Fundstücke

Von Stefan Sasse

- Hubertus Volmer äußert sich zur Kollektivschuldthese. 
- Farbaufnahmen von Paris, 1909-1929
 - Eine brillante Analyse über den deutschen Umgang mit Hitler in der FAZ. Es geht vor allem um die Rezeption in der Geschichtswissenschaft und warum alle bedeutenden Werke über den Nationalsozialismus aus den angelsächsischen Universitäten kommen.
- Die höchsten Gebäude der Welt, Stand 1884.


Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2013/04/fundstucke_15.html

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SdK 51: Meike Wolf über Globalisierung der Grippe

Meike Wolf ist Kulturanthropologin und sie beschäftigt sich mit der Globalisierung von Präventionsmaßnahmen. Als 2009 mit H1N1 2009/10 – besser bekannt als Schweinegrippe – ein pandemischer Erreger auftauchte, traten weltweit Pandemiepläne in Kraft. Gerade Städte spielen bei der Verbreitung und Bekämpfung von Erregern eine wichtige Rolle, insbesondere internationale Verkehrsknotenpunkte wie London oder Frankfurt am Main. Die Frage ist nicht, ob die nächste Pandemie kommt, sondern wann.

Linkliste: Meike WolfIntro, Schweinegrippe (Wikipedia), Nationaler Pandemieplan (Wikipedia), SARS (Wikipedia), WHO (Wikipedia)

Quelle: https://stimmen.univie.ac.at/podcast/sdk51

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Die Daten der Biologie sind eindeutig: Beim Menschen gibt es viele Geschlechter – Von Heinz-Jürgen Voß

Geschlecht scheint immer populär zu sein. Zeitschriften und Bücher widmen sich in Scharen einem Thema, das jeden Menschen zu betreffen scheint. Indes betrifft es einige Menschen mehr als andere: So sind beispielsweise Frauen (im Vergleich zu Männern) nur in einem … Weiterlesen

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/4557

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2013 DARIAH-DE International DH Summer School

Vom 19. bis zum 25. August 2013 findet die erste internationale DARIAH-DE DH Summer School in Göttingen, Deutschland, statt. Die einwöchige Veranstaltung wird vom Göttingen Centre for Digital Humanities angeboten; Hauptthema wird die digitale Textanalyse mit der Programmiersprache Python sein. Der Hauptseminarleiter wird Mike Kestemont von der Universität Antwerpen sein. Eine kurze englische Zusammenfassung der Veranstaltungsinhalte befindet sich hier: Mike Kestemont – Plan for 2013 Summer School.
Die Sommerschule richtet sich primär an Doktoranden und Post-Doktoranden. Aber auch andere Interessierte mit fortgeschrittenen Kenntnissen der geisteswissenschaftlichen Forschung sind herzlich willkommen. Die Veranstaltungssprache ist Englisch.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1543

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Humanitärer Pop

 

Humanitäre Fragen wurden häufig von der Popmusik sehr ernst genommen. Ironie ist angesichts der Schwere des Themas normalerweise nicht im Fokus. Betrachtet man die Videos “Radi-Aid – Africa for Norway” oder “Aid Aid – Pimp my aid worker”, so wird schnell deutlich, das man nicht umhin kommt, sich genau damit zu befassen. Ende 2011 organisierten sich südafrikanische Studenten in Norwegen, um die Verwendung von Stereotypen in internationalen Spendenaktionen für die Entwicklungsländer in Frage zu stellen. Das Projekt “Radi-Aid – Africa for Norway” wurde ins Leben gerufen. Mit finanziellen Mitteln der norwegischen Agentur für Entwicklungszusammenarbeit (Norad) und des norwegischen Rats für Kinder und Jugendliche (LNU) koordinierte der Norwegian Students’ and Academics’ International Assistance Fund (SAIH) die Aufnahme eines Musikvideos und die Erstellung einer Webseite (www.africafornorway.no).

