Ein letztes Mal soll noch die Nachrichtenlage im Frühjahr 1618 beleuchtet werden, so wie sie si...
Eine fremde Schutzmacht
Nichts ist besser als ein eindeutiger Befehl. Und einen solchen bekam der ligistische Hauptmann von seinem Feldherrn Tilly: Wenn feindliche Streifparteien in diesem Gebiet auftauchten und man ihrer habhaft werden könne, habe er diese „stracks niedermachen zulaßen, oder gefenglich anzunehmen“. Auffällig ist die Reihenfolge der Anweisung, die das Niedermachen eindeutig gegenüber der Gefangennahme priorisiert. Auch dies machte unmißverständlich klar, daß der Hauptmann kompromißlos durchgreifen sollte.
Aufschlußreich ist wie so oft der Kontext dieser Anweisung: Tilly gab diesen Befehl im Mai 1630 an einen Hauptmann, dessen Einheit offenbar in der Grafschaft Mark stationiert war (Generalleutnant Tilly an Hauptmann Carivicre [?], Stade 13.5.1630, GStA PK I. HA Rep.
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Ein Reitergefecht, I
So viele Schlachten hat es im Dreißigjährigen Krieg gar nicht gegeben, was vielfach der praktizierten Strategie einer Schlachtenvermeidung entsprach. Stattdessen prägten die kleinen bewaffneten Zusammenstöße einzelner Trupps das Bild des Kriegs. Genau wie in diesem Gemälde von Sebastian Vrancx. Es zeigt den „Angriff einer Kavallerieabteilung“, zumindest ist es so auf dem Museumskärtchen beschrieben. Tatsächlich wird der Kampf zweier Reitertrupps dargestellt, wobei der Kampf schon entschieden scheint: die von der unteren rechten Bildseite aus angreifenden Reiter behalten die Oberhand, so daß die andere Partei nach links ausweicht. Auch wenn sie noch Widerstand leisten, setzen sich einige von ihnen bereits ab; mit der Fluchtbewegung in die Tiefe des Bildes entsteht ungefähr eine Diagonale von rechts unten bis links oben, die die Dynamik dieses Gemäldes ausmacht.
Stichtag 29. November
Am 11. Februar 1625 hatte Oberst Gent die Stadt Soest handstreichartig eingenommen und damit die Phase ihrer spanischen Besetzung beendet. Dies war durchaus ein Indiz für ein Wiedererstarken der militärischen Stärke Den Haags, ungeachtet der Erfolge, die spanische Waffen andernorts das Jahr 1625 zum vielgerühmten „annus mirabilis“ gemacht haben. In Soest hingegen verblieb Gent mit seinen Truppen; seine Garnison sollte in den folgenden Jahren durchaus einen eigenen Machtfaktor in dieser Region darstellen (zur Bedeutung der Garnison Gents s. auch meinen Beitrag in A. Rutz (Hrsg.), Krieg und Kriegserfahrung im Westen des Reiches 1568-1714 (Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit, 20), Göttingen 2016, S. 65-100).
Am 29.
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Die Glaubwürdigkeit der Nachrichten
Was soll man noch glauben? Von den verschiedenen Kriegsschauplätzen kamen Schreckensnachrichten, die stets aufs Neue das drohende Desaster an die Wand malten. Es war nicht einfach, aus der Fülle der einlaufenden Avisen – wie man damals oft Nachrichten nannte – das herauszufiltern, was sich als glaubwürdig und wahr erweisen sollte. Dabei gab es auch im 17. Jahrhundert so etwas wie eine Nachrichtenflut. Wer jemals Korrespondenzserien aus dieser Zeit im Archiv durchgesehen hat, wird wissen, was ich meine: Mitunter sind einem einzelnen Brief mehrere Kopien anderer Schreiben beigefügt, so daß eine einzelne Sendung zu einem regelrechten Briefpaket wurde. Wenn man dann noch mehrere derartige Briefpakete mit demselben Eingangsdatum vorfindet, läßt sich ermessen, daß der Empfänger viel zu lesen hatte – und entscheiden mußte, welche von all den übersandten Nachrichten er denn ernst nehmen sollte.
