Archivale des Monats – Juli 2013

Stimmenmaterial zur Landemesse von Franz Xaver Gruber

Stimmenmaterial zur Landemesse von Franz Xaver Gruber

Franz Xaver Gruber (1787–1863), Deutsche Landmesse, C-Dur (GWV deest) Erste Singstimme und Orgel; AES, Provenienz: Wagrain, o. Sign.

Im Frühjahr 2012 konnte in einem Salzburger Antiquariat ein Stoß von Kirchenmusik aus der Pfarre Wagrain für das Archiv der Erzdiözese erworben werden. Bei näherer Durchsicht stellte sich heraus, dass sich in diesem Stoß neben zahlreichen Kirchenmusikalien aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts drei Autographen von Franz Xaver Gruber (1787–1863), die dem Vernehmen nach aus dem Besitz von Joseph Mohr stammen sollen, und weitere Abschriften seiner Werke befanden, und demnach höchst interessantes Notenmaterial erworben worden war. Während zwei der autograph überlieferten Werke im Gruber-Werkverzeichnis bereits nachgewiesen sind, stellt die vorliegende Deutsche Landmesse einen Neufund dar.

Bei den Autographen Franz Xaver Grubers handelt es sich durchwegs um Stimmen. Es findet sich das Deutsche Requiem in F-Dur „Um unsre Freunde weinen wir“ (GWV[1] 49) von dem 2 Singstimmen und Orgel erhalten sind, die Deutsche Vesper in D-Dur „Kommt, ihr Christen! Gott zu preisen” (GWV 80), bei der zwei Singstimmen, Orgel und erstes Horn  überliefert sind und eine Deutsche Landmesse in C-Dur “Vor deiner höchsten Majestät” für zwei Singstimmen, Orgel, von der sich eine Sopran- und die Orgelstimme erhalten haben und die im Werkverzeichnis bisher nicht verzeichnet ist. Alle diese Stimmen sind auf dem gleichen Papier geschrieben, was eine zeitlich nahe Entstehung wahrscheinlich macht.

Die Entstehungsdaten der Musikstücke sprechen nicht gegen die mündliche Überlieferung, Joseph Mohr sei der erste Besitzer dieser Abschriften Franz Xaver Grubers gewesen. Zumindest zwei der Stücke – das Deutsche Requiem ist vor 1835 entstanden, während das bisher bekannte Partiturautograph der  deutschen Vesper (GWV 80) mit Februar 1843 datiert ist – sind nachweislich noch in der Lebenszeit Joseph Mohrs (1792–1848) komponiert worden und zeugen so von der Freundschaft der beiden.

(Eva Neumayr, RISM Arbeitsgruppe Salzburg)

[1] Thomas Hochradner, Franz Xaver Gruber (1787–1863). Thematisch-systematisches Verzeichnis der musikalischen Werke, Bad Reichenhall: Comes-Verlag, 1989. Alle Angaben beziehen sich auf dieses Verzeichnis, für das in der Folge das Kürzel „GWV“ verwendet wird.

Quelle: http://aes.hypotheses.org/204

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Geisteswissenschaftler, wo sind Eure Antworten? Max Weber Stiftung und Gerda Henkel Stiftung eröffnen eine gemeinsame Internetreihe zur Zukunft der Geisteswissenschaften

http://mws.hypotheses.org http://www.lisa.gerda-henkel-stiftung.de Wie präsent sind die Geisteswissenschaften in der Öffentlichkeit? Welche Deutungshoheit haben sie? Und wie bleiben die Geisteswissenschaften angesichts der digitalen Veränderungen zukunftsfähig? Die Max Weber Stiftung – Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland und die Gerda Henkel Stiftung starten heute das gemeinsame Internetformat „Max meets Lisa“. Hier sprechen Geschichts-, Sozial- und Kulturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler über […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/07/4576/

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Der Gelbe Fluss

Die Bedeutung des Huanghe 黃河 (i. e. Gelber Fluss) für Kultur und Geschichte Chinas ist offensichtlich. Mit dem niedrigen Wasserstand dieses und anderer Flüsse wurde in der Tradition auch das Schicksal von Dynastien verbunden: “Als der Yi und der Luo austrockneten, gingen die Xia unter, als der He [i.e. der Huanghe, siehe dazu auch unten] austrocknete, gingen die Shang unter.”[1]

