De mensura astrolabii: wie und warum man sich ein Astrolab basteln sollte

Vor einigen Tagen habe ich den letzten Teil der kleinen Reihe zum geozentrischen Weltbild des Mittelalters geschrieben: über die Himmelssphäre und ihren Einfluss auf das tägliche Leben. Dass das nicht unbedingt der einfachste Artikel der Reihe war, liegt wohl vor allem an der Schwierigkeit, sich die abstrakt formulierten Vorgänge plastisch vorzustellen.

Das ging den Menschen im Mittelalter natürlich nicht anders. Auch sie taten sich häufig schwer, die Informationen in den lateinischen Texten zu einem großen gedanklichen Modell des Kosmos zu destillieren oder ein solches von den Erscheinungen am Himmel zu abstrahieren.

Gelehrter mit Astrolab. Psalter aus dem 13. Jahrhundert. Paris, BnF, Arsenal, ms. 1186 rés., fol. 1v.

Zum Glück fand ungefähr um das Jahr 1000 herum ein kleines orientalisches Hilfsmittel seinen Weg nach Europa: das Astrolab (im verlinkten Wikipedia-Artikel findet sich die wichtigste Literatur zum Einstieg). Dieses Gerät ist ein Mess- und Vorhersageinstrument für so ziemlich alles, was den hochmittelalterlichen Astronomus interessierte. Ein astronomisches Schweizer Taschenmesser, wenn man so will. Außerdem half es dabei, die komplexen Phänomene am Himmel zu veranschaulichen. Es ist also auch als didaktisches Tool für den Unterricht nutzbar.

TED Video zum Gebrauch des Astrolabs. Hier auch mit deutschem Untertitel.

Ein Astrolab besteht aus verschiedenen aufeinandergelagerten Scheiben, mit denen sich für einen jeweils bestimmten Punkt auf der Erde die wahrnehmbaren Abläufe am Himmel simulieren und vorhersagen lassen. Es zeigt zum Beispiel den Stand der Sonne an, den Sternenhimmel einer jeweiligen Position, die Länge des Tages zu einem bestimmten Datum, und und und.

Oxford, Bodleian Library, MS Ashmole 304, fol. 2v

So simpel Astrolabien zu nutzen sind, so schwierig ist ihre Herstellung. Damit meine ich weniger die Schmiedekunst an sich, sondern vor allem das Erstellen einer korrekten Himmelsprojektion, bei der man die wichtigen Informationen (Ekliptik, Wendekreise, Himmelspol, usw.) eines dreidimensionalen Kugelmodells auf eine zweidimensionale Scheibe projizieren muss (die Problematik ist bei Arianna Borrelli: Aspects of the Astrolabe, Stuttgart 2008 recht anschaulich erklärt). Dabei halfen zwar entsprechende Beschreibungen oder Abbildungen; da jedes Astrolab für eine bestimmte Position neu konstruiert werden musste, erforderte diese Herstellung trotzdem einen Meister seines Faches, der nicht nur eine umfassende Kenntnis der Astronomie, sondern auch der Geometrie besitzen musste – und außerdem ein sehr ausgeprägtes Vorstellungsvermögen.

Brügge, Öffentliche Bibliothek, Ms. 522, f. 61v. Hier ist allerdings lediglich die Rückseite des Astrolabs dargestellt, nicht die kompliziertere Projektion auf der Vorderseite. (Abbildung: Openbare Bibliotheek Brugge, Lizenz http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en)

Heute geht das glücklicherweise einfacher: Unter http://in-the-sky.org/astrolabe/ hat Dominic Ford Projektionen für diverse Breitengrade erstellt (die sich aber auch auf die eigene Koordinate ändern lassen), mit denen sich sehr einfach ein voll umfängliches Astrolabium erstellen lässt. Wie man das Gerät dann nutzt, hat er in einem kleinen Aufsatz erklärt: http://in-the-sky.org/astrolabe/astrolabe_jbaa.pdf

Das ganze ist nicht nur hilfreich, um sich die Grundlagen mittelalterlicher Astronomie zu erschließen, ein Astrolabium ist darüber hinaus auch ein schickes Statusobjekt und must have für den Gelehrten von Welt – meiner Meinung nach damals wie heute!

