Rundschau ein Beitrag von M. von Brandt[5] zum Chinesisch-Japanischen Krieg. Der Beitrag Die koreanische Frage” (S. 459-463) skizziert die Lage in Ostasien und kommt zum Schluss auf Li Hongzhang 李鴻章 (1823-1901) zu sprechen. Der Autor will dabei explizit das Bild, das in westlichen Zeitungen gezeichnet wurde, zurechtrücken.

In den Berichten, die über die koreanische Frage einlaufen, wird oft, und stets an erster Stelle, Li Hung Chang erwähnt, und zwar meistens in einer Weise, die weder der Stellung und dem Charakter dieses hervorragendsten aller chinesischen Staatsmänner, noch den Schwierigkeiten, gegen welche er zu kämpfen hat, gerecht wird. (S. 462)

Max von Brandt skizziert kurz die Laufbahn Li Hongzhangs und meint dann:

Wenn der Kaiser Li die gelbe Reitjacke, die höchste militärische Auszeichnung genommen hat, so ist das bis auf Weiteres nur ein Zeichen der kaiserlichen Unzufriedenheit, wie solche unter allen Umständen einen unglücklichen Führer oder Beamten trifft. Es ist sogar nicht ausgeschlossen, daß Li, wie dies sehr häufig geschieht, in dem Bericht über die ersten Vorfülle selbst seine Bestrafung beantragt habe; ein Erfolg würde genügen, ihm die verlorene Auszeichnung wieder zu verschaffen. (S. 463)

Gerüchte, Li hätte seine Asuzeichnungen verloren, hatte es seit der Niederlage bei Asan im Juli 1894 gegeben. Ein Dekret vom 17. September 1894[6] machte die Sache offiziell: Li verlor sowohl die huangmagua 黃馬褂 („Gelbe Reitjacke“)[7], die er 1863 für seine Verdienste im Kampf gegen die Taiping 太平erhalten hatte, als auch die sanyan hualing 三眼花翎 (“dreiäugige Pfauenfeder”)[8], die Li  erst wenige Monate zuvor verliehen worden war.[9]

Die ‘gelbe Jacke’ des Li Hongzhang beschäftigte 1894/95 weltweit die Tages- und Wochenzeitungen ebenso wie satirisch-humoristische Blätter, ob aber jede Leserin und jeder Leser des Kladderadatsch den Gedankensprung des Karikaturisten von Ostasien nach Berlin spontan mitmachte, muss offen bleiben …

  1. Der Bildaufbau erinnert an Motive japanischer Farbholzschnitte wie z.B.  Behind the Screen (c. 1673–81) von Hishikawa Moronobu 菱川 師宣 – der Wandschirm im Farbholzschnitt ist in der Karikatur ein Spiegel, das Fenster im Farbholzschnitt ist in der Karikatur ein Gemälde einer asiatischen Landschaft.
  2. Zur Biographie: Heinrich Otto Meisner: „Caprivi, Georg Leo Graf von“, in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), 134 f. [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd11851900X.html.
  3. Kurzbiographie: Rita Aldenhoff: „Miquel, Johannes von“, in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), 553 f. [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd11873413X.html.
  4. Dass die Jacken, die Caprivi und Miquel über langne Kleidern tragen, gelb sind, ist nur dem Text zu entnehmen. Die Jacken sind kurz und weit geschnitten und vorne einreihig mit großen Knöpfen geschlossen, die Ärmel sind gerade geschnitten, weit und (über-)lang.
  5. Maximilian August Scipio von Brandt (1835-1920), der 1875 bis 1893 Gesandter in China gewesen war, galt als einer der besten Ostasienkenner seiner Zeit. – Kurzbiographie: Wolfgang Franke: „Brandt, Max von“, in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), 531 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118934759.html.
  6. Text in englischer Übersetzung: United States Department of State: Foreign relations of United States, 1894 (1894) Nr. 52 (S. 60 f.), Mr. Denby, chargé, to Mr. Gresham (Peking, September 18, 1894).
  7. Die huangmagua 黃馬褂 („Gelbe Reitjacke“), eine Auszeichnung für Verdienste um den Staat, häufig für militärische Leistungen. S. dazu: H. S. Brunnert and V. V. Hagelstrom, Present Day Political Organization of China. Revised by N. Th. Kolessoff, Translated from the Russion by A. Beltchenko, E. E. Moran (Foochow: 1911)., p. 497, nr. 947. – Digitalisat > Bibliotheca Sinica 2.0.
  8. )  , war Li Hongzhang 1863 für seine Verdienste im Kampf gegen die  verliehen worden. D. ((ie kongqueling 孔雀翎 [Pfauenfeder] war eine noch bedeutendere Auszeichnung, von der es  mehrere Abstufungen gab. Die höchste war die Sanyanhualing 三眼花翎, die dreiäugige Pfauenfeder, die in der Regel Angehörigem des Kaiserhauses und besonders verdienten Beamten verliehen wurde. S. dazu: H. S. Brunnert and V. V. Hagelstrom, Present Day Political Organization of China. Revised by N. Th. Kolessoff, Translated from the Russion by A. Beltchenko, E. E. Moran (Foochow: 1911) p. 498, nr. 950.
  9. S. C. M. Paine, The Sino-Japanese War of 1894-1985. Perceptions, Power, and Primacy (Cambridge: Cambridge University Press, 2003)., 101 unter Verweis auf den North-China Herald vom 16.2.1894, p. 145.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/1288