Der vorliegende Fall greift ein Beispiel aus dem März 1634 heraus. Damals berichtete der kurkölnische Agent Johann van der Veecken Neuigkeiten an Kurfürst Ferdinand von Köln, die nichts Gutes verhießen.
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Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/866
Niederländische Kriegsartikel, I
Wie organisiert man eigentlich einen Krieg – und vor allem die Truppen selbst? Einen Söldnerhaufen in Zaum zu halten, war eine stete Herausforderung für alle Kriegsparteien in dieser Zeit. Wichtige Voraussetzung, um unter den Söldnern Ordnung halten zu können, war ein Regelwerk, das üblicherweise in sog. Kriegsartikeln zusammengefaßt wurde. Die Kriegsknechte wurden auf diese Artikel verpflichtet. Daß solche Regelwerke in Zeiten des Kriegs eine besondere Konjunktur hatten, leuchtet ein. Im Folgenden soll es um die Kriegsordnung – so der hier verwandte Begriff – gehen, die bei den „Herrn Staden“, den Generalstaaten also, in Gebrauch war. Dazu gibt es einen Druck, der 1625 in Rinteln verlegt wurde: „Kurtzer Begrieff/ Der Kriegs Ordnung/ So unter den Herrn Staden und sonsten anderer Orthen mehr gehalten wird“ (zu dieser Ausgabe gab es auch noch einen alternativen Druck).
Zunächst einmal fällt auf, daß es sich um keinen anonymen Druck handelt.
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Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/782
Englische Reiseimpressionen, II
Die Reise Arundels begann am 7. April 1636 in Greenwich und führte ihn von Margate auf den Kontinent. Die Reisegesellschaft landete auf generalstaatischem Gebiet. In Den Haag traf Arundel den Prinzen von Oranien, die Generalstaaten, einige andere Diplomaten sowie die Witwe des exilierten Kurpfälzers, aus englischer Sicht immer noch die „Queen of Bohemia“ (S. 1). Bereits nach einigen Tagen brach die Reisegruppe auf, um ins Reich zu gelangen. Doch genau in diesem Moment geriet der englische Ambassadeur ins Kriegsgebiet – und Arundel und sein Gefolge erlebten in diesen Tagen hautnah, was es hieß, sich inmitten des Kriegstheaters zu befinden.
Der Weg führte an der Schenkenschanz vorbei, einer strategisch wichtigen Rheininsel, die erst im vergangenen Jahr von spanischen Truppen erobert worden war (siehe dazu auch diesen Blogpost; alles weitere hier nach den S. 1-4 des Reisediariums).
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Johann van der Veecken, ein kurkölnischer Agent in Den Haag
Heute ein kurzer Hinweis in eigener Sache. Schon des öfteren habe ich über Themen berichtet, die einen Bezug zu Johann van der Veecken hatten. Das kam nicht von ungefähr, denn in den vergangenen Monaten habe ich mich intensiver mit ihm beschäftigt. Das Ergebnis ist jetzt im Druck nachzulesen:
„Nachrichten aus Den Haag. Johann van der Veecken als kurkölnischer Agent zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs“, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 217 (2014), S. 63-147.
Damit habe ich etwas abgearbeitet, was schon seit langen Jahren bei mir auf dem Schreibtisch lag – jedenfalls in den unteren Sedimentschichten. Denn bereits beim Schreiben der Dissertation war ich auf Veeckens Berichte gestoßen. Und sehr schnell ist mir seine Bedeutung klargeworden: ein Agent, ein Diplomat niederen Ranges also, der in Den Haag die Angelegenheiten des Kurfürsten von Köln wahrnimmt und gleichzeitig für die Informationsbeschaffung zuständig ist.