Jan van Eyck, Der heilige Hieronymus im Gehäuse von 1442

 

Quelle: http://quadrivium.hypotheses.org/162

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Ungeklärte Provenienz von Urkunden aus dem 12. bis 19. Jahrhundert

Crowdsourcing-Projekt des Staatsarchivs Hamburg

1919/1920 erwarb das Staatsarchiv Hamburg neben ca. 40.000 Siegeln und einer dazugehörigen Fachbibliothek Urkunden und Wappenbriefe von den Erben des Hamburger Kaufmanns Paul Trummer. Die Sammlung, deren Schwerpunkt auf den Siegeln liegt, entstand Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts.

Da das Interesse Paul Trummers beim käuflichen Erwerb den Siegeln galt, fehlt der Urkundensammlung eine innere Systematik. Die Urkunden stammen aus ganz Deutschland und aus weiten Teilen Europas; u.a. aus England, Spanien, Frankreich, Russland und den Niederlanden. Auch Papsturkunden werden in der Sammlung aufbewahrt.

Bereits beim Erwerb der Urkunden durch das Staatsarchiv Hamburg waren sich die Archivare im Klaren, dass den Urkunden der Zusammenhang zu den Beständen des Staatsarchivs fehlt; die Stadt Hamburg hatte allerdings ein testamentarisch verfügtes Vorkaufsrecht und die Urkunden sollten bei den Siegeln der Siegelsammlung bleiben.

Die Urkunden blieben ein Fremdkörper im Staatsarchiv Hamburg: Bis heute steht die Erschließung der Urkunden aus, der Forschung sind die Urkunden kaum bekannt.

Das Staatsarchiv Hamburg möchte nun in einem Crowdsourcing-Projekt die Provenienz der Urkunden klären und stellt Arbeitsdigitalisate der Urkunden auf Flickr (https://www.flickr.com/photos/staatsarchiv_hamburg/) zur Verfügung. Interessierte sind eingeladen, mit Hilfe der Kommentarfunktion Angaben zu den Urkunden beizusteuern, die sie zu identifizieren helfen. Vorbehaltlich der Klärung rechtlicher Voraussetzungen wird eine Rückführung auf der Grundlage des Provenienzprinzips in Betracht gezogen. Der Sammlungszusammenhang bliebe durch das Staatsarchiv Hamburg dokumentiert.

In einer ersten Phase wurden zunächst 150 Urkunden digitalisiert und online gestellt, die Online-Stellung der übrigen Urkunden ist geplant.

via Marburger Mailingliste

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1315

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Archäologisches zum Kloster Lorsch

Archäologische Forschung wird im Kloster Lorsch seit dem 19. Jahrhundert betrieben. Moderne Untersuchungen wurden vom Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit in Bamberg von 1998 bis 2008 durchgeführt. Die Grabungen sind noch nicht abschließend ausgewertet und vorgelegt. Zur Zeit  finden Ausgrabungen vom Lehrstuhl für europäische Kunstgeschichte in Heidelberg statt. Ich selbst habe meine Magisterarbeit in Bamberg zu dem Lorscher Gründungskloster Altenmünster geschrieben. Die Arbeit mit dem Titel: “Altenmünster – Seehof – Kreuzwiese. Neue Betrachtungen zum Siedlungsraum Lorsch von der Spätlatènezeit bis zum […]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/6800

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Aus heiterem Himmel

Zu meiner außerordentlichen Freude, obschon bei Licht betrachtet völlig unverdienterweise ist TEXperimenTales von der Jury (die ich – in Unkenntnis der Zusammensetzung – gar nicht bestechen konnte) auf einen geteilten Platz 5 bei der Wahl zum #dehypoaward2014 gehievt worden. Das ist zwar ein Abstieg im Vergleich zum letzten Jahr, wo mein Blog (da allerdings vom Publikum) auf den 4. Platz gewählt wurde, aber in Anbetracht der Tatsache, dass die Frequenz der Beiträge merklich abgenommen hat, für mich zumindest überraschend. Der “quantitative Einbruch” wird auch in der ausführlichen Laudatio thematisiert, wo man sich auch den kleinen Seitenhieb, mir Authentizität zu unterstellen, nicht verkneift. Wie sagt man bei solchen Gelegenheiten: Diese Auszeichnung sei mir Ansporn und Verpflichtung zugleich!

