Praxen wissenschaftlichen Bloggens – ein Metabericht zum Workshop „Wissenschaftliches Bloggen in Deutschland: Geschichte, Perspektiven, praktische Umsetzung“ am 11.04.2013 an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Gefördert vom Universitätsbund der Universität Würzburg richteten Katrin Betz und Dr. Christof Schöch vom Würzburger Lehrstuhl für Computerphilologie einen betont praxisorientierten Workshop zum kulturwissenschaftlichen Bloggen in Deutschland aus (Twitter: #dehypo). Der Workshop gliederte sich in drei Teile: (A) konzeptionelle Überlegungen, (B) Erfahrungsberichte aus der Praxis und (C) eine praktische Einführung in die deutsche Hypotheses-Plattform (de.hypotheses.org), die nach französischem Vorbild seit März 2012 mittlerweile schon über 80 Weblogs deutscher Wissenschaftler einen Raum bietet: Tendenz steigend.

A

Nach einer Begrüßung der ca. 25 TeilnehmerInnen aus ganz Deutschland, die zu einer großen Zahl Nachwuchswissenschaftlerinnen waren (was der Weblogdemografie korrespondiert; vgl. Schmidt 2009), machte der Literaturwissenschaftler Dr. Christof Schöch (Würzburg, http://dragonfly.hypotheses.org, Mitglied der de.hypotheses.org-Redaktion) den Auftakt, mit Wissenschaftliches Bloggen im Kontext digitaler Publikationsmedien im Dreischritt einige konzeptionelle Überlegungen zur Einführung in den Workshop vorzulegen: Dabei verortete er Weblogs (1) im Rahmen aktueller „web-basierter Medien der Publikation und Kommunikation“, (2) im Rahmen der „Entwicklung digitaler Medien“ und (3) im Hinblick auf die „Interaktion mit anderen Medien“ im Internet.

(1) Im Versuch einer systematischen Perspektive stellte Schöch vor allem Unterschiede zwischen Internetkommunikationsformen und klassischen Kommunikationsformen (der Wissenschaft) aus dem Printbereich anhand sieben Punkten gegenüber: Im Internet (i) sei naturgemäß freie Zugänglichkeit gewährleistet, also eine nicht ökonomisch motivierte Kommunikationspraxis zu finden (Stichwort: Open Access). Ebenso (ii) sei eine schnelle Publikations- und Aktualisierungsmöglichkeit gegeben, die nicht nur eine beständige Veränderbarkeit sondern auch eine beständige Entwicklungsmöglichkeit böte. Hinzu kommt, dass (iii) klassische institutionelle Intermediäre wie Verlage und Universitäten entfielen, diese Unabhängigkeit sich aber gerade aufgrund der unterschiedlichen Ansprüche wissenschaftsinterner Kommunikation an institutionelle Intermediatoren nicht vollständig realisieren könne und daher andere an deren Stelle treten (Stichwort: Aufmerksamkeit, Archivierung, Zitierbarkeit). Ein (iv) kollaboratives, ortsungebundenes (Zusammen-)Arbeiten werde ermöglicht und mache im wissenschaftlichen Diskurs neue Kommunikations- und Wissensqualitäten sichtbar. Das (v) Verhältnis zu Vorgängermedien stelle sich als komplex dar, da es keine eindeutigen Vorläufer zu wissenschaftlichen Weblogs gebe: Ein komplexes Remediationsgefüge (vgl. Bolter/Grusin 2000) im Anlehnungs- und Ablösungsverhalten kennzeichne daher die Gattungen wissenschaftlichen Schreibens in Weblogs (noch). Bei den klassischen Publikationswegen sind feste Ökonomien der Qualitätskontrolle und der sog. Impact-Erhebung vorhanden: Weblogs haben hier ihre eigenen Ordnungs- und Kontrollmechanismen entwickelt, die anstatt auf eine vorgängige Selektion der Inhalte, auf eine der Publikation nachgeordnete Selektion durch den ‚Schwarm‘ setze. Damit werde auch eine veränderte Aufmerksamkeitsökonomie des Lesers nötig, die wiederum softwareseitig sehr präzise quantifizierbar ist. Schließlich entwarf Schöch im Punkt (vii) eine Typologie entlang der zwei Kontinua monologisch—dialogisch und objektzentriert—subjektzentriert: In diesem Koordinatensystem stellt er Weblogs im Vergleich zu anderen Internetkommunikationsformen als Hybride heraus, die eine Qualität herausgebildet haben, die im Spektrum webbasierter Medien noch nicht besetzt gewesen sei und auch offline keine Vorläufer habe.