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Erwartungen an den Frieden
Auch wenn nach wie vor der Krieg mit aller Härte weitergeführt wurde, richteten sich im Laufe der 1640er Jahre die Blicke immer häufiger nach Münster – dort, wo über den Frieden verhandelt wurde. Doch dies galt nicht nur für die großen Potentaten und die Reichsstände. Auch Wesel, eine der sieben Hauptstädte (d.h. landtagsfähigen Städte) im Herzogtum Kleve, blickte mit gespanntem Interesse auf die Verhandlungen.
Dieses Interesse war nicht ziellos, sondern richtete sich auf einen ganz bestimmten Punkt. Für die Handelsstadt am Niederrhein ging es vor allem um wirtschaftliche Fragen und hier besonders um einen möglichst freien, sprich von Abgaben und Zöllen ungehinderten Warenverkehr. Entsprechend wurde auf der Ratssitzung am 3. Dezember 1647 folgender Beschluß gefaßt: „Weilen nun mehr die fridens tractaten zu Munster zwischen Hispanien vnd den H[erren] Staten zuendtlauffen, So ist resolvirt, Jhr Hochmog[enden] zuerinnern, daß die Hispanische Licenten abgestelt, vnd solches mit in den tractaten inbedongen werden moge“ (Stadtarchiv Wesel, A 3: Ratsprotokolle Nr. 97 [1647-1648], hier fol. 107).
Zunächst einmal ist also festzuhalten, daß es nicht um die Friedensverhandlungen geht, die im Oktober 1648 in die Verträge von Münster und Osnabrück mündeten; vielmehr ging es hier um die Traktate, die den sog. Frieden von Münster zwischen den Generalstaaten und Spanien besiegelten. Die Weseler lagen auch richtig mit ihrer Einschätzung, daß diese Verhandlungen ihrem Ende zustrebten: Am 30. Januar 1648, also keine zwei Monate nach dem Weseler Ratsbeschluß, wurde der spanisch-niederländische Frieden unterzeichnet; die Verhandlungen selbst waren sogar schon am 16. Januar zuende gegangen. Was war also mit dem Weseler Anliegen – hatte es überhaupt noch eine Chance gegeben, diese Aspekte in die Verhandlungen einzubringen?
Ein Blick in die aktuelle Literatur zeigt, daß Handelsbeschränkungen wirklich nicht die Themen waren, um die bis zuletzt gerungen wurde (Rohrschneider, v.a. S. 416 ff.). Gleichwohl regulierte der Friedensvertrag eine ganze Reihe von Fragen der Wirtschaftspolitik und des Handels, besonders ab § VIII. Der Tenor ging dahin, sämtliche Zölle und Wirtschaftsschranken auf den Vorkriegsstand zurückzunehmen. Auch Zölle auf dem Rhein und der Maas wurden explizit angesprochen (s. § XII), doch bezog sich der Vertragstext hier offenbar nur auf niederländisches Gebiet. Ob damit auch Reichsgebiet und damit der Niederrhein miteinbezogen war, ist mir nicht klar.
Es kann durchaus sein, daß Wesel Glück hatte und diese Handelsbeschränkungen ohnehin durch den Frieden von Münster aufgehoben wurden: Hier spielt auch eine Wahrnehmungsfrage die wichtige Rolle: Haben die Generalstaaten das von ihnen besetzte Gebiet am Niederrhein zumindest vertragstechnisch in diesen Friedensschluß integriert? Zu fragen ist aber auch, ob die Aufhebung der spanischen Zölle auf Veranlassung Wesels geschah. Die Bedeutung dieser Stadt als Handelsmetropole ist gar nicht so gering zu veranschlagen, doch der zeitliche Rahmen spricht wenig dafür, daß diese Weseler Initiative den Vertragstext noch hat beeinflussen können.