Weiterlesen

Eine neue Ausgabe von Einhards Karlsvita

Eine der wichtigsten Quellen zur Geschichte Karls des Großen ist seine von Einhard verfasste Vita. Sie liegt in zwei maßgeblichen Editionen vor: Während deutsche Mediävisten Oswald Holder-Egger (ed.), Einhardi Vita Karoli Magni (MGH. SS rer. Germ. in usum schol., 25, Hannover, Leipzig 1911 benutzen, arbeiten französische Kollegen mit Louis Halphen (éd.), Éginhard, Vie de Charlemagne (Les classiques de l’histoire de France au Moyen Âge, 1), Paris 1923. Michel Sot und Christiane Veyrard-Cosme legten nun eine gemeinsam mit einer Gruppe von Nachwuchsforschern vorbereitete neue Ausgabe vor: Michel Sot, Christiane Veyrad-Cosme u.a. (ed.), Éginhard, Vie de Charlemagne (Les classiques de l’histoire de France au Moyen Âge, 53), Paris 2014. Der lateinische Text folgt im Wesentlichen Halphen, neu sind die Übersetzung und die umfangreiche Einleitung. Die Publikation wurde am 28. Januar, dem Karlsfest, in der Sorbonne einem größeren Publikum vorgestellt.

Quelle: http://charlemagne.hypotheses.org/86

Weiterlesen

Tagungsbericht: Orden in der Krise – Möglichkeiten und Grenzen religiöser Lebenswelten in der Vormoderne

Veranstalter: Doktoranden des Fachbereichs Geschichtswissenschaft an der Universität Tübingen, Seminar für Neuere Geschichte Datum: 6.–7.9.2013 Ort: Eberhard Karls Universität Tübingen Am 5. und am 6. September fand an der Eberhard Karls Universität Tübingen der Doktoranden-Workshop „Orden in der Krise – Möglichkeiten und Grenzen religiöser Lebenswelten in der Vormoderne“ statt. Gefördert wurde die Veranstaltung vom Zukunftskonzept der Universität Tübingen und vom Universitätsbund Tübingen e. V. Der Workshop zielte darauf ab zu erörtern, inwieweit sich „Krise“ als heuristische und analytische Kategorie für die Ordensforschung der Vormoderne […]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/6599

Weiterlesen

Hans Hinterberger: Die bayerischen „Beamtenministerpräsidenten“ 1920-1924, Kahr – Lerchenfeld – Knilling. Workshop Weimar / Personengeschichte

Abstract.