(2) In der historischen Perspektive stellt er heraus, dass die frühen digital-vernetzten Kommunikationsformen dialogische Formen waren (E-Mail, Mailingliste, Diskussionsforen), die seit 1989 mit dem http- und html-gestützten World Wide Web erst einmal durch statisch-monologische Kommunikationsformen ergänzt wurden (Website, Homepage, Online-Journal), bevor im Rahmen dessen, was heute als Internetmedialität gefasst werden könnte, dialogische Kommunikation möglich wurde. Als Wegsteine dieser Kommunikationsformengeschichte können für die Wissenschaft genannt werden: 1987 wissenschaftliche Mailingliste, 1990 wissenschaftliches Online-Journal, 2003 wissenschaftlicher Weblog Hosting Service, 2008 wissenschaftliche Social Network Site.

(3) Mit Blick auf die Vernetzung der webbasierten Medien der Wissenschaft folgert Schöch gerade aufgrund der oben diagnostizierten Hybridität von Weblogs eine hohe Anschlussfähigkeit zu anderen wissenschaftlich genutzten Kommunikationsformen wie Twitter, Diskussionsforen, Social Network Sites, Homepages und Online Journals. Sie alle treten – außer vielleicht die wissenschaftlichen Zeitschriften – in ein (verlinkendes und thematisierendes) Wechselverhältnis zu Weblogs, das ihre und die Sichtbarkeit der gesamten wissenschaftlichen Blogosphäre gewährleistet. Sein Fazit: „Erst diese Einbindung macht den Blog lebendig!“ In der noch zurückhaltenden Beziehung zu Online Journals wiederum wird die noch problematische Stellung von Weblogs im Feld der internen Wissenschaftskommunikation deutlich.

Weblogs – könnte man mit Schöch abschließend resümieren – fügen sich aber zunehmend in die Publikations- und Kommunikationspraxis der wissenschaftlichen Diskursordnung ein (vgl. Foucault 1977) und haben so – folgt man den aktuellen Entwicklungen in der Wissenschaftskommunikation – ganz automatisch auch einen eminenten Anteil an der Bildung der akademischen Identität der bloggenden Wissenschaftler.

Die anschließende Diskussion verglich wissenschaftliche Homepages mit wissenschaftlichen Weblogs und wog ihre Vor-/Nachteile und Zukunftsträchtigkeit ab. Sebastian Gießmann stellte dabei heraus, wie die statische ‚Raumordnung‘ von Homepages und die dynamische ‚Zeitordnung‘ von Weblogs wahrscheinlicher zur einer ergänzenden Konvergenz führen würden als zu einer vollkommenen Verdrängung von Homepages. Mit dem Verweis auf die Zeitordnung ist m.E. auch die wesentliche Bestimmungsstruktur periodischer Aktualisierung erkannt (vgl. Meiler i.V.), die Weblogs allgemein mit einer ganzen Reihe sowohl Online- wie auch Offline-Kommunikationsformen verwandt erscheinen lässt: nicht zuletzt auch zu wissenschaftlichen Zeitschriften, denen übrigens anfangs von der wissenschaftlichen Community eine vergleichbare Skepsis entgegengebracht wurde (vgl. Csiszar 2012).

B

Die Literatur- und Editionswissenschaftlerin Dr. Anne Baillot (Berlin, http://digitalintellectuals.hypotheses.org) stellte in ihrem Vortrag Projektbegleitendes Bloggen – eine neue Art der Mäeutik? die Veränderungen in ihrer Bloggingpraxis anhand des Blogs vor, der die Arbeit an einem Projekt zur Erstellung digitaler Editionen begleitete und reflektierte dabei Motivation, Form und Funktion der Beiträge. Dabei zeichnete sie nach, wie sich der primäre Gattungszuschnitt ihres Blogs wandelte von einer Visitenkarte über ein Archiv der eigenen Arbeit und eine Projektpräsentation zur begleitenden Berichterstattung zum akademischen und universitären Betrieb samt seiner Highlights und Tücken. Thematisch wurden dabei vor allem auch die Leserschaft und deren erwartbare Erwartungen, die ihren Schreibprozess bzw. das Redigieren vor dem Posten nicht unerheblich steuerten: In dieser antizipierten Vorwegnahme von Kritik und dem kommunikativen Umgang damit wird die Typik wissenschaftlichen Schreibens produktionsseitig deutlich, die das wissenschaftliche Streitgeschäft – von Ehlich (1993) „Eristik“ getauft – wesentlich prägt. Ebenso in die Figuration der Leserschaft ging die Entscheidung für das Englische als hauptsächliche Blog-Sprache ein, um damit eine möglichst große Community zu adressieren. Gleichzeitig sprach Baillot die Schranken und Probleme einer fremdsprachlichen Wissenschaftskommunikation an und ihr nur folgerichtiges Switchen in eine ihrer beiden primären Sprachen ist ein ideales Beispiel für eine notwendig zu praktizierende Mehrsprachigkeit in den europäischen Wissenschaften (vgl. Ehlich 2010, 30).

