Sound des Mainstreams. Geschichtsdidaktik am Scheideweg

 

Die Reflexionen über die Zukunft der Geschichtsdidaktik haben bereits Geschichte, vor allem innerhalb dieser vergleichsweise jungen Disziplin. Der hier vorliegende Diskussionsvorschlag sieht sich als Teil dieser Geschichte und soll als ein Plädoyer für eine zeitgemäße Geschichtsdidaktik als Reflexionswissenschaft gelesen werden. Es geht darum, die tradierten Begriffe und Konzepte und den „Sound“ des geschichtsdidaktischen Mainstreams in Frage zu stellen.

 

„10 Euro in die Institutskasse“

Es scheint um das Ganze zu gehen: „Die Aufgabe der Geschichtsdidaktik“ wird von Monika Fenn beschworen. Und diese sieht sie ganz selbstverständlich – „die geschichtsdidaktische Zunft […] ist sich […] einig darüber“ – im reflektierten Umgang mit Geschichte. Wessen es dazu bedarf, wird von der Autorin gleich mitgeliefert: Man muss narrative Muster „aufdecken“ und sich ein eigenes Urteil bilden. Dies ist aber beides nur möglich, wenn man das „Richtige“ weiß. Überhaupt scheint das „Richtige“ für die Autorin eine große Rolle zu spielen. Ebenso wie die Angst, sich aus dem Elfenbeinturm ihrer Geschichtsdidaktik in die Welt des 21. Jahrhunderts zu begeben. Dieser Duktus, dieser Sound. Pars pro toto? „Wer das Wort ‘Erinnerungskultur’ benutzt“, lese ich den datierten Notizen Peter Sloterdijks, „zahlt ab sofort 10 Euro in die Institutskasse und wird für den Rest der Woche von den Diskussionen ausgeschlossen.“1 Wie ich finde: eine schöne Idee. Auch in der Geschichtsdidaktik sollten wir beginnen, die Begründungsmuster, Denkfiguren, Begriffe und dahinter stehenden Konzepte in Frage zu stellen. Schnell ist doch überall die Rede vom „reflektierten Geschichtsbewusstsein“, von „der“ Geschichtskultur, von „historischer Bildung“, ja sogar manchenorts immer noch von „Ideologiekritik“.

Bescheidwisserei von gestern

Sehe ich diese beiden Aspekte zusammen, dann frage ich mich doch, ob das die Geschichtsdidaktik ist, die historisches Denken in unseren „gebrochenen Zeiten“2 des 21. Jahrhunderts reflexiv begleiten kann (und soll)? Im Gestus des etablierten Bescheidwissers, der auf dem „Richtigen“ beharrt, mit dem zur Schau gestellten kulturpessimistischen Zeigefinger angesichts „missbrauchter“ Quellen und mit Verweis auf Texte, die in einer Zeit geschrieben wurden, in der lediglich von „Geschichte in der Öffentlichkeit“ die Rede war, die Menschen noch mit Wählscheibenapparaten telefonierten und es lediglich drei Fernsehprogramme gab? Denn seien wir ehrlich: Diese Texte waren auf ein Zeitalter zugeschnitten, in dem die Welt das war, was sie heute längst nicht mehr ist: „Ohne dass wir dessen gewahr wurden, ist in einer kurzen Zeitspanne, in jener, die uns von den siebziger Jahren trennt, ein neuer Mensch geboren worden.“3

“… interrupt the following”

„Es geht mir um einen Blick für Blicke.“4 Mit diesem Satz begründet Armin Nassehi seine soziologischen Storys aus der postmodernen Welt des 21. Jahrhunderts. Dies könnte auch zugleich die Intention des vorliegenden Beitrages sein. Es geht mir in diesem Sinne darum, dass die Geschichtsdidaktik Leerstellen skizzieren und Utopien entwerfen sollte, die den eigenen Mainstream geschichtsdidaktischer Argumentation in Frage stellen könnten. Denn die Thematisierung dieser Blicke als mögliche Perspektive für eine zeitgemäße Geschichtsdidaktik könnte dann im besten Fall einen reflexiven Lernprozess in Gang setzen, der das etablierte Konzept des „reflective practitioner“ von Donald Schön auch auf die ExpertInnen der Geschichtsdidaktik übertragen könnte: Perspektivendifferenz als Lernanlass. Denn die Differenz ist die Stärke einer Disziplin, nicht deren Schwäche. Dann sollte es aber nicht darum gehen, den geschichtsdidaktischen Bestand zu wahren, sondern vielmehr darum, Traditionen zu überdenken und Ansätze zu entwickeln, ja etablierte Theorien und Methoden des Faches weiter- und neuzudenken. Nicht ohne Grund zitieren die AutorInnen des Sammelbandes „Manifestos for History”, der sich mit der Vielfalt der Geschichte im 21. Jahrhundert beschäftigt, ein Paradoxon von Jacques Derrida: „To be true to what you follow you have to interrupt the following.“5

Schrägheit und Entdeckung

Um dies aber zu realisieren, muss man manchmal quer denken, neugierig und offen sein, Bestehendes in Frage stellen und Neues ausprobieren. Was die Geschichtsdidaktik m.E. braucht, ist eine kultivierte Form der Schrägheit im Denken, gleichzeitig aber auch einen seriösen und entdeckenden „Blick zurück“ auf die verschüttgegangenen Traditionen des Faches als Reflexionswissenschaft. All dies könnte man als Außenstehender in den Texten der Geschichtsdidaktik vermissen, als Beteiligter auch schmerzlich beim eigenen Schreiben. Aber nur diese Schrägheit, nur dieser Einschnitt, eröffnet uns die Chancen zur Entbürokratisierung des Denkens angesichts der Fragmentarisierung von Weltbezügen und der damit einhergehenden Angst vor dem Verlust des Ganzen. Denn nur dieser Einschnitt, die Derrida’sche Unterbrechung, bietet den notwendigen Raum für die Reflexion des eigenen Tuns. Eine zeitgemäße Geschichtsdidaktik wäre dann eine Geschichtsdidaktik, die sich in diesem Raum bewegt, ohne den Ausgang zu kennen, wäre eine Wissenschaft in Bewegung, von einem Zustand zu einem anderen. Geschichtsdidaktik böte dann die Möglichkeit zur Erkundung fremder Welten, der vorurteilsfreien Begegnung mit anderen Erzählungen, die weder richtig noch falsch, sondern lediglich anders wären: Geschichtsdidaktik als Reflexionsraum historischen Denkens.

 

Literatur

  • Jenkins, Keith: At the Limits of History. Essays on Theory and Practice, London/New York 2009.
  • Munslow, Alun: The Future of History, London 2010.

Externe Links 

 

Abbildungsnachweis
© Jakob Ehrhardt / PIXELIO

Empfohlene Zitierweise
Heuer, Christian: Sound des Mainstreams. Geschichtsdidaktik am Scheideweg. In: Public History Weekly 1 (2013) 7, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2013-466.

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Römische Wölfin, postmoderne Werbung

 

In der Sprache von MarketingstrategInnen und Medienprofis ist immer die Rede von Kommunikation zwischen Konsument und Produkt, das dazwischenliegende Medium Werbung stellt die Kanäle für diesen Prozess. Dabei bedienen sich die Werbeagenturen im Zuge der immer breiteren geschichtskulturellen Bewegung auch gelegentlich historischer Stoffe. Sie setzen die Inhalte als bekannt voraus und bauen darauf, dass Altbewährtes schon immer gut ankam, sich also auch dieses mal im Warenkorb des Konsumenten einfinden wird. Was bedeutet dies für unser Alltagsleben, für unser Konsumverhalten und nicht zuletzt: für unseren Umgang mit Geschichtskultur?

 

Un espresso per favore…

Ein lasziver Blick aus schwarzgeränderten Augen, rote, volle Lippen – so blickte uns vor etwa vier Jahren verführerisch eine Wölfin an. Auf Plakaten und Zeitungsanzeigen war sie allerorts präsent, die Lavazza-Wölfin. Eine schöne junge Frau steht auf Händen und Knien, nur spärlich bekleidet mit einem Fell auf dem Rücken, das mehr freigibt als verhüllt. Ihr Haar liegt wild und strähnig nach hinten. In der rechten Hand hält sie eine Espressotasse mit dem Lavazza-Schriftzug und -Symbol. Unter ihr zwei Kinder: Das eine blickt nach oben zu ihren – freilich sittsam durch einen körperfarbenen BH verhüllten – Brüsten, das andere richtet seine Aufmerksamkeit auf die Tasse. Die drei scheinen sich auf einer Mauer im Inneren des Kolosseums aufzuhalten, das den Rahmen für das Szenario bildet. Hinter den aufragenden Rängen des Kolosseums fällt der Blick auf dramatische Wolken. Beworben wird, das verrät uns der Schriftzug unter dem Bild, „The Italian Espresso Experience“ von Lavazza, dem original italienischen Espresso.1

Trank die Wölfin wirklich Kaffee im Kolosseum?