Im Gegensatz dazu wurde es äußerst positiv bewertet, wenn der Gelbe Fluss klar wurde [2]. Dies war nach der traditionellen Auffassung jedoch nur einmal in tausend Jahren der Fall (Huanghe qiannian yi qing 黃河千年一清). Der Ausdruck “wenn der Gelbe Fluss klar ist” (he qing 河清) bezeichnet daher eine überaus seltene Gelegenheit und wird auch in der Bedeutung “für eine unbestimmt lange Zeit” verwendet.

Der Name des Flusses leitet sich von den großen Mengen an Schwemmpartikeln her, die der Fluss vor allem während des Sommerhochwassers aus dem Lößplateau mit sich führt. Ein geflügeltes Wort spielt auf die großen Mengen Schlamm an: “Wer einmal in den Gelben Fluss gefallen ist [...] wird nie wieder sauber.”[3]

Ursprünglich nur als “(der) Fluss” (he 河) bezeichnet, erhielt er zur Zeit des Ersten Kaisers (221-210 v. Chr.) den Namen Deshui 德水 (d. i. “Tugendstrom”). Seit der Han-Dynastie wird er als Gelber Fluss (Huang He 黃河), aber auch als Großer Fluss (Da He 大河) bezeichnet.

Die Angaben zur Länge des Gelben Flusses variieren in der Literatur beträchtlich – zwischen 4800 und 5464 Kilometern.[4]

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Fluss in den letzten zweieinhalb Jahrtausenden seinen Lauf wiederholt großräumig verlagerte.[5], was ihm spätestens im 19. Jahrhundert die Bezeichnung als “Kummer Chinas” oder auch “Chinas Sorge” beschert hat.[6]

Von den vielen “natürlichen” Verlagerungen abgesehen, hatten zumindest zweimal – 1642 und 1938 – kriegerische Ereignisse wesentlich zur Verlagerung des Unterlaufs beigetragen. Vor allem die Region zwischen Kaifeng 開封 und Zhengzhou 鄭州 war häufig von riesigen Überschwemmungen betroffen. Allein durch die Überschwemmungen des Frühjahrs 1938 sollen 12 Millionen Menschen zu Tode gekommen sein.[7]

 

  1. Zitiert nach Kai Vogelsang: Geschichte Chinas (Stuttgart 2012) 239.
  2. Wolfram Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole. Die Bildsprache der Chinesen (München, 5. Aufl. 1996) 90 (“Fluss”).
  3. Vogelsang: Geschichte Chinas, 239
  4. Zu ersterem Wert vgl. etwa Wolfgang Franke (Hg.) China-Handbuch (1974) Sp. 518 (“Huang Ho (Gelber Fluss)”, J. Küchler), zu letzterem Brunhild Staiger, Stefan Friedrich, Hans-Wilm Schütte (Hg.) Das große China-Lexikon (2003), 240 f. (“Gelber Fluss”, Eduard B. Vermeer)
  5. Vgl. Iwo Amelung: Der Gelbe Fluß in Shandong, 6 (Karte und Tabelle zu den Verlagerungen des Unterlaufes) sowie Vogelsang: Geschichte Chinas, 240: “In den letzten 2000 Jahren ist der Huanghe rund 1600mal über die Ufer getreten, 26mal hat er seinen Kurs im Unterlauf gewechselt, wobei seine Mündung sich bisweilen um mehrere hundert Kilometer verlagerte.”
  6. Nach Herbert A. Giles: A Glossary of Reference on Subjects Connected with the Far East (Hongkong 1878) 24 (“China’s Sorrow”) hatte der Daoguang 道光-Kaiser (reg. 1821-1850) den Fluss so genannt.
  7. Die Zahl folgt Franke (Hg.) China-Handbuch, Sp. 499 (“Honan”, P. Trolliet).