Stilistisch empfiehlt sie ‚lieber viel und kurz als wenig und lang‘ zu bloggen und dabei persönliche und sachliche Darstellungen abzuwechseln. Ebenso schätze sie ein ergebnisoffenes, essayistisches Schreiben, das den Blog zu einem Versuchsraum und damit zum titelgebenden mäeutischen Reflexionswerkzeug mache. Mit ihrem Konzept von der in den Alltag integrierten Bloggingpraxis, die als das beschriebene Reflexionsmittel alle Prozesse universitären Handelns flexibel begleiten könne, spricht sie sich resümierend für das Plädoyer „Bloggen im Jetzt für ein unbekanntes Später“ aus.

Die Kunstwissenschaftlerin Sabine Scherz (München, http://games.hypotheses.org) widmete sich in ihrem Erfahrungsbericht Das Blog[1] als ständiger Begleiter – wie schaffe ich Qualität und Kontinuität? den Fragen: Warum, worüber, wie, mit wem und was bloggen? Dabei betonte sie, wie produktiv ihre Blogbeiträge wie eine „Kladde“ ihr Dissertationsprojekt begleiten, indem sie darin Gedanken sammelt und Einarbeitungen in Themen quasi als Arbeitsnachweise einerseits für sich dokumentiert und andererseits als Experte in einem lockeren, ungezwungenen Stil für andere aufarbeiten kann. Dabei stellte sie vor allem praktische Hinweise wie Themenfindungs- und Strukturierungstechniken und auch Hinweise zur sukzessiven Stilfindung vor, die das Bloggen zur regelmäßigen Schreibübung machen können. Die Bedürfnisse der (adressierten) Leserschaft nicht aus den Augen zu verlieren, erachtet sie dabei als Schlüssel zu einem funktionierenden Weblog: Informativität und Zeitersparnis seien die wesentlichen Argumente, die einen Blogleser am Ball halten können. So wendet sie die weblogkritische Frage „Muss ich das lesen?“ (Groebner 2013) gerade gegen den „Buch-Fetischisten“ Valentin Groebner (Graf 2013, 12).

Auch Scherz betont den Gemeinschaftsaspekt des Bloggings, der nicht nur in medialer Vernetzung sondern ebenso in wechselseitigem Bloglesen und Blogkommentieren, also kommunikativer Vernetzung besteht und darüber die Aufmerksamkeit von Lesern bindet und so über den Erfolg des Weblogs entscheidet. Gerade auch damit weist sie auf die karriereförderliche Möglichkeit hin, eine digitale wissenschaftliche Identität aufzubauen, das aber umsichtig d.h. ‚authentisch‘.

Die abschließende titelgebende Frage nach der Qualität und Kontinuität des Bloggens beantwortete sie mit dem Schlüsselwort Motivation, die durch die Anerkennung der Community und durch die Bloggingpraxis selbst als ständiger Begleiter im Hinterkopf von ganz allein geschürt würde. In der Diskussion wurde auf diese Praxis wissenschaftlicher Tätigkeit als eine Möglichkeit hingewiesen, die noch vor den klassischen Kommunikationsformen (Vortrag, Zeitschrift) dem wissenschaftlichen Nachwuchs zu (inter-)disziplinärer Sichtbarkeiten verhelfen könne, die zudem eingeschränkt quantifiziert werden kann. Ebenso wurden die Ästhetiken des Bloggens angesprochen, die maßgeblich durch z.B. WordPress’ Möglichkeiten und Einschränkungen für Varietät und damit auch Identität im Design bestimmt sind. Eine veränderte forschende Wissens- und Welt-Aisthetisierung scheine zudem im wissenschaftlichen Weblog auf: Im Vergleich zu Printpublikationen können Daten z.B. in Form von vollständigen Digitalisaten direkt im Weblog sichtbar gemacht werden.

Der Sprachwissenschaftler Prof. Martin Haase (Bamberg, http://neusprech.org) plauderte in seinem Vortrag Zwischen Wissenschaft und Politik: Populärwissenschaftliches Bloggen auf neusprech.org ein wenig aus dem Nähkästchen der Erfolgsgeschichte des Grimme-prämierten Bloggens mit seinem Ko-Autor Kai Biermann (Journalist), und stellte die Mittel heraus, mit denen einem Weblog besonders viel Aufmerksamkeit zukommen wird. Dabei betonte er besonders den Wert der sog. Social-Media-Dienste (Facebook, Google+, Perlentaucher, Rivva, Twitter) und von diversen Vermarktungsmöglichkeiten (Bücher, E-Books, Shirts, Flattr). Ebenso plädierte er für individualisierte Designs, die mit den verfügbaren Weblogsoftwares wie z.B. WordPress nur bedingt möglich sind und andere Alleinstellungsmerkmale wie bspw. das von ihm und Biermann unregelmäßig angebotene Podcast „neusprechfunk“ oder live gestreamte Radio-Sendungen mit xenim.de. Neusprech.org zeigt sich abgesehen davon besonders bibliophil: Gattungsanleihen für die einzelnen Beiträge kommen von Wörterbüchern her, das neu vorgestellte Design ist in seiner Dreispaltigkeit zeitungsorientiert: Gattungs- und Kommunikationsformenmerkmale die – weblogtypisch – freilich reichhaltig um internetmedialitätstypische Aspekte wie u.a. Verlinkungen/Vernetzung, dynamische Verschlagwortung und flexible Strukturierbarkeit und Überarbeitbarkeit ergänzt sind (vgl. Meiler i.V.). In der Diskussion wurde vor allem noch einmal auf den Unterschied zwischen einem Weblog und einem daraus generierten E-Book hingewiesen, der in der Art der chronologischen Ordnung, der Seitenstruktur, Statik/Dynamik und Orientierungsmöglichkeit im Text/in den Texten begründet ist und damit zwei unterschiedliche Rezeptionsqualitäten bedingt, die dem Blogleser einerseits immer das Aktuelle zeigt, den E-Book-Leser aber andererseits i.d.R. vom frühesten Eintrag bis zum letztaufgenommenen Eintrag führt.

