August 1916: „Alles zusammengeschossen“

Cover des Buches von Ulrich Hägele: Walter Kleinfeldt. Fotos von der Front 1915-1918, © Waxmann Verlag Münster/New York 2014

„Die Zeitungen schreiben ja nicht sehr viel von hier. Es ist nämlich ein furchtbarer Kampf“, berichtet der Soldat Walter Kleinfeldt am 4. August 1916 in einem Feldpostbrief von der Westfront an seine Familie. In dem Band „Walter Kleinfeldt. Fotos von der Front 1915-1918“ stellen Irene Ziehe und Ulrich Hägele eine eindringliche Sammlung von Fotografien, Tagebuchausschnitten, Briefexzerpten und biografischem Beiwerk aus dem Leben des jungen Soldaten Walter Kleinfeldt zusammen. Der Fotografiehistoriker Anton Holzer nennt diese Komponenten im Vorwort des Bandes das „private Gepäck“[1] der Soldaten, denen er ein großes Maß an Anschaulichkeit des „Leben[s] und Sterben[s] an der Front“[2] zuspricht.

Drei deutsche Soldaten beim Skat im Schützengraben. Aus dem Buch von Ulrich Hägele: Walter Kleinfeldt. Fotos von der Front 1915-1918, S. 71, © Waxmann Verlag

Drei deutsche Soldaten beim Skat spielen im Schützengraben.
Aus dem Buch von Ulrich Hägele: Walter Kleinfeldt. Fotos von der Front 1915-1918, S.

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Quelle: https://www.visual-history.de/2015/10/19/august-1916-alles-zusammengeschossen/

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Entwicklung der organisierten Privatfotografie im Dritten Reich

Die private deutsche Kriegsfotografie ist als Bestandteil der gesamten  privaten Fotografie während der NS-Herrschaft anzusehen.  Im Zuge der andauernden Gleichschaltungsprozesse des Jahres 1933 bemühte sich somit  das NS-Regime auch die bestehenden Strukturen der deutschen Amateurfotografie in systemtreue eigene Organisationen umzuwandeln oder zu übernehmen. Den jeweiligen internen oder nahestehenden Organisationen der verbotenen Parteien wie dem „Arbeiter-Lichtbild-Bund“ der SPD oder dem „Verband der Arbeiterfotografien Deutschlands“ der KPD wurden infolge der Parteienverbote die ökonomische Basis entzogen. Daher mussten diese faktisch auch nicht aufgelöst werden, sie stellten ihre Verbandsarbeit mangels Teilnehmern von selbst ein. Deshalb verzichtete das RMVP, bzw. das zuständige Referat Lichtbild, dann auch auf eine Übernahme jener Parteiorganisationen. Generell herrschte aber im Frühjahr 1933 eine gewisse Ratlosigkeit, wie nun die Zukunft der organisierten Amateurfotografie und damit auch die Zukunft seines größten Verbandes dem „Verband Deutscher Amateurfotografie” (VDAV) auszusehen habe, zumal die politische Zuverlässigkeit des VDAV keinesfalls gesichert schien.Folglich kam es zur Neugründung eines eigenen parteigebundenen Verbandes unter Leitung von Heiner Kurzbein, in Personalunion auch Leiter des Referat Lichtbild im RMVP, unter dem Namen „Reichsbund Deutscher Amateurfotografen (RDAF)“ trug. Heiner Kurzbein sorgte durch seine Doppelfunktion für eine enge Verflechtung von Berufs- und Amateurfotografieauf der obersten Organisationsebene. Der ADAV wurde darüber hinaus dem von staatlicher Seite als Dachverband verstandenen RDAF untergeordnet.

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Quelle: http://2wkvisuell.hypotheses.org/489

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Bemerkungen zu Peter Henisch: „Die kleine Figur meines Vaters“

Der stark autobiografisch geprägte Roman „Die kleine Figur meines Vaters“ ist eine literarische Auseinandersetzung von Peter Henisch mit dem Leben und der Beziehung zu seinem Vater, dem bekannten österreichischen Pressefotograf und prominenten NS-Kriegsfotograf Walter Henisch.

Walter Henisch (*26. November 1913, Wien; +22. März 1975, Wien) war nach einer handwerklichen Lehre und Arbeitsdienstzeit als freier Pressefotograf in Wien tätig. Im Mai 1939 wurde Henisch zur Wehrmacht einberufen, den Kriegsbeginn erlebte er als Meldegänger in Polen. Nach einigen Monaten erfolgten dann die Versetzung zur Propagandatruppe und der Dienst als „Bildberichter“ in der Propagandakompanie (PK) 612 bzw. ab August 1943 in der PK 693.

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Quelle: http://2wkvisuell.hypotheses.org/451

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Fotogeschichte

Lee Miller: Die Fotografin Bourke-White vor einem B-17-Bomber
Cover "Fotogeschichte" Heft 134, Jg. 34 (2014) © Jonas Verlag

Cover “Fotogeschichte” Heft 134, Jg. 34 (2014) © Jonas Verlag

Bereits im Jahr 1981 in Frankfurt am Main gegründet, gilt die Zeitschrift „Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie“ heute als international renommierte Fachzeitschrift, die sich mit den Themen Fotografie sowie Gesellschaft beschäftigt und einen wichtigen Beitrag zur Etablierung der Fotografiegeschichte als Teil der Kultur- und Gesellschaftsgeschichte leistet. Die wissenschaftliche Vierteljahreszeitschrift, die seit 2001 von Anton Holzer (Wien) herausgegeben wird, ist ein wichtiges und international anerkanntes Forum für fotohistorische Debatten: Hier werden neue Themen und Forschungsergebnisse sowie die aktuelle Literatur in fundierten Rezensionen präsentiert, wobei jedes Heft vier bis sechs längere wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der Fotografie, zahlreiche Buch-, Katalog- und Ausstellungsbesprechungen sowie Hinweise zu aktuellen Forschungsarbeiten zu diesem Themenfeld enthält. Das gesamte Archiv der Zeitschrift ist online über ein Themen- und Stichwortverzeichnis erschlossen.

Im aktuellen Themenheft der „Fotogeschichte“, herausgegeben von Marion Beckers und Elisabeth Moortgat (Heft 134 / 2014 / Jg. 34), werden ausgewählte „Kriegsfotografinnen“ und ihre Arbeiten in den Jahren von 1916 bis 1944 vorgestellt, deren Erfahrungen und Bilder in der Fotogeschichtsschreibung lange Zeit wenig Beachtung fanden. So werden gleichfalls Amateurfotografinnen – oftmals Krankenschwestern, die den Kriegsalltag bildlich einfingen – als auch professionelle Fotografinnen näher betrachtet, die in den beiden Weltkriegen sowie im Spanischen Bürgerkrieg im eigenen Auftrag oder für Institutionen bzw. die Presse mit militärischer Akkreditierung fotografiert haben. Während im Ersten Weltkrieg die Zahl der vornehmlich aus Großbritannien und Österreich stammenden Kriegsfotografinnen noch überschaubar war, stieg ihre Zahl im Spanischen Bürgerkrieg an, nachdem der Beruf der Fotografin sich europaweit während der 1920er-Jahre insgesamt stark verbreitet hatte.