 

Kurz gefasst kritisieren die Mitwirkenden den ausschließlichen Fokus auf Hunger, Armut, Kriminalität und AIDS, wenn es um mediale Spendenaktionen für Afrika geht. Ihrer Auffassung nach können solche Kampagnen die Menschen zwar kurzfristig zum Engagement motivieren. Langfristig habe die ständige Verwendung dieser Stereotypen jedoch den gegenteiligen Effekt: Die Menschen geben auf, weil ihnen die Hilfe nutzlos scheint. Deshalb plädieren die Organisatoren dieser Kampagne für die mediale Verbreitung positiver Entwicklungen in Afrika, mehr Kenntnis und mehr Respekt. Feinsinnig wird gezeigt, dass diese Kampagne sich für Entwicklungshilfe positioniert.

Das Interessante in diesem Projekt ist die ironische, aber gut gelaunte Kritik an den Stereotypen solcher Spendenaktionen. Das Musikvideo dreht den Spieß kurzerhand um: Es stellt das Leben der Norweger negativ dar und fordert die Afrikaner auf, sich für die Nordeuropäer zu engagieren. Für sie ist die Kälte in Norwegen so schrecklich wie Hunger — Kälte kann auch tödlich sein! Die Norweger seien deswegen auch kalt und hätten wenig Lebensfreude. Darum werden die Afrikaner gebeten, ihre Heizlüfter “with a tropical breeze” nach Norwegen zuschicken um so Licht und Lächeln zu teilen. Um diese Botschaft zu übermitteln, greifen die Organisatoren der “Radi-Aid”-Kampagne auch auf Stereotypen zurück, aber solche von der Pop-Konstellation.

Am Musikvideo beteiligen sich elf Sänger, die abwechselnd die Strophen und den Refrain zusammen singen. Die Sänger erscheinen hinter dem Mikrophon im Tonstudio, wo die Aufnahme des Songs stattfindet. So wird den Zuschauern der Produktionsprozess des Videos hinter den Kulissen gezeigt. Sofort werden Videos wie “Band-Aid – Do they know it’s Christmas?” und “USA for Africa – We are the world” ins Gedächtnis der Zuschauer gerufen. Zufall? Nein! Diese Videos dienten als Inspiration, wie in der Webseite des Projekts “Radi-Aid” erklärt wird.

Andere Projekte greifen auf diese ironische Form zurück, um ihre Kritik an humanitärer Hilfe zu äußern. Auch vom Norad und anderen unterstützt wurde das “Aid Aid – Pimp my aid-worker” Musikvideo. Hier erscheinen 23 Sänger aus Zambia mit Kopfhörern hinter dem Mikrophon in einem Studio. Ironischer und direkter als “Radi-Aid” plädieren die Organisatoren dieser Kampagne für eine neue Philosophie der Gleichheit:

“A world where real compassion includes a sense of real equality, where seriousness of purpose includes a sense of humor, where generosity includes moral clarity, where the black aid back and white’s not uptight, where we take each other seriously and smile at each other’s prejudices – as we move together as one”

(www.pimpnyaid.org/index.php/vision.html).

 

Warum wählten diese Projekte ein Musikvideo solcher Art aus, um ihre Kritik zu äußern? Warum ist das so ironisch?