C

Der Kultur- und Medienwissenschaftler Dr. Sebastian Gießmann (Darmstadt, http://www.netzeundnetzwerke.de/; Mitglied der de.hypotheses.org-Redaktion) gab schließlich mit Jeder kann Bloggen! eine praktische Einführung in die deutsche Plattform von Hypotheses. In einem eigens angelegten Schulungsblog wurden für alle Teilnehmer des Workshops die ersten Schritte im Umgang mit WordPress vom Gestalten eines Blogeintrags samt Einbindung multikodaler Webinhalte bis zur Strukturierung und Hierarchisierung des Weblogs als Ganzem erfahrbar. Daneben wurden auch die nötigen Schritte erläutert, welche auf de.hypotheses.org zum eigenen wissenschaftlichen Weblog führen. Ganz so einfach, wie mit Anbietern wie blogger.com ist es nämlich nicht. Hypotheses stellt im Anmeldeformular u.a. mit einer geforderten Projektskizze zum Blogvorhaben z.B. sicher, dass nicht eine Unmenge unüberlegter und bald wieder aufgegebener Blogs die Plattform überschwemmen. An Weblogs, die sich über einen entsprechenden Zeitraum als regelmäßig aktualisiert bewährt haben, werden zudem ISSNs vergeben und die entsprechenden Blogs von der Französischen Nationalbibliothek archiviert.

Ausblick

Somit sind die ersten Schritte geebnet, die Ängste abzubauen, die (in Deutschland) weithin mit Open-Access-Publikationen verbunden sind (vgl. Kuhlen/Brüning 2006, 22f.) und das wissenschaftliche Bloggen im Spektrum der (internen) Wissenschaftskommunikation einerseits institutionell zu stabilisieren und zu verankern und andererseits – darüber herrschte einhelliger Tenor im Workshop – sind die ersten Schritte getan, wissenschaftliche Weblogs (mit den unterschiedlichen Gattungsausprägungen) als produktiv und sinnvoll anzuerkennen und somit im „kommunikativen Haushalt“ (Luckmann 1988) der wissenschaftlichen Gemeinschaft als akzeptabel und funktional zu etablieren. Dass dies aber noch am Anfang steht, zeigen auch die (noch regelmäßigen) Blogeinträge, die sich auf der Metaebene mit dem wissenschaftlichen Bloggen selbst befassen (nicht nur auf hypotheses.org sondern z.B. auch auf dem SOZBLOG (http://soziologie.de/blog/) der DGS). Die (Selbst-)Reflexion und (Selbst-)Verortung einer „community of practice“ (Wenger 1998) ist also augenblicklich (in Selbstbeobachtung) beobachtbar, was für die Würzburger auch das Hauptargument für einen praxisorientierten Workshop war.

Nicht relevant gesetzt wurde das Bloggen im Kontext der rezenten Publikations- bzw. „Zeitschriftenkrise“ (Hagendoff et al. 2007, 10) und den Veränderungen, die mit dem Open-Access-Paradigma auf die Wissenschaft zukommen und welche Rolle Weblogs in einem veränderten Publikations- bzw. Kommunikationsgefüge universitärer Wissenschaft einnehmen können oder gar sollten. Denn wenngleich Weblogs und auch die anderen Internetkommunikationsformen der Wissenschaft eigene Reputationssysteme (Klickzahlen, Kommentarquoten) hervorgebracht haben, stehen sie doch noch außerhalb der umfangreichen Rankingsysteme, die danach trachten, Forschungsleistung quantifizierend zu erfassen und vergleichbar zu machen und die damit die Forschung zunehmend rückkoppelnd beeinflussen (vgl. Kieser 2010, 355ff.). Vor diesem Hintergrund ist es nicht unbedeutend, die Frage zu stellen, wie erstrebenswert es wirklich ist, Weblogs ‚vollkommen‘ in die wissenschaftliche Publikationspraxis zu integrieren und ob Weblogs nicht gerade aufgrund ihrer spezifischen Außenseiterrolle in der Lage sein werden, produktive Impulse für die Forschung zu geben, die von Zeitschriftenartikeln – folgt man Kieser (ebd., 357f.) – bald nicht mehr zu erwarten sind.

