So ein Theater

Wer viel fotografiert und sammelt, blickt nach einiger Zeit völlig neu auf die Dinge, erkennt wiederkehrende Motive. So erging es mir mit den antiken Theatern, von denen ich während des Lehrkurses im Sommer 2014 und der Exkursion der Katholisch-Theologischen Fakultät im März 2015 einige Fotos gemacht habe. Warum mich diese Gebäude so fasziniert haben? Vielleicht, weil sich die Architektur im Prinzip in den letzten Jahrhunderten kaum verändert hat (man schaue sich nur moderne Fußballstadien an). Vielleicht, weil die Akustik dort heute noch genauso funktioniert … So ein Theater weiterlesen

Quelle: http://grammata.hypotheses.org/1442

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antikes, interkulturelles Kulturmanagement

Primaporta

Augustus von Prima Porta – Herrscher, Friedensbringer, Kulturvereiner

“Anknüpfungspunkt” ist eines meiner Lieblingswörter, wenn es darum geht, wissenschaftliche Sachverhalte zu vermitteln. Historische und archäologische Forschungsfragen sind oft so spezialisiert, dass ihre Bedeutung sich nicht aus sich und der Präsentation von fertigen Ergebnissen heraus erklärt. Will man sie verständlich darstellen, muss man an das Vorwissen und die Lebensrealität der Zielgruppe anknüpfen. Diese kann die breite Öffentlichkeit sein, aber ebenso kann es darum gehen, Fachwissen über den disziplinären Tellerrand hinaus in andere Bereiche zu übertragen. Kürzlich habe ich ein schönes Beispiel dafür entdeckt, bei dem Informationen zur Antike auf modernes Kulturmanagement und umgekehrt Theorien zu Stadtentwicklung und Creative Cities auf die Antike angewendet werden.

Eleonora Redaellia, assistant professor für Kulturpolitik, -planung und -management an der University of Oregon, hat in der letzten Ausgabe von Urban Geography den Artikel „Becoming a creative city: perspectives from Augustus’ Rome“ publiziert. Sie ist weder Althistorikerin noch Archäologin, aber leitet mit ihrer Expertise für kreative, partizipative Stadtentwicklung aus kulturellen Strategien des augusteischen Roms mögliche Handlungsweisen für moderne Prozesse hin zu Creative Cities ab.



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Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1656

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Archäologie und Öffentlichkeit bei #DGUF2015

Archäologische Kommunikation? Keine Keilschrift, aber immerhin eine Steindruckplatte

Archäologische Kommunikation? Keine Keilschrift, aber immerhin eine Steindruckplatte aus der DASA Arbeistwelt.

Fast ein Monat ist seit der Tagung der DGUF (Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte) zu “Schafft sich die Öffentlichkeit eine andere Archäologie“ vergangen. Drei spannende Tage, die viele Aspekte zusammen gebracht haben, wegen denen sich die Archäologie schwer damit tut, mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Dabei haben die zugrundeliegenden Ängste und Vorurteile für die Onlinekommunikation (dem Thema meines Vortrags) besondere Brisanz. Die zentralen Punkte der Diskussion lassen aber auch hoffen, denn es besteht durchaus ein Bewusstsein dafür, dass sich etwas ändern muss – zumindest bei den auf der Tagung anwesenden Archäologen.

Bilder von dir überdauern – bis in alle Zeit

Erst mal, das hatte ich hier schon kurz angeschnitten, gibt es nicht “die Archäologie” und auch nicht “das Bild” der Archäologie, sondern viele verschiedene, die sich aus den unterschiedlichen Aufgabenfeldern, Einsatzbereichen und Berührungspunkten mit Archäologen, Funden und Befunden erklären.

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Quelle: https://kristinoswald.hypotheses.org/1632

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Popkultur und Fachkommunikation zur Antike

Anfang Mai veranstaltet der Lehrstuhl für Alte Geschichte der Universität zu Köln eine Tagung zur Antike in Science-Fiction-Literatur – ein Thema, das sich nicht nur wunderbar für die Forschung zur Antikenrezeption, sondern auch für verschiedenste Formen der archäologischen und historischen Fachkommunikation eignet, zumal wenn man es auf Antike in der Popkultur erweitert.

Popkultur, Gesellschaft und Wissenschaft

Die Popkultur prägt vielfach unser Bild von Themen, für die wir keine Spezialisten sind. Sie tut das, weil sie uns täglich in allen Arten von Medien umgibt, unseren Alltag prägt und uns auch fachliche und künstlerische Inhalte mit Spaß und interessanten, einprägsamen Geschichten vermittelt. Dabei entsteht Popkultur stets aus dem Zeitgeist, wird von dessen Themen geprägt und prägt diese zugleich mit. Sie greift gesellschaftliche, wissenschaftliche, künstlerische Trends auf und macht sie alltags- und verkaufsfähig. Deshalb ist Popkultur aber nicht anspruchslos, vielmehr verstehen es ihre Akteure, anspruchsvolle Themen herunterzubrechen. Aus diesem Grund scheint kaum eine Wissenschaft glücklich damit zu sein, wie sie in der Popkultur dargestellt wird: in ihren groben Zielen und Inhalten zwar nicht falsch, in methodischen Details aber stark vereinfacht bis verfälscht.

offensichtliche und versteckte Antike in der Popkultur

Das für Archäologen einprägsamste Beispiel dafür ist sicherlich Indiana Jones. Narrativ wunderbar erzählt, aber kaum mit dem tatsächlichen Archäologen-Dasein in den 1940er Jahren, ganz zu schweigen von heute, vergleichbar. Das überzeichnete Bild einer Zunft, die einer meiner Professoren im ersten Semester durchaus begeistert als “Abenteuer am Schreibtisch” beschrieb – nicht gerade Indiana Jones-like, aber dieser Differenz sind sich sicher auch die meisten Zuschauer bewusst. Inwieweit soll Indiana Jones also ein Bewusstsein für die Details archäologischer Tätigkeit außerhalb der Fachdisziplin schaffen? Ist es nicht wichtiger, dass die Filme dies etwa für die politische Relevanz von Archäologie und der fachlichen Deutung von Artefakten tun?