Historisch betrachtet war das Projekt “Band-Aid – Do they know it’s Christmas?” bahnbrechend in der Verbindung von Popmusik und humanitärer Hilfe. Im November 1984 koordinierten die Musiker Bob Geldof (Boomtown Rats) und Midge Ure (Ultravox) die Aufnahme des Songs mit 36 britischen Popstars dieser Zeit. Jeder sang einige Strophen des Songs, einige Verse wurden von Mehreren gesungen. Der Refrain versammelte alle Sänger in einem Chor. Ein im Tonstudio aufgedrehtes “Making-Of”-Video wurde in ein Musikvideo des Songs umgewandelt, um Werbung für die Kampagne zu machen. Markant in diesem Video ist die ungewöhnliche Darstellung der Popstars als ganz normale Menschen: Sie haben keine Schminke, tragen einfache Kleidung und sind mit Kopfhörern im Tonstudio. Es wird gezeigt, wie sie im Studio eintreffen, einander begrüßen und sich hinter den Kulissen verhalten. Bekannt wurde auch ihr ehrenamtlicher, gemeinsamer Beitrag für den Kampf gegen Hunger in Äthiopien. Auf diese Weise versuchten sie, ihre Fans auf Augenhöhe anzusprechen und gemeinsam in einem Projekt zu engagieren. Schnell erreichte die Single die Spitze der Charts in Großbritannien.

 

International projizierte die nordamerikanische Version des Projekts – USA for Africa – durch den von Michael Jackson und Lionel Ritchie komponierten Song “We are the World” diese Form vom popmusikalischen Engagement für humanitäre Ursachen. Im Jahr 1985 erschienen mehr als 20 weitere Videos weltweit, in denen die originelle Form angepasst wurde, unter anderem “Band für Afrika – Nackt im Wind” (Deutschland), “Northern Lights – Tears are not enough” (Kanada), “Hawaii Stars – Way of Love Benefit” (Hawaii), “Stars – Hear N’ Aid” (Heavy-Metal-Musiker – USA), “Yu Rock Misija – Za Milion Godina” (Jugoslawen), “Forente Artiste – Sammen for livet” (Norwegen), “Rockzenészek az éhezó afrikáért – Mondo, mit ér egy falat kinyír?” (Ungarn), “Apua! Orkesteri – Soittaa Maksamme Velkaa” (Finnland), “Chanteurs sans frontières – Ethiopie” (Frankreich), “Australia too – The Garden” (Australien), “The Cause – Do something now” (USA), “Voces Unidas – Cantare, cantarás” (Lateinamerika), “Musicaitalia per l’Etiopia” (Italien), “Opus and Austria for Africa – Warum?” (Österreich), “2-Tone Allstars – Starvation” (England), “Tam tam pour l’Ethiopie” (Kamerun), “Krugerrand-Aid – Operation Hunger” (Südafrika), “Leven zonder honger” (Belgien) und “Samen” (Niederlande).

Der Absicht dieser Musiker, und vor allem Bob Geldofs, wurde schnell verdächtig in den Augen der Kritiker: Wollten sie tatsächlich helfen oder strebten sie nach weltweitem Ruhm und dadurch nach höherem Gewinn? Um diesen Verdacht auszuräumen, ließen sich z.B. Bono Vox (U2) und Bruce Springsteen auf äußerst politische Projekte wie “Sun City” ein. Diese neuen Musikvideos rekurrierten immer wieder auf dieses Format von kollektivem Engagement der Musiker. Als Folge wurde es zur weltweiten Form popmusikalischen Engagements par exzellence.

Vor diesem Hintergrund wird erst verständlich, warum die Projekte “Radi-Aid” und “Aid Aid” so ironisch wirken. Die Spannung zwischen der Form und dem Inhalt der Botschaft im Musikvideo bricht mit den Erwartungen der gewöhnlichen internationalen Hilfskampagnen. Auf diese Weise wird die politische Rolle der Popkultur in Frage gestellt: Kann der Pop als Plattform für eine neue Politik der Repräsentation auf internationaler Ebene dienen? Historische Analysen in dieser Hinsicht können uns helfen, Antworten zu finden. Dabei rückt der Popgeschichte ins Zentrum der Debatte.