Quelle: http://texperimentales.hypotheses.org/1022

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Layout und Wissensvermittlung in zwei österreichischen Legendaren (Heiligenkreuz, Stiftsbibliothek, Csc. 11-14; Zwettl, Stiftsbibliothek, Cod. Zwetl. 13-15, 24)

Abstract zum Dissertationsprojekt Layout und Wissensvermittlung in zwei österreichischen Legendaren (Heiligenkreuz, Stiftsbibliothek, Csc. 11-14; Zwettl, Stiftsbibliothek, Cod. Zwetl. 13-15, 24) Mit dem Magnum Legendarium Austriacum ist ein Textcorpus aus dem späten 12. und beginnenden 13. Jh. überliefert, das vornehmlich in österreichischen Klöstern Verbreitung fand. Er stellt eine Kompilation von ungefähr 580 Viten dar. Das Kompendium ist in sechs Textzeugen überliefert, von denen jedoch keiner für sich vollständig ist. Der Fokus der Dissertation liegt zunächst auf den Exemplaren von Heiligenkreuz und Zwettl, die als Zeugnisse […]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/6760

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Vortrag: 1830 et 1848, révolutions européennes et mouvements transnationaux (Sylvie Aprile)

Sylvie Aprile, Professorin für Histoire contemporaine an der Université Lille 3 und aktuelle Präsidentin der „Société d’histoire de la Révolution de 1848 et des révolutions du XIXe siècle“, hat am vergangenen 11. Februar 2014 an der Universität Freiburg im Breisgau einen Vortrag zu einem der gleichzeitig interessantesten und schwierigsten Aspekte der Revolutionen von 1830 und 1848 gehalten, nämlich zu ihrer transnationalen Dimension. Obwohl bereits den Zeitgenossen klar vor Augen stand, dass es in beiden Fällen einen gesamteuropäischen, in Ansätzen sogar globalen Zusammenhang der Ereignisse gab, ist sich die Historiographie – oder vielmehr: sind sich die Historiographien verschiedener europäischer Länder und politisch-ideologischer Lager – bislang nicht einig geworden über die beste Art, diesen Zusammenhang zu konzeptualisieren und zu beschreiben1. Dies lässt sich selbst an so grundlegenden Dingen ablesen wie der Frage, ob von einer europäischen Revolution von 1848 gesprochen werden kann oder nur von multiplen gleichzeitigen Revolutionen, die miteinander auf näher zu definierende Weise verbunden waren. Möglicherweise können auch beides sinnvolle Zugänge sein, wie sich etwa an einem jüngst von Sylvie Aprile mitherausgegebenen Sammelband zu 1830 ablesen lässt, der zwar im Titel von „les révolutions de 1830 en Europe“ spricht, dessen Einleitung aber mit „Une révolution transnationale“ überschrieben ist2.

Wichtig wäre aber jedenfalls, so Aprile in ihrem Freiburger Vortrag, die Überwindung dessen, was sie histoires cloisonnées nennt: in sich abgeschlossener nationaler Geschichtserzählungen, deren Interpretamente in den meisten Fällen von der teleologisch vorgegebenen Notwendigkeit geprägt waren und sind, die revolutionären Ereignisse in ein Narrativ der letztlich geglückten Nationalstaatsbildung einzuordnen. Sie plädierte weiterhin für eine Öffnung der Revolutionsforschung nach mehreren Richtungen, nämlich definitorisch, räumlich und zeitlich: von einer einseitigen Konzentration auf die spektakulärsten insurrektionellen Ereignisse hin zur Erforschung der vielen kleineren Protesthandlungen und Verschiebungen politischer Praxis und Symbolik; von der Festlegung auf wenige Zentren der Revolution, denen vorgeblich apathische „Peripherien“ gegenübergestanden wären, hin zum vielfach lohnenden näheren Blick auf die Letzteren; und von der Betrachtung einzelner Jahre wie 1830 oder 1848 als inselhafte Zäsuren hin zur Analyse der Sequenzen niederschwelligen Protests, die vorangingen und nachfolgten. Nicht zuletzt aber wären die in den letzten Jahrzehnten sprunghaft weiterentwickelten Ansätze und Perspektiven der transnationalen Geschichtsforschung, insbesondere der „verflochtenen Geschichte“, verstärkt in der Revolutionsforschung anzuwenden: histoire croisée als Antidot zur histoire cloisonnée.