Auch “in der Science-Fiction-Literatur”, so die Ankündigung zu oben genannter Tagung, “finden sich zahlreiche Bezüge zur Alten Geschichte, von denen der offensichtlichste wohl das vom Römischen Reich inspirierte galaktische Imperium ist, das in vielen literarischen Werken wie Frank Herberts Dune oder Isaac Asimovs Foundation-Zyklus die Grundlage für die dargestellten Geschehnisse bildet. Jedoch beschränkt sich die Antikenrezeption in der Science-Fiction-Literatur nicht auf derart offensichtliche Anleihen, sondern umfasst auch wesentlich subtilere Bereiche wie etwa homerische Erzählmotive oder Vorstellungen von kulturellen Entwicklungsmodellen.”

Ein neueres, populäres Beispiel sind “Die Tribute von Panem”. Der Aufbau der in den drei Büchern dargestellten Gesellschaft weißt zahlreiche Verweise zum Rom der Kaiserzeit auf, die etwa Barry Straus, Professor für Classics an der Cornell University, in seinem Essay “The Classical Roots of ‘The Hunger Games” für das Wall Street Journal wunderbar aufbereitet hat. Ebenso wie bei Star Wars sind diese jedoch nicht eindeutig, sondern narrative Vorlage: Wie Rom war auch Panem – benannt nach den römischen Panem et Circenses - einmal eine demokratische Gesellschaft. Nach der Unterwerfung und einem darauffolgenden Aufstand der Disktrikte, die den römischen Provinzen angenähert sind, wird es nun von der Haupstadt, dem Capitol – benannt nach dem Zentrum des antiken Rom – und einem allmächtigen Präsidenten regiert. Er wie die Bewohner der Haupstadt gelten als korrupt, habgierig und dekadent. Ebenso beschrieb etwa Tacitus die stadtrömischen Bürger und eigenmächtigen Kaiser. An sie angelehnt sind auch die lateinischen Namen der Capitol-Bewohner. Dem entgegen standen die moralischen Werte der republikanischen Zeit, die nun von den Provinzbewohnern verkörpert werden. Bei Tacutus wie in Panem sind sie arm, aber tugendhaft, werden von der Hauptstadt ausgebeutet und unterdrückt. Die Spiele selbst sind die Strafe für den Bürgerkrieg und zugleich die festlich begangene Erinnerung an den Sieg des Capitols. In einer Arena treten dabei Tribute – in Rom Abgaben, hier Kinder aus den Distrikten – auf Leben und Tod gegeneinander an. Der Vergleich zu den zur Unterhaltung des Volkes veranstalteten römischen Gladiatorenspiele liegt nahe, bei denen neben professionellen Kämpfern auch Aufständische gegeneinander antreten mussten. Wie Gladiatoren werden sie einerseits vergöttert, andererseits aber dem Vergnügen geopfert. 

Popkulturelle Antike und Wissenschaftskommunikation

Egal ob offensichtliche oder versteckte Antike, an solchen Geschichten der Popkultur kann die Wissenschaftskommunikation ansetzen, um reale Geschichten des Faches, der Forschung, der Funde zu erzählen. Denn während meist unklar ist, wieviel Fachwissen man beim Leser eines populärwissenschaftlichen Berichts oder beim Besucher einer Ausstellung voraussetzen kann, scheint es doch wahrscheinlich, dass diese die groben Züge von Indiana Jones, Star Wars oder Die Tribute von Panem kennen.

Stereotype oder bekannte Narrative eignen sich hervorragend als Anknüpfungspunkte für alle Arten der Fachkommunikation. Wie dies im Marketing aussehen kann, zeigte Opel erst kürzlich mit der Kampagne “Umparken im Kopf“. Dabei wurde im ersten Schritt mit gesellschaftlichen Vorurteilen gespielt und in einem zweiten Schritt jene gegenüber Opel aufgegriffen, um ein neues Denken über die Marke anzuregen. Dass dieses Prinzip auch für Fachthemen funktioniert, machte das Jüdische Museum Berlin mit der Ausstellung “Die ganze Wahrheit” und der zugehörigen Veranstaltungsreihe deutlich, deren Ansinnen es war, mit Witz und Gelassenheit Stereotypen und Unwissenheit gegenüber dem Judentum aufzugreifen, um zum Nachdenken anzuregen. Ähnliches wäre beispielsweise für die SonderausstellungGladiatoren. Tod und Triumph im Colosseum” mit einem Anschluss an Die Tribute von Panem möglich gewesen – wobei das Thema Gladiatoren aufgrund seiner Bekanntheit schon zahlreiche Besucher anlockt. Unbekanntere Themen der archäologischen und historischen Forschung können mit der aktiven Nutzung popkultureller Bilder aber ebenso verständlich und interessant kommuniziert und zugleich ohne erhobenen Zeigefinger das Bild einer Zunft verändert werden.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1600

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Rekonstruktion: Sehhilfe oder Dogmatisierung?

Gedankenexperiment: Nachdem Mainz 2018 von Wiesbaden übernommen und zerstört worden ist, verfällt es in einen 2000 Jahre dauernden Schlaf und hüllt sich in eine Decke aus Schutt und Sedimenten. Aufgrund alter Quellen fangen Archäologen 4018 an, an dieser Stelle nach der “antiken” Stadt Mainz zu graben und finden unsere Universität auf dem Siedlungshügel Saarstraße. Was geblieben ist, sind einige Fundamente, die auf rechteckig angelegte Gebäude hindeuten und eventuell ein paar Tassen und Teller des Studentenwerks. Wie wird man diese Daten nun deuten? Stand auf diesem Hügel eine Herrscherresidenz, worauf die Größe der Gebäude schließen lassen würde? War es eine Kaserne, wie in einigen Quellen angedeutet? Oder vielleicht doch eine Universität – obwohl sich im Bereich des Forums keine echten Seminarräume finden lassen?

In einer ähnlichen Situation befinden sich heute auch die Archäologen in Israel und Palästina. Wir haben viele ihrer Ausgrabungen besucht und vor Ort vor allem Rohdaten gefunden, nämlich Mauerreste. Die Aufgabe von Archäologie und Geschichtsschreibung ist es, zu diesen Daten eine plausible Geschichte zu erzählen, also eine Deutung zu finden. Dabei helfen auch die Funde, die wir nicht vor Ort besichtigen konnten, weil sie etwa wie Keramikscherben längst weggebracht worden sind oder wie besonders wertvolle Funde im Museum ausgestellt werden.
Wir als Besucher sind darauf angewiesen, dass man uns diese Geschichten weitererzählt, weil es uns an Erfahrung, Daten und vielleicht auch an Vorstellungskraft fehlt, um das, was wir sehen, zu deuten.