 

 

Quelle: http://pophistory.hypotheses.org/627

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durchsichten: Transnationale Geschichte. Eine Perspektive, Preprint v. Jan-Henrik Meyer

https://pure.au.dk/portal/files/52042208/Meyer_Jan_Henrik_Transnationale_Geschichte_in_Elvert_2013.pdf Der Beitrag unternimmt eine Definition des Begriffs vor dem Hintergrund seiner poltikwissenschaftlichen Herkunft und geht hierbei auch auf Trens in den Geistes- und Sozialwissenschaften ein. Einen weiteren Schwerpunkt bilden beispielhafte transnationale Strukturen innerhalb Europas wie der Umweltpolitik oder der Öffentlichkeit. Erscheint in: Jürgen Elvert (Hrsg.): Zwischen Europäisierung und Globalisierung – Zum Standort der Geschichtswissenschaften […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/04/4111/

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Aufruf zur Blogparade: „Forschungsbedingungen und Digital Humanities: Welche Perspektiven hat der Nachwuchs?“ #dhiha5

Text: http://dhdhi.hypotheses.org/1598; Lizenz: CC BY 3.0 By: Mareike König Am 10. und 11. Juni 2013 findet das 5. Kolloquium der Reihe „Digital Humanities am DHIP“ statt, gemeinsam organisiert vom Deutschen Historischen Institut Paris mit “L.I.S.A. – das Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung” und unter Mitarbeit des Centre pour l’édition électronique ouvert (Cléo). Auf der diesjährigen […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/04/4106/

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Dr. standard.

Die neue Bundesbildungsministerin Johanna Wanka plädiert für eine Reform der Promotionsverfahren – “Ich werde im Wissenschaftsrat vorschlagen, dass dort Standards für die Überprüfung von Doktorarbeiten entwickelt werden”, sagte sie der Rheinischen Post. Ihr gehe es um Themen wie Themen wie Gutachter, Dauer der Verfahren oder Verjährung.

Damit reiht sie sich in die Reihe jener ein, die das Problem der Plagiatsaffären der letzten Jahre vor allem auf Seiten der Hochschulen sehen – als hätten die Universitäten versagt. Das Verursacher-Prinzip wird damit vollkommen auf den Kopf gestellt. Wie sollten denn die neuen Standards aussehen, nach denen die Affären der letzten Jahre keine gewesen wären? Hätte die Zahl der Gutachter wirklich etwas geändert? Im positiven Sinne hätten (mehr oder externe) Gutachter nur wirken können, wenn die fraglichen Dissertationen dadurch gar nicht erst zur Promotion zugelassen worden wären. Die Dauer der Verfahren? Wie soll das die Qualität der Dissertationen beeinflussen? Am ärgerlichsten aber ist die Verjährungsfrage: Verjährung heilt nicht, sie sorgt nur für Straffreiheit, da die fragliche Tat  nicht mehr verfolgt werden darf. Sie ist also ein Instrument des Rechtsfriedens. Sie dient jedoch nicht dazu, unrechtmäßig erworbene Rechte oder Ansprüche zu schützen. Der Entzug des Doktortitels ist ja auch keine Strafe, sondern zunächst einmal die Zurücknahme eines Verwaltungsaktes, der offensichtlich nicht korrekt war. Erst wenn ein Verfahren wegen Betrugs hinzukommt (was bei echten Täuschungsversuchen wünschenswert ist), handelt es sich um eine strafrechtlich relevante Frage; hier könnte man auch über Verjährung sprechen; aber dazu müsste (was nicht an allen Universitäten der Fall ist) eine entsprechende eidesstattliche Erklärung des Doktoranden zu seiner Dissertation verlangt werden. Das wäre dann, wenn es deutschlandweit verlangt wird, wirklich eine Verschärfung – und eine wünschenswerte Standardisierung des Promotionsrechts.

