Reichsstädtische Außenbeziehungen in Kriegszeiten – Aachen im Holländischen Krieg

Nachdem ich mein von Prof. Dr. Michael Rohrschneider betreutes Dissertationsprojekt zu den Außenbeziehungen der Reichsstadt Aachen schon 2018 in einem Werkstattbericht vorgestellt habe, bietet die Publikation der Dissertation[2] selbst Gelegenheit, an dieser Stelle in einem „Abschlussbericht“ die weitere Entwicklung meiner Arbeit und einige der wichtigsten Ergebnisse zu präsentieren.

Eingrenzung des Untersuchungszeitraums

Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgehen, dass sich der Titel meines ursprünglichen Werkstattberichts noch auf einen deutlich längeren Zeitrahmen bezieht, als jener, welcher letztlich in der fertigen Dissertation behandelt wird. Diese Eingrenzung des Untersuchungszeitraums auf die Phase zwischen dem Angriff der französischen Truppen auf die Republik der Vereinigten Niederlande 1672 und dem Abzug der französischen Truppen aus Aachen im Dezember 1679 bot sich an, da im Lauf des Quellenstudiums die Erkenntnis wuchs, dass die Überlieferung insbesondere der Aachener Korrespondenzen mit eigenen Agenten und Syndizi, aber auch den Akteuren der französischen Seite für die Zeit nach 1679 deutlich lückenhafter ist als jene während des Holländischen Kriegs. Die Entscheidung, die Akten aus der Zeit der späteren Kriege Ludwigs XIV. auszuklammern, ermöglichte somit eine stärkere Fokussierung und intensivere Untersuchung eines trotz einiger kleinerer Überlieferungslücken insgesamt kohärenten und außerdem recht umfangreichen Quellenkorpus.

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Quelle: http://histrhen.landesgeschichte.eu/2023/04/aachen-im-hollaendischen-krieg/

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Die Damen der Kaiserin: Der Orden der „Sklavinnen der Tugend“ (Teil 2)

Neben der im letzten Blogeintrag vorgestellten Satzung des Ordens ist die von Ferdinand Albrecht von Braunschweig-Wolfenbüttel mitgeteilte, von Köhler für seine „Münz-Belustigung“ leicht bearbeitete Liste der Mitglieder1 eine der wenigen Quellen, die Auskunft über den Charakter der Vereinigung der „Sklavinnen der Tugend“ geben kann. Diese Liste wird hier im Anhang in bearbeiteter Form wiedergegeben: Die Damen wurden identifiziert und in den meisten Fällen mit Hinweisen auf biographische Angaben versehen. Auch wenn besonders letzteres noch fragmentarisch ist, da hier natürlich weder Literatur noch Archivmaterial umfassend berücksichtigt werden konnten, ergeben sich dadurch einige Erkenntnisse.

 

Zunächst einmal wird schnell deutlich, dass die Zusammenstellung nicht nur den Stand der Mitgliedschaft im Jahr 1675 wiedergibt, als der Herzog von Braunschweig in Wien weilte und seine Gemahlin Mitglied im Orden wurde. Vielmehr umfasst sie alle, zumindest alle dem Herzog bekannt gewordenen Damen, die Mitglied waren und von denen einige bereits verstorben waren2. Köhler hat die Liste um eine Dame ergänzt; einen weiteren Namen liefert die Akte im Staatsarchiv Aurich, aus der im letzten Blog auch die Satzung wiedergegeben wurde, sowie der Beitrag von KLaus Feder über das Ordenszeichen.

Damit sind jetzt 71 Damen bekannt, die der Vereinigung angehörten.

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Quelle: http://kaiserin.hypotheses.org/331

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Wie wird man Kaiserin? Eine Klarstellung zu den Titeln Maria Theresias

Das Datum des 300. Geburtstages Maria Theresias naht mit Riesenschritten, und deshalb ist sie derzeit – nicht nur innerhalb Österreichs, aber natürlich vor allem hier – in aller Munde, will sagen in allen Medien präsent. Dabei gibt es zu ihren Titeln und ihrem Rang sehr eigenartige und sich widersprechende Äußerungen: Heute postulierte sie ein öffentlich-rechtlichen Radiosender zur „Kaiserin von Österreich“1, während andere behaupten, sie sei niemals Kaiserin gewesen. Die aktuelle Nummer der Zeitschrift TV-Media hält fest, man habe sie als „König von Ungarn“ bezeichnet, weil es keine weibliche Form des Titels gegeben habe2. Alle drei Positionen findet man freilich auch in wissenschaftlicher Literatur bzw. aus der Feder von Historikern, aber alle drei sind völliger Unsinn.