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Es braucht Erfahrung und Vorstellungsvermögen, um in den ausgegrabenen Grundmauern einen bestimmten Gebäudetyp (hier: Residenz in Banyas) zu identifizieren. (Foto: Benedict Schöning)

Ein Weg, Außenstehenden einen Eindruck von historischen Gegebenheiten zu verschaffen, ist die Rekonstruktion. Oft begegneten uns zum Beispiel Rekonstruktionen des zweiten Tempels, etwa im Israel-Museum. Diese Rekonstruktionen sind in der Regel Zeichnungen oder Modelle – die sich durchaus voneinander unterscheiden können, je nachdem, wie und von wem die vorliegenden Daten gedeutet werden.
Andere Rekonstruktionstypen sind deutlich handgreiflicher, etwa in Tel Arad, wo entscheidende Teile des israelitischen Heiligtums wieder aufgebaut (d.h. re-konstruiert) wurden. Meistens werden solche baulichen Rekonstruktionen gekennzeichnet, etwa mit einer Linie im Mauerwerk. Nicht immer sind solche Linien aber vorhanden. Und wenn in Tel Arad die im Boden vergrabene Mazzebe wieder aufgestellt wird, dann ist das auch nur schwerlich als Rekonstruktion kenntlich zu machen.

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In Masada gut zu erkennen: Die Linie, ab der die Mauer rekonstruiert ist. (Foto: Benedict Schöning)

Diese Art der Rekonstruktion erscheint mir deutlich problematischer. Zum einen überbaut sie die Rohdaten, d.h. das ausgegrabene Mauerwerk wird um neues ergänzt. Das macht bei einer schlecht oder gar nicht dokumentierten Grabung aber die Überprüfung der Funde schwierig und schränkt die Wiederholbarkeit der archäologischen Deutung ein. Zum anderen wird durch diese Wiederaufbauten eine der vielen möglichen Deutungen (zum Glück meistens nur sprichwörtlich) zementiert. Trotzdem sind die wieder aufgebauten Ruinen für den Besucher der archäologischen Ausgrabungen sehr hilfreich. Plastischer lässt sich das Bad des Herodes auf Masada nicht erfahren, als wenn man es selbst durchschreitet. Die baulichen Rekonstruktionen erfüllen so in erster Linie ein museumspädagogisches Anliegen.

Wie ist mit dieser Spannung zwischen wissenschaftlichem Anspruch auf Deutungsoffenheit und dem Bedürfnis nach Vermittlung an Besucher umzugehen? Mit dieser Frage setzt sich die Charta von Venedig auseinander. In ihrem neunten Artikel steht dort “Die Restaurierung [im Sinne dieses Beitrags: die Rekonstruktion; B.S.] ist eine Maßnahme, die Ausnahmecharakter behalten sollte. Ihr Ziel ist es, die ästhetischen und historischen Werte des Denkmals zu bewahren und zu erschließen. Sie gründet sich auf die Respektierung des überlieferten Bestandes und auf authentische Dokumente. Sie findet dort ihre Grenze, wo die Hypothese beginnt. […]”1.

Eine Möglichkeit, um zukünftig dem Bedarf nach physischer Rekonstruktion auszuweichen, sehe ich in den sich etablierenden Techniken von Augmented bzw. Virtual Reality. Endgeräte, die eine solche visuelle Vermittlung zulassen, sind inzwischen sehr weit verbreitet: Mit günstigen Linsen und etwas Pappe kann aus nahezu jedem Smartphone eine Virtual Reality Brille werden, die die vorhandenen Ruinen mit Rekonstruktionen aller Art überlagern könnte – im Idealfall fotorealistisch und begehbar. Einerseits ließe sich dadurch der Unterschied zwischen Fund und wissenschaftlicher Deutung besser herausstellen, andererseits bliebe die jeweilige Deutung der Funde offen für neue Impulse.

Literatur zur Rekonstruktion/Restaurierung

Vieweger, Dieter: Archäologie der biblischen Welt, Gütersloh 2012, 366-371.

  1. Internationale Charta über die Konservierung und Restaurierung von Denkmälern und Ensembles. “Charta von Venedig”, 1964; zitiert nach http://oehl_br_j2.beepworld.de/charta.htm

Quelle: http://spuren.hypotheses.org/476

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Neues Online-Seminar: „Archäologie – Eine Reise durch die Menschheitsgeschichte“

In der Reihe der „Zeit-Akademie“ ist ein neues Seminar „Archäologie – Eine Reise durch die Menschheitsgeschichte“ erschienen. Mit dem Dozenten Prof. Hermann Parzinger (Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Freie Universität Berlin) konnte dafür einer der bedeutendsten Prähistoriker im deutschsprachigen Raum gewonnen werden, der einen fundierten Überblick zur Menschheitsgeschichte seit dem Paläolithikum vor 2,5 Millionen Jahren in Eurasien gibt. Moderiert wird das Seminar des Weiteren von Urs Willmann (Wissenschaftsredakteur der Zeit). Die 12 Lektionen à 20 Minuten sind modular aufgebaut – sie können aber durchaus als in sich geschlossene Einheiten in der Abfolge frei gewählt werden. Der größte didaktische Lehreffekt ist jedoch wohlweislich in der durchdachten Reihenfolge begründet. Beispielsweise wird in der ersten Lektion grundlegend in die Methoden, Theorien und Konzepte der archäologischen Wissenschaften einführt. Dabei wird auch auf die kontroverse Forschungsgeschichte eingegangen, wobei die Archäologie viel zu oft politisch instrumentalisiert wurde und ihr daher als Disziplin eine besondere Verantwortung zukommt. In den folgenden Lektionen werden in chronologischer Abfolge die wichtigsten Themen von der Steinzeit, über die Bronzezeit und Eisenzeit, dem Mittelalter bis hin zur Neuzeit behandelt. Das Seminar ist in vier Themenblöcke mit jeweils drei Lektionen, zur Entstehung der Menschheit, der Seßhaftwerdung, der sogenannten metallurgischen Revolutionen und letztlich zu den Ursprüngen der Staatengenese, untergliedert. Die aneinander anknüpfenden Module werden mit einer Broschüre zur Vor- und Nachbereitung des Seminars begleitet. In dieser werden die wichtigsten Kernaussagen zusammengefasst. Und darüber hinaus werden zahlreiche Literaturhinweise für eine vertiefende Weiterbildung gegeben. Die Zusammenstellung der basalen „Key Learnings“ am Ende eines jeweiligen Moduls in der Broschüre ermöglicht zum einen die Rekapitulation des bisher gelernten und zum andern einen schnellen Wiedereinstieg in das behandelte Thema. Das Seminar richtet sich als Zielgruppe primär an interessierte Laien, sodass keine speziellen Vorkenntnisse vorausgesetzt werden. Jedoch ist das Seminar durchaus auch für Fachstudierende geeignet, die ihre Kenntnisse vertiefen oder auffrischen möchten. Das Seminar besticht durch die durchgehend professionelle Qualität und den hohen didaktischen Lehrwert. Es empfiehlt sich besonders als Übersicht und zielgerichteten Einstieg in die prähistorische Archäologie, und eröffnet damit eine tiefgründige Wissensbasis über unsere Menschheitsgeschichte.