Ein faszinierendes, aber auch irritierendes Bild. Unverkennbar ist die Anspielung auf die römische Wölfin, deren berühmtes Standbild in den kapitolinischen Museen in Rom zu sehen ist. Die Sache hat also irgendetwas zu tun mit Geschichte, Tradition, Kultur. Dafür steht natürlich auch das Kolosseum, obwohl nicht so recht klar ist, was die Wölfin dort hingeführt haben mag. Allerdings ist es mit der Espresso-Tradition der Römer ja nicht so weit her – schließlich musste der Kaffee erst aus Südamerika importiert werden, und die Espresso-Technik gibt es erst seit gut hundert Jahren. Wie hängt denn nun die italienische Lebensart, für die der Espresso steht, mit römischer Geschichte und Tradition zusammen? Und warum ist eigentlich der Himmel nicht blau? Was auf den ersten Blick irgendwie zu passen scheint, erweist sich bei genauerem Hinsehen als einigermaßen disparat.

Die gute, alte Zeit

Mike Seidensticker hat vor nahezu 20 Jahren auf einer breiten Materialbasis Geschichte in der Werbung – oder Werbung mit Geschichte – analysiert. Sein Befund damals: Bestimmte Sinnbildungsmuster im Umgang mit Geschichte, wie sie Jörn Rüsen und Hayden White beschrieben haben, kommen auch in dieser Werbung zum Tragen. Unsere Produkte sind seit jeher bewährt, waren schon immer wertvoll, erinnern an gute alte Zeiten – mit solcher Werbung wird eine traditionale oder exemplarische Sinnbildung betrieben. Wird das ganz Neue, das Alte Überbietende, noch nie Dagewesene beworben, haben wir es mit einer genetischen Sinnbildung zu tun.

Sex sells!

Welche Art von Sinnbildung betreibt die Lavazza-Werbung? Es geht um Versatzstücke aus der Geschichte, die irgendwie positiv besetzt sind, weil sie für historische und kulturelle Bedeutsamkeit stehen. Eine direkte Verbindung zum Produkt gibt es nicht. „Sex sells“ alleine wäre dann aber doch zu einfach. Soll vielleicht suggeriert werden, mit einem Espresso lasse sich diese ganze Kultur und Tradition irgendwie aufmischen? Witzig ist jedenfalls, dass einen der beiden Knaben der Kaffee mehr lockt als die Mutter- respektive Wolfsmilch. Was der Bezug auf die Vergangenheit genau besagen soll, bleibt letztlich unklar. Er ist nicht argumentativ, sondern eher spielerisch, anspielend, verfremdet, ironisch gebrochen – mit einem Wort: postmodern. Auch wenn man das Werbekonzept im Detail nicht kennt: Offensichtlich ging die Agentur Armando Testa, die die Kampagne entworfen hat, davon aus, eine solche Art von Werbung würde bei den Adressaten ankommen. Postmodern scheint heutige Espressotrinker – und wohl auch andere Werbekunden – nicht zu überfordern; postmodern lässt sich goutieren. Ob dieses historische Sinnbildungsmuster verstärkt für unsere Gegenwart steht, im Konsumalltag wie auch sonst?

Eine Renaissance-Dame

Dazu passt eigentlich die Geschichte der Lupa-Skulptur. Dass die die beiden Knaben, also Romulus und Remus, der Wölfin erst in der Renaissance hinzugefügt worden sind, wissen wir schon seit Langem. Aber seit einigen Jahren ist auch das Entstehungsdatum der Wölfin selbst in der Diskussion. Befunde zur Gusstechnik und zum Material sprechen dafür, dass man sie eventuell nicht ins 6. Jahrhundert v. Chr., sondern ins 11. oder 12. Jahrhundert n. Chr. zu datieren hat – keine antike, sondern eine mittelalterliche Skulptur mithin. Irgendwie also auch schon post, die alte Wölfin.

 

Literatur

  • Seidensticker, Mike: Werbung mit Geschichte. Ästhetik und Rhetorik des Historischen, Köln u.a. 1995.

Externe Links

 

Abbildungsnachweis
(c) Marie-Lan Nguyen. Die Kapitolinische Wölfin (Rom), Abbildung gemeinfrei.

Empfohlene Zitierweise
Sauer, Michael: Römische Wölfin, postmoderne Werbung. In: Public History Weekly 1 (2013) 7, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2013-405.

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LPR Hessen schreibt MediaSurfer – MedienKompetenzPreis Hessen – aus

Auch in diesem Jahr schreibt die LPR Hessen wieder den MediaSurfer – den MedienKompetenzPreis Hessen – aus. Ziel dieser Ausschreibung ist es, den bewussten Umgang von Kindern und Jugendlichen mit den neuen Medien weiter zu fördern. Die Bewerbung ist ab sofort für Schulklassen, Vereine, Jugendclubs, Jugendinitiativen oder andere Gruppen aus Jugend- und Freizeiteinrichtungen möglich. Gesucht werden hessische medienpädagogische Projekte, die im Jahr 2013 von Kindern und Jugendlichen zwischen 3 und 18 Jahren durchgeführt wurden. Die möglichen Beitragskategorien umfassen Film/Video, Radio/Audio, Computer/Internet oder Handy. Bewerbungsschluss [...]

Quelle: http://medienbildung.hypotheses.org/2940

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Die Rede des Billeteurs

Als vor wenigen Tagen das Wiener Burgtheater sein 125-jähriges Jubiläum beging, feierte es dies unter anderem mit einem Kongress, bei dem der Billeteur Christian Diaz eine ungewünschte und folglich auch unterbrochene Rede hielt, die u.a. auf nachtkritik.de dokumentiert ist; Ausschnitte daraus:

"Von welchem Theater träumen wir?" ist das Thema des Kongresses zu dem Sie heute hierher gekommen sind. "Von welchem Theater träumen wir?", das fragte ich mich auch, als ich mir vor einigen Monaten bewusst wurde, dass ich in Wirklichkeit nicht für das Burgtheater arbeite.
1996 nämlich gliederte die Bundestheater Holding den gesamten Publikumsdienst der Wiener Bundestheater aus, an den größten Sicherheitsdienstleister der Welt. Wir performen also das Burgtheater, sind aber eigentlich Security Angestellte.
Unser Arbeitgeber heißt G4S. Das steht für Group 4 Securior.
(...)
G4S ist international in unzählige Kontroversen, Skandalen und Anklagen wegen Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des Internationalen Rechts verwickelt.
(...)
Was bedeutet es für die Utopie oder Heterotopie Theater, dass eine der renommiertesten kulturellen Institutionen dieses Landes schon seit vielen Jahren unhinterfragt mit multinationalen Unternehmen wie G4S, Novomatic, Agrana oder Casino Austria in einem Boot sitzen?
(...)
Ich träume von einem Burgtheater, dass sich gegen das Unternehmen G4S positioniert. Ich träume von einem Theater, das sich gegen die Politik stellt, welche Outsourcing, Privatisierung und damit wachsende Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft fördert.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/511013947/

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5. Wie wird philosophisch geschrieben?

Scheitel, Krawatte, Hemd – Mist. Scheitel, Hemd, Krawatte, Hose, Flipflops, Schreibblockade. Willkommen in der Realität meines dieswöchentlichen Doktoranden-Dienstages. Was sollte ein Philosoph machen, wenn er nicht schreiben kann? „Zurück in die Tonne!“. Contenance bitte.

Ich könnte beispielsweise über Analytiker lästern. Analytiker sind nämlich die Borg unter den Philosophen. Oder ich könnte mich in einem Moment melancholischer Reflexion fragen, ob mein letzter Eintrag über Sextus (nicht lachen) Empiricus und Descartes gut genug geschrieben war. Aber die faltige Stirn unserer Schelling-Büste im Übungsraum unseres Institutes heißt mich, nun keine Witze mehr zu machen. Philosophie ist Ernst. Ernst. Alsoe eine kleine Darstellung philosophischer Schreibweisen.