Eigentlich habe ich es mir in meinem Blog zur Aufgabe gemacht, eben über diejenigen Kaiserinnen zu schreiben, die bislang weniger Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit wie in der Forschung gefunden haben. Das Unwissen, dass sich hier im Fall Maria Theresias offenbart, legt jedoch nahe, ihre derzeitige Publizität zum Ausgangspunkt zu nehmen, um eine grundlegende Frage noch einmal aufzugreifen3: Wie wird man Kaiserin – und in welchem Reich?

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Quelle: http://kaiserin.hypotheses.org/248

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Dressed to impress – Ein „kaiserlicher“ Exkurs

Krone, Schwert, Szepter, Reichsapfel, Stefansburse, Heilige Lanze, der aus vielen Teilen bestehende Krönungsornat – im Zentrum der Krönung im Reich stand immer eine Reihe von Insignien, in denen sich Herrschaft dinglich verkörperte. Auch die Kaiserin empfing Krone, Szepter und Reichsapfel1; andere Teile der Insignien blieben ihr verwehrt; insbesondere ein Krönungsornat. Sie wurde in kostbaren, weißgoldenen Kleidern nach der jeweiligen Mode der Zeit gekrönt. Für den König bzw. Kaiser jedoch war die Vorbereitung auf seine Krönung jeweils mit einem besonderen Akt verbunden – mit der Anprobe der zahlreichen Teile des historischen Ornats. Dazu gibt es im Archiv der Reichsstadt Nürnberg für die frühneuzeitlichen Krönungen lebendige Berichte, von denen einer heute hier vorgestellt werden soll.

Wie im Vorfeld jeder Krönung, so reisten auch im Dezember 1636 Deputierte des Nürnberger Rates mit umfangreichem Geleit zum Krönungsort und überbrachten die seit 1423 im Heiliggeist-Spital der Reichsstadt aufbewahrten Insignien und den Ornat in einem prachtvollen Kasten2. Im Jahr 1636 war ein weiteres Mal nicht Frankfurt am Main, sondern Regensburg dieser Krönungsort, wohin Kaiser Ferdinand II.

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Quelle: http://kaiserin.hypotheses.org/198

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Von der Regierung einer Kaiserin: Melchior Goldast und seine „Reichs-Satzungen“

Melchior Goldast von Haiminsfeld (1578-1635) stammte aus einer nicht unbegüterten Schweizer Familie und hatte nach dem Schulbesuch in Memmingen in Ingolstadt und Altorf die Rechte studiert. Zunächst lebte er als Privatgelehrter in Genf und Sankt Gallen, wo er insbesondere in Bibliothek und Archiv des Klosters intensiv arbeitete. Nachdem es dort um Streitigkeiten um seinen Umgang mit den Manuskripten gekommen war, hielt er sich seit 1606, zunächst als Erzieher eines Sohnes der adligen Familie Hohensax, meist in Frankfurt am Main auf.

Er wirkte vornehmlich als juristischer Berater und Gutachter für mehrere Reichsfürsten, etwa die Herzogin von Sachsen-Weimar, den Grafen von Holstein-Schaumburg in Bückeburg und die Landgrafen von Hessen. Neben seiner juristischen Tätigkeit war er ein manischer Büchersammler; seine Bibliothek wurde später von der Stadt Bremen angekauft und bildete den Grundstock der Stadtbibliothek1.

In unserem Zusammenhang ist Goldast deshalb von Bedeutung, weil er einer der ersten war, der in umfangreichen Editionen bedeutende Quellen zur Reichs- und Rechtsgeschichte vorlegte und damit eine Basis für die Entwicklung des öffentlichen Rechtes im Alten Reich lieferte2. Zu seinen Lebzeiten nicht unumstritten und heutigen Anforderungen natürlich nicht entsprechend, sind seine Sammlungen jedoch bis heute nicht vollständig ersetzt.