ZEIT Akademie Archäologie - Armin Volkmann

Herman Parzinger referiert in der Lektion „Die Kelten in Europa: Migrantentum und wirtschaftlicher Aufstieg“ zu den drastischen Gesellschaftsveränderungen in der frühen Eisenzeit der La-Tène-Kultur um 400 BC im Landesmuseum Bonn (aus: Zeit-Akademie [Hrsg.], Archäologie – Eine Reise durch die Menschheitsgeschichte, 2015, 36).

http://www.zeitakademie.de/archaeologie/

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Quelle: http://archdigi.hypotheses.org/671

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Apps bei der Denkmaltagung 2015

DenkmalschildVom 4. bis 6. März fand in Dresden die Tagung „In guter Gesellschaft? Die Rolle der Denkmalpflege in Stadtmarketing und Tourismus“ statt. Dort durfte ich etwas über Apps als Vermittlungs- und Vermarktungsinstrument für die Boden- und Baudenkmalpflege berichten – leider der einzige Vortrag zu einem rein digitalen Thema während einer sonst sehr analogen, aber spannenden Tagung und mit wunderbarem Feedback.

Die Vielfalt der sozialen Medien zur Vermittlung von Fachinhalten nutzen bisher im Kulturbereich vor allem Museen. Für sie reicht diese Aufgabe über Ausstellungen, Kataloge oder Pressearbeit hinaus auch in den digitalen Raum, sie betreiben spannendes Content-Marketing und wollen auch den digitalen Besuchern ein Erlebnis schaffen. Bei den denkmalpflegerischen Fachbesuchern der Tagung, die sich seltener mit diesen Aufgabenbereichen beschäftigen, sorgten die Zahlen der Social Media-Nutzung bei verschiedenen Nutzergruppen für – wortwörtlich – offene Münder. Demnach nutzen 70% der Besucher von Kultureinrichtungen mobile Endgeräte vor, während und nach ihrem Besuch. Damit können sie können nicht nur Informationen immer dann abrufen, wenn sie gebraucht werden, sondern umgekehrt auch auf spannende Dinge in ihrer Umgebung hingewiesen werden – etwa gerade außerhalb eines Museums mittels Apps, die Thema des Vortrages waren.

Social Media und Apps sind zwar nicht dasselbe, hängen, wenn es um Fachkommunikation geht, aber eng zusammen. Sie ermöglichen es der Denkmalpflege, ihren – inhaltlichen, touristischen, politischen – Wert und zeitübergreifende Zusammenhänge anhand greifbarer Orte aufzuzeigen. Dabei können und sollten Denkmalpfleger aktiver Teil der Erstellung und Aufbereitung der Inhalte werden, denn Denkmäler sprechen nicht von selbst, sondern werden über ihre Geschichten lebendig und lebensnah. Storytelling ist auch ein aktueller Tourismus- und Kommunikationstrend. Touristen reisen immer stärker individuell und eventorientiert, wollen Wissen mit Spaß entdecken (Denkmalschilder suchen zählt nicht dazu..) und teilen – beste Voraussetzung für die Nutzung von digitalen Endgeräten, um auf Informationen zuzugreifen und sich Zusammenhänge zu erschließen. Bilder sind dabei eine große Hilfe und zugleich fester Teil der denkmalpflegerischen Arbeit mit materiellen Hinterlassenschaften. Da Fotos zu den wichtigsten Elementen im Web gehören, um Erlebnisse und besuchte Orte zu teilen, lässt sich Denkmalpflege wunderbar auf diese Weise vermitteln.

Trotzdem werden Apps für die Vermittlung von Geschichte außerhalb von Museen oder auch im Stadtmarketing bisher eher selten genutzt. Zwar können gut aufbereitete Anwendungen für Besucher und Vermittler einen großen Mehrwert haben, brauchen aber auch entsprechende finanzielle Mittel. Dennoch erschließt sich hier ein neues Feld, dem technologische Trends und gesellschaftliche Interessensverschiebungen wie das Histotainment entgegen kommen. Denkmal-Apps können auf Ortsreferenzierungen und Gamification-Aspekten aufbauen und sie mit multimedialen Inhalten, Augmented Reality oder Rekonstruktionen anreichern. Mit den entstehenden Touren lässt sich Geschichte mit Bezug zum Standort und damit der Zusammenhang von historischen Überresten, räumlichen Veränderungen und modernen Themen aufzeigen.

Für diese Ideen gibt es schon einige Beispiele mit jeweils eigenen spannenden Ansätzen. Für das Stadtlabor Wallanlagen des Historischen Museum Frankfurt etwa wurde das Wissen der Menschen vor Ort über unbekanntere historische Orte genutzt. Ähnlich verknüpft auch Moor Stories die Museumssammlungen von Dartmoor mit Fundorten, modernem Kontext und persönlichen Geschichten. Sie werden von Bewohnern und Besuchern auf der Website eingereicht, in der App geteilt und via GPS vor Ort erzählt. Die App Colonia Mysteria, die u.a. vom Cologne Game Lab mitentwickelt wurde, lässt das römische und das moderne Köln zwischen realer und virtueller Welt verschmelzen. Die Nutzer begeben sich hier auf eine Suche nach historischen Spuren, die nur mit der App sichtbar werden. Ähnliches macht auch der “REXplorer” des Regensburg Experience Museum. Hier erhalten die Nutzer eigens dafür gemachte Guides und erkunden historische Phänomene in der Innenstadt. Die Spielergebnisse, Bilder und Inhalte werden mit einer URL gespeichert und können dann individuell geteilt werden.