„Beamtenministerpräsidenten“ – unter diesem Begriff werden die Ministerpräsidenten Gustav von Kahr, Hugo Graf Lerchenfeld und Eugen von Knilling zusammengefasst, die in den Jahren von 1920 bis 1924 in relativ zügigem Wechsel der bayerischen Regierung vorstanden. Der „Beamte“ wurde von den Zeitgenossen bewusst betont. Dies sollte in einer Zeit, in der weite Teile der Bevölkerung und der Eliten der jungen parlamentarischen Demokratie skeptisch gegenüberstanden, suggerieren, dass der Ministerpräsident über dem Streit der Parteien schwebe. Vor allem deshalb entschied sich die dominierende BVP nicht einen ihrer bekannten Parteigänger an die Spitze des Staates zu stellen, sondern „unpolitische“ Männer zu bevorzugen, deren Hintergrund eine hervorgehobene Beamtenkarriere im alten Königreich war. Doch kann ein Ministerpräsident in einem parlamentarischen System, in dem er sich auf eine Koalition von Parteien stützen muss, überhaupt „unpolitisch“ sein? Kann er ganz alleine für sich über den Dingen schweben und zum Wohle der Allgemeinheit handeln? Die Arbeit stellt sich daher die Frage, wie diese Ministerpräsidenten im politischen Spektrum Bayerns positioniert und geprägt waren und, darauf aufbauend, inwiefern ihnen durch diese Positionierung eine Mitverantwortung an der Radikalisierung Bayerns bis hin zum Hitlerputsch zuzuschreiben ist.

Die Gliederung erfolgt grob nach den Amtszeiten der Personen. Diese Amtszeiten, nicht komplette Lebensgeschichten, sind Betrachtungsgegenstand. Gustav von Kahr (1862-1934) übernahm im März 1920 das Amt des Ministerpräsidenten. In den Wirren um den Kapp-Putsch folgte der Regierungspräsident von Oberbayern er auf den Sozialdemokraten Johannes Hoffmann. Kahr hatte sich bereits vor Amtsantritt in ein enges Bündnis mit den bayerischen Einwohnerwehren begeben, in denen er einige Popularität genoss. Diese Popularität wollte sich die BVP zu Nutze machen. Doch schon bald verlor sie den Einfluss auf Kahr, der den vaterländischen Verbänden und Eliten deutlich näher stand, als der Fraktion im Landtag. Im September 1921 trennte sie sich daher vom ihn. Die Fraktion stand damals vor den Fragen, die sich noch heute stellen: Inwiefern war Kahrs Politik selbstbestimmt, inwiefern konnte die Koalition im Landtag noch Einfluss nehmen, inwiefern war er am Ende zum Spielball außerparlamentarischer, rechter Zirkel geworden?

Kahr hatte in den eineinhalb Jahren seiner Amtszeit durch anhaltendes Kompetenzgerangel mit der Reichsregierung für gehörige Verstimmung zwischen Berlin und München gesorgt. Auf der Suche nach einem diplomatisch gesonnenen Nachfolger stieß die BVP-Fraktion auf den Grafen Hugo von und zu Lerchenfeld (1871-1944). Im Gegensatz zu Kahr war Lerchenfeld Mitglied der Partei. Er hatte angesichts der Revolution in Bayern in den Dienst der Reichsregierung, zuletzt als Gesandter in Darmstadt, gewechselt. Somit schien er unbelastet von der bayerischen Tagespolitik. Lerchenfeld bemühte sich zunächst um Besonnenheit. Er strebte eine Verlagerung hin zu sachlicher Wirtschaftspolitik an. Doch schon bald isolierte er sich damit. Die Kräfte rechts der BVP liefen Sturm gegen ihn und auch in der eigenen Partei war der Wunsch nach Ausgleich rasch wieder vergessen. Lerchenfeld, mehr und mehr desillusioniert, folgte dieser Entwicklung in seiner Politik. Im Sommer 1922 beging er im Streit mit Berlin sogar einen klaren Bruch der Reichsverfassung. Trotzdem: Dauerhaften Rückhalt konnte der Graf in so gut wie keinem politischen Lager gewinnen. Mit dieser Einsicht gab er im November 1922 sein Amt auf.