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Quelle: https://kaiserin.hypotheses.org/104

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Ein Bild vom Alten Reich

Das Bild, dessen Zentrum im Header des Blogs wiedergegeben wird, ist mehr als ein Porträt des Kaiserpaares Leopold I. und Eleonore Magdalena von Pfalz-Neuburg. Die Darstellung selbst und der bisherige Umgang mit ihr sind vielmehr in mindestens zweierlei Weise aussagekräftig in Hinblick auf ein Forschungsvorhaben zu Kaiserin und Reich:

Kaiser Leopold I. und seine dritte Gemahlin Eleonora Magdalena sind auf einem Adler sitzend dargestellt. Das Tier wie die Blitze in der Hand Leopolds kennzeichnen ihn als  Götterkönig Zeus, der hier mit seiner Gemahlin im Zentrum einer umfangreichen Götterversammlung schwebt. Die das Paar umgebenden Personen sind dabei Fürsten und Fürstinnen des Reiches, aber auch die Herrscher anderer europäischer Staaten, teilweise in antikisierender Gewandung, aber mit deutlicher Porträtähnlichkeit dargestellt. Dadurch kann man bedeutende Reichsfürsten erkennen:

So etwa den „Großen Kurfürsten“ Friedrich Wilhelm von Brandenburg (rechts unten), hinter ihm Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Vater der Kaiserin und seit 1685 Kurfürst (über ihm wohl seine zweite Gemahin Elisabeth Amalie von Hessen-Darmstadt) und Kurfürst Johann Georg III.

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Quelle: http://kaiserin.hypotheses.org/60

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Die Gefahr hinter dem Rücken der Priester