Diese Beispiele zeigen, wie Forschung zu Gamification, Pädagogik, digitalen Bildern und Kulturerbe verknüpft und mit historischen Entdeckungs-Routen die Vergangenheit einer Stadt erlebbar gemacht werden kann. Wichtig für die Beteiligten Denkmalpfleger: das muss keinesfalls Einbußen an Qualität bedeuten. Dieser Aspekt war es denn auch, der die auf der Tagung anwesenden Fachleute überzeugte. In den vielen positiven Gesprächen nach dem Vortrag bestätigten sie mir meine eigene Erfahrung bei den ersten intensiven Auseinandersetzungen mit digitalen Technologien: Es öffnet sich eine bunte, facettenreiche Welt im Kopf mit vielen Ideen, wie man die neuen Möglichkeiten auf den eigenen Bereich anwenden kann. Dabei kamen während der Tagung verschiedenste Themen auf: dass sich die Diskussion um das Für und Wider der Rekonstruktion eines Denkmales damit aufheben könnte, dass auch unbekannte und „unbequeme“ Denkmäler im Gesamtkontext neue Würdigung erfahren könnten, dass die aktive Fachkommunikation gestärkt und die Zusammenarbeit von den Marketing- und Tourismusexperten auf neue Beine gestellt werden könne, um gemeinsam die Geschichte eines Ortes zu erzählen.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1576

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Die Wikinger kamen nach Berlin – in der Roskilde 6?

Ein Gastbeitrag von Ian Beuermann. Unser Gastautor hat sich die bis vor kurzem in Berlin gezeigte große Ausstellung "Die Wikinger kommen" für uns angesehen und besprochen. Die von den Staatlichen Museen zu Berlin gemeinsam mit dem dänischen Nationalmuseum und dem British Museum produzierte Ausstellung war zuvor bereits in Kopenhagen und London zu sehen. 

Ganz, wie es auch von den Kuratoren geplant war: Das Beindruckendste ist das Schiff:

Die Roskilde 6 im Berliner Martin-Gropius-Bau Flickr, CC-BY-NC-SA Gertrud K.

Die Roskilde 6 im Berliner Martin-Gropius-Bau
Flickr, CC-BY-NC-SA Gertrud K.

Die Roskilde 6 ist ein Riesenschiff, gut 37 Meter lang, das längste jemals gefundene Wikingerschiff, passenderweise entdeckt während Bauarbeiten für das Wikingerschiffmuseum in Roskilde. Das gut zu erkennende Loch, das die Baggerschaufel in den Rumpf gerissen hat, macht gleichzeitig klar, wie zufällig archäologische Funde sein können – und wie bruchstückhaft die uns überlieferten Quellen. Jedenfalls aber kann man sich den Schrecken vorstellen, den solche Schiffe verbreiteten, wenn sie in Europa auftauchten, plündernde und mordende Wikinger ausspien und mit Wertgegenständen und Sklaven wieder verschwanden. Aber genau das tat dieses Schiff wohl nicht: Es handelt sich um ein Prunkschiff, eventuell ein königliches Schiff, gebaut nach 1025, als die typischen hit-and-run Wikingerangriffe auf europäische Märkte und Klöster längst vorbei waren. Die Besatzung der Roskilde 6 waren keine “Wikinger” im klassischen Sinne.

Fibeln und Steigeisen — nur einige der vielen archäologischen Exponate in der Berliner Wikingerausstellung Flickr, CC-BY-NC-SA Gertrud K.

Fibeln und Steigeisen — nur einige der vielen archäologischen Exponate in der Berliner Wikingerausstellung
Flickr, CC-BY-NC-SA Gertrud K.

Und Wikinger im klassischen Sinne will uns die Ausstellung wohl eigentlich auch gar nicht zeigen. Mit ihrer räumlichen Anordnung nach den Themenfeldern “Kontakte und Austausch”, “Glaube und Ritual”, “Macht und Herrschaft” betont sie ökonomische und kulturelle Kontakte zwischen Skandinavien und Europa, sowie Heidentum, Christentum und Sozialstrukturen innerhalb der sich verändernden skandinavischen Gesellschaft. Die Ausstellung folgt also ganz dem Stil der Zeit, die Skandinavier zwischen c.800 und c.1200 als friedliche Händler und Siedler auf der ganzen Nordhalbkugel, und als Heiden und Halbchristen in hierarchischen Gesellschaften zu Hause darzustellen. Andere sonst typische Themen, die hier vielleicht zu kurz kommen, sind die Stellung von Frauen, Bauern und Sklaven.

Selbst das letzte Themenfeld “Krieg und Eroberung” bedient das Wikingerklischee nicht wirklich. Eine umfangreiche Sammlung von Schwertern, Äxten und Zaumzeug nimmt einen ganzen Saal in Anspruch, erscheint aber dank Beschränkung auf rein technische Informationen eher wie eine unblutige Eisenwarenausstellung. Im zweiten Kriegssaal läuft ein Endlosvideo mit dunklen Schwertkampfszenen ohne historischen Bezug, über einer Grube mit (echten!) Skeletten. Hier werden uns die Skandinavier als Opfer präsentiert; es handelt sich um ein Massengrab aus England, mit enthaupteten…ja, was genau? Enthaupteten Männern, in der Ausstellung und im Audioguide noch beschrieben als hingerichtete skandinavische Krieger, in der Führung schon re-interpretiert als erschlagene skandinavische Zivilisten (die Skelette indizieren nach neueren Untersuchungen ein unsportliches ungefährliches, kein Kämpfer-Leben). Harmlose Skandinavier, die von Angelsachsen im Blutrausch massakriert wurden? Das ist das Wikingerklischee auf den Kopf gestellt!

Zur eher friedlichen Stoßrichtung paßt vielleicht auch, daß es ganz überwiegend eine archäologische Ausstellung ist – das klassische Wikingerbild dagegen wird ja besonders eindrucksvoll in europäischen Texten über ihre Angriffe und in skandinavischen Texten über ihre Heldentaten zelebriert. Ein paar skandinavische Texte hat man aber trotzdem hie und da zwischen all den archäologischen Fundstücken eingestreut. Ohne Hintergrundinformation zu den Edda- und Saga-Auszügen, und ohne ein Wort zum schwierigen Verhältnis zwischen Archäologie und Text ist dies nicht sehr gelungen; ein Ganz-oder-gar-nicht bezüglich der schriftlichen Quellen wäre vielleicht besser gewesen.