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/594

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Ein Desiderat: Die Kulturgeschichte der Rolltreppe

Die FAZ verweist heute (10.7.2013,S.N4, Paywall) auf eine empirische Studie zur Rolltreppenforschung, die untersucht, wie sich Kleidung und Geschlecht auf jene auswirken, die sich der Regel "Links gehen, rechts stehen!" widersetzen. Am Schluss des kurzen FAZ-Beitrags stellt der Autor weiterführende Fragen und konstatiert "ein Desiderat, die Kulturgeschichte der Rolltreppe". Materialien dazu findet man übrigens in einem schon vor langem erschienenen Artikel im Falter (Nr.32/1988) und auch bei:

Baker, Nicholson: Rolltreppe oder die Herkunft der Dinge. Reinbek: rororo 13300, 1993.

Die zitierte Studie ist Open Access zugänglich:

Wolbring, Tobias/Bozoyan, Christiane/Langner, Dominik: „Links gehen, rechts stehen!“ Ein Feldexperiment zur Durchsetzung informeller Normen auf Rolltreppen, in: Zeitschrift für Soziologie, 42.2013/3, S. 239-258.
http://www.zfs-online.org/index.php/zfs/article/view/3133/2671

Nachtrag: Zumindest eine Dissertation liegt zum Thema vor:

Mihm, Andrea: Die Rolltreppe. Kulturwissenschaftliche Studien zu einem mechanisch erschlossenen Zwischenraum. Dissertation an der Universität Marburg, 2005.
http://nbn-resolving.de/urn%3Anbn%3Ade%3Ahebis%3A04-z2007-00618

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/444866537/

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Und wieder ein Manifest

Jede Menge Wünschenswertes steht im Young Researchers in Digital Humanities: A Manifesto, das Anfang Juni 2013 beim internationalem Kolloqium “Research Conditions and Digital Humanities: What are the Prospects for the Next Generation?” am DHI in Paris entstanden ist. Wer den Inhalten folgt und sich unter dem vertraut anmutendem Slogan “Yes we digital!” wiederfindet, mag es per Kommentar daselbst zeichnen.

Zum Manifest und zum Hintergrund

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1935

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Fundstücke

Von Stefan Sasse

- In Russland wird gerade ein Gesetz verabschiedet, dass das Sprechen über russische Kriegsverbrechen unter Strafe stellt. 
- 24 Fotos vom Bau des Empire State Building, die einem wirklich das Blut in den Adern gefrieren lassen. 
- Detaillierte Auseinandersetzung mit den "Lesefähigkeitstests" die in den Südstaaten bis in die 1960er Voraussetzung zum Wählen waren und nun wiederkommen könnten, mit Beispielen. Das ist wirklich gruselig.  (Englisch)
- Historay Today evaluiert zim 75jährigen "Jubiläum" die Schlacht an der Somme (Englisch).

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2013/07/fundstucke_9.html

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Guck mal, wer da bloggt 6! Blogs bei de.hypotheses.org

168151244_f096efe124_bUnsere Plattform entwickelt sich weiter, neue Blogs kommen ständig dazu und deshalb gibt es immer etwas zu entdecken. Bevor wir hier ein paar “Frischlinge” des Bloggens vorstellen, kommen wir aber noch mal zu ein paar “alten Hasen”. Auf gehts in eine weitere Vorstellungsrunde…

Blogs, Blogs, Blogs

Netz und Werk

Hier veröffentlichen die Autorinnen und Autoren um das Redaktionsteam Anton F. Guhl, Malte Habscheidt und Telse Rüter aktuelle Forschungsergebnisse aus dem Netzwerk der Jungen Hamburger Geschichtswissenschaft. Seit 2009 besteht dieses epochen-, methoden- und regionenübergreifende Netzwerk von Doktorandinnen und Doktoranden am Historischen Seminar der Universität Hamburg. Das Blog wird jetzt seit eineinhalb Jahren betrieben, und die Qualität der Beiträge lässt sich auch daran ablesen, dass schon so mancher von ihnen von der Redaktion nicht nur für die Startseite unseres Portals, sondern auch für den Bilderdurchlauf ausgewählt wurde.