Literatur

Bolter, Jay David/Gruisin, Richard (2000): Remediation. Understanding New Media. Cambridge, London: MIT Press.

Csiszar, Alex (2012): Serialität und die Suche nach Ordnung. Der wissenschaftliche Druck und seine Probleme während des späten 19. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft 2/7. S. 19–46.

Ehlich, Konrad (1993): Deutsch als fremde Wissenschaftssprache. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 19. S. 13–42.

Ehlich, Konrad (2010): Desiderate der Wissenschaftssprachkomparatistik. In: Heller, Dorothee (Hg.): Deutsch, Italienisch und andere Wissenschaftssprachen – Schnittstellen ihrer Analyse. Frankfurt a.M. et al.: Lang. S. 15–32.

Foucault, Michel (1977): Die Ordnung des Diskurses. Inauguralvorlesung am Collège de France – 2. Dezember 1970. Frankfurt a. M., Berlin, Wien: Ullstein.

Graf, Klaus (2013): Vermitteln Blogs das Gefühl rastloser Masturbation? Eine Antwort auf Valentin Groebner. In: Redaktionsblog der deutschen Hypotheses.org vom 07.02.2013 (http://redaktionsblog.hypotheses.org/951). Abs. 1–12.

Groebner, Valentin (2013): Muss ich das lesen? Ja, das hier schon. Wissenschaftliches Publizieren im Netz und in der Überproduktionskrise. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (31) 06.02.2013. S. N5.

Hagendoff, Svenja/Seidenfaden, Lutz/Ortelbach, Björn/Schumann, Matthias (2009): Neue Formen der Wissenschaftskommunikation. Eine Fallstudienuntersuchung. Göttingen: Universitätsverlag.

Kieser, Alfred (2010): Unternehmen Wissenschaft? In: Leviathan 38. S. 347–367.

Luckmann, Thomas (1988): Kommunikative Gattungen im kommunikativen „Haushalt“ einer Gesellschaft. In: Smolka-Koerdt, Gisela/Spangenberg, Peter M./Tillmann-Bartylla, Dagmar (Hg.): Der Ursprung von Literatur. Medien, Rollen, Kommunikationssituationen zwischen 1450 und 1650. München: Fink. S. 279–288.

Meiler, Matthias (i.V.): Kommunikationsformenadressen oder: Prozeduren des Situationsvollzugs am Beispiel von Weblogs. In: Zeitschrift für Angewandte Linguistik (angenommen).

Kuhlen, Rainer/Brüning, Jochen (2006): Potenziale von Creative Commons-Lizenzen für Open Innovation. In: Stempfhuber, Maximilian (Hg.): In die Zukunft publizieren. Herausforderungen an das Publizieren und die Informationsversorgung in den Wissenschaften. 11. Kongress der IuK-Initiative der Wissenschaftlichen Fachgesellschaft in Deutschland. Bonn: Informationszentrum Sozialwissenschaften. S. 21–28.

Schmidt, Jan (2009): Weblogs: Formen und Konsequenzen ihrer Nutzung. In: Moraldo, Sandro (Hg.): Internet.kom. Neue Sprach- und Kommunikationsformen im World Wide Web. Band 1: Kommunikationsplattformen. Rom: Aracne. S. 157–180.

Stefanowitsch, Anatol (2011): Das Blog ist tot, es lebe der Blog. In: Sprachlog. Alle Sprachgewalt geht vom Volke aus. 25. August 2011 (http://www.scilogs.de/wblogs/blog/sprachlog/sprachgebrauch/2011-08-25/das-blog-ist-tot-es-lebe-der-blog). Abs. 1–17.

Wenger, Etienne (1998): Communities of Practice: Learning, Meaning, and Identity. Cambridge: Cambridge University Press.


[1] Zum Genus von Weblog/Blog siehe Stefanowitsch (2011).

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1565

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Fundstücke

Von Stefan Sasse

- Hubertus Volmer äußert sich zur Kollektivschuldthese. 
- Farbaufnahmen von Paris, 1909-1929
 - Eine brillante Analyse über den deutschen Umgang mit Hitler in der FAZ. Es geht vor allem um die Rezeption in der Geschichtswissenschaft und warum alle bedeutenden Werke über den Nationalsozialismus aus den angelsächsischen Universitäten kommen.
- Die höchsten Gebäude der Welt, Stand 1884.


Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2013/04/fundstucke_15.html

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SdK 51: Meike Wolf über Globalisierung der Grippe

Meike Wolf ist Kulturanthropologin und sie beschäftigt sich mit der Globalisierung von Präventionsmaßnahmen. Als 2009 mit H1N1 2009/10 – besser bekannt als Schweinegrippe – ein pandemischer Erreger auftauchte, traten weltweit Pandemiepläne in Kraft. Gerade Städte spielen bei der Verbreitung und Bekämpfung von Erregern eine wichtige Rolle, insbesondere internationale Verkehrsknotenpunkte wie London oder Frankfurt am Main. Die Frage ist nicht, ob die nächste Pandemie kommt, sondern wann.