Am Ende bleibt aber vor allem die Frage, wieso “die Wissenschaft” (wer genau ist das?) hier eigentlich Standards entwickeln oder verändern muss. Die Hochschulen haben das Promotionsrecht, nicht der Bund, die Länder, die DFG oder der Wissenschaftsrat. Die Hochschulen entscheiden, wie sie damit umgehen. Dass es in den letzten Jahren so viel Aufmerksamkeit für Plagiate gegeben hat, ist nicht die Schuld der Hochschulen und keine Folge des universitären Promotionsrechts, sondern Ergebnis schlampiger Arbeit der Doktoranden oder echter Täuschungsabsichten.

Quelle: http://geschichtsadmin.hypotheses.org/94

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“Haec sunt in fossa Bedae venerabilis ossa” – Ein Besuch bei Beda Venerabilis

Das Datum des letzten Blogbeitrages liegt schon etwas länger zurück, trotzdem war ich in den letzten Wochen nicht untätig. Neben Arbeit, der Vorbereitung meines Exposés und vielen anderen Dingen habe ich mir auch eine Woche „Erholungsurlaub“ gegönnt. Die Reise ging unter anderem in den Nordosten Englands in die Kleinstadt Durham. Aber egal wie weit man reist, der eigenen Dissertation entkommt man nicht. Im Folgenden daher ein paar Gedanken zum Verhältnis von Naturwissenschaft und Religion im Mittelalter, die mich auf und nach der Reise beschäftigt haben. Aber zunächst einige Worte zu Durham.

Durham ist vor allem für seine Kathedrale und sein Castle bekannt, danach für seine Universität und für Liebhaber antiquarischer Bücher und bizarrer Geschichte durch den erst jüngst aufgedeckten Diebstahl der Erstausgabe des shakespeareschen Gesamtwerkes. Feinschmecker schätzen das Städtchen übrigens als Ursprung des feinen englischen Senfes. Alles in allem ist Durham gerade für Mediävisten einen Abstecher wert, vor allem ab Juli, wenn der Lindisfarne Gospel in den Norden zurückkehrt, worauf man dort verständlicherweise äußerst stolz ist. Auch das hiesige Institut for Medieval and Renaissance Studies ist sehr renommiert, twittert und bietet ein interessantes Masterprogramm an.

Im Mittelalter war die Stadt als Sitz des Prince Bishops ein machtpolitisches Zentrum im Norden und bot aufgrund seiner natürlichen Lage eine ideale Verteidigung gegen wechselnde Bedrohungen, vor allem natürlich gegen Wikinger und Schotten. Aus diesem Grund kamen auch die wertvollen Gebeine Saint Cuthberts und der Kopf des heiligen Oswalds nach Durham, das nun auch als Kultstädte Bedeutung genoss. Aus der Fülle an Literatur sei hier lediglich auf das Buch von Christian Liddy verwiesen, dass sich zwar auf das späte Mittelalter konzentriert aber natürlich auch die frühere Geschichte anreißt.[1]

Besonders die Kathedrale ist wirklich beeindruckend. Vor allem bei untergehender Sonne und aus der richtigen Perspektive begreift man die Begeisterung, die Nathaniel Hawthorne in seinen Reiseberichten festhielt:

“We paused upon the bridge, and admired and wondered at the beauty and glory of the scene, with those vast, ancient towers rising out of the green shade, and looking as if they were based upon it. The situation of Durham Cathedral is certainly a noble one, finer even than that of Lincoln, though the latter stands even at a more lordly height above the town. But as I saw it then, it was grand, venerable, and sweet, all at once; and I never saw so lovely and magnificent a scene, nor, being content with this, do I care to see a better.” 

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Foto: Privat

Bei aller Begeisterung für das Offensichtliche, für mich liegt der wichtigste Schatz der Kathedrale etwas versteckt in der sogenannten Galilee Chapel aus dem späten 12. Jahrhundert (auf dem Foto unter den Türmen). Denn dort „sunt in fossa Bedae venerabilis ossa“, dort ruhen die Gebeine des Beda venerabilis im Grabe. Beda war wohl einer der bedeutendsten Gelehrten des frühen Mittelalters und lebte ganz in der Nähe im Kloster Jarrow im heutigen Sunderland als Mönch und Gelehrter.