Wir entnehmen diese Informationen dem ausführlichen Vortragsbericht von Axel Dröber (in französischer Sprache), der auf dem Blog des Deutschen Historischen Instituts Paris „Das 19. Jahrhundert in Perspektive“ veröffentlicht worden ist. Allen Interessierten sei natürlich die Lektüre des vollständigen Berichts wärmstens empfohlen!

  1. Auseinandersetzungen mit diesem Problem bieten etwa KAELBLE, Hartmut: 1848: Viele nationale Revolutionen oder eine europäische Revolution?, in: HARDTWIG, Wolfgang (Hrsg.): Revolution in Deutschland und Europa 1848/49, Göttingen 1998, 260–278; MIDDELL, Matthias: Europäische Revolution oder Revolutionen in Europa, in: FRÖHLICH, Helgard – GRANDNER, Margarete – WEINZIERL, Michael (Hrsg.): 1848 im europäischen Kontext (Querschnitte 1), Wien 1999, 9–34.
  2. FUREIX, Emmanuel: Une révolution transnationale, in: APRILE, Sylvie – CARON, Jean-Claude – FUREIX, Emmanuel (Hrsg.): La Liberté guidant les peuples. Les révolutions de 1830 en Europe (Époques), Seyssel 2013, 7–32.

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/527

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Löwen vor den Toren: Exoten halten Wache

Die Idee des Wächterlöwen (shishi 石獅, d. i. “Steinlöwe”) erreichte China mit der Ausbreitung des Buddhismus von Südasien über die zentralasiatischen “Seidenstraßen”. In Südasien wurde der Löwe als Symbol der Herrscher betrachtet. Im Gegensatz zu Indien und Persien waren Löwen in China nicht einheimisch. Erst durch ausländische “Tributgesandtschaften” waren Löwen als Geschenke nach China gekommen.[1]

lion, Qianqingmen

Löwe vor dem Qianqingmen (“Tor der Himmlischen Klarheit”), Kaiserpalast, Beijing – Foto: Georg Lehner

Im Laufe der Zeit transformierte man in China das mächtige, aber gefährliche exotische Tier zu einer durchaus verbreiteten Wächterfigur, die vor Palästen, Gräbern und Tempeln zu finden ist[2]. Nicht immer, jedoch sehr häufig, sind diese vor den Eingängen zu diesen – in unserem Zusammenhang in erster Linie interessierenden traditionellen – Gebäuden paarweise zu finden.

In aller Regel findet sich zur Linken ein weibliches und zur Rechten ein männliches Tier – wobei beide mit einer auffallenden Mähne ausgestattet werden. Zur Unterscheidung des weiblichen und des männlichen Tiers genügt an und für sich ein Blick auf die Pranken:

Unter der linken Pfote des männlichen Löwen ist ein gestickter Ball [auf unserem Bild ganz offensichtlich unter der rechten!], unter der rechten Pfote des weiblichen ein Löwenbaby. Je nach dem Rang des Beamten haben die Löwen vor seinem Amtsgebäude eine größere oder kleinere Anzahl von Beulen auf dem Kopf. Der linke Löwe kann auch das Amt des T’ai-shih (Größter Meister), eines der höchsten Ämter im Staat, der rechte das des Shao-pao (Kleinerer Beschützer, ebenfalls ein hohes Amt im kaiserlichen China) symbolisieren.[3]