Duncan Forbes stellt in seinem Beitrag erstmals die Fotografien der Britin Vera Elkan vor, die mit Film- und Fotokamera im Auftrag der angelsächsischen „Aid Spain“-Bewegung zur Unterstützung der republikanischen Truppen und der Internationalen Brigaden vor Ort in Spanien arbeitete. Wie bei Elkan auch ist das Selbstbild und die gesellschaftliche Rezeption der fotografierenden Kriegsreporterinnen Thema weiterer Heftbeiträge: etwa bei Elisabeth Klaus, die anhand von Texten und Bildern der Österreicherin Alice Schalek – die erste deutschsprachige akkreditierte Kriegsreporterin und Fotografin – deren Selbstverständnis als Journalistin und Frau sowie ihre Gegnerschaft zum Pazifisten

Lee Miller: Die Fotografin Bourke-White vor einem B-17-Bomber

Lee Miller: Die Fotografin Margaret Bourke-White vor einem B-17-Bomber, England 1942 (Ausschnitt) © Lee Miller Archives, England 2014; aus: Richard Calvocoressi: “Lee Miller. Begegnungen”, Berlin 2002, S. 61.

Karl Kraus nachzeichnet. Nicht nur dieser Beitrag verdeutlicht dabei die Notwendigkeit einer Revision des Stereotyps von der grundsätzlich pazifistischen Frau im Kriegsgeschehen. Wie unterschiedlich die Kriegsfotografinnen nach Kriegsende in ihren Heimatländern behandelt wurden, zeigt der Beitrag von Elisabeth Bronfen. Anhand ausgesuchter Poträtfotografien beschreibt sie die glamouröse und popkulturelle Selbstpräsentation sowie Rezeption dreier akkreditierter US-Fotografinnen in Uniform: Lee Miller, Margaret Bourke-White und Martha Gellhorn. Der Artikel von Margot Blank behandelt hingegen die eher zurückhaltende Rezeption der Kriegsfotografinnen in der Sowjetunion, die bis hin zu Äußerungen des Misstrauens und der Anfeindung reichte, anhand der Schicksale von Natalja Bode und Olga Lander.

In ihrer aktuellen Ausgabe gibt die Zeitschrift „Fotogeschichte“ erneut interessante Einblicke in die Facetten der Fotografiegeschichte und liefert damit wichtige Impulse für die historische Bildforschung, an deren Entwicklung u.a. das Projekt „Visual History. Institutionen und Medien des Bildgedächtnisses“ beteiligt ist.

 

Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie“; Herausgeber: Dr. Anton Holzer; Jonas Verlag für Kunst und Literatur GmbH; www.fotogeschichte.info

Quelle: http://www.visual-history.de/2015/03/10/fotogeschichte/

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Fotografie, Staat und Öffentlichkeit: Signal Corps-Fotografien im und nach dem Zweiten Weltkrieg

Camp Robinson, Arkansas: Photographic Unit with machine gunners in the 162nd Signal Photographic Company area. 11 June 1942, NARA 111-SC-138630

ARCHIV-AUGUST 2022

Die Visual History-Redaktion nutzt den Monat August, um interessante, kluge und nachdenkenswerte Beiträge aus dem Visual History-Archiv in Erinnerung zu rufen. Für die Sommerlektüre haben wir eine Auswahl von acht Artikeln getroffen – zum Neulesen und Wiederentdecken!

(4) Und auch der nächste neu oder wieder zu entdeckende Beitrag aus dem Archiv beschäftigt sich mit Kriegsfotografie. Moderne Kriege werden nicht nur auf dem Schlachtfeld ausgetragen, sondern auch in der Öffentlichkeit. Viele Staaten haben sich mit der Einrichtung von Nachrichtentruppen ein Instrument geschaffen, die Produktion und Verbreitung von Kriegsinformationen selbst in die Hand zu nehmen. Unsere Abteilungsleiterin Annette Vowinckel hat sich die Geschichte der Foto-Einheiten des US-amerikanischen Signal Corps angesehen.

Der Artikel erschien am 12.

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Quelle: https://visual-history.de/2022/08/18/fotografie-staat-und-oeffentlichkeit-signal-corps-fotografien-im-und-nach-dem-zweiten-weltkrieg/

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Deutsche Kriegsfotografie im Zweiten Weltkrieg – Zwischen privater und professioneller Praxis

Autoren: Armin Kille, Thomas Lienkamp

Der Zweite Weltkrieg ist trotz der zeitlichen Distanz von fast 75 Jahren wie kein anderer Krieg in der deutschen Erinnerungskultur präsent. Es handelt sich um ein historisches Ereignis, das bis in die heutige Zeit auf individueller wie kollektiver Ebene von allen Generationen mit ganz bestimmten Bildern assoziiert wird. Bilder, die sich größtenteils auf Fotografien beziehen, die dem damaligen Geschehen auch tatsächlich entstammen. Diese ausgeprägte visuelle Dimension der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg hängt unmittelbar mit dessen historischer Situierung im beginnenden „Visuellen Zeitalter“ zusammen. In keinem vorherigen Krieg spielte die private und professionelle Produktion von fotografischen Bildern eine so große und wirkmächtige Rolle.

Das Forschungsblog verortet sich bewusst im Forschungsfeld der Visual History1. Dem Ansatz der Visual History folgend werden Fotografien, zusätzlich zu ihrer Rolle als Quelle, auch “als eigenständige Gegenstände der historiografischen Forschung”2 erfasst. Somit werden sie nicht nur als Darstellungsobjekt einer vergangenen Realität betrachtet, sondern ebenso als Vermittler von Wahrnehmungshorizonten und Denkhintergründen, als Multiplikator von Sehgewohnheiten und Ästhetiken sowie als Erzeuger einer eigenen Realität verstanden.