Replik des Jellinge-Steins in der Wikingerausstellung Flickr, CC-BY-NC-SA Gertrud K.

Replik des Jellinge-Steins in der Wikingerausstellung
Flickr, CC-BY-NC-SA Gertrud K.

Was haben wir hier also? Eine eher traditionell aufgemachte und nicht immer gut beschilderte Ausstellung mit nicht unbedingt gleichmäßigem geographischen Fokus (sehr viel Dänisches, sehr wenig Isländisches), mit teils beeindruckenden berühmten archäologischen Fundstücken von ganz klein bis ganz groß im Original (vom Jellingbecher über den Hiddensee-Goldschatz bis zur Roskilde 6) oder als Replik (der Jellingstein), die einen guten Rundumeindruck vom archäologischen Stand der Forschung zu Skandinaviern zu Hause und in der Ferne c.800–c.1200 gibt, ohne bahnbrechendes Neues zu bieten. Und ja, eine Ausstellung, die uns dezidiert Skandinavier präsentiert, aber – aus Marketinggründen? – “Wikinger” titelt. Hineingehen hat sich trotzdem gelohnt.

Ian Beuermann hat seine Spezialisierung als Mediävist mit Schwerpunkt Nordeuropa vor allem in Norwegen an verschiedenen Institutionen durchlaufen. Seit mehreren Jahren ist er Mitarbeiter und Lehrbeauftragter am Nordeuropa-Institut der Humboldt-Universität zu Berlin, derzeit als Vertretungsprofessor für skandinavistische Mediävistik.

Quelle: http://nordichistoryblog.hypotheses.org/2821

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Die Öffnung des Sarkophags Kaiser Heinrichs VII. in Pisa

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Die Herrschaftsinsignien Heinrichs VII. bei der Öffnung seines Sarkophags. Quelle: Università degli studi di Pisa

Aus den Augen, aus dem Sinn? Einer breiten deutschsprachigen Öffentlichkeit dürfte der im Dom von Pisa bestatttete Heinrich VII. (ca. 1278/79-1313) eher unbekannt sein. Das Jubiläumsjahr 2013 verstrich ohne eine Ausstellung, die die Aufmerksamkeit auch von Laien auf den ersten Luxemburger auf dem römisch-deutschen Thron hätte lenken können; die Erinnerung an seine Herrschaft und seinen frühen Tod blieb eine Angelegenheit der Fachleute. Besser steht es um das Interesse für den alto Arrigo Dantes in Italien, wozu nicht zuletzt die breite Rezeption der 'Göttlichen Komödie' bereits über den literarischen Kanon der Schulen beitragen dürfte. Außerhalb einer sicher eng zu definierenden Spezialistengruppe dürfte auch die Öffnung des Sarkophages von Heinrich VII. im Pisaner Dom im Oktober 2013 unbemerkt geblieben sein, selbst in der weiter definierten mediävistischen Community. Eine Pressemitteilung der Universität Pisa, die mit der wissenschaftlichen Auswertung der Graböffnung betraut wurde, verweist dabei auf sehr bemerkenswerte Funde:

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Darstellung Heinrichs VII. im Codex Balduini. Quelle: Wikimedia Commons

Nicht nur enthält der 1921 letztmals geöffnete Sarkophag die sterblichen Überreste des Kaisers, sondern auch Herrschaftszeichen aus vergoldetem Silber, die keineswegs reine Funeralinsignien sein dürften. Vielmehr ähnelt vor allem die Blattkrone und das Szepter verblüffend der Darstellung der Insignien, die Heinrich VII. in der Trierer Bilderhandschrift des Codex Balduini führt. Beeindruckend ist auch das erstmals in seinem Wert erkannte, drei Meter lange und 1,2 Meter breite rot-blaue Seidentuch, in das die sterblichen Überreste des Kaisers gewickelt worden waren. Die Knochen des Luxemburgers werden derzeit von einem Anthropologen der Universität Pisa untersucht - bislang ist festzustellen, dass es sich um einen 1,78m großen Mann von ca. 40 Jahren handelt. Auch weitere Hinweise auf die im Detail bis heute ungeklärte Todesursache sind zu erwarten - die auch von der Forschung intensiv diskutierten Mordtheorien einiger Zeitgenossen, die Heinrich durch eine vergiftete Hostie eines Dominikaners sterben ließen, werden sich wohl kaum bestätigen.

 

Das Blattszepter...
... der Reichsapfel...
... und die Krone aus dem Sarkophag Heinrichs VII. Quelle: Università degli studi di Pisa

Links: Pressemitteilung der Universität Pisa  - Flickr-Fotoalbum zur Graböffnung

Video von der Öffnung der im Sarkophag enthaltenen Kiste:

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/5049

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Neuland und die Jahrestagung des Deutschen Archäologen-Verbandes (DARV)

Original: Ausgrabungen Haltern am See. Quelle: LWL-Archäologie für WestfalenArchäologie und Politik – ein facettenreiches und spannendes Thema für die Jahrestagung des DARV im Juni in Münster. Ebenso vielfältig war das Programm. Über Beispiele für den Einfluss von Kriegen und Krisen auf die archäologie Arbeit wurde ebenso gesprochen, wie über Lobbyarbeit und Kommunikation mit und über Archäologie. Dabei ließ mich der Vortrag von Frank Marcinkowski, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Münster über die Folgen (!!) “dieses Internet” für die wissenschaftliche und Öffentlichkeitsarbeit sprachlos zurück – und auch sonst macht er sich in der Wissenschaftskommunikation nur wenig Freunde. Seine Thesen zeigen, gegen welche Vorurteile, einseitigen Annahmen und damit Hürden von Seiten der (Geistes-)Wissenschaft vor allem die digitale Kommunikation ankämpft.1

Vorschläge für ein besseres Verhältnis zwischen Archäologie, Politik und Kommunikation gab es schon beim Einführungsvortrag der Tagung: stärker über Fachgrenzen hinaus zu denken, den Mehrwert für die Gesellschaft zu formulieren und neue (gesellschaftliche) Aspekte einzubeziehen sollen Bestandteil der wissenschaftlichen Arbeit sein – sowohl in Bezug auf die Reflektion der eigenen Methodiken als auch des Selbstverständnisses des Faches – und sind notwendig, um in einen Dialog mit politischen Entscheidern und der Öffentlichkeit zu treten. Nur so kann ein Verständnis für die eigenen Bedürfnisse geweckt werden, das notwendig ist für jede Form der Unterstützung.