Platon. Der guckt mich zwar auch an, aber irgendwie ist er heute in seiner eigenen Ideenwelt. Ich weiß aber, dass Platon das mit dem Ernst nicht ganz so sah. (Und der imaginäre Ellbogen seiner Büste pikst den mahnenden Schelling in die Rippe.) Denn laut Vlastos, einem berühmten Platon Interpreten, ist die Ironie ein häufiges Mittel in Platons Dialogen (vgl. für das Folgende Vlastos, Gregory (1987): Socratic irony. In: The Classical Quarterly 37 (1), S. 79–96.). Vlastos begibt sich in seinem Artikel auf die Suche nach dem Charakter der platonischen Ironie und versucht zu entdecken, ob sie dieselbe Bedeutung haben kann, wie unser heutiges Verständnis. „Das da wäre?“. Etwas sagen, etwas anderes meinen. Aber darum geht es nicht. Worum es geht, ist, dass es also eine Vielzahl von Weisen gibt, Philosophie zu betreiben. Deshalb auch eine Vielzahl philosophischer Schreibweisen und Textarten. So wollte Aristoteles gerne sehr klar sein. Er hatte die Dinge wohl beim Namen genannt. Platon schrieb eben in Dialogformen, die Teilweise als Erzählungen von jemandem eingeführt werden, der wohl etwas vor langer Zeit irgendwo gehört hatte oder die aporetisch enden. Gregor von Nazianz schrieb Reden auf. Synesios von Kyrene Briefe, Marc Aurel an sich selbst. Und Nietzsche, den gibt es auch noch. Jede dieser Textarten birgt eigene Schwierigkeiten der Auslegung, jede hat eigene Wendungen und eigene Vorteile. Platon beispielsweise regt stark zum Denken an, weil die Ergebnisse eben nicht gleich präsentiert werden. Manche Schriften sind dunkel also, andere lustig. Was unterscheidet philosophische Texte aber dann von anderen? Warum wird Dumas’ Graf von Monte Christo beispielsweise nicht als philosophisches Werk gelesen? Es gibt Schicksale, Emotionen, Ungerechtigkeiten, Rache. Warum ist Dumas kein Philosoph? Oder ist es er? Ich meine „er es“? Nein, ist er nicht: Es gibt keinen Hinweis auf eine Theoretisierung seiner Beschreibungen. Es gibt auch keine Andeutung auf Definitionen oder ein Prinzip, das die Emotionen oder das Schicksal oder etwas anderes erklären könnte, keine Abwägung. Er vertritt weder eine Theorie ethischer Handlungen, noch will er erklären, warum etwas ist. „Machiavelli mach das auch nicht!“ Ja, aber der kritisiert andere Konzeptionen, die sehr wohl philosophisch sind. Die ethischen Ansichten mittelalterlicher Fürstenspiegel beispielsweise stellt er seinen eigenen Erfahrungen gegenüber. Diesen Anspruch an Philosophie gab es aber nicht immer. Spätantike Philosophen begannen, die archaischen Texte von Homer philosophisch zu interpretieren. Odysseus Heimkehr wurde als verschleierte Wahrheit des Polymathen mit göttlichem Wissen Homers gedeutet. Andere Passagen wurden ebenfalls allegorisch gelesen. Es wurden Inhalte der eigenen Ansichten “hinein gedeutet”. Das könnten Sie selbstverständlich auch mit Dumas’ Werk machen. Aber dafür brauchen Sie selbst zunächst ein ausgefeiltes philosophisches System, das sie dann aus diesem wider heraus lesen können. Vielleicht lohnt sich das nicht beim Grafen von Monte Christo. Sie brauchen eine heute allgemein akzeptierte Autorität, der man zutrauen könnte, einen tiefen Einblick in philosophische Wahrheiten zu haben. Wie wäre es daher mit “Guardiola: Der Fußball-Philosoph” (Schulze-Marmeling (2013): Guardiola: Der Fußball-Philosoph).

“Noch einmal ganz kurz zurück zum Wesentlichen: Flipflops im Regen? Wirklich?”

Quelle: http://philophiso.hypotheses.org/83

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Keine Haftung der Betreiber von Facebook-Fanseiten für Verstöße gegen geltendes Datenschutzrecht

http://www.einsichten-online.de/url/ir8c2 Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz (ULD) ist nicht berechtigt, von den Betreibern von Facebook-Fanpages zu verlangen, diese Seiten wegen etwaiger datenschutzrechtlicher Verstöße zu deaktivieren. Zu diesem Ergebnis ist das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht nach mündlicher Verhandlung vom heutigen Tage gekommen. Drei schleswig-holsteinische Unternehmen, die bei Facebook eine Fanpage betreiben, hatten gegen die Anordnung des ULD, diese […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/10/4735/

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Edition der Faulhaber-Tagebücher beginnt

Michael (von) Faulhaber (1869-1952) war eine der Schlüsselfiguren des bayerischen und deutschen Katholizismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zunächst Theologieprofessor wurde er 1910 Bischof von Speyer und 1917 Erzbischof von München und Freising, letzteres bis zu seinem Tod. Seit 1921 war er Kardinal. Sein Wirken fällt damit in die Zeit von Monarchie, Erstem Weltkrieg, Revolution und Räterepublik, Weimarer Republik, Nationalsozialismus, Zweitem Weltkrieg und den ersten Nachkriegsjahren bis in die frühe Bundesrepublik Deutschland. Faulhaber polarisierte schon Zeitgenossen und bis heute ist er Ziel heftiger, oft auch unsachlicher Kritik.

Daher dürfte die heute, am 15. Oktober 2013, angekündigte Edition seiner Tagebücher von großem wissenschaftlichen Wert sein und zahlreiche neue Erkenntnisse zu Faulhabers Biographie und zur bayerischen (Kirchen-)geschichte erwarten lassen. Faulhaber führte seit 1911 Tagebücher (Besucherbücher), ergänzt durch Gesprächsnotizen.

Diese Unterlagen standen der Forschung bisher nur eingeschränkt zur Verfügung, da sie Faulhabers letzter Privatsekretär, Johannes Waxenberger, nach dem Tod des Erzbischofs an sich genommen hatte. Erst 2010 gelangten die Tagebücher und weitere Unterlagen an das Erzbischöfliche Archiv in München. Doch noch ein zweiter Grund behinderte bisher die Auswertung der Tagebücher – sie sind fast durchgängig in Gabelsberger-Kurzschrift geschrieben. Gabelsbergers Kurzschrift war zwar um 1900 eines der am weitesten verbreiteten Kurzschriftsysteme; mit der Einführung der deutschen Einheitskurzschrift 1924 verlor sie jedoch an Bedeutung und ist heute kaum mehr bekannt.

Die Edition der Tagebücher erfolgt in Zusammenarbeit des Instituts für Zeitgeschichte in München und des Lehrstuhls Kirchengeschichte, Prof. Hubert Wolf, Münster, als DFG-Projekt, das auf auf zwölf Jahre angelegt ist. Erfreulich ist die Ankündigung, dass die Edition auch online erfolgen soll.

Links:

- Pressemitteilung des Erzbistums München und Freising vom 15. Oktober 2013

- Statement von Archivleiter Dr. Peter Pfister mit Hintergrundinformationen zur Überlieferungsgeschichte und zur Quelle

- Gemeinsame Pressemitteilung des Instituts für Zeitgeschichte und des Seminars für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte, Münster

 

 

 

Quelle: http://histbav.hypotheses.org/413

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Buchbesprechung: BACK, Dorf und Revolution

 

BACK, Nikolaus: Dorf und Revolution. Die Ereignisse von 1848/49 im ländlichen Württemberg (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 70), Ostfildern 2010.

Von der Existenz dieses Buches hat der Rezensent mit viel Freude und einer kleinen Beimischung von Ärger erfahren. Die Freude bezieht sich auf das Vorliegen einer neuen substantiellen Forschungsarbeit zu diesem Thema; der Ärger auf den Umstand, von ihr nicht rechtzeitig Kenntnis erhalten zu haben, um sie vor der Drucklegung der eigenen Dissertation noch berücksichtigen zu können.

Cover: Nikolaus BACK, Dorf und RevolutionCover: Nikolaus BACK, Dorf und Revolution

Freilich ist es heute nicht mehr, wie noch vor wenigen Jahrzehnten, der Fall, dass wir von den Ereignissen von 1848/49 im ländlichen Raum fast gar nichts wüssten, aber abgesehen von einer regional sehr unterschiedlichen Qualität und Dichte der vorliegenden Erkenntnisse sind auch manche wichtigen Fragestellungen noch kaum systematisch aufgegriffen worden, während andere als verhältnismäßig gut untersucht gelten können. Dies geht auch aus der Einleitung der vorliegenden Monographie deutlich hervor, welche 2009/10 an der Universität Tübingen als Dissertation angenommen wurde1. Eine beträchtliche Menge an Literatur kann der Verfasser insbesondere zu den ländlichen Unruhen des März und April 1848 in verschiedenen deutschen Staaten anführen (S. 3–11); dabei zeigt sich auch, welche Fortschritte in den vergangenen Jahrzehnten bei ihrer Deutung und Einordnung gemacht worden sind. Hatten sie noch vor einem halben Jahrhundert als letzter Ausläufer des Mittelalters, „noch auf der gleichen Stufe“ mit dem Bauernkrieg von 1525, gegolten2, so haben sich seither wesentlich differenziertere Einschätzungen hinsichtlich der Beweggründe, Akteure und Handlungsformen durchgesetzt, etwa mit den Arbeiten von Andreas Düwel, Robert von Friedeburg und Manfred Gailus3.