Um einen möglichst breiten Blick über das Themenfeld der deutschen Kriegsfotografie zu erreichen, werden in thematisch und methodisch ergänzenden Beiträgen die beiden wichtigsten Gruppen von Bildautoren in einer eng kooperierenden Projektgruppe untersucht:

Professionelle Fotografen lieferten im staatlichen Auftrag Aufnahmen, durch die ein einheitlich konstruiertes Bild des Krieges für die Öffentlichkeit entstehen konnte. Die eigens dafür in den „Propagandakompanien“ (PK) zusammengefassten Berufsfotografen begleiteten die Einheiten der Wehrmacht und der Waffen-SS und erstellten Material für die Kriegsberichterstattung in den deutschen und neutralen Medien. Ihre vorrangige Prämisse war dabei die gezielte Modellierung einer virtuellen Kriegsrealität, eines gewollten Bild des Krieges, das den Zielen und Zwecken der Staats- und Wehrmachtführung entsprach und der deutschen Öffentlichkeit vermittelt werden sollte.

Andererseits wurden durch die zahlreichen privat fotografierenden Soldaten sehr viele individuelle Bilder des Krieges konstruiert. Durch diverse technische Neuerungen begünstigt erreichte das Fotografieren auch im privaten Gebrauch einen Höhepunkt und entwickelte sich in den 1920er Jahren zu einem alle Gesellschaftsschichten durchdringenden Phänomen. Es zeigte sich, dass Amateure und Knipser gerade auch in der Ausnahmesituation Krieg weiter fotografierten und in ihren Aufnahmen zwischen soldatischer Alltagsfotografie, touristischem Blick und bellizistischer Sensationsfotografie oszillierten. Dabei gestalteten die Soldaten, bewusst wie unbewusst, ihren ganz privaten Bilderkosmos.

Auch wenn die fotografischen Quellen ausreichend vorhanden sind, handelt es sich bei einem Vergleich zwischen privater und professioneller Kriegsfotografie im Zweiten Weltkrieg bis heute um ein weitgehendes Forschungsdesiderat. Das konzipierte Blogprojekt möchte seinen Beitrag leisten, diese Lücke, 75 Jahre nach Kriegsanfang, weiter zu schließen.

  1. Vgl. weiterführend Paul, Gerhard, Visual History. Version 3.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.03.2014, URL: http://docupedia.de/zg/Visual_History_Version_3.0_Gerhard_Paul?oldid=88771, Stand: 31.07.2014.
  2. Vgl. Paul, Gerhard, Visual History. Ein Studienbuch, Göttingen 2006, S. 25.

Quelle: http://2wkvisuell.hypotheses.org/52

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Bilderkrieger, oder: Wer fotografiert den Krieg?

Bilderkrieger Cover

 

„Mein Arbeitsplatz ist sicher, denn diese Typen – sie werden niemals aufhören zu kämpfen. Ich würde aufhören, wenn das nur ein Job wäre. Aber es ist eine Art zu leben.“

 

Michael Kamber, Bilderkrieger. Von jenen, die ausziehen, uns die Augen zu öffnen. Kriegsfotografen erzählen, Ankerherz Verlag 2013

Michael Kamber, Bilderkrieger. Von jenen, die ausziehen, uns die Augen zu öffnen. Kriegsfotografen erzählen, Ankerherz Verlag 2013

Was der französische Kriegsfotograf Patrick Chauvel hier zum Ausdruck bringt, würden viele seiner Kollegen sicher unterschreiben. Wer einmal angefangen hat, Krieg zu fotografieren, kommt davon oft nicht mehr los – so zumindest berichten es viele der in diesem Band vertretenen Fotografinnen und Fotografen. Der von Michael Kamber zusammengestellte Band enthält 21 Gespräche mit 15 Männern und fünf Frauen, die in Kriegen von Vietnam bis Afghanistan fotografierten (Joao Silva ist mit zwei Gesprächen vertreten).

Eingeteilt sind die Gespräche in die Komplexe „Mission“, „Krieg“ und „Narben“. Überwiegend handelt es sich dabei um bereinigte Transkriptionen von Interviews, in zwei Fällen (Francesco Zizola und Don McCullin) um Erinnerungsprotokolle von Gesprächen, die nicht aufgezeichnet wurden. Die hier besprochene Ausgabe ist eine Übersetzung des bei University of Texas Press ebenfalls 2013 erschienenen Buches  Photojournalists on War – The Untold Stories from Iraq. Die einzelnen Beiträge sind zwischen 5 und 12 Seiten lang und schließen jeweils mit einer einzelnen doppelseitigen Abbildung aus dem Werk des Fotografen. Am Ende findet sich zudem ein visueller Epilog, der aus neun Fotografien von Personen besteht, die im Interviewteil nicht vertreten sind.

Aus den Interviews geht hervor, wie unterschiedlich die einzelnen Kriegsfotografen arbeiteten und noch arbeiten. Gleichwohl bilden sich auch bestimmte Muster heraus, die immer wiederkehren und so dazu beitragen, einen „idealtypischen“ Kriegsfotografen entstehen zu lassen, den man etwa so beschreiben könnte: Am Anfang steht zwar keine Ausbildung, aber die Überzeugung, dass es eine moralische Verpflichtung gibt, das vom Krieg verursachte Leid zu dokumentieren und der Weltöffentlichkeit zu zeigen, und zwar unabhängig davon, ob sich die Weltöffentlichkeit dafür auch interessiert oder nicht – letzteres sei nämlich häufig der Fall. Partei ergreifen die Fotografen selten für einen Krieg führenden Staat oder eine Gruppe im Bürgerkrieg; Partei ergreifen sie aber sehr wohl für die leidende Zivilbevölkerung. Dass sie selbst sich dabei in Lebensgefahr begeben, nehmen sie billigend in Kauf. Angst empfinden sie, fühlen sich jedoch entweder verpflichtet, diese in den Griff zu bekommen, oder genießen auch den Adrenalinkick, den die Gefahrensituation auslöst. Sie sind extrem genügsam, untereinander gut vernetzt und haben entweder keine Familie oder sind geschieden.

So weit bestätigen sie frühere Aussagen von Kriegsfotografen, die es in großer Zahl gibt und die stets um die gleichen Themen kreisen. Dennoch sind die Interviews spannend zu lesen und da besonders eindrücklich, wo die Protagonisten ihre eigene Verstrickung in das Geschehen beschreiben: Manche leiden, wie Soldaten, unter posttraumatischem Stresssyndrom, manche haben Schuldgefühle, weil sie Mitmenschen in Gefahr bringen oder befürchten, dass die Präsenz der Kamera Gewalttaten auch auslösen (statt verhindern) kann.

Zudem kommen auch einige Fotografen zu Wort, die nicht den Krieg selbst, sondern seine Folgen dokumentieren, sei es im Zusammenhang mit der Benachrichtigung der Angehörigen von gefallenen Soldaten, sei es im Kontext der Rehabilitation Schwerverletzter, die von der Öffentlichkeit gern vergessen werden. Diese Fotografen bilden ein gutes Gegengewicht zum Typ Gefahrensucher, als der die meisten Kriegsfotografen erscheinen – mitunter allerdings wohl auch zu Unrecht. Schließlich erklären alle hier vertretenen Fotografen, dass Vorsicht, Erfahrung, vernünftiges Abwägen von Risiken und eine gute Vernetzung ausschlaggebender für den Erfolg seien als blindes Draufgängertum.