Neuland – ein Forschergenerationenproblem?

Neue Ideen, besonders in Bezug auf strukturelle Veränderungen bei Forschung und Kommunikation, werden häufig schon von Studenten abgetan. Einen perfekten Weg zum Erfolg in jeglicher Art von geisteswissenschaftlichen Fächern gibt es nicht, wohl aber viel Konkurrenz und hohen Druck. Den Weg zu gehen, der schon bei den Generationen zuvor funktioniert hat, scheint dabei am sichersten. Das gilt für den Umgang mit der Öffentlichkeit, die Qualitätssicherung und den Reputationsaufbau – Feststellungen, die von Seiten des Fachpublikums weitgehend benickt und noch einmal bestärkt wurden, als am Ende der Tagung die neuen Medien im speziellen thematisiert wurden.

Neuland – neue Medien, neue Öffentlichkeiten, neue Erwartungen

Genau hier, so zeigte sich im Abschlussvortrag von Marcinkowski, sitzt das Problem: Für die Kommunikation der Archäologie mit der Öffentlichkeit waren bis heute vor allem die archäologischen Museen zuständig und in geringerem Umfang die Presseabteilungen der Forschungseinrichtungen, die Wissenschaftler selbst wurden nur von Zeit zu Zeit von einem Journalisten zu einem bestimmten Projekt befragt.

Marcinkowski präsentierte in seinem Vortrag die Ergebnisse einer Studie über die Veränderungen des Umgangs der Wissenschaft mit der Öffentlichkeit, den Medien und der Politik, u.a. durch das Social Web. Hinter dieser Studie, bei der bis 2011 1.600 deutsche Wissenschaftler – und ausschließlich diese! – aus 16 akademischen Disziplinen befragt wurden, steht ein Projekt der Uni Münster zusammen mit dem Wissenschaftsforscher Hans-Peter Peters vom Forschungszentrum Jülich.2 Peters unterscheidet sich in seinem Grundtenor aber von der Interpretation Marcinkowskis, wie sie bei der Jahrestagung des DARV präsentiert wurde. Marcinkowskis Thesen im Wesentlichen:

  • Heute hat jeder, auch die Wissenschaft, das Gefühl, mehr öffentliche Aufmerksamkeit und bessere Kommunikation, vor allem im Netz, wären Lobbyarbeit und können Probleme wie fehlende Aufmerksamkeit, Anerkennung oder sinkende Fördergelder lösen
  • Aber Öffentlichkeit und Wissenschaft haben im Grunde keine Beziehung zueinander, es sind unterschiedliche Welten mit verschiedenen tradierten Verhaltensweisen, die sich weder überschneiden noch mehr als nötig einander annähern sollten
  • Kommunikation sorgt nicht für die Generierung von Wissen, sondern gefährdet im Gegenteil die Qualität von Forschung
  • Wissenschaftler sind genötigt, sich anders zu verhalten, wenn sie von außen beobachtet werden
  • Kommunikation im Netz zeigt keine Wirkung, Wissenschaftler sollen lieber ab und an mit Journalisten etablierter Medien wie dem Fernsehen oder der Zeitung sprechen3

Einige dieser Feststellungen sind sicher nicht gänzlich falsch. Mit mehr medialer Resonanz geht oft der Wunsch nach stärkerer Unterstützung einher. Das unterschiedliche Funktionieren der Sphären von Medien, Politik und Wissenschaft sorgt aber dafür, dass dem oft nicht so ist. So hatte die Petition gegen die Streichung der Finanzmittel der Denkmalpflege in NRW großes mediales Feedback und 27.000 Unterschriften hervorgebracht, an den Plänen der Landesregierung aber nichts geändert, weil die Entscheidungsfindung hier bereits stattgefunden hatte. Dies bedeutet aber nicht, dass es keine Beziehung zwischen der – sich wandelnden – Sphäre der medialen Kommunikation / der Öffentlichkeit und der Wissenschaft gäbe. Ihre Funktionsweise sollte die Archäologie als immer stärker privatisierte Zunft kennen, da sie bei  Ausgrabungen, aber auch der Bewahrung und Vermittlung von Denkmalen immer mehr von Unterstützung, privaten Geldern, touristischen Einnahmen und damit Aufmerksamkeit abhängig ist.

“Lassen Sie dieses Internet!”

Die von Marcinkoskwi vorgestellte Studie repräsentiert nur die Sicht der Wissenschaftler selbst. Eine nicht unwichtige Tatsache, um die Objektivität der Aussagen einer solchen wissenschaftlichen Untersuchungen einzuschätzen. Bei seiner Interpretation und Präsentation der Ergebnisse mangelte es aber am Versuch einer Objektivierung, beispielsweise durch eine Gegenüberstellung mit der Sicht der “Gegenseite”. Sein Ergebnis war denn, die Wissenschaft dürfe sich zugunsten ihrer Qualität nicht auf die Mediatisierung der Kommunikation und schon gar nicht auf das Internet einlassen, das nur von der eigentlichen Aufgabe, der Forschung ablenke, nicht aber die gewünschte Aufmerksamkeit bringe. Besser sei es, im Elfenbeinturm zu bleiben, anstatt einem “Forschungsmainstream” zu verfallen.

Nun sind wissenschaftliche Qualität und öffentliche Aufmerksamkeit natürlich nicht dasselbe. Das möchte auch niemand. Auch wird nicht erwartet, dass sich Forscher nur noch Themen aussuchen, die medientauglich sind – obwohl 16% das nach Marcinkowski bereits tun, Tendenz steigend. Vielmehr kann ein guter Kommunikator aus jedem Thema eine spannende Geschichte machen. Interessant ist an den Aussagen der Studie aber, dass die Anworten der Wissenschaftler die Vorstellung zeigen, gute, klassische, unbeeinflusste Forschungsfragen stünden schlechten, von aktuellen Entwicklungen beeinflussten gegenüber. Ist es nicht eher so, dass Forschung immer vom Zeitgeschehen beeinflusst war, dass die Aufgabe von Forschung auch darin besteht, Zeitgeschehen aus dem Blickwinkel der Disziplin zu beleuchten oder ihr neue Aspekte eröffnet, ohne dass dies den Verlust der fachinternen Qualitätsstandards bedeutet. Dies scheint eine Angst bei Forschern aller Hierarchieebenen zu sein, wie sich auch bei der Diskussion um Open Access und Social Media während des Historikertages zeigte.