 

Foto: Robin Widdison 

Bekannt ist Beda heute vor allem für die Historia ecclesiastica gentis Anglorum, also die Kirchengeschichte des englischen Volkes, sowie seinen „naturwissenschaftlichen“ Schriften zur Zeitberechnung und Kosmologie, vor allem De temporum ratione und De natura rerum bzw. De temporibus[2]. Zeitgenossen hätten sicher auch sein Werk zur Metrik, vor allem aber seine zahlreichen exegetischen Kommentare genannt.

Damit tritt uns also als ein sehr vielschichtiger Gelehrter entgegen, als Verfasser von Heiligenbiographien, Historiker, Theologe, Naturwissenschaftler und natürlich als Mönch. In dieser Vielschichtigkeit entzieht er sich einer eindeutigen Klassifikation. Gerade dem modernen Betrachter ist eine solche Klassifikation aber sehr wichtig, da er in klar ausdifferenzierten und getrennten Systemen wie Religion, Wissenschaft, Recht, Politik, Kultur etc. zu denken gewohnt ist.

Worum es mir heute geht, ist die Frage, ob eine solch strikte Klassifikation, vor allem die Abgrenzung und Gegenüberstellung von Religion und Wissenschaft in der Vormoderne überhaupt angemessen ist, oder ob sich durch einen solchen Ansatz nicht viel eher hermeneutische Schwierigkeit für den Historiker und Kulturwissenschaftler ergeben. Meine vorläufige These ist, dass eine solche grundsätzliche Trennung, also der Dualismus von Religion und Naturphilosophie oder Naturwissenschaft für das Mittelalter eine künstliche ist, die zuweilen die Wahrnehmung dieser Epoche und ihres Weltbildes verzerrt. Diesen Gedanken möchte ich an ein paar Beispielen verfolgen.

Bedas Grab ist mit einem Zitat aus seinem Kommentar zur Apokalypse, hier zur Offenbarung 2,28 und 22,16 überschrieben, das ich persönlich sehr beeindruckend finde:

“Christus est stella matutina, qui nocte saeculi transacta, lucem vitae sanctis promittit et pandit aeternam

„Christus ist der Morgenstern, der, wenn die Nacht des Diesseits vorüber ist, den Heiligen das ewige Licht verspricht und schenkt“

Im Bild des Morgensterns kommt tiefe Erlösungshoffnung des Autors zum Ausdruck. Es ist daher nicht verwunderlich, dass es in der religiösen Welt des Mittelalters vielfach rezipiert worden ist. So zum Beispiel im 12. Jahrhundert in einem süddeutschen Offizium (Diesen Hinweis verdanke ich Eva Ferro, Freiburg), und zwar, wie ich finde in einer außerordentlich faszinierenden Weise. Zum Invitatorium der Matutin, also dem nächtlichen Gebet, das in die morgendlichen Laudes übergeht, ziehen die Mönche noch im Dunkel der Nacht singend in die Kirche:

“Stellam Christum matutinam/cum Maria prestolantes/ne sola stet foris plorans/nos cum ea vigilemus/ut per noctem quem insomnis/queritando dilexerat/hunc inventum simul una/procidentes adoremus.“[3]