Nach Eberhard sind diese “Löwentorwächter” in China bereits für das 3. Jahrhundert n. Chr. bezeugt. Zum gestickten Ball gibt es zwei Interpretationen: nach der ersten enthält der Ball das “Löwenjunge wie in einem Ei”, nach der anderen “ist es kein Ball, sondern eine große Perle, mit der der Löwe zur Beruhigung seines Temperaments spielt.”[4]

  1. Vgl. dazu Ronald G. Knapp: Things Chinese. Antiques – Crafts – Collectibles (North Clarendon VT/Tokyo/Singapore 2011) 141 (“Guardian lion”; u.a. mehrere Abbildungen von Wächterlöwen ebd., S. 140) sowie Patricia Bjaaland Welch: Chinese Art. A Guide to Motifs and Visual Imagery (Singapore 2008) 135 f. (“Lion”).
  2. Beispiele bei Knapp/Freeman: Things Chinese, 141
  3. Wolfram Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole. Die Bildsprache der Chinesen (München, 5. Aufl., 1996) 181 (“Löwe”). Zu den beiden hier erwähnten Ämtern vgl. auch Welch: Art, 136. Demnach waren diese der taishi 太師 , der Lehrer des Kaisers und der shaoshi 少師, der Mentor des Kronprinzen.
  4. Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole, 181 f..

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1041

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Meine eigenen Erfahrungen mit Crowdsourcing: Achtung, Crowdsourcing kann gefährlich sein!

artikelbildWie teils in den vorangegangenen Artikeln dieser Serie beschrieben, gibt es vielfältige Anwendungen für Crowdsourcing:

  • Lösung von naturwissenschaftlichen Problemen (z.B. foldit),
  • Verschlagwortung kunstgeschichtlicher Bilder (z.B. ARTigo),
  • Erfindungen neuer Produkte (z.B. Tchibo),
  • Design von T-Shirts (z.B. Spreadshirt)
  • Die crowdbasierte Kunst von Aaron Koblin
  • Etc.

Das crowdgesourcte Design in der Titelzeile

In der wechselnden Titelzeile dieser Seite können Sie sehen, dass es vier verschiedene, von Kindern gestaltete Schriften gibt, die den Namen meines Blogs „Computerspiel und Ästhetik“ darstellen. Ich hatte an der Aktiven Schule Petershausen, an der ich als Lernbegleiterin für das Fach Kunst tätig bin, zu einem kleinen Crowdsourcing-Design „contest“ aufgerufen. Vier Kinder haben sich beteiligt, Janika, 9 Jahre, Lili, 11 Jahre, Antonia, 10 Jahre und Jamie, 10 Jahre. Nun ja, ich habe zu dieser Crowd Zugang und meine Designer sind halt 9 bis 11 Jahre alt. Also – Crowdsourcing kann man auch mit Kindern machen :-) .

Crowdsourcing-Verfahren zur individuellen Leistungssteigerung

Weitere Projekte, die ich im Crowdsourcing-Bereich initiiert habe, hatten folgende Intentionen:

Insgesamt habe ich drei solcher Projekte angestoßen:

  • Mit Kühlschrankmagneten konnten Worte und Sätze gelegt werden. Material: Magnetwörter (Zeitraum: August bis Dezember 2009).
    durch-mein-sein-sei-licht

 

 

 

  • Modellieren. Material: Modelliermasse, weißes Holzbrett, Kamera. (Zeitraum: Juli bis November 2011)
    modell1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich stellte jeweils die Materialien zur Verfügung. Beim ersten Projekt (Worte und Sätze legen) habe ich noch selbst fotografiert. Später habe ich eine Kamera bereitgestellt und die Teilnehmer haben die Fotos selbst gemacht.

Fazit:

Diese Art von Crowdsourcing ist ein Wagnis; das Resultat oder Ergebnis kann man allenfalls erahnen. Das ganze entwickelt eine Dynamik, die man nicht vorhersagen kann.

  • Macht jemand mit und wie ist die Resonanz?
  • Wie wird das Projekt aufgefasst/verstanden?
  • Welche Ideen entstehen?
  • Welche Wirkung hat es?

Insgesamt war die Resonanz positiv und solche Projekte haben zudem das Potential, Gemeinschaften zu stärken. Es kann auch sein, dass Probleme aufgedeckt werden.