  Priester genießen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit eine herausragende religiöse und soziale Stellung. Sie sind (im Katholizismus und der spätmittelalterlichen Kirche) Vermittler zwischen Gott und den Menschen sowie, durch die Ausgabe der Sakramente, Vermittler des ewigen Heils. Sie bilden, im Protestantismus, Pastorendynastien und einen Autoritätspunkt der Dorfgemeinschaft. Ihr Handeln berührt das Heiligste. Und doch ist die Stellung der Priester prekär, besonders in turbulenten Zeiten wie der frühen Reformation. Pfarrer wurden bis weit ins 16. Jahrhundert hinein oft aus handwerklich-bäuerlichen Schichten rekrutiert und waren in ihrer Lebensweise vom Rest des Dorfes nur zu unterscheiden, wenn sie sakrale Praktiken durchführten. Das ist besonders bei der Eucharistiefeier der Fall, aber auch bei anderen sakramentalen und liturgischen Vorgängen. Während die Priester diese Praktiken ausüben, wenden sie dem gemeinen Volk oft den Rücken zu. Sie widmen sich ganz der religiösen Handlung sowie dem heiligen oder zu heiligenden Objekt. Im Moment des Abwendens gewinnen Priester ihre soziale und sakrale Statur. Die Praktik, der Handelnde und das Objekt müssen von allen Teilnehmer/innen des Kultes als besonders “heilig” anerkannt werden. Denn wenn Kleriker dem Volk den Rücken zuwenden, verlieren sie den Überblick und die Kontrollmöglichkeit über die “untergeordneten” Teilnehmer/innen. Sie sind darauf angewiesen, dass die Religionskultur sich in diesem Augenblick selbst trägt. Andernfalls wären Verwerfungen in der Religionskultur und dem gesellschaftlichen status quo die Folge. Und genau das passiert in der frühen Reformationszeit.   Reale Präsenz Christi? Messe des Hl. Gregor im Beisein der Georgsbruderschaft-Mitglieder. Pieter Jansz Pourbus, 1559. (Martens, Maximilian P. J. (Hg.): Bruges and the Renaissance. Memling to Pourbus, Ausstellungskatalog, Ludion 1998, 204.) Ausgerechnet im bayerischen Altötting lässt sich das anhand eines Falls aus dem Jahr 1523 gut beobachten. In dem berühmten und viel frequentierten Marienwallfahrtsort hört der Rentmeister von Burghausen während einer Untersuchungsreise von skandalösen Vorkommnissen. Darüber hat er am 20.8.1523 einen kurzen Bericht an Bayernherzog Wilhelm IV. verfasst.1 Während seines Aufenthalts wurde dem Rentmeister in Altötting ein Mann angezeigt. Zwei Taten dieses Mannes, der wie der/die Anzeiger nicht namentlich genannt wird, werden in dem Bericht nach München erwähnt. Erstens habe der Mann öffentlich gegen die Wundertätigkeit Marias gesprochen. Die Gebete und Hilfegesuche nützten nichts, habe er gesagt. Die Brisanz und die sozial-kulturelle Sprengraft hinter diesem Diskurs werden verständlich, wenn man sich die religiöse und auch ökonomische Rolle von Marienpraktiken und -mobilität in Altötting um 1500 vor Augen hält. Viel schwerer wiegt aber das Handeln des Manns während einer Seelenmesse in der Altöttinger Pfarrkirche. Im Bericht des Rentmeisters heißt es: “Vener hat ain brister in der pfarkirchen im selambt gesungen. Also er sich vor dem Alltar umbkert unnd fur all glaubig selen gepet, hat diser burger gegen seinen mit burger, einen so neben sein gestannden, gered: Sich an den Narn, was dreibt er fur kleifft [in etwa "dummes Zeug", M.M.]. Es ist pueberey [Betrügerei, M.M.], kumbt den sellen nit zu hilf. Mit den unnd dergestallt worden sich grob gehallten.”2 Der Mann verleiht seiner Kritik, sicher nicht zufällig, während einer Seelenmesse Ausdruck. Seelenmessen waren um 1500 ein inflationärer Bestandteil der Zeit- und Totenkultur, ein Aspekt der religion flamboyante (Jacques Chiffoleau). Durch das Lesen einer oft großen Anzahl von Messen sollte die Zeit der verstorbenen, sündigen Seelen im Fegefeuer verkürzt werden. Die Messpraktik bildete also auch eine Art zeitlich-vertikale Kommunikations- und Affektlinie zwischen Lebenden und Toten. Diese Totenkultur lehnen Evangelische seit den 1520er Jahren zunehmend ab. Reformatorische Theologen sehen den Weg zum Heil in Glaube und Gnade, der Mensch ist dabei machtlos. Sie und immer mehr ihrer Anhänger verwerfen das Fegefeuer. In diesem Umfeld entstehen distinktiv evangelische Totenkulturen mit anderen Wissensordnungen und Praktiken, die klare Unterschiede zwischen den späteren Konfessionen entwickeln sollten.3Die ablehnende Sinnzuschreibung zur alten, nun altgläubigen Seelenmesse und der Kultur, in der diese praktiziert wird und die diese repräsentiert, drückt der Anonymus in Altötting aus durch Spott (der Pfarrer als Narr und Betrüger) und eine evangelische Deutung (Messen nützen den Seelen nicht). Wichtig ist der exakte Augenblick, zu dem der Mann diese Aspekte evangelischer Religionskultur in Worte fasst. Es ist der Moment, in dem sich der Priester zum Altar hin umdreht, um für alle gläubigen Seelen (auch die der Anwesenden) zu bitten. Er steht mit dem Rücken zum Volk, wie üblich während der Messliturgie. Nun sollte der oben skizzierte, sozial-religiöse Sakralitäts-Automatismus Umdrehen-Praktik-Objekt greifen. Doch der funktionniert eben nur in einer weitestgehend homogenen Religionskultur. Darin müssten die Messbesucher/innen zumindest äußerlich den Praktiken, Objekten und der Rolle des handelnden Priesters die gleiche Deutung und die gleiche Wirkung zuschreiben. Das Kultursystem müsste so internalisiert sein, dass es sich selbst trägt. Da schert der Anonymus in Altötting aus. Er greift die Praktik, den Zelebranden und die hinter diesen stehende, theologisch-kulturelle Wissensordnung an. Dabei verspottet er zudem die Person des “närrischen” Priesters. Der sakrale Zusammenhang wankt oder gerät in Gefahr – leider kennen wir die Reaktionen der übrigen Messbesucher nicht. Der Mann repräsentiert in dem für