Linkliste: Meike WolfIntro, Schweinegrippe (Wikipedia), Nationaler Pandemieplan (Wikipedia), SARS (Wikipedia), WHO (Wikipedia)

Quelle: https://stimmen.univie.ac.at/podcast/sdk51

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Die Daten der Biologie sind eindeutig: Beim Menschen gibt es viele Geschlechter – Von Heinz-Jürgen Voß

Geschlecht scheint immer populär zu sein. Zeitschriften und Bücher widmen sich in Scharen einem Thema, das jeden Menschen zu betreffen scheint. Indes betrifft es einige Menschen mehr als andere: So sind beispielsweise Frauen (im Vergleich zu Männern) nur in einem … Weiterlesen

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/4557

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2013 DARIAH-DE International DH Summer School

Vom 19. bis zum 25. August 2013 findet die erste internationale DARIAH-DE DH Summer School in Göttingen, Deutschland, statt. Die einwöchige Veranstaltung wird vom Göttingen Centre for Digital Humanities angeboten; Hauptthema wird die digitale Textanalyse mit der Programmiersprache Python sein. Der Hauptseminarleiter wird Mike Kestemont von der Universität Antwerpen sein. Eine kurze englische Zusammenfassung der Veranstaltungsinhalte befindet sich hier: Mike Kestemont – Plan for 2013 Summer School.
Die Sommerschule richtet sich primär an Doktoranden und Post-Doktoranden. Aber auch andere Interessierte mit fortgeschrittenen Kenntnissen der geisteswissenschaftlichen Forschung sind herzlich willkommen. Die Veranstaltungssprache ist Englisch.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1543

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Humanitärer Pop

 

Humanitäre Fragen wurden häufig von der Popmusik sehr ernst genommen. Ironie ist angesichts der Schwere des Themas normalerweise nicht im Fokus. Betrachtet man die Videos “Radi-Aid – Africa for Norway” oder “Aid Aid – Pimp my aid worker”, so wird schnell deutlich, das man nicht umhin kommt, sich genau damit zu befassen. Ende 2011 organisierten sich südafrikanische Studenten in Norwegen, um die Verwendung von Stereotypen in internationalen Spendenaktionen für die Entwicklungsländer in Frage zu stellen. Das Projekt “Radi-Aid – Africa for Norway” wurde ins Leben gerufen. Mit finanziellen Mitteln der norwegischen Agentur für Entwicklungszusammenarbeit (Norad) und des norwegischen Rats für Kinder und Jugendliche (LNU) koordinierte der Norwegian Students’ and Academics’ International Assistance Fund (SAIH) die Aufnahme eines Musikvideos und die Erstellung einer Webseite (www.africafornorway.no).

 

Kurz gefasst kritisieren die Mitwirkenden den ausschließlichen Fokus auf Hunger, Armut, Kriminalität und AIDS, wenn es um mediale Spendenaktionen für Afrika geht. Ihrer Auffassung nach können solche Kampagnen die Menschen zwar kurzfristig zum Engagement motivieren. Langfristig habe die ständige Verwendung dieser Stereotypen jedoch den gegenteiligen Effekt: Die Menschen geben auf, weil ihnen die Hilfe nutzlos scheint. Deshalb plädieren die Organisatoren dieser Kampagne für die mediale Verbreitung positiver Entwicklungen in Afrika, mehr Kenntnis und mehr Respekt. Feinsinnig wird gezeigt, dass diese Kampagne sich für Entwicklungshilfe positioniert.

Das Interessante in diesem Projekt ist die ironische, aber gut gelaunte Kritik an den Stereotypen solcher Spendenaktionen. Das Musikvideo dreht den Spieß kurzerhand um: Es stellt das Leben der Norweger negativ dar und fordert die Afrikaner auf, sich für die Nordeuropäer zu engagieren. Für sie ist die Kälte in Norwegen so schrecklich wie Hunger — Kälte kann auch tödlich sein! Die Norweger seien deswegen auch kalt und hätten wenig Lebensfreude. Darum werden die Afrikaner gebeten, ihre Heizlüfter “with a tropical breeze” nach Norwegen zuschicken um so Licht und Lächeln zu teilen. Um diese Botschaft zu übermitteln, greifen die Organisatoren der “Radi-Aid”-Kampagne auch auf Stereotypen zurück, aber solche von der Pop-Konstellation.

Am Musikvideo beteiligen sich elf Sänger, die abwechselnd die Strophen und den Refrain zusammen singen. Die Sänger erscheinen hinter dem Mikrophon im Tonstudio, wo die Aufnahme des Songs stattfindet. So wird den Zuschauern der Produktionsprozess des Videos hinter den Kulissen gezeigt. Sofort werden Videos wie “Band-Aid – Do they know it’s Christmas?” und “USA for Africa – We are the world” ins Gedächtnis der Zuschauer gerufen. Zufall? Nein! Diese Videos dienten als Inspiration, wie in der Webseite des Projekts “Radi-Aid” erklärt wird.