Demgegenüber ist der weitere Verlauf des Geschehens im ländlichen Raum während der Jahre 1848 und 1849 noch verhältnismäßig selten systematisch untersucht worden, in erster Linie deshalb nicht, weil sich eine so aufsehenerregende Welle von Unruhen nicht mehr wiederholte. Die schon bald nach der Niederschlagung der Revolution vor allem von konservativen Beobachtern – großer Einfluß kam hier den Schriften von Wilhelm Heinrich Riehl zu4 – aufgebrachte Deutung, nach einem kurzen rauschhaften Intermezzo in den „tollen Märztagen“ sei die Landbevölkerung rasch und nachhaltig zu einer konservativen, weil im Grunde unpolitischen Haltung zurückgekehrt, hat in der Historiographie sehr lange nachgewirkt und tut dies mitunter sogar bis heute5. Immerhin liegen für einige wenige, besonders aktive Regionen bereits Pionierstudien vor, die nachweisen konnten, dass verschiedene Formen zeittypischer politischer Aktivität auch auf dem Land Platz griffen, vor allem Petitionsbewegungen und das politische Vereinswesen. Als Marksteine erscheinen hier vor allem die Arbeiten von Michael Wettengel zu Hessen-Darmstadt und Nassau6 sowie von Jonathan Sperber zum Rheinland7.

An diese Vorbilder anschließend will der Verfasser des hier gegenständlichen Buches für den Raum des ehemaligen Königreichs Württemberg „untersuchen, ob und wie sich die Politisierung der Landbevölkerung nach den Märzunruhen 1848 fortsetzte“ (S. 15). Er geht dabei vor allem insofern noch einen Schritt weiter als Wettengel und Sperber, als er den ländlichen Raum nicht auch, sondern ausschließlich ins Auge fassen und die Entwicklung in den Städten nur so weit behandeln will, wie dies zum Verständnis und zur Erklärung des in den Dörfern Beobachteten erforderlich ist. Wie sich im Verlauf der Untersuchung erweist, waren die Verflechtungen dicht, der Blick auf die Städte bleibt somit durchgehend notwendig, aber – und dies ist von größter Wichtigkeit – die Entwicklung auf dem Land kann dennoch nicht allein als Folge städtischen Einflusses gedeutet werden, sondern ist als Resultat der Interaktion urbaner Impulse mit autochthonen Initiativen in und aus den Landgemeinden zu verstehen. Das Spektrum der in Betracht kommenden „politischen Äußerungen“ wird erfreulich breit abgesteckt: „Volksversammlungen, Petitionen, der so genannte ‚Rau-Ausmarsch‘ vom September 1848, vor allem aber die Entstehung von politischen Vereinen und schließlich in einzelnen Gebieten Ausmärsche zur Unterstützung der Nationalversammlung im Juni 1849“ (S. 15–16). Daneben werden noch andere Aktivitäten wie Spendensammlungen, öffentliche Feiern oder die Verbreitung und Lektüre von Zeitungen und politischen Broschüren, weiters Institutionen wie Bürgerwehren, Gesangs- und Turnvereine mehr oder weniger detailliert behandelt.

Dass sich die Untersuchung auf das ganze Königreich Württemberg erstreckt, wird in erster Linie mit der schütteren Quellenlage begründet, die einen näheren Fokus unergiebig gemacht hätte (S. 16). In der Tat liegt ein großer Vorzug der Studie in der sehr ausgedehnten und zugleich sorgfältigen Quellenarbeit. Der Verfasser hat neben den Akten der württembergischen Zentralstellen jene der Oberämter und der Gerichte benutzt, zudem kirchliche Archive, das Heilbronner Stadtarchiv sowie in Einzelfällen weitere Gemeindearchive. Darüber hinaus hat er eine Vielzahl regionaler und lokaler Zeitungen – vom Boten von Aalen bis zum Amts- und Unterhaltungsblatt für den Oberamtsbezirk Urach – penibel ausgewertet und ihnen selbst kleinste Erwähnungen und Annoncen im Zusammenhang mit politischer Aktivität abgerungen. Ihm ist dabei stets bewusst, dass in den wenigsten dieser Quellen die zentralen Subjekte seiner Untersuchung, die Dorfbewohner, sich aus eigenem Antrieb äußern. Was Angehörige des urbanen Bürgertums oder der Beamtenschaft zu ihnen oder über sie zu sagen hatten, spiegelt oft mehr die Wahrnehmungen und Intentionen dieser Sprecher, als dass es unmittelbar als Information über das Leben in den Dörfern dienen könnte; und nicht selten handelt es sich dabei um Standpunkte, die der pro-revolutionären politischen Aktivität der Landbewohner ablehnend gegenüberstanden. In einer jener Situationen, in denen die Worte dörflicher Aktivisten am ehesten verschriftlicht wurden, nämlich bei behördlichen Vernehmungen, hatten sie ein markantes Interesse daran, sich unwissend und unpolitisch darzustellen. Der Verfasser ist dem mit einer vorsichtig abwägenden Quellenkritik begegnet und hat auch, wo es möglich war, die Aussagen unterschiedlicher Quellen miteinander abgeglichen. Dies verschafft seinen Befunden ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit.

Ein kurzes erstes Kapitel skizziert die wirtschaftliche und soziale Situation im Vormärz und am Vorabend der Revolution (S. 24–36). Hervorgehoben werden dabei die vielfachen Unterschiede zwischen den alt- und den neuwürttembergischen Gebieten im Hinblick etwa auf das Erbrecht und die dadurch bedingte Sozialstruktur der Dörfer, auf den Stand der Grundentlastung (in den erst im 19. Jh. durch Mediatisierung von Kleinterritorien an Württemberg gekommenen Gebieten war diese viel weniger weit fortgeschritten) sowie auf die konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung. Das ländliche Handwerk und das Verlagswesen hatten in Württemberg eine hohe Bedeutung, hingegen gab es wenig fabriksmäßige Industrie; die sozial und politisch stabilisierende Wirkung, die sich Regierungskreise von diesem durchaus erwünschten Zustand versprachen (S. 29), hielt allerdings der Wirtschaftskrise der 1840er Jahre nicht stand.

Den Unruhen im März und April 1848 ist der erste Hauptabschnitt gewidmet. Der Autor hat sie in mehrere Kategorien unterteilt: Proteste gegen Adelsherrschaften (S. 37–68), gegen Schultheißen und Gemeinderäte (S. 68–98), gegen staatliche Amtsträger (S. 98–105) sowie antisemitische und xenophobe Ausschreitungen (S. 106–114). Ein beträchtliches – und bisher nicht vollständig wahrgenommenes – Ausmaß nahmen insbesondere die kommunalen Unruhen an: Zwischen März und August 1848 gab es in 353 von insgesamt 1.919 württembergischen Gemeinden einen Wechsel im Amt des Schultheißen, wovon nur die wenigsten ganz ohne Zusammenhang mit der Revolution gewesen sein dürften (S. 71–73)8. Demgegenüber hielten sich die Widersetzlichkeiten gegen die Staatsbeamten sehr in Grenzen; nennenswert sind in erster Linie Konflikte mit dem staatlichen Forstpersonal um die hier wie in vielen Teilen Europas sehr virulenten Fragen der Nutzungsrechte an öffentlichen Wäldern. Die Darstellungsweise ist in diesem wie in den folgenden Kapiteln vorwiegend systematisch, zu jedem Typ von Unruhen wird der Reihe nach auf die zeitliche und räumliche Verteilung, auf verschiedene Aktionsformen, auf Ziele und Anliegen sowie auf die Identifikation und die Haltungen der verschiedenen Akteursgruppen eingegangen. Dabei ergeben sich interessante und originelle Beobachtungen gerade hinsichtlich der oft komplexen Überschneidungen von Konfliktlinien, wenn etwa gezielt den Fragen nachgegangen wird, wie sich Schultheißen und staatliche Beamte zu Unruhen gegen den Adel stellten, wie Oberamtleute auf Konflikte in den Gemeinden reagierten und so fort.