Wesel mußte damals aber auch noch auf andere Probleme sein Augenmerk richten. In derselben Passage, ja fast in demselben Satz hieß es weiter, daß „dem agenten zuschreiben [sei], daß er fleißigh achthaben solle, damit in der zwischen Jhr Churf dhl [von Brandenburg] vnd den herren Staten gesuchte aliants nichts zu praejudits dieser Statt einverleibt werde.“ Die klevische Stadt sah also deutlich, daß sie auf ihre Interessen im Verhältnis zwischen den Generalstaaten und dem brandenburgischen Kurfürsten, ihrem Landesherrn also, aufpassen mußte. Der Krieg ging zuende, aber die Konflikte wurden nicht weniger.
Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/570
Karl der Große und der Dreißigjährige Krieg
Was hat Karl der Große mit dem Dreißigjährigen Krieg zu tun? Als der Franke 814 starb, sollte es mehr als 800 Jahre dauern, bevor der Konflikt losbrach, der dreißig Jahre lang in Europa wütete. Doch auch in dieser Zeit gab es Reminiszenzen an Karl, zumindest in Aachen. Denn dort ließ der Rat der Reichsstadt Aachen im Jahr 1620 ein bronzenes Standbild Karls vor dem Rathaus aufstellen. Dies paßte gut, war Karl doch Stadtpatron und Lokalheiliger. An ihn zu erinnern und sich auf ihn zu berufen war gerade in diesen unsicheren Zeiten passend.
Wobei es eher unwahrscheinlich ist, daß die Aachener die sich anbahnenden Konflikte im Reich im Blick hatten; niemand konnte ahnen, daß die böhmischen Unruhen nur der Auftakt für einen Krieg sein würden, der noch das ganze Reich erfassen würde. Aachen lag vielmehr im Einzugsgebiet des spanisch-niederländischen Konflikts. Dazu kamen stadtinterne konfessionelle Auseinandersetzungen, die 1614 den spanischen General Spinola veranlaßten, im Rahmen einer Reichsexekution die Stadt zu besetzen und die katholische Restitution durchzuführen (kurz und prägnant beschrieben in der Studie von Johannes Arndt, S. 195-200). Um 1620 war dieser Konflikt zwar (im katholisch-kaiserlichen Sinne) bereinigt, doch die Lage war weiterhin bedrohlich. Klar war zudem, daß im darauffolgenden Jahr der Zwölfjährige Waffenstillstand zwischen Spanien und den Generalstaaten auslaufen würde. Mit einer Statue Karls des Großen erinnerte man sich also an große Zeiten und an die schützende Nähe zum Kaiser.
Dessen Standbild war nun nicht nur mit den klassischen Herrscherinsignien wie Szepter und Reichsapfel versehen, sondern vor allem wehrhaft dargestellt. Damit meine ich weniger das Schwert an seiner Seite als vielmehr die Rüstung. Diese hatte nun nichts mit der Ausrüstung eines fränkischen Kriegers in der Zeit Karls des Großen zu tun, sondern verwies deutlich auf die Panzerung von Kürassieren, wie sie im 16. Jahrhundert üblich war. Zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs war ein Vollharnisch, wie ihn die Bronzestatue hier zeigt, schon wieder unüblich; da ersetzten die langen Reiterstiefel, in die man praktischerweise oben auch noch Pistolen packen konnte, das Beinzeug.
Ganz im 17. Jahrhundert war Karl der Große in seinem Aufzug also nicht angekommen; hätte er sich unter die Pappenheimischen Kürassiere mischen wollen, wäre er durchaus aufgefallen – nicht nur wegen seiner Barttracht, die gar nicht mehr den modischen Standards der Söldner dieser Zeit entsprach. Aber es entsprach sicher den Aachener Erwartungen, wenn das Standbild nicht an die Gegenwart erinnerte, sondern zurückverwies auf andere, sicherlich bessere Zeiten.
Zu sehen ist der bronzene Karl im Rahmen der diesjährigen Ausstellung in Aachen, und zwar im Centre Charlemagne. Und wenn er mir im Zuge des diesjährigen Betriebsausflugs in der vergangenen Woche aufgefallen ist, muß ich auch die altbekannte Erkenntnis akzeptieren, daß man vor allem das wahrnimmt, was man schon kennt.
Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/533