Auch Marcinkowski sieht hier das Problem. Auf Blogs oder in Online-Zeitschriften können Ergebnisse ohne Begutachtung veröffentlicht werden, ebenso wie Informationen über gescheiterte Projekte, die der Reputation schaden. Lobbyarbeit hingegen könne man damit nicht betreiben. Dabei ist auch die Gleichsetzung von Lobby und Öffentlichkeit und beider Kommunikationswegen vereinfacht. Verschiedene Zielgruppen brauchen verschiedene Kommunikationswege, natürlich lässt sich durch einen Blogbeitrag – ebenso wie durch einen Zeitungsartikel – allein keine Lobby aufbauen. Dafür braucht es gute persönliche Kontakte, die das Internet nicht ersetzen kann oder soll, die hier aber aufgebaut und gepflegt werden können.

Vereinfachung, Dramatisierung, Überhöhung

Auch bei der Kommunikation von wissenschaftlichen Inhalten über etablierte Medien gibt es oft Vorbehalte. Sie betreffen vor allem die Art, wie Ergebnisse dort präsentiert werden: um den Kontext zum Heute herzustellen und mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, vereinfachen, dramatisieren und überhöhen Journalisten. Kommunikation im Internet aber braucht Journalisten als Instanzen des “Übersetzens” nur noch bedingt. Vielmehr können Fachleute dort verstärkt selbst zu Wort kommen. Damit kann auch auf ein zunehmendes Interesse von Seiten der Öffentlichkeit an der Wissenschaft selbst reagiert und mit interessierten Laien in Dialog getreten werden. Zugleich lässt sich besser kontrollieren, welches Image eines Faches, Projektes oder Wissenschaftlers selbst vermittelt wird.

Der Artikel von Peters zur Studie macht ein weiteres Problem deutlich, das von Marcinkowski unerwähnt blieb. Wissenschaftliche communities möchten oft nicht in Dialog nach außen treten. 34% sehen ihre Disziplin und ihr Fachwissen nicht als Teil der Allgemeinbildung und trauen der Öffentlichkeit nicht zu, mit ihnen auf Augenhöhe zu sprechen. Sie möchten es auch nicht, weil solche Gespräche den wissenschaftlichen Standards nicht entsprechen. Diese sind innerhalb der Wissenschaft aber auch Bemessungsgrundlage für den Wert einer Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Anders steht es um die digitale Kommunikation mit Fachlaien – in der Archäologie zum Beispiel freiwilligen Denkmalpflegern oder Reenactorn. Die Möglichkeit, im Netz Communities zu speziellen Themen zu bilden, wird begrüßt, die Allgemeinheit damit aber wieder ausgeschlossen. Zugleich wird angenommen, eine besser gebildete Öffentlichkeit habe einen positiven Einfluss auf die Wertschätzung und Finanzierung von Wissenschaft. Die mögliche Einflussnahme von Laien auf Forschungsprozesse und Forschungspolitik wird aber negativ bewertet. Das Dilemma ist deutlich.

“Gehet hin und lehret!”

Trotz Marcinkowskis abschreckendem Vortrag machte gerade das Thema der Jahrestagung, “Archäologie und Politik”, in verschiedensten Vorträgen deutlich, warum Archäologen kommunizieren sollten: weil Archäologie noch immer ein politisches Machtmittel ist. Archäologen betreiben Ausgrabungen nicht mehr als Landnahme in Fortsetzung des Kolonialismus. Stattdessen muss man vielmehr auch Diplomat sein, mit Behörden und Einheimischen gleichermaßen auf Augenhöhe kommunizieren, die eigenen Bedürfnisse ebenso vermitteln, wie die Interessen des anderen verstehen können. Eine Übersetzungsarbeit also, die jener gegenüber den Medien nicht unähnlich ist.

So vermittelt die Orientabteilung des DAI, wie Margarete von Ess berichtete, im Irak den Einheimischen die Grundlagen wissenschaftlicher Dokumentation und die Bedeutung von Funden und Fundstätten, unabhängig von Religion oder staatlicher Ideologie. In Rumänien kämpfen Archäologen gegen die Zerstörung des historischen Bergbaugebietes Rosia Montana und damit auch gegen ein von der Regierung unterstütztes Großunternehmen. Erfolgreiche öffentliche Kommunikation führte hier dazu, dass ein Großteil der Bevölkerung sich hinter die Archäologen stellte, sodass das Projekt zumindest auf Eis gelegt wurde.

Zwar hat eine ähnliche Form der Aktivierung aller Kommunikationskanäle beim Beispiel NRW nicht funktioniert, hierbei spielten aber die verschiedenen Zeitmechanismen von Politik und Medien eine Rolle. Dauerhafte konstanteKommunikation, Memopolitik oder das Aufzeigen der Ursprünge und Hintergründe hinter neuen Errungenschaften (man denke an Suchmaschinen und die Erkenntnisse der Linguistik und Philologien) können aber dabei helfen, dass Themen nicht erst kurzfristig und spät auf die mediale und politische Agenda kommen, sondern unterschwellig präsent, Grundlagenwissen und Verständnis vorhanden sind. Dieser Rückschluss wurde bei der Jahrestagung des DARV nur bedingt gezogen. Notwendig ist dafür nicht, Forschungsthemen zu ändern oder fachliche Qualität aufzugeben. Manchmal reicht ein neuer Blick auf das eigene Fach unabhängig von innerfachlicher Konkurrenz, interuniversitärem Wettkampf oder “collateral damage of publicity”. Ich war noch nie Freund von Kriegsmetaphern.

                                                                                                            

Nach einem ähnlichen Vortrag von Marcinkowski, gemeinsam mit seinem Kollegen Matthias Kohring, mit dem Titel “Wie schädlich ist Wissenschaftskommunikation?” beim Workshop der VolkswagenStiftung “Image statt Inhalt? – Warum wir eine bessere Wissenschaftskommunikation brauchen” hat auch Jens Rehländer seine Thesen einer kritischen Betrachtung unterzogen.

2 Die Ergebnisse wurden u.a. publiziert in Hans-Peter Peters, Gap between science and media revisited: Scientists as public communicators, in PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America), 110/ 2013, Suppl 3. Der gesamte Artikel kann hier gelesen werden.

3 Vgl. hier die kürzliche Aufforderung – nicht von Marcinkowski -  Wissenschaftler auf Twitter sollten lieber an Fachpublikationen arbeiten.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1372

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