Wieder befand sich die BVP auf der Suche nach einem „Beamtenministerpräsidenten“ – doch sie tat sich nun immer schwerer mit der Suche. Freilich hatte Eugen von Knilling (1865-1927) während der Monarchie eine glänzende Beamtenkarriere im Staat durchlaufen, brachte es sogar zum Kultusminister. Aber seit 1920 war er nicht mehr Beamter, sondern Parlamentarier für die BVP. Und als solcher wurde er zumindest innerhalb der BVP Landtagsfraktion auch empfunden. Angesichts der angespannten Lage im Land wollten die Mitglieder der BVP-Fraktion „ihren Kollegen“ eigentlich noch nicht vor solch große Herausforderungen stellen. Sie befürchteten, dass er dabei scheitern müsse – und sie sollten Recht behalten. Eugen von Knilling bemühte sich durch seine ganze Amtszeit um eine Annäherung an die rechten Kreise in Bayern. Er wollte eine ähnlich zentrale Stellung erreichen, wie Ministerpräsident Kahr sie einst hatte. Es blieb jedoch beim Wunschdenken. Dauerhafte Autorität konnte er nie gewinnen. Das zeigte sich spätestens, als er am Abend des Putsches im Bürgerbräu von den Nationalsozialisten ohne weiteres gefangen genommen wurde.

Knillings mangelnde Erfolge bewirkten auch die Rückkehr des ersten „Beamtenministerpräsidenten“, Kahr, auf die politische Bühne. Im September sah es die Regierung Knilling für notwendig an, ihn als „Generalstaatskommissar“ neben sich zu stellen. Sie verband dies mit der vergeblichen Hoffnung, dass die einstige Identifikationsfigur der politischen Rechten die Anhänger Hitlers beruhigen könnte. Doch die Regierung musste sehr bald feststellen, dass Kahr zum einen ebenfalls über keine Autorität gegenüber Hitlers Deutschem Kampfbund verfügte, zum anderen als Generalstaatskommissar von Anfang an seine eigene Politik betrieb, die alles andere als zur Beruhigung der politischen Lage beitrug. Vielmehr ist die Frage zu stellen, inwiefern Kahrs und sein enges Umfeld die Putschstimmung noch zusätzlich befeuerten. Das Generalstaatskommissariat wird daher in dieser Arbeit in einem eigenen großen Kapitel behandelt, das aus dem sonst angewandten Konzept ausbricht.

Die Kapitel zu den jeweiligen Ministerpräsidentschaften sind zunächst von dem Versuch geprägt, den jeweilige Amtsinhaber fundiert politisch einzuordnen. Nach einer kurzen Betrachtung der jeweiligen bisherigen Karriere, werden in diesem Sinne folgende Fragestellungen abgehandelt: Dank welcher Unterstützer kam der Ministerpräsident ins Amt? Wo lagen Charakteristiken, Schwerpunkte und Entwicklungen seiner Politik, vor allem im Hinblick auf seine Haltung zu den geltenden Verfassungen in Bayern und Reich? Und wie nahm er die zunehmende Radikalisierung Bayerns wahr? Lässt sich der Ministerpräsident in seiner Amtsführung durch Nähe oder Ferne zu den einzelnen Parteien einordnen? Und wie gestaltete sich das Verhältnis zu den rechten Kräften außerhalb des Parlaments? Einem Blick auf das Ende der Amtszeit folgt dann das jeweilige Zwischenfazit.

Eine Sonderrolle wird das Generalstaatskommissariat Kahrs spielen. Es kann in dieser Arbeit schon aufgrund des zentralen Ereignisses „Hitlerputsch“ nicht ignoriert werden. Hierbei wird der Blickwinkel Kahrs eingenommen. Im Focus stehen dabei seine Legitimation im Staat, seine innerbayerischen Ziele als Generalstaatskommissar, die Frage nach dem Grad seiner eigenen Planungen für einen Systemwechsel im Reich und seine Rolle im Hitlerputsch. Kurz gefasst gilt die Frage: Wollte Kahr Hitler in die Schranken weisen, oder wollte er ihn kopieren?