Andere Projekte greifen auf diese ironische Form zurück, um ihre Kritik an humanitärer Hilfe zu äußern. Auch vom Norad und anderen unterstützt wurde das “Aid Aid – Pimp my aid-worker” Musikvideo. Hier erscheinen 23 Sänger aus Zambia mit Kopfhörern hinter dem Mikrophon in einem Studio. Ironischer und direkter als “Radi-Aid” plädieren die Organisatoren dieser Kampagne für eine neue Philosophie der Gleichheit:

“A world where real compassion includes a sense of real equality, where seriousness of purpose includes a sense of humor, where generosity includes moral clarity, where the black aid back and white’s not uptight, where we take each other seriously and smile at each other’s prejudices – as we move together as one”

(www.pimpnyaid.org/index.php/vision.html).

 

Warum wählten diese Projekte ein Musikvideo solcher Art aus, um ihre Kritik zu äußern? Warum ist das so ironisch?

Historisch betrachtet war das Projekt “Band-Aid – Do they know it’s Christmas?” bahnbrechend in der Verbindung von Popmusik und humanitärer Hilfe. Im November 1984 koordinierten die Musiker Bob Geldof (Boomtown Rats) und Midge Ure (Ultravox) die Aufnahme des Songs mit 36 britischen Popstars dieser Zeit. Jeder sang einige Strophen des Songs, einige Verse wurden von Mehreren gesungen. Der Refrain versammelte alle Sänger in einem Chor. Ein im Tonstudio aufgedrehtes “Making-Of”-Video wurde in ein Musikvideo des Songs umgewandelt, um Werbung für die Kampagne zu machen. Markant in diesem Video ist die ungewöhnliche Darstellung der Popstars als ganz normale Menschen: Sie haben keine Schminke, tragen einfache Kleidung und sind mit Kopfhörern im Tonstudio. Es wird gezeigt, wie sie im Studio eintreffen, einander begrüßen und sich hinter den Kulissen verhalten. Bekannt wurde auch ihr ehrenamtlicher, gemeinsamer Beitrag für den Kampf gegen Hunger in Äthiopien. Auf diese Weise versuchten sie, ihre Fans auf Augenhöhe anzusprechen und gemeinsam in einem Projekt zu engagieren. Schnell erreichte die Single die Spitze der Charts in Großbritannien.

 

International projizierte die nordamerikanische Version des Projekts – USA for Africa – durch den von Michael Jackson und Lionel Ritchie komponierten Song “We are the World” diese Form vom popmusikalischen Engagement für humanitäre Ursachen. Im Jahr 1985 erschienen mehr als 20 weitere Videos weltweit, in denen die originelle Form angepasst wurde, unter anderem “Band für Afrika – Nackt im Wind” (Deutschland), “Northern Lights – Tears are not enough” (Kanada), “Hawaii Stars – Way of Love Benefit” (Hawaii), “Stars – Hear N’ Aid” (Heavy-Metal-Musiker – USA), “Yu Rock Misija – Za Milion Godina” (Jugoslawen), “Forente Artiste – Sammen for livet” (Norwegen), “Rockzenészek az éhezó afrikáért – Mondo, mit ér egy falat kinyír?” (Ungarn), “Apua! Orkesteri – Soittaa Maksamme Velkaa” (Finnland), “Chanteurs sans frontières – Ethiopie” (Frankreich), “Australia too – The Garden” (Australien), “The Cause – Do something now” (USA), “Voces Unidas – Cantare, cantarás” (Lateinamerika), “Musicaitalia per l’Etiopia” (Italien), “Opus and Austria for Africa – Warum?” (Österreich), “2-Tone Allstars – Starvation” (England), “Tam tam pour l’Ethiopie” (Kamerun), “Krugerrand-Aid – Operation Hunger” (Südafrika), “Leven zonder honger” (Belgien) und “Samen” (Niederlande).

Der Absicht dieser Musiker, und vor allem Bob Geldofs, wurde schnell verdächtig in den Augen der Kritiker: Wollten sie tatsächlich helfen oder strebten sie nach weltweitem Ruhm und dadurch nach höherem Gewinn? Um diesen Verdacht auszuräumen, ließen sich z.B. Bono Vox (U2) und Bruce Springsteen auf äußerst politische Projekte wie “Sun City” ein. Diese neuen Musikvideos rekurrierten immer wieder auf dieses Format von kollektivem Engagement der Musiker. Als Folge wurde es zur weltweiten Form popmusikalischen Engagements par exzellence.