La jeune génération des médiévistes français invitée à Münster: Junge französische Mediävisten zu Gast in Münster

Ebenfalls seit 2009 lädt das Historische Seminar der Universität Münster einmal im Monat junge französische Kolleginnen und Kollegen dazu ein, im Rahmen eines französischsprachigen Vortrages ihre laufenden Projekte und Forschungsvorhaben vorzustellen und zu diskutieren. Im Blog wird über das Programm und die Gäste informiert. Außerdem werden ausführliche Zusammenfassungen der Beiträge in deutscher Sprache angeboten. Verantwortlich für das Konzept zeichnen Juniorprofessor Dr. Torsten Hiltmann und Professor Dr. Martin Kintzinger.

Find Your Glasses

Jan Taubitz, Doktorand an der Universität Erfurt, kommentiert in seinem Blog aktuelle Ereignisse aus kulturhistorischer Perspektive. Auch er hat sich bereits mit einem Beitrag eine prominente Platzierung im Bilderdurchlauf unserer Startseite “erschrieben”. In “Destroy when done” ging es um die Auswirkungen von Open Access auf misstrauische Menschen. Dazu fällt uns vor allen Dingen eines ein: Gerne mehr, Herr Taubitz! Interessant ist auch der Titel seines Blogs bzw. die Mehrschichtigkeit der Metapher, die er in seinem Blog sehr schön beschreibt und die wohl auch Wiedererkennungspotential hat.

Historical Source Criticism

Seit gut einem Jahr bloggt Pascal Föhr zum Thema historische Quellenkritik im digitalen Zeitalter. Sein Arbeitsgebiet motiviert er selbst wie folgt: “Die äußere Historische Quellenkritik befindet sich in einer Umbruch- oder Erweiterungsphase: Die bisherigen Methoden fußen auf das Vorhandensein von physischen Materialien als Quelle. Mit Audio und Video hat die Geschichtswissenschaft immerhin schon über 100 Jahre Erfahrung, es sind aber immernoch verhältnismässig ‘neue’ Quellen. Das digitale Zeitalter stellt die Geschichtswissenschaft mit ihrer Quellenkrik vor neue Herausforderungen, denn die digitalen Informationen sind eben nicht mehr physisch fassbar, sondern sind ‘irgendwo’ gespeichert oder verlinkt und können jederzeit (unbemerkt) verändert, kopiert oder gelöscht werden.” In seiner Dissertation, die er mit seinem Blog begleitet, versucht er Antworten auf die Fragen nach dem Umgang mit und der Verwendung dieser Quellen zu finden.

Geisteswissenschaft im Dialog

“Geisteswissenschaft im Dialog will die Geisteswissenschaften ins Gespräch bringen – miteinander, mit den anderen Wissenschaften und mit der Öffentlichkeit.” Die prägnante Formulierung aus der Selbstbeschreibung des Blogs bringt das Anliegen des gemeinsamen Projektes der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften und der Max Weber Stiftung – Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland auf den Punkt. Zu den Podiumsdiskussionen mit Wissenschaftlern und Experten rund um Themen aus Wissenschaft, Kultur und Politik liefert das Blog Termine, Hintergrundmaterial und Berichte.

Siehe auch

Mareike König, Guck mal wer da bloggt! Neue Blogs bei de.hypotheses.org, in: Redaktionsblog, 24.4.2012. http://redaktionsblog.hypotheses.org/485

Mareike König, Guck mal wer da bloggt 2! Neue Blogs bei de.hypotheses.org, in: Redaktionsblog, 11.6.2012. http://redaktionsblog.hypotheses.org/527

Mareike König, Guck mal wer da bloggt 3! Neue Blogs bei de.hypotheses.org, in: Redaktionsblog, 27.8.2012. http://redaktionsblog.hypotheses.org/622

Inger Brandt, Guck mal wer da bloggt 4! Neue Blogs bei de.hypotheses.org, in Redaktionsblog, 22.10.2012. http://redaktionsblog.hypotheses.org/732

Inger Brandt, Guck mal wer da bloggt 5! Neue Blogs bei de.hypotheses.org, in: Redaktionsblog, 11.01.2013. http://redaktionsblog.hypotheses.org/875