Die Arbeit basiert, was die Primärquellen angeht, auf den jeweiligen Nachlässen der jeweiligen Ministerpräsidenten (bei Kahr umfangreich, bei Lerchenfeld und Knilling sehr überschaubar) inklusive Kahrs ausführlichen Lebenserinnerungen sowie auf den Ministerratsprotokollen im Zeitraum. Hinzu kommen die Fraktionsprotokolle der BVP, diverse Personennachlässen (z.B. Heim, Held, Hamm, Escherich, Kanzler) und Erinnerungen (z.B. Schmelzle, Löwenfeld, Sommer), Protokolle des Landtags, des Hitlerprozesses und des Landtags-Untersuchungsausschusses zum Hitlerputsch von 1928. Ferner wurde ein umfangreicher Pressespiegel der Zeit herangezogen (z.B. Münchner Neueste Nachrichten, München Augsburger Abendzeitung, Miesbacher Anzeiger, BVP-Korrespondenz, Bayerischer Kurier, Münchner Post). Aufgrund der Nähe der damaligen Presse zu einer politischen Richtung erlaubt das jeweilige Presseorgan Rückschlüsse auf die jeweilige Popularität eines Ministerpräsidenten in der entsprechenden Richtung.

Hinsichtlich der immer wieder geführten Diskussionen über den Sinn und Zweck historischer Biographien möchte sich diese Arbeit bewusst in kein schwarz-weiß Denken begeben. Sie geht weder in einem altmodischen Sinn davon aus, dass diese Männer allein für den Verlauf der bayerischen Geschichte verantwortlich zu machen sind, sondern natürlich nur in einem Umfeld (bzw. Netzwerk) aus Staatsspitze, Parteien, Presse, Bevölkerung, radikalen Kräften und weiteren Faktoren wirken konnten. Andererseits kann das nicht bedeuten, dass diese drei Persönlichkeiten nicht durch ihr selbstbestimmtes Handeln sehr wohl Einfluss auf den Lauf der Dinge hatten. Wie wäre es sonst – überspitzt gesagt – zu erklären, dass sich für die drei Amtszeiten auch deutliche Unterschiede ausmachen lassen? Das Wirken jedes einzelnen der drei „Beamtenministerpräsidenten“ lässt sich nur aus einer Kombination von Persönlichkeit und politisch wirkendem Umfeld heraus verstehen. Kahr, das zeigt sich offenkundig, wurde wissend oder unwissend von Militärs, Paramilitärs und anderen Kräften beeinflusst. Sein Ideenreichtum ist weitaus geringer, als er in seinen Lebenserinnerungen zu vermitteln versucht. Doch hätten diese Kräfte in Bayern nie so erblühen können, wenn er sein Organisationstalent und sein Ansehen nicht in deren Dienst gestellt hätte. Umfeld und Person benötigten sich hier gegenseitig. Lerchenfeld wiederum wollte einen eigenen Weg der Vernunft gehen – gegen sein Umfeld. Das politische Umfeld blockierte hier den Willen der Person, um ihn erst zu verändern und am Ende zu brechen. Und Knilling stellt unter Beweis, dass auch die Schwäche einer Führungsperson ihre Wirkung auf das Umfeld zeigt. Nicht nur der Druck des Umfelds, sondern auch persönlich unterlassenes Handeln prägen das Fazit seiner Amtszeit. Dass das Verhältnis von Umfeld und historischer Person auch einem schnellen Wandel unterzogen sein kann, belegt Kahrs Generalstaatskommissariat. Einerseits bewirkt Kahrs Person ohne Zweifel eine zeitweilige Eindämmung Hitlers. Durch seine Autorität wurden nun auch Maßnahmen auf den Weg gebracht, die zuvor von anderen lange diskutiert, doch nie umgesetzt wurden. Andererseits konnte er sich die Stellung als gemeinsamer Nenner des vaterländischen Lagers, die er noch als Ministerpräsident inne hatte, nicht mehr zurückerobern. Vier Kapitel, die eines zeigen: Weder das Umfeld, noch die historische Person funktionieren alleine.

 

Zurück zum Themenbereich Personengeschichte

 

Quelle: http://histbav.hypotheses.org/1597

Weiterlesen