Natürlich geht es hier in erster Linie um den Ausdruck einer monastischen Spiritualität. Gleichzeitig funktioniert die Stelle aber auch auf einer zweiten, realen Ebene. Denn das Bild des Morgensterns erinnert die Mönche nicht nur an die Auferstehung Jesu und die damit verbundene Erlösung, sondern es verweist darüber hinaus auch auf eine reale Beobachtung außerhalb der Liturgie und des Gebetes: Denn tatsächlich erwarten die Mönche Tag für Tag den Morgenstern, der in Wirklichkeit identisch mit der Venus ist und besonders – je nach Phase abwechselnd – in den frühen Morgen- oder Abendstunden zu sehen ist. Mehr noch, die Beobachtung der Sterne war Alltag eines Klosters, half sie doch, die Gebetszeiten und liturgischen Feste, aber auch den Beginn der Jahreszeiten und anderer fundamentaler Dinge des Lebens zu bestimmen.[4] Die Handschrift Ms 1 Aus dem Archivio Capitulare in Faenza enthält übrigens eine sehr schöne Illumination, die die singenden Mönche unter dem Sternenhimmel zeigt. Wer den Wolfenbütteler Sammelband Divinia Officia (hg. von Patrizia Carmassi 2004) zur Hand hat, kann hier auf Seite 161 nachschauen. Online habe ich die Abbildung leider nicht finden können, dafür aber die tolle Abbildung einer Sternenbeobachtung in cod. sang. 18.

 Mönche beobachtet die Sterne. Abbildung aus Cod. Sang. 18, fol. 43

 Astronomische Phänomene wie der Morgenstern, der bezeichnenderweise im Osten aufgeht und dadurch das spirituelle Bild noch verstärkt, waren damit auch Gegenstand alltäglicher „naturwissenschaftlicher“ Beobachtung und Nutzung. Wenn man so will stellt der Morgenstern hier also einen Nexus zwischen den Bereichen der religiösen Spiritualität und naturwissenschaftlicher Beobachtung dar, die sich beide befruchten, vielleicht sogar bedingen.

Man könnte weitere Beispiele anführen, etwa die vergleichsweise häufige annalistische Nennung von Sonnenfinsternissen, ein Phänomen, dass immerhin die Kreuzigung Jesu begleitete und schon durch die Evangelisten einer durch und durch religiösen Deutung unterworfen wurde. Und trotzdem bestand schon im frühen Mittelalter und bis in die höchsten Kreise des Kaiserhofes ein Interesse an einer rationalen Erklärung dieser Phänomene.[5]

Religiöse Deutung und rationale Erklärung der natürlichen Zusammenhänge schließen und schlossen sich offenbar nicht aus, im Gegenteil. Gerade die Klöster zeigen im frühen Mittelalter ein großes Interesse an der Astronomie, das vom Kaiserhof aus gefördert und gefordert wurde und vom dem noch heute viele Handschriften zeugen. Etwa die am Kaiserhof gefertigte Leidener Aratea, die gegenwärtig ausgestellt wird.

Ich glaube allerdings, dass man dieses Interesse nicht, wie es oft geschieht, primär auf eine Rolle als christliche bzw. theologische Hilfswissenschaft reduzieren darf. Natürlich diente etwa die Chronologie im Kloster vor allem zur Berechnung liturgischer Daten. Aber das hierfür notwendige Verständnis und die laufende Beobachtung der Gestirne, von Sonne und Mond, dem Wechsel von Tag und Nacht oder den Jahreszeiten bedurfte doch eines breiteren naturwissenschaftlicheren Wissens.

Deshalb hat Beda zum Beispiel De temporibus, also seiner Schrift zur Chronologie das kosmologische Werk De natura rerum vorangestellt, und auch die karolingischen Enzyklopädien kommen nicht ohne grundsätzliche Aussagen über den Ablauf der natürlichen Welt aus. Hinter der praktischen Anwendung dieses Wissens verbarg sich eben immer auch ein Interesse an umfassender und theoretischer Kosmologie.