Eine historische Einordnung der Kriegsfotografie in die Geschichte des 20. Jahrhunderts nimmt der Herausgeber nicht vor – und das ist auch gut so, gibt es doch schon reichlich Literatur zum Thema. Besonders beeindruckend ist indes die Auswahl der im Band abgedruckten Fotografien, die zum Teil schon durch die Medien gingen, darunter Anja Niedringhaus’ Foto eines U.S. Marine im Irak, der eine GI Joe Figur – also eine Art militärischen Ken – im Rucksack trägt; dieses Bild gewann als Teil einer Serie einen Pulitzer-Preis für Fotografie. (Anja Niedringhaus wurde am 4. April 2014 – weniger als ein Jahr nach Erscheinen des Buches – bei der Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit in Afghanistan erschossen; eine kanadische Kollegin überlebte schwer verletzt.) Andere Fotografien – wie das von Ashley Gilbertson aus einem Hubschrauber aufgenommene Bild des Camp Lima im Irak, in dem polnische Soldaten eben ein Sonnenbad nehmen, sind vielfach unbekannt. Angesichts der Tatsache, dass im Textteil eher wiederholt eine Inflation der Bilder als ein Mangel an Bildern beklagt wird, ist die Zurückhaltung bei der Bildauswahl und die Beschränkung auf einige herausragende Aufnahmen ebenso konsequent wie überzeugend. Das Buch ist mit Fadenheftung, Lesebändchen und guter Druckqualität handwerklich sehr schön gemacht. Aktuell wird es wohl noch lange bleiben.

Michael Kamber, Bilderkrieger. Von jenen, die ausziehen, uns die Augen zu öffnen. Kriegsfotografen erzählen, Hollenstedt: Ankerherz 2013, 287 Seiten mit zum Teil farbigen Abbildungen, ISBN 978-3-940138-44-6, € 29,90 (D); € 30,70 (A); CHF 45,00

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/06/30/bilderkrieger-oder-wer-fotografiert-den-krieg/

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Luftbildfotografie im Ersten Weltkrieg

Fotokammer der bayerischen Fliegerabteilung 296, 1916

 

Die „Maschinengewehrkamera“ wurde im Ersten Weltkrieg von Oskar Messter (1866-1943) entwickelt und von der Firma Ernemann in Dresden gebaut. Vorbild war das reale Maschinengewehr MG 08. Die Handgriffe des Abzugs waren identisch, ebenso die Visiereinrichtung. Statt eines Patronengürtels enthielt die Kamera einen Filmstreifen.

Die „Maschinengewehrkamera“ wurde im Ersten Weltkrieg von Oskar Messter (1866-1943) entwickelt und von der Firma Ernemann in Dresden gebaut. Vorbild war das reale Maschinengewehr MG 08. Die Handgriffe des Abzugs waren identisch, ebenso die Visiereinrichtung. Statt eines Patronengürtels enthielt die Kamera einen Filmstreifen.

Der Erste Weltkrieg ist auch ein Krieg der Bilder, genauer: ein Krieg, in dem erstmals das Medium der Fotografie massenhaft eingesetzt wurde. Schon der „begeisterte“ Abmarsch der deutschen Truppen Anfang August 1914[1] wurde in unzähligen Aufnahmen dokumentiert. Dabei war die Bildberichterstattung stark der Zensur unterworfen. Alle Kriegsparteien hatten zu Beginn oder während des Kriegs eigene Presse- oder Propagandabüros eingerichtet. Die Kriegsberichte und die Fotografien wurden extrem für propagandistische Zwecke eingesetzt; viele Bilder von der angeblichen Front waren zudem gefälscht bzw. in der Heimat nachgestellt worden. Der Krieg war also auch zu einem Medienkrieg geworden. Andererseits blieben die Kriegsaufnahmen nicht mehr auf Bildjournalisten, Fotografen und Propagandaabteilungen beschränkt. Einige Soldaten besaßen inzwischen Kleinbildkameras und dokumentierten ihre Kriegserlebnisse mit eigenen Fotoapparaten.

Der Erste Weltkrieg war die erste militärische Auseinandersetzung, in der größere Luftstreitkräfte zum Einsatz kamen. Ihre Aufgaben waren die Feindaufklärung aus der Luft, die Erkundung feindlicher Ziele, die Schussbeobachtung der Artillerie und die Bekämpfung von gegnerischen Luft- und Bodenstreitkräften. Eingesetzt wurden Ballone, Luftschiffe und Flugzeuge. Und erstmals wurden zu unterschiedlichen Zwecken Luftbilder aufgenommen.

Die frühesten Luftaufnahmen stammen von dem französischen Fotografen Nadar (eigentlich: Gaspard-Félix Tournachon, 1820-1910), der im Jahr 1858 Fotografien aus einem Fesselballon anfertigte. Noch vor der Jahrhundertwende testeten die neu geschaffenen Luftschiffer-Abteilungen in Preußen oder in Bayern Kameras auf ihre militärische Tauglichkeit.[2] Zunehmend wurden dabei verschiedene Aufnahmetechniken entwickelt: die Schrägaufnahme, die Senkrechtaufnahme, das Reihenbild und das Raumbild aus Stereoaufnahmen. Die Fotografien hatten dabei häufig eine erstaunliche Brillanz, bedenkt man, wie empfindlich und schwer die Glasnegative waren, die von Formaten von 9 x 12 cm bis 18 x 24 cm reichten.

Im Archiv des Deutschen Museums[3] finden sich aus der Zeit des Ersten Weltkriegs zahlreiche Fotografien. Häufige Motive sind Gruppenaufnahmen vor dem eigenen Flugzeug oder abgeschossene bzw. abgestürzte Flugzeuge. Breit abgelichtet wurden die am Krieg beteiligten Flugzeuge und ihre Besatzungen. Neben den eher militärischen Aufnahmen sind aber auch private Szenen des Soldatenlebens festgehalten. Ein interessantes Album stammt aus dem Besitz des als „Fliegerdichter“ bezeichneten Schriftstellers Peter Supf (1886-1961), dessen umfangreicher Nachlass sich heute im Archiv des Deutschen Museums befindet. Supf war Jagdflieger im Ersten Weltkrieg. Viele Aufnahmen zeigen dementsprechend die Flugzeuge und Bewaffnung seiner Einheit, Flugplätze und abgeschossene Flugzeuge. Das Album hält darüber hinaus zahlreiche Eindrücke aus dem Ersten Weltkrieg fest, wobei Fotografien von privaten Feiern, Kegelabenden und Weihnachtsfeiern dominieren.