Dabei ist zu beachten, dass diese Projekte nur sinnvoll sind, wenn Kreativität wirklich angefacht werden soll, und dies von Seiten des Arbeitgebers auch erwünscht ist. Nicht jeder Arbeitgeber möchte kreative Arbeitnehmer. Diese bergen schließlich auch Gefahren, weil sie dann dazu angeregt werden, z.B. auf eigene, neue Lösungen zu kommen. Man befürchtet in dem Fall, dass die Kosten steigen; und diese Sorge ist nicht unberechtigt:

Neulich wurde eine Lieferung Zucker feucht. Die Pakete lagen in der Küche der Firma zum Trocknen zunächst nebeneinander auf der Arbeitsfläche. Irgend jemand hat sie dann zu kunstvollen Türmen verbaut. Die Kollegin, die sie zum Trocknen hingelegt hatte, zerstörte die Bauten mehrfach, um den Trocknungsprozess zu beschleunigen, aber immer wieder wurde mit den Zuckerpaketen etwas konstruiert.

Diese Transferleistung im analogen Bereich ist harmlos. Fühlen sich Mitarbeiter aber ermutigt, Transferleistungen auf ihre Arbeit an realen Arbeitsprojekten zu beziehen, dann geraten Vorgesetzte, die Kreativität grundsätzlich mit Argwohn betrachten, in für sie unkalkulierbare Situationen.

Zur Wissenschaftlichkeit kreativitätsfördernder Crowdsourcing-Maßnahmen

Förderung der Kreativität heißt: dazu anregen, etwas zu tun, was man bisher noch nicht getan hat, was neu ist, was unüblich ist, was auch in einer bestimmten Arbeitsumgebung nicht alltäglich ist. Denn: Neue, aufmerksamkeitsgesteuerte Erfahrungen in positiver Atmosphäre führen zu einer neuroplastischen Reaktion unseres Gehirns, d.h. in den Bereichen, die das neue Tun steuern, entstehen neuronale Verbindungen, die jetzt „benutzt“ werden können [1].

Ich bin daher überzeugt, dass Kreativität auch mit Crowdsourcing-Verfahren angeregt werden kann. Diese Überzeugung beruht auf Beobachtungen und auch Gesprächen, die ich mit den Beteiligten geführt habe. Für eine wissenschaftliche Betrachtungsweise solcher Projekte müsste der kreativitätsfördernde Effekt gemessen werden. Ich würde das gerne machen, bin aber derzeit mit meiner Diss ausgefüllt. Wer die Wirksamkeit feststellen möchte, der darf sich bei den o.g. Ideen gerne bedienen.

Weitere Artikel dieser Serie:

  1. Auftakt zur Artikelreihe: Was macht Crowdsourcing erfolgreich?
  2. Crowdsourcing: Definition und Prozessbeschreibung
  3. Die Auswirkung von Kontrolle und Orientierung auf Crowdsourcing
  4. Die Auswirkung von Gemeinschaft auf Crowdsourcing
  5. Die Auswirkung von Selbstwerterhöhung auf Crowdsourcing
  6. Die Auswirkung von Lustgewinn und Unlustvermeidung auf Crowdsourcing
  7. Crowdsourcing – ein Prinzip mit eingebauter Erfolgsgarantie
  8. Meine eigenen Erfahrungen mit Crowdsourcing

Literatur

[1] Spitzer, Manfred: Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens, Heidelberg 2006

Quelle: http://games.hypotheses.org/1590

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Abstract zum Vortrag “Partizipation durch Standardisierung? Erschließung vor dem Hintergrund fortgeschrittener Nutzeremanzipation” von Karsten Kühnel

Partizipation durch Standardisierung? Erschließung vor dem Hintergrund fortgeschrittener Nutzeremanzipation