Im folgenden Abschnitt über den Zeitraum bis Ende 1848 findet sich zunächst eine eher knappe Darstellung der Wahlen zur Frankfurter Nationalversammlung und zum Landtag (S. 115–121), die nicht nur von einer Welle von Volksversammlungen begleitet waren, sondern auch Anlass zu ersten Bemühungen um die Etablierung politischer Vereine im ländlichen Bereich boten. Diese Bezirksvereine des Frühjahrs 1848 blieben allerdings vorerst meist kurzlebig (S. 130–137). Auch zu Gründungen von Vereinen in einzelnen Dörfern kam es in diesem Zeitraum schon, doch waren es wenige, die der Verfasser nahezu einzeln aufzählen und schildern kann (S. 146–172). Die Septemberkrise 1848 löste in Württemberg auch im ländlichen Raum spürbare Resonanzen aus, der auffälligste Vorfall war der von Gottlieb Rau organisierte „Ausmarsch“ im Oberamt Rottweil, an dem sich auch die Bewohner etlicher Dörfer der Umgebung beteiligten. Anhand gerichtlicher Untersuchungsakten lassen sich die dazu führenden Vorgänge in einigen Fällen recht genau nachzeichnen, wobei wiederum systematisch die Positionen und Handlungsweisen verschiedener Akteure herausgearbeitet werden (S. 172–199).

Seine größte Intensität erreichte das ländliche politische Vereinswesen in Württemberg zwischen dem Winter 1848/49 und dem folgenden Sommer, wie im dritten Hauptabschnitt eingehend dargestellt wird. Wichtige Impulse lieferten die Trauer- und Solidaritätskundgebungen nach der Erschießung von Robert Blum in Wien sowie die Veröffentlichung der von der Frankfurter Nationalversammlung beschlossenen „Grundrechte des deutschen Volkes“. Die demokratische Vereinsbewegung, die sich in diesem Zeitraum mit dem Centralmärzverein für ganz Deutschland und dem Landesausschuss in Württemberg wirksame Dachorganisationen schuf, profitierte von der Stimmungslage, indem sie durch eine massenhaft verteilte Broschüre – die von Carl Mayer verfasste Ansprache an unsere Mitbürger auf dem Lande – gezielt zu Vereinsgründungen auch in den Landgemeinden aufrief. Die Wirkung im Verlauf der ersten Jahreshälfte war beträchtlich, wie der Verfasser zeigen kann; dabei gelangt er wiederum über bisher vorliegende Ergebnisse hinaus9, die sich zu sehr auf amtliche Berichte gestützt hatten, in denen die Oberamtleute offenbar darauf bedacht waren, die Verbreitung demokratischer Vereine kleinzureden (S. 217–222). Vor allem durch die systematische Auswertung von Zeitungen lassen sich ihre Meldungen wesentlich ergänzen, wobei sich nicht weniger als 453 Vereine in Dörfern und Kleinstädten finden (S. 304); dabei räumt der Verfasser freilich selbst ein, dass auch Einzelnennungen berücksichtigt sind, bei denen es nach der Gründungsversammlung keinen Beleg für eine weitere Aktivität gibt.

Während von den meisten also gerade einmal die Existenz nachweisbar ist, können einige wenige Vereine aufgrund einer besonders günstigen Quellenlage eingehend dargestellt werden. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn Vereinsarchive in die Hände der Behörden fielen – schon deshalb eine seltene Situation, weil es im Interesse der Vereinsvorstände lag, dies zu verhindern, und in den meisten Fällen das Schriftgut vorsorglich vernichtet wurde. Für die demokratischen Vereine in Schrozberg, Neckargartach und Großgartach sind die Vereinsakten auf diesem Weg bis heute überliefert und bieten, in dieser Untersuchung großenteils erstmals ausgewertet, viele wertvolle Einblicke. Dazu gehört das Kommunikationsverhalten der dörflichen Vereine untereinander und mit den Organisationen in den städtischen Zentren ebenso wie ihre soziale Zusammensetzung samt interner Konfliktpotentiale, nicht zuletzt aber auch inhaltliche Angaben über die Diskussionen in den Versammlungen. Das Geheimnis einer erfolgreichen demokratischen Vereinstätigkeit lag sichtlich darin, eine Verbindung zwischen politischen Zielen auf der staatlichen und nationalen Ebene einerseits und lokalen Interessen andererseits herzustellen. In Großgartach etwa beschloss der am 18. Januar 1849 gegründete Volksverein, der sich umgehend dem Centralmärzverein anschloss, bereits wenige Tage nach seiner Entstehung Resolutionen gegen ein deutsches Erbkaisertum und für eine republikanische Staatsspitze, befasste sich aber auch mit dem erwünschten Verbleib des Pfarrers in seinem Amt oder mit der Errichtung einer Vieh-Leihkasse. In ein und derselben Sitzung wurde über die Verminderung der Zivilliste und über die Kosten der Gemeindeschäferei debattiert (S. 236–237).

Hervorzuheben ist weiters, dass zwar überwiegend das demokratische Vereinswesen behandelt wird, aber nicht nur dieses. Einen eigenen Teilabschnitt widmet der Verfasser den konstitutionellen Vaterländischen Vereinen und den katholischen Piusvereinen. Während die Ersteren nur in geringem Maße auf die Dörfer ausgriffen, waren die Letzteren in einigen Gegenden deutlich erfolgreicher (S. 282–300). Dies zeigt, dass Mittel und Methoden der politischen Aktivität sich zwar durchaus zwischen den Gruppierungen unterschieden, grundsätzlich aber auch von konservativer Seite die neu aufkommenden Praktiken mitunter aufgegriffen und mit Erfolg eingesetzt werden konnten. Freilich räumt der Autor ein, dass die Präsenz oder Absenz von Vereinen dieser Richtungen keineswegs indikativ für deren faktische Stärke war; dies zeigen etwa die zahlreichen Solidaritätsadressen von Schultheißen und Gemeinderäten für die konstitutionelle Regierung Römer auf dem Höhepunkt der Reichsverfassungskampagne.

Als Führungspersonal dörflicher Vereine traten oft Angehöriger lokaler Bildungseliten hervor, wobei vor allem Lehrer und niedere Beamte (Aktuare) häufig aktiv waren. Mitunter waren auch dörfliche Autoritätspersonen wie Schultheißen und Pfarrer selbst in diesen Vereinen in leitender Stellung präsent (S. 249–278). Gewerbetreibende und Wirte scheinen solche Funktionen ebenfalls oft wahrgenommen zu haben, doch sind ihre Aktivitäten meist schlechter dokumentiert als jene der schreibfreudigeren Aktivisten mit höherer Bildung. Bauern als Vorsitzende oder Schriftführer sind verhältnismäßig selten nachzuweisen. In einer besonders interessanten Schlusspassage dieses Hauptabschnitts spürt der Verfasser den Kontinuitäten zwischen den verschiedenen Typen und Phasen der Aktivität auf den Dörfern nach. Er kann dabei zeigen, dass die Lokalisierung von Agrar- und Kommunalunruhen im Frühjahr 1848 zwar keineswegs perfekt, aber doch auffällig mit der späteren Verteilung des demokratischen Vereinswesens übereinstimmt (S. 301–308). Der Umfang und das hohe Maß an Homogenität der von ihm gesammelten Daten hätten freilich durchaus etwas ausgefeiltere statistische Verfahren erlaubt als die bloße Berechnung von Prozentanteilen, was wahrscheinlich zu klareren Aussagen über die Signifikanz bestimmter Korrelationen geführt hätte.

Ein letzter, knapp gehaltener Abschnitt (S. 309–329) ist den in der bisherigen Literatur bereits gut dokumentierten Ereignissen der Monate April bis Juni 1849 im Zusammenhang mit der Reichsverfassungskampagne und der Verlegung der Nationalversammlung nach Stuttgart gewidmet. Der Verfasser bemüht sich hier, das vorhandene Wissen gezielt im Hinblick auf die Vorgänge im dörflichen Bereich zu ergänzen. Wiederum kann er ein beträchtliches, wenn auch regional und lokal sehr unterschiedliches Maß an Mobilisierung nachweisen und bestätigt damit die Einschätzung von Dieter Langewiesche, „wonach in Württemberg nicht die Metropolen, sondern vor allem die Provinz der hauptsächliche Träger der Reichsverfassungskampagne war“ (S. 329). Dass auch die nach dem Juni 1849 einsetzende Repression den Einfluss der demokratischen Vereine nicht sofort brechen konnte, zeigen die großen Erfolge der Demokraten bei den Wahlen zur verfassunggebenden Landesversammlung im folgenden August (S. 329–333).

Die umfangreichen Datensammlungen des Verfassers sind in einem beinahe 100 Seiten starken Anhang dokumentiert (S. 341–423). Hier finden sich taxative Aufstellungen, jeweils mit detaillierten Quellennachweisen, über die Adelsunruhen im Frühjahr 1848, die Schultheißenwechsel, die Gesangsvereine, die Lesevereine sowie schließlich die Volksvereine. Dieses Material ist von außerordentlichem Wert, keineswegs nur für die künftige lokalgeschichtliche Forschung, und die Entscheidung, es in dieser Form zu präsentieren, ist ausdrücklich zu begrüßen. Dadurch ist eine gut lesbare und klar strukturierte systematische und synthetisierende Darstellung im Text der Abhandlung möglich, ohne dass die weiteren Nutzungsmöglichkeiten der zugrundeliegenden Daten den Nutzerinnen und Nutzern des Buches vorenthalten würden. Die bereits eingangs erwähnte, überaus verdienstliche Rechercheleistung wird bei der Durchsicht dieser Seiten höchst augenfällig.