 

Erfrierungen während eines Aufklärungsflugs: Leutnant Föhles kurz nach der Landung, 1916

Erfrierungen während eines Aufklärungsflugs: Leutnant Föhles kurz nach der Landung, 1916

Bemerkenswert ist, dass sich darin auch eher ungewöhnliche Aufnahmen finden. So sind verschiedene Luftbildaufnahmen erhalten. In der Regel wurden diese aus einer Höhe zwischen 1000 und 2000 Metern angefertigt. Nur selten kam es vor, dass Aufklärungsflüge in große Höhen führten. Ein Beispiel ist der Flug des Piloten Leutnant Schöller und seines Beobachters Leutnant Föhles, die beide zur Abteilung Supfs gehörten. Dabei handelte es sich um die bayerische Fliegerabteilung 286, die im dritten Kriegsjahr 1916 auf dem Flughafen von Condé-lès-Herpy nördlich von Reims stationiert war.

Die abgebildete Aufnahme stammt vom Dezember 1916, als beide Flieger schwere Gesichtserfrierungen erlitten, nachdem sie aus einer Höhe von 5000 Metern Aufnahmen geschossen hatten. Das Foto zeigt den Beobachter Föhles kurz nach der Landung. Deutlich zu erkennen sind die Erfrierungen derjenigen Gesichtspartien, die nicht von der Fliegerbrille und dem Fliegerhelm an der Stirn und am Kinn geschützt waren.

Fotokammer der bayerischen Fliegerabteilung 296, 1916

Fotokammer der bayerischen Fliegerabteilung 296, 1916

Im Album von Peter Supf ist auch das Fotolabor abgebildet, in dem die Fliegerabteilung ihre Luftaufnahmen entwickelte. Dies lenkt den Blick auf die technische Ausstattung, die der Luftaufklärung der Mittelmächte im Ersten Weltkrieg zur Verfügung stand. Zum Einsatz kamen Fliegerkameras unterschiedlicher Hersteller. In der Regel handelte es sich um Apparate mit einer Glasplattengröße von 13 x 18 cm. Die Wechselkassetten enthielten fast durchgängig sechs Platten. In den Anfängen der militärischen Luftbildfotografie hatte man sich mit Formaten 9 x 13 und Brennweiten von 15 und 18 cm begnügt. Nachdem aber insbesondere die Abwehrfeuer der feindlichen Artillerie Flughöhen über 2000 Meter erforderten, musste man die Apparate auf 25 und 30 cm Brennweite und größere Glasplattenformate umstellen. Für die Handhabung der Kameras war keine fotografische Ausbildung notwendig. Das Entwickeln der Platten übernahmen professionelle Fotografen.

 

Titelblatt von Alfred Thiel: Lehrbehelf für Photographie aus dem Flugzeuge für Beobachter-Offiziere, Wien 1916

Titelblatt von Alfred Thiel: Lehrbehelf für Photographie aus dem Flugzeuge für Beobachter-Offiziere, Wien 1916

Tafel zu „Orthochromatische Platten“, aus: Alfred Thiel, Lehrbehelf für Photographie aus dem Flugzeuge für Beobachter-Offiziere, Wien 1916

Tafel zu „Orthochromatische Platten“, aus: Alfred Thiel, Lehrbehelf für Photographie aus dem Flugzeuge für Beobachter-Offiziere, Wien 1916

 

In einem „Lehrbehelf“ stellte der österreichisch-ungarische Oberleutnant der Reserve Alfred Thiel die wichtigsten Fliegerkameras vor, die in Deutschland und Österreich eingesetzt wurden.[4] Behandelt werden im Einzelnen:

1. Lechner-Fliegerkamera (13 x 18 cm)

2. Goldmann-Fliegerkamera (13 x 18 cm)

3. Ica-Fliegerkamera (9 x 12 cm und 13 x 18 cm)

4. Zeiss-Fliegerkamera (9 x 12 cm und 13 x 18 cm)

5. Goerz-Kamera (9 x 12 cm und 13 x 18 cm)

6. Ernemann-Fliegerkameras (13 x 18 cm)

7. Voigtländer-Fliegerkameras (13 x 18 cm)

8. Reihenbilder der Firma Messter, Berlin

9. Stereo-Herzig-Kameras

In die Informationsschrift Thiels sind auch Tafeln mit eingeklebten Originalfotografien zu „Orthochromatischen Platten“ und zu „Lichthoffreien Platten“[5] eingefügt. Interessant ist die Tafel III mit Vorgaben für Aufnahmen aus Flugzeugen.

 

Große militärische Bedeutung hatten Luftaufnahmen der gegnerischen Stellungen. Das Beispiel zeigt ein Luftbild vom 20. Oktober 1916. Es findet sich eingeklebt in einem Album im Archiv des Deutschen Museums.[6] Erhalten sind Fotografien der deutschen Westfront aus der Gegend um Thiaumont, Douamont, Bras sur Meuse und Vacherauville, also von einem Gebiet nördlich von Verdun. Sie wurden von der Fliegerabteilung 44 aufgenommen. Deutlich zu sehen ist auf einem Bild die vorgeschobene Befestigungsanlage in der Mitte. Dahinter ist eine doppelte Festungslinie erkennbar. Vermutlich wurde die Aufnahme in Zusammenhang mit der Beschießung durch die deutsche Artillerie angefertigt, um den Erfolg der Bombardierung zu messen. Auf dem Foto sind Hunderte von Bombentrichtern zu sehen.

Luftaufklärung: Französische Stellungen im Gebiet nördlich von Verdun, 1916

Luftaufklärung: Französische Stellungen im Gebiet nördlich von Verdun, 1916

Die Luftbildfotografie hat über den militärischen Aspekt hinaus bleibenden Wert. Besondere Bedeutung haben die Luftaufnahmen, welche von der bayerischen Fliegerabteilung 304 stammen.[7] Die Einheit wurde 1917 von Schleißheim bei München nach Palästina verlegt. Von ihrer Tätigkeit sind noch heute 2526 Luftaufnahmen erhalten. Sie sind für die Alltags- und Verkehrsgeschichte und für die Archäologie der Region wichtig. So sind auf den Fotografien Umrisse von Ruinen alter Kreuzfahrerburgen oder auch Orte zu identifizieren, die aus der Antike bekannt sind. Die Aufnahmen sind online im Netz verfügbar.[8]

 


[1] Zur Thematik der angeblichen „Kriegsbegeisterung“ vgl. Jean-Jacques Becker, Comment les Français sont entrés dans la guerre. Contribution à l’étude de l’opinion publique printemps-été 1914, Paris 1977; Jeffrey Verhey, The Spirit of 1914: Militarism, Myth and Mobilization in Germany, Cambridge 2000; Wolfgang Kruse, Kriegsbegeisterung? Zur Massenstimmung bei Kriegsbeginn, in: ders. (Hrsg.), Eine Welt von Feinden. Der große Krieg 1914-1918, Frankfurt a.M. 1997, S. 159-166; Oliver Janz, Der Krieg als Opfergang und Katharsis. Gefallenenbriefe aus dem Ersten Weltkrieg, in: Rüdiger Hohls/Iris Schröder/Hannes Siegrist (Hrsg.), Europa und die Europäer. Quellen und Essays zur modernen europäischen Geschichte, Wiesbaden 2005, S. 397-402.