Zum Blogportal: de.hypotheses.org

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Quelle: http://redaktionsblog.hypotheses.org/1452

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Digital Humanities? E-Humanities? Social Humanities?

https://digitalhumanities.princeton.edu/files/2013/03/Screen-shot-2013-03-14-at-10.43.36-AM.pngAngeregt durch den re:publica-Vortrag von Nishant Shah, durch die Digital Humanities Summer School Switzerland 2013 und zahlreiche Diskussionen, die sich sämtlich damit beschäftigten, was die Digital Humanities eigentlich sind und sein wollen, ließ mich diese Frage in den letzten Wochen nicht wieder los. Trotz oder gerade wegen zahlreicher Blogs, Forschungsprojekte und Tagungen unterschiedlichster Fragestellungen scheint das Verständnis von den Digital Humanities zur Zeit sehr uneinheitlich. Nach Marjorie Burghart werden sie durch oratores, bellatores, laboratores als drei Ordnungen vertreten, repräsentieren jedoch kein einheitliches Weltbild, was es erheblich erschwert, Grundlagen für Studiengänge oder Arbeitsweisen in diesem Bereich zu entwickeln und etablieren. Angelehnt an die zwei Phasen der DH nach dem Manifest von Schnapp und Presner und die darauf aufbauende dritte Phase von Berry, würde ich den drei Ordnungen gern die drei Weltbilder der Digital Humanities zur Seite stellen. Diese derzeitigen Formen und Auffassungen von den neuen Geisteswissenschaften sind einer der Gründe für die damit verbundenen Unsicherheiten. Sie basieren darauf, dass die Humanities 2.0 sowohl als digital(isiert)e Geisteswissenschaften in virtuellen Forschungsinfrastrukturen, als enhanced Humanities und als soziale Geisteswissenschaften bezeichnet werden. Jedoch sind diese drei Bedeutungen nicht gleichzusetzen und stellen völlig verschiedene Aspekte der Geisteswissenschaften im Kontext des Social Web in den Mittelpunkt.

digitalisieren, digitalisieren, digitalisieren

Bücher, Handschriften, historische und Kunstobjekte – die Digitalisierungsprojekte allein in Deutschland werden zunehmend unzählbar. Kleine und große Sammlungen werden als Teil des “Digitalisierungswahns” in verschiedene Formen von Datenbanken übertragen, die zumeist online frei zugänglich sind. Herausragende Beispiele sind die Deutsche Digitale Bibliothek, der Bereich Digital Heritage mit dem Namen OpenGLAM der Open Knowledge Foundation oder Europeana mit derzeit allein ca. 28 Millionen digitalisierten und mit Metadaten aufbereiteten Objekten. Die Zugänglichmachung primär für die Forschung, aber auch für die Öffentlichkeit, steht dabei im Mittelpunkt. Die EU, die DFG oder das BMBF fördern zunehmend Projekte, die sich OpenData als public mission auf die Fahne geschrieben haben. Dabei spielt nicht nur eine Rolle, dass öffentlich finanzierte Forschung auch öffentlich zugängliche Ergebnisse hervorbringen sollte, sondern auch, dass die wissenschaftliche Arbeit mit digitalen Objekten in vielen Punkten erheblich erleichtert wird. Dies entspricht der ersten Phase nach Schnapp und Presner, die sich durch Digitalisierungen und die Entwicklung entsprechender Datenbanken und Abfrage-Tools, durch Online-Publikationen und die Aufassung der OpenSciences charakterisiert.