Insgesamt ist dies ein ausgesprochen wertvolles Buch für die Geschichte der Revolution von 1848/49 wie für jene der Veränderungen der Politik im ländlichen Raum im 19. Jahrhundert überhaupt. Es sind nur ganz wenige Vorbehalte anzubringen. Zum einen hätte sich der Rezensent zu manchen zentralen Konzepten etwas eingehendere Begriffs- und Theoriearbeit gewünscht. Es ist angesichts der neueren Entwicklungen in der Politikgeschichte, aber auch in der Geschichtswissenschaft allgemein nicht mehr als ganz unproblematisch zu sehen, dass etwa die Ausdrücke „modern“ und „Modernisierung“ immer wieder wie selbstverständlich gebraucht werden. Ähnliches gilt für „Politik“ und „Politisierung“, die immerhin den deklarierten Forschungsgegenstand bilden; zur Absteckung dessen, was er unter „Politik“ versteht (und was ihm dementsprechend als „unpolitisch“ gilt), hätte sich der Autor durchaus äußern können. Soweit es sich aus dem Gebrauch ableiten lässt, den er von diesen Worten macht, scheint er ein recht konventionelles, unter Umständen schon veraltet zu nennendes Verständnis dieser Begriffe weiterzutragen: „Politisierung“ beginnt offenbar erst, wenn Interesse an verfassungs- und nationalpolitischen Fragen einsetzt; die antifeudalen Proteste, aber auch die lokalen Anliegen – die Vieh-Leihkassen, Waldnutzungsfragen und so fort – wären demnach wohl (was jedoch nie explizit gemacht wird) als unpolitisch oder vorpolitisch einzustufen?

Der zweite Punkt, der leider angesprochen werden muss, ist formaler Natur. Das Buch ist ungewöhnlich rasch, nämlich offenbar innerhalb eines Jahres nach Annahme als Dissertation, in den Druck gegangen. Diesem Umstand ist möglicherweise anzurechnen, dass es nicht das gründliche Lektorat erhalten hat, das eine so wertvolle Arbeit verdient hätte. Im Fließtext treten Kasusfehler10, Anakoluthen11 und andere sprachliche Unebenheiten12 in einer Frequenz auf, die von diesbezüglich sensiblen Lesenden gewiss als störend wahrgenommen werden muss; sie beeinträchtigen aber immerhin kaum jemals die Verständlichkeit und die Benutzbarkeit des Buches. Dasselbe lässt sich vom Umgang mit Literaturzitaten in den Anmerkungen leider nicht uneingeschränkt sagen. Dieser ist von einer verwirrenden Uneinheitlichkeit; Vollzitate – von nicht immer gleicher Bauweise, insbesondere bei Sammelbänden – wechseln anscheinend ohne konsequent gebrauchtes Prinzip mit Kurzbelegen unterschiedlichster Form. Von diesen sind jene, die nur aus Verfassername und Seitenangabe bestehen, spätestens dann als unzureichend zu bezeichnen, wenn mehrere Texte von Verfassern des fraglichen Namens im Literaturverzeichnis stehen13. In diesem fehlt zudem einige Literatur, die in den Anmerkungen zitiert wird. Das ist umso mehr zu bedauern, als gerade hinsichtlich der Auswertung auch sehr entlegener lokalgeschichtlicher Forschung die bibliographische Leistung des Verfassers fast ebenso verdienstlich ist wie die archivalische Quellenarbeit; durch die ungenauen Belege kommt dies nicht in vollem Maße zur Geltung. Eine konsequente Kontrolle und Vereinheitlichung hätte hier Not getan14.

Dessen ungeachtet kann das Fazit nur lauten: Dieses Buch ist ein auf ausgedehnter und gründlicher Recherche beruhender, wesentlicher Beitrag zu einem Forschungsfeld, das noch große Lücken aufweist. Es verdient, neben die erwähnten Arbeiten von Wettengel und Sperber gestellt zu werden, und ergänzt deren Ergebnisse nicht nur in räumlicher Hinsicht für Württemberg, sondern fügt auch neue Perspektiven hinzu. Eine Verfolgung ähnlicher Ansätze wäre für manche anderen Regionen Deutschlands, geschweige denn für Österreich, unbedingt zu wünschen.

  1. Betreuer war Sönke Lorenz, Zweitgutachter mit Dieter Langewiesche einer der profiliertesten deutschen Historiker der Revolution von 1848/49.
  2. FRANZ, Günther: Die agrarische Bewegung im Jahre 1848, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 7 (1959) 176–193, hier 193.
  3. DÜWEL, Andreas: Sozialrevolutionärer Protest und konservative Gesinnung. Die Landbevölkerung des Königreichs Hannover und des Herzogtums Braunschweig in der Revolution von 1848/49, Frankfurt am Main u. a. 1996; FRIEDEBURG, Robert von: Ländliche Gesellschaft und Obrigkeit. Gemeindeprotest und politische Mobilisierung im 18. und 19. Jahrhundert (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 117), Göttingen 1997; GAILUS, Manfred: Straße und Brot. Sozialer Protest in den deutschen Staaten unter besonderer Berücksichtigung Preußens, 1847–1849 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 96), Göttingen 1990.
  4. Vgl. dazu ROUETTE, Susanne: Der Bürger, der Bauer und die Revolution. Zur Wahrnehmung und Deutung der agrarischen Bewegung 1848/49, in: JANSEN, Christian – MERGEL, Thomas (Hrsg.): Die Revolution von 1848/49. Erfahrung – Verarbeitung – Deutung, Göttingen 1998, 190–205.
  5. Unangenehm ist beispielsweise, diese Sicht in einem gerade erst erschienenen, sehr um eine avancierte theoretische Position zum Revolutionsbegriff bemühten Artikel wiederzufinden: LEONHARD, Jörn: Über Revolutionen, in: Journal of Modern European History 11 (2013) 170–186, hier 180. Der Verfasser verweist dabei auf mehr als dreißig  Jahre alte Literatur.
  6. WETTENGEL, Michael: Die Revolution von 1848/49 im Rhein-Main-Raum. Politische Vereine und Revolutionsalltag im Großherzogtum Hessen, Herzogtum Nassau und in der Freien Stadt Frankfurt (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau 49), Wiesbaden 1989.
  7. SPERBER, Jonathan: Rhineland Radicals. The Democratic Movement and the Revolution of 1848–1849, Princeton 1991. Eine Erfassung sämtlicher politischen Vereine in Stadt und Land für eine weitere Region bietet auch RUPPERT, Karsten: Die politischen Vereine der Pfalz in der Revolution von 1848/49, in: FENSKE, Hans – KERMANN, Joachim – SCHERER, Karl (Hrsg.), Die Pfalz und die Revolution 1848/49, Bd. 1 (Beiträge zur pfälzischen Geschichte 16), Kaiserslautern 2000, 57–242.
  8. Zu diesem Thema liegt zwar bereits eine neuere Arbeit vor, die der Verfasser auch eingehend rezipiert hat, über deren Ergebnisse er jedoch gerade hinsichtlich der quantitativen Auswertung hinausgelangt: BAYER, Birgit: Ich bleibe nicht mehr über Nacht Schultheiß! Die Bewegung gegen die Schultheißen in Württemberg im Frühjahr 1848 (Europäische Hochschulschriften – Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 1033), Frankfurt am Main u. a. 2006.
  9. Vor allem die Untersuchung von BOLDT, Werner: Die württembergischen Volksvereine von 1848 bis 1852 (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg – Reihe B 59), Stuttgart 1970.
  10. Beispiele aus einem zufällig gewählten Bereich von wenigen Seiten: „in den fünf zu einfachen Städten ohne Oberamtssitz ‚degradierten‘ Reichsstädte Bopfingen, Buchau [...]“ (S. 147); „das Vorhaben, den ländlichen Raum mittels Bezirksvereine zu politisieren“ (S. 148).
  11. „Stabilisierend für eine Gesellschaft sei [nach W. H. Riehl] ein ‚gesunder Bauernstand‘, die den Unruheherden der Großstadt etwas entgegenzusetzen hat“ (S. 144 Anm. 147).
  12. „Nur eine Woche war Süskind Redner auf einer Versammlung in Suppingen“ (S. 149), gemeint wohl: „Nur eine Woche später“; „Lina Benz sieht denn Grund darin, dass [...]“ (S. 149 Anm. 170).
  13. Etwa „B. Mann, S. 276f.“ (S. 283 Anm. 414). Beide im Literaturverzeichnis angeführten Arbeiten von Bernhard Mann enthalten eine Seite 276, und beide kommen auch inhaltlich in Frage. Keine davon wird in der näheren Umgebung der fraglichen Fußnote mit Vollzitat angeführt. Bei einem vernünftigen Zitiersystem sollten alle diese Formen von Denksport aber gar nicht nötig sein, um den zitierten Text eindeutig zu identifizieren.
  14. Sachliche Irrtümer oder Widersprüche finden sich hingegen kaum – jedenfalls keine, die ohne intime Kenntnis der württembergischen Lokalgeschichte zu erkennen wären. Am Rande sei lediglich darauf hingewiesen, dass auf S. 230 „die in Darmstadt erscheinende demokratische ‚Deutsche Zeitung‘“ erwähnt wird, die ein Volksverein abonnierte. Es muss sich um die Neue Deutsche Zeitung handeln, auf welche die genannten Merkmale zutreffen; die berühmte Deutsche Zeitung von Gervinus, Mathy, Bassermann u. a. wurde dagegen nicht nur nie in Darmstadt herausgegeben, sondern kann auch selbst mit viel Phantasie nicht als demokratisches Blatt eingestuft werden.