die altgläubig-spätmittelalterliche Religionskultur entscheidenden Moment seine in dieser Situation distinktive religiöse Zugehörigkeit und Wissenskultur. “Christus vera lux” – Seelenmessen sind in der lutherischen Totenkultur überflüssig und repräsentieren vielmehr die “andere” Seite. Holzschnitt von Hans Holbein, 1526. (Wikimedia Commons) Dies geschieht in sozialer Interaktion. Der Mann ruft die Worte nicht einfach in die Kirche, sondern sagt sie gezielt seinem Nachbarn, dessen Reaktion leider auch nicht bekannt ist. Da die Worte beim Rentmeister angezeigt werden, ist es sehr wahrscheinlich, dass es in Altötting Einzelne oder Gruppen gibt, die gegen das religiöse Wissen, die situative Differenz und deren öffentliche Manifestierung sind. Merkmale und Momente entstehender, noch sehr an einzelne Situationen gebundener, distinktiver Zugehörigkeiten, werden offenbar und sicher auch verstärkt. Dass der Bruch aber nur in Berührung, Verbindung und direkter Auseinandersetzung mit dem “Anderen” möglich ist, wird ebenso deutlich. Es gibt kein erkennbares “Eigenes” ohne das oder die “Anderen”. Dieser Prozess der ständigen, distinktiven Konstruktion und Aktualisierung – ein langsamer, diskontinuierlicher Prozess – ist typisch für die westeuropäischen Religionskulturen des 16. Jahrhunderts. In den 1520er und 1530er Jahren finden sich erste Merkmale, die von immer mehr Zeitgenossen als bezogen auf distinktive religiöse und somit soziale Zugehörigkeiten gedeutet werden. Mehr als ungewisse Ansätze lassen sich jedoch noch nicht beobachten. Sinnvollerweise ist zu diesem Zeitpunkt also von einer zusätzlichen und in bestimmten, praktischen und kulturellen Momenten distinktiv verstärkten Heterogenität der Religionskulturen zu sprechen. Hölzerne Christusfigur auf dem Esel, repräsentiert den Einzug in Jerusalem. (Das Schweizerische Landesmuseum 1898-1948. Kunst, Handwerk und Geschichte. Zürich 1948, Abb. 32.) Angriffe auf den Preister, wenn er den Rücken bei einer liturigsichen Handlung dem Volk zudreht und darauf angewisen ist, dass sich die soziale und religiöse Kultur selbst trägt, sind zudem keine Seltenheit. Über Messstörungen wird häufig berichtet, viel öfter noch über Predigtstörungen. Gefahr hinter dem Rücken der Priester droht auch bei liturigischen Handlungen am Palmsonntag. Vielfach war es vor der Reformation Brauch, an diesem Tag mit einer großen Prozession einen hölzernen Esel, auf dem eine Christusfigur reitet, in die Kirche zu schieben. Das Volk, das die Prozession begleitete oder am Wegesrand stand, schlug zu bestimmten Augenblicken mit Palmbuschen auf den Esel ein. Die Buschen erhielten dadurch eine sakramentale Funktion, nicht zuletzt deretwegen dieses Rollenspiel von den Reformatoren kritisiert und zusehends aus der evangelischen Kultur verdrängt wurde. So kommt es bei einer Palmsonntagsprozession im schweizerischen Dorf Sommeri am Bodensee zu einem Zwischenfall. Die mehrheitlich evangelischen Bewohner/innen warten den Moment der Prozession ab, in dem der (altgläubige) Pfarrer sich vor dem Esel niederlegt und die Figurenkombination anbetet. Dann schlagen sie auf den Pfarrer ein, nicht nur mit ihren Palmbuschen.4 Der Moment ist aus evangelischer Perspektive perfekt gewählt. Der Pfarrer wendet sich von der Gemeinde ab und begeht die “abgöttische” Praktik mit dem “götzenhaften” Objekt. In diesem Moment werden die Risse in der religiösen Kultur und dem sozialen Gefüge sichtbar. Wenn also in den 1520er Jahren der Priester dem Volk bei liturgischen Handlungen den Rücken zudreht, droht Gefahr: Ihm und der Religionskultur, in der er seine alten und nun altgläubigen Praktiken vollzieht. Der momentane Kontrollverlust ist ein Test dafür, ob die Religionskultur und die soziale Trennung Klerus-Laien von den Letzteren internalisiert und akezptiert ist. Devianzen, andere Kulturen, Wissensordnungen und Praktiken können hinter dem Rücken der Priester besonders gezielt und effektvoll ausgedrückt werden. Unterschiede werden sichtbar und verstärkt. Der anonyme Mann aus Altötting übrigens versuchte sich beim Verhör durch den Rentmeister mehr schlecht als recht herauszureden. Das Lavieren nutzte ihm nichts. Er wurde bis zu einer Entscheidung des Bayernherzogs vom zuständigen Hauptmann eingekerkert.
  1.  Hauptstaatsarchiv München, Kurbayern Äußeres Archiv, 4246, fol. 5r-6v.
  2. Ibid, fol. 5r-5v.
  3.  Siehe die aktuellen Forschungen zum konfessionellen Konflikt um Begräbnisstätten im 16. und 17. Jahrhundert: Luria, Keith P.: Les frontières du sacré, in: Chrétiens et Sociétés 15 (2008); Karant-Nunn, Susan C.: The Reformation of Ritual. An Interpretation of Early Modern Germany (Christianity and Society in the Modern World), London/New York 1997, 133-182; Koslofsky, Craig: ‘Pest’ – ‘Gift’ – ‘Ketzerei’. Konkurrierende Konzepte von Gemeinschaft und die Verlegung der Friedhöfe (Leipzig 1536), in: Jussen, Bernhard/Ders. (Hg.): Kulturelle Reformation. Sinnformationen im Umbruch, 1400-1600 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 145), Göttingen 1999, 193-208; Brademann, Jan/Freitag, Werner (Hg.): Leben bei den Toten. Kirchhöfe in den ländlichen Gesellschaften der Vormoderne (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme 19), Münster 2007. Aktuell zu Sterbekulturen in der Frühen Neuzeit vgl. Thiessen, Hillard von: Das Sterbebett als normative Schwelle. Der Mensch in der Frühen Neuzeit zwischen irdischer Normenkonkurrenz und göttlichem Gericht, in: HZ 295 (2012), 625-659.
  4.  Burg, Christian von: “Das bildt vnsers Herren ab dem esel geschlagen”. Der Palmesel in den Riten der Zerstörung, in: Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte, hg. v. Peter Blickle (HZ Beihefte 33), München 2002, 117-141, hier 133.