Das ist auch nicht verwunderlich, denn im Grunde gibt es in der Vormoderne überhaupt keinen Lebensbereich, der ohne eine Kosmologie auskommt. Bevor man im 18. Jahrhundert die Beobachtung der physikalischen Welt ins Labor verbannte, sie mechanisierte und mathematisierte und damit von der eigenen Lebenswelt entkoppelte, war war sie unumgänglicher Bestandteil des alltäglichen Lebens in einer Agrargesellschaft, dem man sich nicht wie heute entziehen konnte. Um diese Beobachtungen der Natur für das alltägliche Leben nicht nur praktisch nutzbar zu machen, sondern sie auch mit Bezug zur eigenen Lebenswelt zu deuten, bedarf es aber zwangsläufig der Kosmologie.

Wenn Kosmologie und Naturwissenschaft also nicht, wie das heute der Fall ist, abstrakte Probleme behandeln, sondern unmittelbar die eigene Lebenswelt erklären und deuten, dann nehmen sie im Grunde eine ganz ähnliche Funktion ein, wie die Religion. Denn auch Religion dient und diente der Deutung der Welt und der eigenen Existenz. Im Christentum liegt diese vor in der Heilsgeschichte und dem besonderen Band zwischen Schöpfergott und Schöpfung begründet. Religion und kosmologische Naturbeobachtung sind damit, wenn man so will, zwei Seiten derselben Medaille, die durch das Geschaffensein der Welt zwar ihre untrennbare Verbindung finden, gleichzeitig aber auch unterschiedliche Modi der Weltdeutung darstellen. Eine Ausdifferenzierung von Religion und Wissenschaft als eigenständige und isolierte Systeme mit unterschiedlichen Zielsetzungen kann es in der Vormoderne und ihrer Lebenswelt daher gar nicht geben. Sie sind weder getrennt voneinander zu verstehen, noch erschöpft sich die Kosmologie darin, eine religiöse Hilfswissenschaft zu sein.

Im Umkehrschluss bedeutet das aber, dass sich die Lebens- und Geisteswelt des Mittelalters nur durch Würdigung beider Aspekte und ihrer Verknüpfung rekonstruieren lässt. Vielleicht ließe sich dies sinnvoller bewerkstelligen, wenn dafür nicht die Kategorien unserer ausdifferenzierten Moderne – Wissenschaft und Religion verwendet werden –, sondern stattdessen auf den Begriff der Weltdeutung zurückgegriffen würde.

Beda erschiene unter diesem Aspekt dann weder als Naturwissenschaftler, Theologe und/oder Historiker, sondern als Weltdeuter, in dessen Werken sich verschiedene Modi dieser Weltdeutung ergänzen und überscheiden. Damit wäre er im wahrsten Sinne des Wortes ein Universalgelehrter – und hätte mit der Universitätsstadt Durham wohl eine passende letzte Ruhestädte gefunden.

 

[1] Liddy, Christian D.: The Bishopric of Durham in the late Middle Ages: lordship, community and the cult of St Cuthbert. Woodbridge 2008. Bei Googlebooks.

[2] Hier sei noch einmal auf die Übersetzungen, vor allem aber die sehr nützlichen inhaltlichen Kommentare von Wallis und Kendall hingewiesen: Kendall: Calvin/Wallis, Faith: Bede On the Nature of Things and On Times. Liverpool 2010 (Googlebooks); Wallis, Faith: Bede The Reckoning of Time. Liverpool 1999 (Googlebooks).

[3] Ferro, Eva: Suavissime universorum domine: Ein unediertes Offizium für Maria Magdalena im Kontext der Hirsauer Reform. Unveröffentlichte Masterarbeit Erlangung des akademischen Grades Master of Arts an der Universität Freiburg im Sommersemester 2011, S. 14.

[4] Wiesenbach, Joachim: Der Mönch mit dem Sehrohr : die Bedeutung der Miniatur Codex Sangallensis 18. In: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 44 (1994), S. 367-388.

[5] Eine gute Einführung bietet Eastwood, Bruce: Ordering the Heavens. Roman Astronomy and Cosmology in the Carolingian Renaissance. Boston/Leiden 2007. Googlebooks.

Quelle: http://quadrivium.hypotheses.org/89

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