 

 

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/363

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Email-Abonnement von Blogs: Bleiben Sie auf dem Laufenden (1)

5319264476_ab395d5182_oDie Möglichkeit, Neuigkeiten aus einzelnen Blogs per Email zu abonnieren, wurde schon mehrfach von der Community angefragt. Hypotheses bietet diese Funktion grundsätzlich auch an, allerdings ist der “Weg dahin” bisher nur auf Französisch zugänglich. Eine Überarbeitung/ Vereinfachung der Abonnement-Funktion steht zwar auf der To Do-Liste, aber da diese recht komplex ist, wird ein Ergebnis noch etwas Zeit brauchen. Um Sie und Ihre Leser allerdings nicht länger warten zu lassen, haben wir uns entschlossen, Ihnen eine Anleitung zur Nutzung der vorhandenen Abonnement-Funktion zur Verfügung zu stellen. In diesem ersten Teil der Anleitung führen wir Sie Schritt für Schritt durch die Erstellung eines Nutzerkontos (1) – die Voraussetzung ist für diesen Informationsdienst – zum Abonnement der Blogs (2) oder auch von einzelnen Beiträgen zu einem ausgewählten Schlagwort (3). In einem zweiten Artikel gehen wir auf Änderungen und Details der Funktionen ein.

Es kann losgehen…

1. Erstellen eines Nutzerkontos auf openedition.org

Accounterstellung 1openedition ist das Dach, unter dem de.hypotheses.org seinen Platz hat. Daher muss dort zunächst ein Nutzerkonto erstellt werden. In der grauen, horizontalen Menüleiste am oberen Bildrand gehen Sie in den Menüpunkt Newsletters and Alerts und klicken auf Alerts and Subscriptions – Alert service.

 

 

Accounterstellung 2Auf der sich nun öffnenden Seite wird erläutert, dass – sobald Sie ein Nutzerkonto angelegt haben – Sie eine personalisierte Suchmaske über das sehr umfangreiche Angebot von openedition legen können. So können Sie Ihre Lieblingsblogs abonnieren und werden in selbst gewählten Intervallen über deren Aktivitäten informiert. Außerdem können Sie Alarmfunktionen für bestimmte Schlagworte einrichten. Legen Sie beispielsweise “Alexandre Dumas” als Alarm fest, werden Sie auf Texte und / oder Veranstaltungen hingewiesen, die mit dem von Ihnen ausgewählten Schlagwort korrespondieren. Auch hier können Sie das Zeitintervall selbst bestimmen. Die Alarmfunktion ist auf drei Schlagworte pro Nutzerkonto beschränkt, für die Abonnements von Blogs besteht kein solches Limit. Gehen Sie nun auf Créer un compte.

Accounterstellung 3Im erscheinenden Formular werden Sie um die Eingabe Ihrer Email-Adresse (courriel), eines von Ihnen festgelegten Passworts für Ihr neues openedition-Nutzerkonto (mot de passe), die Bestätigung des soeben festgelegten Passworts (confirmation), Ihren Nachnamen (nom), Ihren Vornamen (prénom) sowie die Einrichtung / Universität, an die Sie angebunden sind (université – institution de rattachement) gebeten. Außerdem können Sie auswählen, ob die Email in französischer oder englischer Sprache sein soll und in welchem Format (html oder texte) Sie diese erhalten wollen. Sie sind fertig? Gehen Sie auf Inscription au système d’alerte, um die Informationen zu senden.

Accounterstellung 4Sie erhalten nun eine Email von Openedition, die Ihre Angaben noch einmal aufzählt und einen Link zur Kontoaktivierung enthält: Klicken Sie auf den Link (Pour activer votre compte, veuillez cliquer sur ce lien …). Bitte sehen Sie auch im Ordner Spamverdacht nach, sollte sich in Ihrem Posteingang keine Email finden. Ihr Konto ist nun aktiv und Sie können damit beginnen, eine personalisierte Suchmaske anzulegen.

 

2. Email-Abonnement von Blogs

Abonnement 1Um mit dem Abonnement von Blogs zu beginnen, loggen Sie sich auf openedition ein. Dazu können Sie entweder den zweiten Link aus der Ihnen zugesandten Bestätigungsmail nutzen (Lorsque votre compte sera activé …) oder wieder über den Menüpunkt Newsletters and Alerts und  Alerts and Subscriptions – Alert service auf der Startseite von openedition gehen. Auf der angezeigten Seite wählen Sie in der zentralen blauen Menüleiste den Button Se connecter ganz rechts und melden sich mit Ihrer Abonnement 2Email-Adresse und dem von Ihnen ausgewählten Passwort an. Sie sind jetzt im geschützten Bereich, in dem Sie nicht nur Ihre Abonnements und Alarmfunktionen, sondern auch Ihre Nutzerdaten verwalten. Eine erste Information zu den Menüpunkten:
A propos Hier findet sich die Kurzinformation, die eben bereits vor der Eröffnung des Nutzerkontos angezeigt wurde; Nouvelle alerte Hier kann ein neuer Schlagwort-Alarm eingerichtet werden; Nouvel abonnement Dies ist der Button zum Abonnement eines Blogs; Mes alertes et abonnements bietet eine Übersicht über bereits angelegte Alarme und Abonnements; Mon compte dient zur Verwaltung der Nutzerdaten und Me déconnecter ist der Link zum Ausloggen.

Abonnement_3Am Beispiel des Pophistory-Blogs wird nun ein einfaches Blog-Abonnement illustriert. In der zentralen blauen Menüleiste klicken Sie dazu auf Nouvel abonnement, wählen Sie bei Plateforme de publication Hypotheses.org aus. Nun wird eine alphabetischeListe aller Hypotheses-Blogs geladen. Wählen Sie Pophistory aus und legen Sie unter Période noch das Intervall fest: täglich (quotidien), wöchentlich (hebdomadaire) oder monatlich (mensuel). Schließlich wählen Sie noch die Anzahl der angezeigten Ergebnisse in einer Email (Résultats max. par notification). Klicken Sie auf Enregistrer en tant qu’abonnement, um Ihre Einstellungen zu speichern und das Abonnement zu aktivieren.

3. Einrichten eines Schlagwort-Alarms

Abonnement 4Auch die Nutzung des Schlagwort-Alarms soll an einem Beispiel demonstriert werden. Gehen Sie auf  Nouvel abonnement in der zentralen blauen Menüleiste und geben Sie ein Schlagwort ein, im Beispiel haben wir Alexandre Dumas gewählt. Rechts neben der Schlagworteingabe können Sie noch auswählen, ob alle Felder (tous les champs) oder nur Überschriften (Titre), Autorenangaben (Auteur), Zusammenfassungen (Résumé), ganze Texte (Texte), Anmerkungen (Notes), Anhänge Abonnement 5(Annexes) oder Bibliographien (Bibliographie) durchsucht werden sollen. Klicken Sie dann auf den Link Créer une alerte associée à cette recherche, um Ihren Suchvorgang zu einer Alarmfunktion auszubauen. Jetzt können Sie Ihrer Suche einen Titel geben und – analog zu den Blogabonnements – das Zeitintervall und die Ergebnisse pro Email festlegen. Um die Alarmfunktion zu aktivieren, klicken Sie auf Enregistrer cette alerte.

Diese Anleitung können Sie hier auch im pdf-Format herunterladen.

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Bild: …and go (cc) von Martin Fisch, Lizenz CC BY-SA 2.0

Mit Dank an Jan-Hendrik Maier für die Unterstützung beim Erstellen dieses Leitfadens.