Vor diesem Hintergrund wird erst verständlich, warum die Projekte “Radi-Aid” und “Aid Aid” so ironisch wirken. Die Spannung zwischen der Form und dem Inhalt der Botschaft im Musikvideo bricht mit den Erwartungen der gewöhnlichen internationalen Hilfskampagnen. Auf diese Weise wird die politische Rolle der Popkultur in Frage gestellt: Kann der Pop als Plattform für eine neue Politik der Repräsentation auf internationaler Ebene dienen? Historische Analysen in dieser Hinsicht können uns helfen, Antworten zu finden. Dabei rückt der Popgeschichte ins Zentrum der Debatte.

 

 

Quelle: http://pophistory.hypotheses.org/627

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durchsichten: Transnationale Geschichte. Eine Perspektive, Preprint v. Jan-Henrik Meyer

https://pure.au.dk/portal/files/52042208/Meyer_Jan_Henrik_Transnationale_Geschichte_in_Elvert_2013.pdf Der Beitrag unternimmt eine Definition des Begriffs vor dem Hintergrund seiner poltikwissenschaftlichen Herkunft und geht hierbei auch auf Trens in den Geistes- und Sozialwissenschaften ein. Einen weiteren Schwerpunkt bilden beispielhafte transnationale Strukturen innerhalb Europas wie der Umweltpolitik oder der Öffentlichkeit. Erscheint in: Jürgen Elvert (Hrsg.): Zwischen Europäisierung und Globalisierung – Zum Standort der Geschichtswissenschaften […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/04/4111/

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Aufruf zur Blogparade: „Forschungsbedingungen und Digital Humanities: Welche Perspektiven hat der Nachwuchs?“ #dhiha5

Text: http://dhdhi.hypotheses.org/1598; Lizenz: CC BY 3.0 By: Mareike König Am 10. und 11. Juni 2013 findet das 5. Kolloquium der Reihe „Digital Humanities am DHIP“ statt, gemeinsam organisiert vom Deutschen Historischen Institut Paris mit “L.I.S.A. – das Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung” und unter Mitarbeit des Centre pour l’édition électronique ouvert (Cléo). Auf der diesjährigen […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/04/4106/

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Dr. standard.

Die neue Bundesbildungsministerin Johanna Wanka plädiert für eine Reform der Promotionsverfahren – “Ich werde im Wissenschaftsrat vorschlagen, dass dort Standards für die Überprüfung von Doktorarbeiten entwickelt werden”, sagte sie der Rheinischen Post. Ihr gehe es um Themen wie Themen wie Gutachter, Dauer der Verfahren oder Verjährung.

Damit reiht sie sich in die Reihe jener ein, die das Problem der Plagiatsaffären der letzten Jahre vor allem auf Seiten der Hochschulen sehen – als hätten die Universitäten versagt. Das Verursacher-Prinzip wird damit vollkommen auf den Kopf gestellt. Wie sollten denn die neuen Standards aussehen, nach denen die Affären der letzten Jahre keine gewesen wären? Hätte die Zahl der Gutachter wirklich etwas geändert? Im positiven Sinne hätten (mehr oder externe) Gutachter nur wirken können, wenn die fraglichen Dissertationen dadurch gar nicht erst zur Promotion zugelassen worden wären. Die Dauer der Verfahren? Wie soll das die Qualität der Dissertationen beeinflussen? Am ärgerlichsten aber ist die Verjährungsfrage: Verjährung heilt nicht, sie sorgt nur für Straffreiheit, da die fragliche Tat  nicht mehr verfolgt werden darf. Sie ist also ein Instrument des Rechtsfriedens. Sie dient jedoch nicht dazu, unrechtmäßig erworbene Rechte oder Ansprüche zu schützen. Der Entzug des Doktortitels ist ja auch keine Strafe, sondern zunächst einmal die Zurücknahme eines Verwaltungsaktes, der offensichtlich nicht korrekt war. Erst wenn ein Verfahren wegen Betrugs hinzukommt (was bei echten Täuschungsversuchen wünschenswert ist), handelt es sich um eine strafrechtlich relevante Frage; hier könnte man auch über Verjährung sprechen; aber dazu müsste (was nicht an allen Universitäten der Fall ist) eine entsprechende eidesstattliche Erklärung des Doktoranden zu seiner Dissertation verlangt werden. Das wäre dann, wenn es deutschlandweit verlangt wird, wirklich eine Verschärfung – und eine wünschenswerte Standardisierung des Promotionsrechts.

Am Ende bleibt aber vor allem die Frage, wieso “die Wissenschaft” (wer genau ist das?) hier eigentlich Standards entwickeln oder verändern muss. Die Hochschulen haben das Promotionsrecht, nicht der Bund, die Länder, die DFG oder der Wissenschaftsrat. Die Hochschulen entscheiden, wie sie damit umgehen. Dass es in den letzten Jahren so viel Aufmerksamkeit für Plagiate gegeben hat, ist nicht die Schuld der Hochschulen und keine Folge des universitären Promotionsrechts, sondern Ergebnis schlampiger Arbeit der Doktoranden oder echter Täuschungsabsichten.

Quelle: http://geschichtsadmin.hypotheses.org/94

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