Quelle: http://catholiccultures.hypotheses.org/518

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WikiDrucke für das 16. Jahrhundert

Hinter diesem Link verbirgt sich ein neues und, wie mir scheint, durchaus interessantes Projekt. Es handelt sich um ein Wiki, das heißt eine kollaborative Plattform mit wissenschaftlichem Anspruch. Darauf entsteht eine Art Repertorium für die Drucke des 16. Jahrhunderts, das erstmalig Beschreibung der Quelle, Informationen zu den Autoren und den Standorten der Quelle, Inhaltsübersicht, historische Einordnung und weiterführende Links – etwa zu Digitalisaten – verbindet. Initiiert wurde die Plattform von Walter Behrendt (Universität Mailand-Bicocca).

Ist diese Plattform eine Möglichkeit, ein neues, umfassenderes Repertorium von (Flug-)Schriften des 16. Jahrhunderts – auf kollaborative Art – zu erstellen?

Quelle: http://catholiccultures.hypotheses.org/199

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mediaevum.net: Die Klerikerdatenbank der Germania Sacra

http://www.uni-goettingen.de/de/78229.html Die  Klerikerdatenbank dokumentiert die Angehörigen unterschiedlichster geistlicher Institutionen des Alten Reiches und reicht hierbei bis in das Frühmittelalter zurück. Geographisch konzentriert sich die Datenbank gegenwärtig auf die (Erz)diözesen Köln, Würzburg, Mainz und Trier. Erschlossen via GeschichtsLinx | Lexika | Prosopographische Nachschlagewerke | Mittelalterliche Geschichte / Kirchengeschichte (http://geschichtslinx.leilabargmann.de)

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2012/01/2294/

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