Derartige Projekte lassen sich wunderbar dem Namen Digital Humanities zuordnen, da ihre Hauptaufgabe vor allem in der Digitalisierung selbst besteht. Dies bestätigt auch die Studie von InfoClio für ähnliche Vorhaben in der Schweiz. Eine solche Aufgabe bringt aber noch zahlreiche Probleme mit sich, sei es in Bezug auf Langzeitarchivierung und semantische Aufbereitung, Lizensierung oder andere rechtliche Fragen bezüglich der Daten selbst. Gerade aufgrund der Vielfalt und der heterogenen Herangehensweisen der verschiedenen Projekte an diese Aufgabe, stellt vor allem die Semantic einen wichtigen Punkt dar: auch wenn die meisten digitalen Bücher und Sammlungen prinzipiell im Netz aufzufinden sind, ist das Handling ihrer Online-Versionen nicht immer einfach und eindeutig. Zudem sind nur die wenigsten Datenbanken untereinander verknüpft oder unter einem gemeinsamen Interface vereint, sodass sie nur schwerlich übergreifend für wissenschaftliche Fragestellungen genutzt werden können. Basis hierfür wäre eine vereinheitlichte semantische Aufbereitung, die es erlaubt, die verschiedenen Datensammlungen zusammenzubringen und auf unterschiedliche Aspekte hin zu durchsuchen. Dafür sind jedoch eine zugrundeliegende Standardsprache und ein Einheitsformat notwendig, die nicht nur wegen der Vielzahl an Publikationssprachen, sondern auch wegen der unterschiedlichen Methoden und Sichtweisen der einzelnen Disziplinen nur schwer zu finden sind. Auch wenn diese anspruchsvolle und schwierige Aufgabe gelöst sein sollte, ist eine fleißig befüllte Vielzahl an Datenbanken zwar Digital, aber keineswegs Humanities – trotz der Informationen zu bedeutendem Kulturgut.

enhanced Humanities und Toolification

Vor allem die nationalen und internationalen Großprojekte befassen sich bisher mit der Differenz zwischen den klassischen Geisteswissenschaften und den DH. Entsprechend der zweiten Phase nach Schnapp und Presner stehen hierbei zusätzlich zur quantitativen Digitalisierung auch die Möglichkeiten der qualitativen Nutzung der auf diese Weise erzeugten, aufbereiteten und gespeicherten Daten im Vordergrund. Diese Phase ist experimentiertfreudig, überträgt das klassische geisteswissenschaftliche Handwerkszeug in die digitale Welt und bildet entsprechend den dortigen Gegebenheiten auch neue Methoden heraus. In Deutschland ist hier wohl an erster Stelle DARIAH zu nennen, wo digitale Forschungsumgebungen für die geisteswissenschaftliche Arbeit mit digitalen Daten entwickelt werden. Im Bereich digitalisierter Publikationen, die – zumindest in Bezug auf gemeinfreie Bücher – in der Zwischenzeit in Form von PDFs in großen Mengen zur Verfügung stehen, sind die Nutzungstools primär lingustischer Natur. Hierfür gibt es bereits eine Vielfalt an Software, so unter anderem Clarin, Maxqda, Vard2 oder den Classical Text Editor.

Das weite Feld der inhaltlichen Auswertung steht, unter anderem aufgrund der Semantik, noch weitgehend offen. Diese ist nicht nur für die Verknüpfung der Datenbanken von Bedeutung, sondern vor allem für die Überführung der Inhalte und der Informationen zu den Büchern und Objekten in eigene Datensätze. Stehen auch diese zur Verfügung, wird es möglich sein, über sprachliche Aspekte hinaus die in den Fachrichtungen bewährten Methoden anzuwenden und neue, speziell auf Daten ausgerichtete Fragestellungen zu entwickeln. Mit einer solchen erweiterten geisteswissenschaftlichen Nutzbarkeit von Digitalisaten werden aus den Digital die Enhanced Humanities. Diese Unterscheidung trifft auch das BMBF in seiner Studie zu den Forschungsinfrastrukturen der Geistes- und Sozialwissenschaften und erachtet die E-Humanities als besonders förderungswert. Mit ihnen könnten zum Beispiel digitalisierte Inschriftencorpora nicht nur auf Worthäufigkeiten, sondern auch auf bestimmte Zeitstellungen, Herkunfts- und Kulturkontexte, Materialien, Fundumstände u. Ä. hin befragt werden. Auch können für Neufunde Vergleiche oder in den Geschichtswissenschaften Quellen gleicher Zeitstellung direkt aufgerufen werden. Dariah und die Labs der OpenKnowledgeFoundation stellen mit dem Geobrowser und Timeliner bereits Tools zur geographischen Darstellungen von Entwicklungen, Reiserouten, Fundverteilungen und jeglichen anderen, auf Karten umsetzbaren wissenschaftlichen Ergebnissen zur Verfügung. Die Datengrundlage kann dafür aus den Datenbanken übernommen oder selbst eingespeist werden. Eine für die Geisteswissenschaften eher ungewöhnliche, aber sehr zukunftsträchtige Platform ist Crowdcrafting, bei der wissenschaftliche Projekte Citizen Science und das „Wissen der Massen“ für die Gewinnung neuer Erkenntnisse nutzen können.