 

Quelle: http://bloghaus.hypotheses.org/812

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Wenn das Thema zur Seminarform wird – ein Erfahrungsbericht aus der digitalen Kunstgeschichte

2187407768_4934417da2_zEin Gastbeitrag von Sylvia Schneider und Eugen Rodin

Die modernen Technologien geben uns heutzutage eine Möglichkeit, miteinander schnell, unabhängig von der Entfernung, zu kommunizieren. In wenigen Sekunden kann man die gewünschten Inhalte im Netz veröffentlichen, teilen und liken. Allerdings kommt häufig die Frage auf, ob solche Möglichkeiten der neuen Technologien im wissenschaftlichen Bereich tatsächlich anwendbar sind.

Eine kollaborative Arbeit der Kunstgeschichtlichen Institute der Goethe-Universität Frankfurt und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg bewies in einer neuen Seminarform, dass dies möglich ist. Das Seminar zum Thema „Digitale Kunstgeschichte“ fand in Frankfurt und in Freiburg gleichzeitig statt und wurde per Videokonferenz übertragen. Die Thematik des Seminars behandelte sich selbst. Neben der Digitalisierung der Kunst wurde auf solche Themen wie Digital Humanities im deutschsprachigen Raum, Problematik des Urheberrechtes, Google Art Project, Social Media im Museum und Möglichkeiten und Grenzen des wissenschaftlichen Einsatzes von Social Media in den Geisteswissenschaften eingegangen. Geleitet wurde das Seminar in Frankfurt von Thorsten Wübbena (wiss. Mitarbeiter am Kunstgeschichtlichen Institut) und in Freiburg von Anna Schreurs-Morét (Professorin für Kunstgeschichte). Passend zum Thema jeder Sitzung wurde eine Person aus der Praxis eingeladen, die nähere Einblicke in ihre Arbeitswelt und wichtige Problemstellungen ihres Themas aufzeigte.

Aufgabe der Studierenden war es, mittels eines Referates einen allgemeinen Überblick zu einem Thema zu geben und die Diskussion zu moderieren. Die Schwierigkeit dabei bestand darin, nicht nur den eigenen Raum miteinzubeziehen, sondern auch die Teilnehmer in der Videokonferenz in die Diskussion zu involvieren und sie zu Wort kommen zu lassen. Doch von Sitzung zu Sitzung steigerte sich die Vertrautheit mit der neuen Seminarform, sodass angeregte Diskussionen über eine Entfernung von 300 km stattfinden konnten.

In der Sitzung wurden die Studierenden mit verschiedenen Projekten, Instituten und neuen Tendenzen in der Digitalisierung der Kunst(-geschichte) vertraut gemacht. Im Mittelpunkt der Diskussionen standen die Zugänglichkeit der Kunst im Netz, die damit verbundene Problematik rund um Bild- und Urheberrechte und der Nutzen von Social Media im Museum.

Je tiefer die Auseinandersetzung mit der Technik ging, desto schneller wurde klar, dass diese Bereiche nicht mehr voneinander trennbar sind. Des Weiteren betrifft die Digitalisierung alle Disziplinen und stellt so gemeinsame Knotenpunkte, Problemstellungen und Aufgabenbereiche her. Zum Beispiel findet bei der Digitalisierung von Büchern ebenso eine Digitalisierung der Bilder in den Büchern statt und Forscher können im Austausch gemeinsam über Text und Bild das Werk entschlüsseln.

Rechtsfragen sind vor allem von Institutionen wie Museen zu stellen, wenn sie digitale Reproduktionen ihrer Werke online stellen. Zum einen sollten sie ihrer Aufgabe der Wissensvermittlung nachgehen, zum anderen dabei aber Künstlerrechte wahren. Online stellen bedeutet, die hierfür vorhandenen Portale zu nutzen. Am häufigsten werden heutzutage Portale wie Facebook oder Blogs von Konsumenten wahrgenommen. Dies sind soziale Plattformen, mithilfe deren Nutzer Beiträge sehen, kommentieren oder selbst weiterverbreiten können. Hinsichtlich des wissenschaftlichen Nutzens dienen diese Portale der direkten Kommunikation und dem Informationsaustausch. Die Diskussion darüber, ob und in welcher Form sie für Forschungszwecke verwendet werden können, ist noch nicht beendet.

Das Seminar hat nicht nur einen guten Überblick zum Thema „Digitale Kunstgeschichte“ verschafft, sondern auch eine neue Dimension in der wissenschaftlichen Arbeit und die Vielfalt der Aufgaben als Kunsthistoriker demonstriert. Dabei zeichnet sich die immer stärkere Verwischung von Grenzen ab: Kommunikationsformen lassen Laien und Wissenschaftler in Kontakt treten, Bilddatenbanken lösen Bilder von ihrer Ortsgebundenheit und interdisziplinäre Problemstellungen eröffnen neue Berufsfelder. Der Prozess der Digitalisierung ist nicht mehr aufzuhalten, unerlässlich bleibt es somit, Formen und Regelungen für einen einheitlichen und bewussten Umgang zum Schutz der Kulturgüter zu finden.

Wir, die Studierenden, waren vor allem von der Seminarform begeistert. Diese ist für uns aufgrund ihrer neuen Umsetzung interessant, aber auch effektiv, weil durch die kleine Gruppengröße Diskussionen sehr produktiv verliefen. Dabei wurden wir angeregt, über unser eigenes Verhalten hinsichtlich der digitalen Medien nachzudenken und es mehr aus einer beruflichen und nicht nur privaten Perspektive zu betrachten.

Die Tatsache, dass dieses Seminar mittels einer Videokonferenz zum Lernerfolg führte, ist der beste Beweis für den gelungenen Einsatz einer digitalen Arbeitsform in Wissenschaft und Lehre. Überzeugt von dem Nutzen digitaler Medien, wurden wir Studierende dazu angeregt, diese auch im Rahmen universitärer Veranstaltungen zu nutzen und vielleicht demnächst ein Seminar-begleitendes Blog zu eröffnen.


Programm des Seminars

2. Mai 2013:

Digital Humanities im deutschsprachigen Raum – Chance und Verpflichtung für eine Digitale Kunstgeschichte?

Thomas Stäcker

Stellvertretender Direktor der Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel, Leiter der Abteilung Neuere Medien. Digitale Bibliothek (Anwesenheit in Frankfurt)

 

16. Mai 2013:

GLAMs und Digitalisierung: Wünsche, Ängste und Tendenzen.

Barbara Fischer

Kuratorin für Kulturpartnerschaften, Wikimedia Deutschland e.V., GLAM (Galleries, Libraries, Archives and Museums)-Koordinatorin (Anwesenheit in Frankfurt)

 

6. Juni 2013:

„Was sind das nur für erbärmliche Kleingeister!“ – Über Bildrechte, Wasserzeichen und die Befreiung von Kulturgut

Klaus Graf

Mediävist (Historiker) und Archivar, Weblog ARCHIVALIA, Themenschwerpunkte Bild- und Archivrecht, Open Access (Anwesenheit in Freiburg)

 

13. Juni 2013:

Die „Digitale Diathek“ – Idee, Umsetzung und Perspektive eines internationalen, offenen (Bild-) Datenverbunds

Thomas Hänsli

Projektleiter und Wissenschaftlicher Koordinator des Projekts „Digitale Diathek“ in Kooperation der ETH Zürich mit dem Kunsthistorischen Institut der Universität Zürich (Anwesenheit in Freiburg)
20. Juni 2013:

Google Art Project – Spielerei oder Vorreiterrolle auf dem Weg der Museen ins Netz?

Dirk Burghardt

Kaufmännischer Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (Anwesenheit in Freiburg)

 

27. Juni 2013:

„Standstreifenperspektiven“ – die Kunstgeschichte in der Welt der digitalen Forschungsinfrastrukturen

Fabian Cremer

Mitarbeiter in der Abteilung Forschung und Entwicklung an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB) (Anwesenheit in Frankfurt)

 

4. Juli 2013:

Social Media im Museum – Tagesgeschäft oder Zukunftsvision?

Daniela Bamberger

Content Managerin des Städel Museums in Frankfurt (Anwesenheit in Frankfurt)

 

11. Juli 2013:

Möglichkeiten und Grenzen des wissenschaftlichen Einsatzes von Social Media in den Geisteswissenschaften

Mareike König

Historikerin und Leiterin der Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Paris (DHIP) (Anwesenheit in Frankfurt)

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Autoren und Kontakt

Sylvia Schneider, Studierende am Kunstgeschichtlichen Institut der der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Sylvia.Schneider[at]gmx.de

Eugen Rodin, Studierender am Kunstgeschichtlichen Institut Goethe-Universität Frankfurt, info[at]eugenerodin.de

AbbildungGhetto lighting by hebedesignCC-BY-NC-SA 2.0

 

Quelle: http://redaktionsblog.hypotheses.org/1713

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