Karsten Kühnel

Ausgehend von der These, dass ein wesentliches Merkmal von Archive 2.1 die Einbindung der Nutzer in das archivarische Kerngeschäft sei, beleuchtet der Referent Voraussetzungen, die ein Crowdsourcing-Management, dessen Ziele maßgebend von den Nutzern mitbestimmt werden, ermöglichen können.
Der „Archival Divide“ zwischen Historikern und Archivaren führte zu einem heute vielerorts anzutreffenden Unverständnis von archivischen Erschließungsgrundsätzen seitens der Historiker. So wird mitunter auch das Provenienzprinzip von Vertretern der Geschichtswissenschaft als nicht mehr zielführend kritisiert, da man als Nutzer „nach Themen, nicht nach Herkunftsstellen“ suche. Heute können Archivare diesem Defizit methodisch auf neue Weise begegnen.
In einer digitalen Welt sind es nicht mehr die Dinge, durch deren Anordnung erkennbare Ordnungssysteme entstehen, vielmehr entsteht Ordnung durch das Arrangement der den Dingen beigegebenen Metadaten. Gleichwohl behält der Archivar die Aufgabe, Transparenz, Kontexte und Authentizität der Quellen bei der Erschließung zu bewahren, indem er die dafür einsetzbaren Metadatensets vorgibt und standardisiert. Allerdings ist es ihm in einer digitalen Welt zudem möglich, Beziehungsgemeinschaften mehrerer Ebenen sichtbar zu machen, ohne durch die Betonung des einen Beziehungsstrangs den anderen auszublenden. Dabei kann es sinnvoll sein, den egoistischen Wunsch des Historikers, Themen, nicht Herkunftsstellen zu erkennen, ein Stückweit zu adaptieren. Ungeachtet der Notwendigkeit klassisch provenienzorientierter Erschließung kann der Blick auf für das Schriftgut entstehungsursächliche Funktionswahrnehmungen die sachbezogene Ausrichtung der Ordnung und Erschließung bei der Visualisierung von Erschließungsprodukten bedarfsgerecht in den Vordergrund rücken.
Die Ordnung oder Sortierung von Verzeichnungseinheiten auf der Grundlage ihrer Metadaten ist flexibel, wenn die Metadatensätze Flexibilität vorsehen. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, zu einer vom einzelnen Nutzer vorzunehmenden Metadatenpriorisierung und nachfolgenden, auf das einzelne Nutzungsvorhaben zugeschnittenen Bestands- und Findmittelgenerierung zu gelangen, sind Erschließungsarbeiten in nicht unerheblichem Umfang zu leisten. Das digitale Metadatenmanagement bricht mit monohierarchischen Strukturen und strebt nach Ontologien. Die Archive geraten hier an die Grenzen ihrer Ressourcen und die Partizipation des emanzipierten Nutzers wird zur Notwendigkeit für moderne Erschließung, das Social Web 2.0 zur Plattform und zum Werkzeugkasten. Dabei spielen Standardisierungen eine wesentliche Rolle. Übergreifend genutzt und durch Metadaten arrangiert werden können nur solche Archivgutbeschreibungen, die sowohl inhaltlich als auch formal denselben Standards folgen.
Standardisierung durch Archivare und Partizipation qualifizierter und emanzipierter Nutzer werden somit zur Bedingung für ein Erschließungsmanagement, das die Einbindung externer Ressourcen ins Kerngeschäft eines Archivs zum Modell und perspektivisch zur Regel machen will.

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1258

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Zum Hofstaat Tillys, I: Personalia

Tilly führte Krieg für den Kaiser und die Katholische Liga. Nur er allein? Oder hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich? Wir wissen es gar nicht so genau, wollen es ihm aber gerne gönnen. Wer das engere Umfeld des Generalleutnants bildete, dazu wird man Aufschluß aus einer Aufstellung des sog. „Hofstaats“ erwarten können, der im November 1623 im Gebiet um Fulda Quartier nahm.