Social Humanities

Auch die vielversprechenden und wissenschaftlich höchst spannenden Projekte im Bereich der E-Humanities allein nutzen die Möglichkeiten des Web 2.0 nicht in vollem Umfang. Was noch himzukommt, ist das kommunikative, kooperative und offene Wikinomics-Prinzip, das Berry als dritte Phase der DH bezeichnet. Dabei geht es nicht nur um Open Access zu den Ergebnissen der Forschung, den die EU bereits zum Thema des Horizon 2020 gemacht hat, um Vernetzung und Interdisziplinarität, sondern auch darum, die Welt der Wissenschaften selbst transparenter, flexibler und offener zu gestalten. Dies geht über Online-Publikationen im PDF-Format jedoch weit hinaus, sondern soll den Wissenschaftsprozess an sich öffnen. Anliegen ist es, die Interaktion mit der Öffentlichkeit auf der einen und die interne Kommunikation auf der anderen Seite auszubauen, den Elfenbeinturm in Richtung Agora zu verlassen und die althergebrachten Hierarchien und Wertesysteme neu zu überdenken. Twitter und Blogs oder Academia.edu und Facebook erweitern die Möglichkeiten des Austausches und auch neue Wege der Profilierung innerhalb der Wissenschaft und öffnen zugleich den Blick auf die Bedürfnisse der Menschen außerhalb. Sie ermöglichen eine gleichberechtigte Kommunikation und auch Hilfestellungen bei Forschungsfragen oder Vermittlungsproblemen. Hinzu kommen Tools, die das Management von großen, auch internationalen Projekten vereinfachen, sowie Social-Reading-Angebote. Hier geht mit textus geht wiederum die OpenKnowledge Foundation einen neuen Weg, indem sie die Möglichkeiten der Literaturarbeit von readmill und ähnlichen Diensten für die Wissenschaft nutzbar macht und online zur Verfügung stellt. Querverweise, Kommentare, Zitationen und Zusammenarbeit können so auch von Gruppen direkt am Text erarbeitet werden. Derartige Projekte und Social-Media-Dienste vereinen die Datenauswertung der E-Humanities mit dem Charakter des Web 2.0 zu den Social Humanities.

Humanities 2.0?

Der Begriff der Digital Humanities wird derzeit sehr heterogen benutzt. Im wohl verbreitetsten und auch in den Medien genutzten Sinne umfasst er vor allem den Bereich der Digitalisierung. Bei diesem stehen jedoch nicht die geisteswissenschaftlichen Anforderungen im Vordergrund, wie auch ein Artikel der FAZ zeigt. Unter dem Titel „Auf der Suche nach einem Zweck“ erscheint es darin eher so, also versuchten die Geisteswissenschaften auf diesem Weg eine Annäherung an die quantitativen Daten und Methoden der Naturwissenschaften, um ihre Reputation als Wissenschaften zu verbessern. Die sozialen, philosophischen, kulturellen oder politischen Fähigkeiten eines Geisteswissenschaftlers schlicht auf Technologien zu übertragen, ist dabei jedoch beinahe Blasphemie. Stattdessen macht es die den Geisteswissenschaften eigenen Charakterzüge  wesentlich zukunftsträchtiger, neue methodische Ansätze für die E-Humanities zu finden und die Social Humanities auszubauen. Insgesamt führen die drei Weltbilder der DH aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten und Unterschiede, durch Engagement und innovative, kreative Herangehensweisen gemeinsam zu fruchtbaren Diskussionen und der Entwicklung neuer, spannender Methoden und Forschungsmöglichkeiten und der Etablierung einer gemeinsamen Auffassung von den Humanities 2.0.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/829

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