[2] Vgl. Rainer Braun, Übungsflüge und Übungsluftaufnahmen über Bayern 1912-1918. Die bayerischen Flieger-Beobachter, ihre Ausbildung in Schleißheim und ihr Bildbestand, in: Oberbayerisches Archiv 117/118 (1993/1994), S. 131-154.

[4] Alfred Thiel, Lehrbehelf für Photographie aus dem Flugzeuge für Beobachter-Offiziere, Wien 1916; Deutsches Museum, München, Archiv, LR 00387. Eine ähnliche Einweisung in die Luftbildfotografie publizierte Leutnant Wecker, Die Erkundung aus Fliegerbildern, Wahn o.J. [ca. 1916; mit zahlreichen eingeklebten Fotografien].

[5] Farbempfindliche oder orthochromatische und lichthoffreie Platten nennt man solche Fotoplatten, die für einige Farben besonders empfindlich sind. Erst seit ca. 1884 gelang es, Fotoplatten entsprechend zu beschichten. Für Höhenaufnahmen kamen nur orthochromatische Platten in Frage, da bei diesen die notwendige Rotempfindlichkeit gegeben war. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs waren Platten der Firma Hauff und von AGFA im Einsatz. Bei einer Aufnahme gegen einen grell beleuchteten Gegenstand entstand auf der Platte ein weißer Fleck, den man „Lichthof“ nannte. Die Erklärung lag in der Reflexion von Lichtstrahlen begründet, die durch die Fotoplatten hindurchgingen. Durch spezielle Beschichtungen konnten lichthoffreie Platten produziert werden. Diese basierten auf Forschungen von Adolf Miethe und Adolf Traube in Berlin um 1900.

[6] Deutsches Museum, München, Archiv, LR 02118/1.

[7] Vgl. Bayerisches Hauptstaatsarchiv (Hrsg.), Bayern und seine Armee. Eine Ausstellung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs aus den Beständen des Kriegsarchivs, München 1987, S. 82f.

[8] Bayerisches Hauptstaatsarchiv: Bildsammlung Palästina.

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/03/11/luftbildfotografie-im-ersten-weltkrieg/

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Luftbildfotografie im Ersten Weltkrieg

Fotokammer der bayerischen Fliegerabteilung 296, 1916

 

Die „Maschinengewehrkamera“ wurde im Ersten Weltkrieg von Oskar Messter (1866-1943) entwickelt und von der Firma Ernemann in Dresden gebaut. Vorbild war das reale Maschinengewehr MG 08. Die Handgriffe des Abzugs waren identisch, ebenso die Visiereinrichtung. Statt eines Patronengürtels enthielt die Kamera einen Filmstreifen.

Die „Maschinengewehrkamera“ wurde im Ersten Weltkrieg von Oskar Messter (1866-1943) entwickelt und von der Firma Ernemann in Dresden gebaut. Vorbild war das reale Maschinengewehr MG 08. Die Handgriffe des Abzugs waren identisch, ebenso die Visiereinrichtung. Statt eines Patronengürtels enthielt die Kamera einen Filmstreifen.

Der Erste Weltkrieg ist auch ein Krieg der Bilder, genauer: ein Krieg, in dem erstmals das Medium der Fotografie massenhaft eingesetzt wurde. Schon der „begeisterte“ Abmarsch der deutschen Truppen Anfang August 1914[1] wurde in unzähligen Aufnahmen dokumentiert. Dabei war die Bildberichterstattung stark der Zensur unterworfen. Alle Kriegsparteien hatten zu Beginn oder während des Kriegs eigene Presse- oder Propagandabüros eingerichtet. Die Kriegsberichte und die Fotografien wurden extrem für propagandistische Zwecke eingesetzt; viele Bilder von der angeblichen Front waren zudem gefälscht bzw. in der Heimat nachgestellt worden. Der Krieg war also auch zu einem Medienkrieg geworden. Andererseits blieben die Kriegsaufnahmen nicht mehr auf Bildjournalisten, Fotografen und Propagandaabteilungen beschränkt. Einige Soldaten besaßen inzwischen Kleinbildkameras und dokumentierten ihre Kriegserlebnisse mit eigenen Fotoapparaten.

Der Erste Weltkrieg war die erste militärische Auseinandersetzung, in der größere Luftstreitkräfte zum Einsatz kamen. Ihre Aufgaben waren die Feindaufklärung aus der Luft, die Erkundung feindlicher Ziele, die Schussbeobachtung der Artillerie und die Bekämpfung von gegnerischen Luft- und Bodenstreitkräften. Eingesetzt wurden Ballone, Luftschiffe und Flugzeuge. Und erstmals wurden zu unterschiedlichen Zwecken Luftbilder aufgenommen.

Die frühesten Luftaufnahmen stammen von dem französischen Fotografen Nadar (eigentlich: Gaspard-Félix Tournachon, 1820-1910), der im Jahr 1858 Fotografien aus einem Fesselballon anfertigte. Noch vor der Jahrhundertwende testeten die neu geschaffenen Luftschiffer-Abteilungen in Preußen oder in Bayern Kameras auf ihre militärische Tauglichkeit.[2] Zunehmend wurden dabei verschiedene Aufnahmetechniken entwickelt: die Schrägaufnahme, die Senkrechtaufnahme, das Reihenbild und das Raumbild aus Stereoaufnahmen. Die Fotografien hatten dabei häufig eine erstaunliche Brillanz, bedenkt man, wie empfindlich und schwer die Glasnegative waren, die von Formaten von 9 x 12 cm bis 18 x 24 cm reichten.