Der Begriff des Hofstaats entstammt dem Brief, in dem der Generalleutnant dem Fuldaer Fürstabt die Notwendigkeit der Quartiernahme erläuterte. „Hofstaat“ mag insofern irritieren, als er die Vorstellung eines staatlichen, womöglich repräsentativen Gefolges befördert. Davon wird kaum die Rede sein können. Vielmehr handelte es sich hauptsächlich um Angehörige der Militärverwaltung, die dem Generalleutnant zuarbeiteten. Die Auflistung dieser Personen ist hier einfach nur als „Verzaichnus“ deklariert und stellt die Beilage zum obengenannten Brief dar (Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen A 10, Bd.2 Manuskripte II, Bd. 93: Fürstabtei Fulda fol. 184-185‘). Erläutert wird das Verzeichnis als eines „Der Jenigen Persohnen vnnd officiern, so von Fr. Fuldischen Dorffschafften sollen vnndterhalten werden.“ Im Weiteren werden dann die einzelnen Namen genannt sowie die Leistungen, die von den Dörfern täglich zu erbringen waren.

An erster Stelle steht „Commissar[i] von Lerchenfeldt“. Bei ihm handelt es sich um den Christoph von Lerchenfeld, der als Kriegskommissar im Heer der Katholischen Liga fungierte. Er war schon früh zum Generalkommissar aufgestiegen (wann genau, kann ich nicht festmachen) und zählte mit Hans Christoph von Ruepp zu den engsten Mitarbeitern Tillys. Seltsam, daß Ruepp hier gar nicht auftaucht. An seiner statt taucht vielmehr ein gewisser „Laininger“ auf. Auch er ist als Kriegskommissar Leiningen nachgewiesen, ist aber ein deutlich blasserer Name (siehe Briefe u.Akten, Bd. 2,2 [1625]: S. 16, Z.30; S. 64, Z. 20; S. 130, Z. 39). Vorher genannt ist noch der Generalprofoß, also der oberste Träger der Polizeigewalt in der Armee – allerdings ist hier nur das Amt angeführt ohne Namensnennung.

Weiter taucht ein Freiherr von Wolkenstein auf. Der Name läßt aufhorchen, denn die Familie spielte damals in Bayern eine wichtige Rolle. Bekannt ist vor allem Paul Andreas von Wolkenstein, der Geheimer Rat war. Ihn wird man aber nicht im Feldlager vermuten dürfen. Wahrscheinlich handelt es sich hier eher um Mathias Meinrad von Wolkenstein, der noch 1625 in ligistischen Diensten nachgewiesen ist (Briefe u.Akten, Bd. 2,2: S. 228 Anm. 1).

Als Gruppe zusammengefaßt werden dann folgende Namen genannt: Mons. Tserclaes, Champagne, La Ramé, Geraldin und Merzenich. Ersterer ist sicherlich nicht Tilly selbst, sondern muß ein Verwandter sein. Die anderen Namen kann ich derzeit nicht weiter identifizieren. Ebenso wenig einen „Mons. Tamison“. Ohne Namen angeführt sind wiederum der Apotheker und der Feldscherer. Am Ende taucht ein „Haubtman Eroltzhaimern“ auf, danach „dessen Leittenambt vnd Fendrich“. Erstmals sind hier militärische Chargen angesprochen – ob es sich um Soldaten von Tillys Leibkompagnie handelt? Einordnen kann ich all diese Namen leider nicht.

Und so bleibt an der Stelle ein deutlich unbefriedigender Eindruck: Man hat einen ersten, wenn auch nur schemenhaften Eindruck davon, wer zum engeren Umfeld des Feldherrn der Katholischen Liga gehört. Denn dieses eine Dokument wirft mehr Fragen auf, als daß es welche beantwortet: Funktionen und auch das jeweilige Verhältnis zum Generalleutnant bleiben ungenannt. Dies ist um so bedauerlicher, als zu Tillys Gefolge definitiv ein Beichtvater, vor allem aber auch Kanzlisten gehörten, denn der Feldherr führte eine intensive Korrespondenz mit allen möglichen Potentaten und Reichsständen, von Kurfürst Maximilian einmal ganz abgesehen. Von diesen Leuten ist hier niemand nachzuweisen. Sicher wird man in einigen Punkten weiterkommen, wenn man weitere Materialien dazu sondiert; allerdings wird dies eine ausgesprochen mühselige Recherche sein. Und so bleibt die oben gestellte Frage, wer Tilly eigentlich im Feld begleitete, deutlich schwieriger, als zunächst angenommen.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/408

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