Im Archiv des Deutschen Museums[3] finden sich aus der Zeit des Ersten Weltkriegs zahlreiche Fotografien. Häufige Motive sind Gruppenaufnahmen vor dem eigenen Flugzeug oder abgeschossene bzw. abgestürzte Flugzeuge. Breit abgelichtet wurden die am Krieg beteiligten Flugzeuge und ihre Besatzungen. Neben den eher militärischen Aufnahmen sind aber auch private Szenen des Soldatenlebens festgehalten. Ein interessantes Album stammt aus dem Besitz des als „Fliegerdichters“ bezeichneten Schriftstellers Peter Supf (1886-1961), dessen umfangreicher Nachlass sich heute im Archiv des Deutschen Museums befindet. Supf war Jagdflieger im Ersten Weltkrieg. Viele Aufnahmen zeigen dementsprechend die Flugzeuge und Bewaffnung seiner Einheit, Flugplätze und abgeschossene Flugzeuge. Das Album hält darüber hinaus zahlreiche Eindrücke aus dem Ersten Weltkrieg fest, wobei Fotografien von privaten Feiern, Kegelabenden und Weihnachtsfeiern dominieren.

 

Erfrierungen während eines Aufklärungsflugs: Leutnant Föhles kurz nach der Landung, 1916

Erfrierungen während eines Aufklärungsflugs: Leutnant Föhles kurz nach der Landung, 1916

Bemerkenswert ist, dass sich darin auch eher ungewöhnliche Aufnahmen finden. So sind verschiedene Luftbildaufnahmen erhalten. In der Regel wurden diese aus einer Höhe zwischen 1000 und 2000 Metern angefertigt. Nur selten kam es vor, dass Aufklärungsflüge in große Höhen führten. Ein Beispiel ist der Flug des Piloten Leutnant Schöller und seines Beobachters Leutnant Föhles, die beide zur Abteilung Supfs gehörten. Dabei handelte es sich um die bayerische Fliegerabteilung 286, die im dritten Kriegsjahr 1916 auf dem Flughafen von Condé-lès-Herpy nördlich von Reims stationiert war.

Die abgebildete Aufnahme stammt vom Dezember 1916, als beide Flieger schwere Gesichtserfrierungen erlitten, nachdem sie aus einer Höhe von 5000 Metern Aufnahmen geschossen hatten. Das Foto zeigt den Beobachter Föhles kurz nach der Landung. Deutlich zu erkennen sind die Erfrierungen derjenigen Gesichtspartien, die nicht von der Fliegerbrille und dem Fliegerhelm an der Stirn und am Kinn geschützt waren.

Fotokammer der bayerischen Fliegerabteilung 296, 1916

Fotokammer der bayerischen Fliegerabteilung 296, 1916

Im Album von Peter Supf ist auch das Fotolabor abgebildet, in der die Fliegerabteilung ihre Luftaufnahmen entwickelte. Dies lenkt den Blick auf die technische Ausstattung, die der Luftaufklärung der Mittelmächte im Ersten Weltkrieg zur Verfügung stand. Zum Einsatz kamen Fliegerkameras unterschiedlicher Hersteller. In der Regel handelte es sich um Apparate mit einer Glasplattengröße von 13 x 18 cm. Die Wechselkassetten enthielten fast durchgängig sechs Platten. In den Anfängen der militärischen Luftbildfotografie hatte man sich mit Formaten 9 x 13 und Brennweiten von 15 und 18 cm begnügt. Nachdem aber insbesondere die Abwehrfeuer der feindlichen Artillerie Flughöhen über 2000 Meter erforderten, musste man die Apparate auf 25 und 30 cm Brennweite und größere Glasplattenformate umstellen. Für die Handhabung der Kameras war keine fotografische Ausbildung notwendig. Das Entwickeln der Platten übernahmen professionelle Fotografen.

 

Titelblatt von Alfred Thiel: Lehrbehelf für Photographie aus dem Flugzeuge für Beobachter-Offiziere, Wien 1916

Titelblatt von Alfred Thiel: Lehrbehelf für Photographie aus dem Flugzeuge für Beobachter-Offiziere, Wien 1916

Tafel zu „Orthochromatische Platten“, aus: Alfred Thiel, Lehrbehelf für Photographie aus dem Flugzeuge für Beobachter-Offiziere, Wien 1916

Tafel zu „Orthochromatische Platten“, aus: Alfred Thiel, Lehrbehelf für Photographie aus dem Flugzeuge für Beobachter-Offiziere, Wien 1916

 

In einem „Lehrbehelf“ stellte der österreichisch-ungarische Oberleutnant der Reserve Alfred Thiel die wichtigsten Fliegerkameras vor, die in Deutschland und Österreich eingesetzt wurden.[4] Behandelt werden im Einzelnen:

1. Lechner-Fliegerkamera (13 x 18 cm)

2. Goldmann-Fliegerkamera (13 x 18 cm)

3. Ica-Fliegerkamera (9 x 12 cm und 13 x 18 cm)

4. Zeiss-Fliegerkamera (9 x 12 cm und 13 x 18 cm)

5. Goerz-Kamera (9 x 12 cm und 13 x 18 cm)

6. Ernemann-Fliegerkameras (13 x 18 cm)

7. Voigtländer-Fliegerkameras (13 x 18 cm)

8. Reihenbilder der Firma Messter, Berlin

9. Stereo-Herzig-Kameras

In die Informationsschrift Thiels sind auch Tafeln mit eingeklebten Originalfotografien zu „Orthochromatischen Platten“ und zu „Lichthoffreien Platten“[5] eingefügt. Interessant ist die Tafel III mit Vorgaben für Aufnahmen aus Flugzeugen.

 

Große militärische Bedeutung hatten Luftaufnahmen der gegnerischen Stellungen. Das Beispiel zeigt ein Luftbild vom 20. Oktober 1916. Es findet sich eingeklebt in einem Album im Archiv des Deutschen Museums.[6] Erhalten sind Fotografien der deutschen Westfront aus der Gegend um Thiaumont, Douamont, Bras sur Meuse und Vacherauville, also von einem Gebiet nördlich von Verdun. Sie wurden von der Fliegerabteilung 44 aufgenommen. Deutlich zu sehen ist auf einem Bild die vorgeschobene Befestigungsanlage in der Mitte. Dahinter ist eine doppelte Festungslinie erkennbar. Vermutlich wurde die Aufnahme in Zusammenhang mit der Beschießung durch die deutsche Artillerie angefertigt, um den Erfolg der Bombardierung zu messen. Auf dem Foto sind Hunderte von Bombentrichtern zu sehen.

Luftaufklärung: Französische Stellungen im Gebiet nördlich von Verdun, 1916

Luftaufklärung: Französische Stellungen im Gebiet nördlich von Verdun, 1916

Die Luftbildfotografie hat über den militärischen Aspekt hinaus bleibenden Wert. Besondere Bedeutung haben die Luftaufnahmen, welche von der bayerischen Fliegerabteilung 304 stammen.[7] Die Einheit wurde 1917 von Schleißheim bei München nach Palästina verlegt. Von ihrer Tätigkeit sind noch heute 2526 Luftaufnahmen erhalten. Sie sind für die Alltags- und Verkehrsgeschichte und für die Archäologie der Region wichtig. So sind auf den Fotografien Umrisse von Ruinen alter Kreuzfahrerburgen oder auch Orte zu identifizieren, die aus der Antike bekannt sind. Die Aufnahmen sind online im Netz verfügbar.[8]

 


[1] Zur Thematik der angeblichen „Kriegsbegeisterung“ vgl. Jean-Jacques Becker, Comment les Français sont entrés dans la guerre. Contribution à l’étude de l’opinion publique printemps-été 1914, Paris 1977; Jeffrey Verhey, The Spirit of 1914: Militarism, Myth and Mobilization in Germany, Cambridge 2000; Wolfgang Kruse, Kriegsbegeisterung? Zur Massenstimmung bei Kriegsbeginn, in: ders. (Hrsg.), Eine Welt von Feinden. Der große Krieg 1914-1918, Frankfurt a.M. 1997, S. 159-166; Oliver Janz, Der Krieg als Opfergang und Katharsis. Gefallenenbriefe aus dem Ersten Weltkrieg, in: Rüdiger Hohls/Iris Schröder/Hannes Siegrist (Hrsg.), Europa und die Europäer. Quellen und Essays zur modernen europäischen Geschichte, Wiesbaden 2005, S. 397-402.

[2] Vgl. Rainer Braun, Übungsflüge und Übungsluftaufnahmen über Bayern 1912-1918. Die bayerischen Flieger-Beobachter, ihre Ausbildung in Schleißheim und ihr Bildbestand, in: Oberbayerisches Archiv 117/118 (1993/1994), S. 131-154.

[4] Alfred Thiel, Lehrbehelf für Photographie aus dem Flugzeuge für Beobachter-Offiziere, Wien 1916; Deutsches Museum, München, Archiv, LR 00387. Eine ähnliche Einweisung in die Luftbildfotografie publizierte Leutnant Wecker, Die Erkundung aus Fliegerbildern, Wahn o.J. [ca. 1916; mit zahlreichen eingeklebten Fotografien].

[5] Farbempfindliche oder orthochromatische und lichthoffreie Platten nennt man solche Fotoplatten, die für einige Farben besonders empfindlich sind. Erst seit ca. 1884 gelang es, Fotoplatten entsprechend zu beschichten. Für Höhenaufnahmen kamen nur orthochromatische Platten in Frage, da bei diesen die notwendige Rotempfindlichkeit gegeben war. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs waren Platten der Firma Hauff und von AGFA im Einsatz. Bei einer Aufnahme gegen einen grell beleuchteten Gegenstand entstand auf der Platte ein weißer Fleck, den man „Lichthof“ nannte. Die Erklärung lag in der Reflexion von Lichtstrahlen begründet, die durch die Fotoplatten hindurchgingen. Durch spezielle Beschichtungen konnten lichthoffreie Platten produziert werden. Diese basierten auf Forschungen von Adolf Miethe und Adolf Traube in Berlin um 1900.

[6] Deutsches Museum, München, Archiv, LR 02118/1.

[7] Vgl. Bayerisches Hauptstaatsarchiv (Hrsg.), Bayern und seine Armee. Eine Ausstellung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs aus den Beständen des Kriegsarchivs, München 1987, S. 82f.

[8] Bayerisches Hauptstaatsarchiv: Bildsammlung Palästina.

Quelle: http://www.visual-history.de/?p=2347

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Der Weltkrieg der Bilder

Cover_Fotogeschichte, Heft 130

 

Fotogeschichte, Heft 130, Titel " L´Illustration" vom 11. November 1916

Fotogeschichte, Heft 130, Titel „ L´Illustration“ vom 11. November 1916

 

In ihrer aktuellen Ausgabe widmet sich die Zeitschrift Fotogeschichte thematisch dem „Weltkrieg der Bilder“. Der Erste Weltkrieg setzte medienhistorisch, was die propagandistische und illustrative Nutzung von Bildern betraf, neue Maßstäbe. Die illustrierte Presse war zwischen 1914 und 1918 eines der wichtigsten Bildmassenmedien überhaupt und spielte dementsprechend auch für die Kriegspropaganda eine zentrale Rolle.

Bisher beschäftigte sich die Bild- bzw. Fotoforschung primär mit einzelnen Abbildungen, ohne den ursprünglichen Entstehungs- und Veröffentlichungskontext gebührend zu berücksichtigen. Dieser Forschungslücke hat sich nun der renommierte Fotohistoriker Ulrich Keller angenommen und mit seiner aktuellen Untersuchung einen wichtigen Beitrag zur Analyse von Presse und Propaganda im Ersten Weltkrieg geleistet. Keller hat in jahrelanger Recherchearbeit die Geschichte, Produktion und Funktionsweise der illustrierten Presse während der Kriegszeit analysiert und den bisherigen Referenzrahmen damit entscheidend erweitert. Die Ergebnisse seiner Arbeit stellt er nun in Fotogeschichte erstmals vor.

Zunächst stellt der Autor den „Weltkrieg der Bilder“ vor und beschreibt die „Organisation, Zensur und Ästhetik der Bildreportagen“. Am Beispiel der Schlacht von Verdun 1916 veranschaulicht er zudem, wie Bilder propagandistisch benutzt wurden und wie dies im internationalen Vergleich aussah. Das Neue an Ulrich Kellers Ansatz ist, dass er einen größeren Kontext schafft und wichtige Bezüge und Beziehungen herstellt und analysiert. Die Intention für die Produktion bestimmter Bilder ist dabei genauso evident wie deren Rezeption durch die Zeitgenossen. Keller greift dabei nicht nur auf die Fotoberichte zurück, sondern betrachtet vielmehr das gesamte Spektrum an Bildern sowie deren Berührungspunkte zum Beispiel mit den Bereichen Zeichnung und Grafik.

Fotogeschichte, Heft 130, Titel "BIZ" vom 3. Juni 1917

„Fotogeschichte“, Heft 130, Titel „BIZ“ vom 3. Juni 1917

Der Fotohistoriker konzentriert sich neben dem Einzelbild insbesondere auf die Bildreportagen, also die Anreihung mehrerer Bilder und deren textliche Einbettung. Zusätzlich dazu wählt Keller einen konsequent internationalen Ansatz und vergleicht die Bildberichterstattung bzw. den Umgang mit dem Medium in den am Krieg teilnehmenden Ländern.

Ulrich Keller stellt seine Untersuchung in Form von zwei Aufsätzen vor, die den Großteil des aktuellen Hefts ausmachen. Fotogeschichte gesteht Ulrich Kellers Arbeit eine auffällige Bedeutung zu, sodass die Zeitschrift ihm und seinen Forschungsergebnissen einen ungewöhnlich großen Raum einräumt.

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/02/27/der-weltkrieg-der-bilder/

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