Gedanklicher Warm-Up: Aller Anfang ist schwer – auch beim Bloggen

234542399_6ae38148c0_zIn einer kleinen Folge von Gastbeiträgen hier im Redaktionsblog möchte ich den an einem Blog Interessierten sowie den Neulingen Mut machen, mit dem Bloggen zu beginnen bzw. besonders in der ersten Zeit, durchzuhalten. Man könnte diese kleine Serie als eine Art „Blog-Coaching“ bezeichnen und ich betrete damit für mich Neuland. Auch deshalb möchte ich um ergänzende Hinweise über die Kommentarfunktion bitten, denn es gibt sicher Aspekte, die ich nicht nenne oder aber Sie haben Erfahrungen gemacht, über die ich nicht verfüge. In diesem Sinne wären die Artikel ein Entwurf, der über die Kommentare erweitert und ergänzt wird. Und jetzt geht’s los:

„Aller Anfang ist schwer“ ist ein nur allzu bekanntes Sprichwort und gilt auch für das Bloggen. Diese Situation ist arbeitsintensiver und auch aufregender, weil zahlreiche Erfahrungen zum ersten Mal gemacht werden:

  • Mit einer Internet-Seite einen Teil von seiner Arbeit und auch von sich selbst öffentlich zu zeigen,
  • sich Themen für das Blog zu überlegen,
  • Artikel zu schreiben,
  • auf Kommentare zu reagieren,
  • Social Media zu nutzen und eine neue Form der Kommunikation zu erlernen.

Bekanntes mit einem Schuss Neuen ist für uns Menschen ideal, um uns herausgefordert zu fühlen. Zu viel Neues macht uns hingegen Angst. Und sich derart in die Öffentlichkeit zu stellen ist ein großer Schritt, der je nach Persönlichkeit und bisher gemachter Erfahrungen leichter oder schwerer fällt.

 

Zu wenig Erfahrung nährt Vorurteile

Hinzu kommt der wissenschaftliche Kontext, zu dem Lilian Landes schreibt: “Web 2.0 bleibt Privatvergnügen und wird dem Doktorvater oft in vorauseilendem Gehorsam hinter vorgehaltener Hand gebeichtet – weil an vielen Lehrstühlen ein geringes Maß an Erfahrung mit neuen Textformaten dementsprechende Vorurteile nährt“. Auch das ist kein Klima, das zum Bloggen ermutigt, denn zu den persönlichen Erfahrungen gehören die Menschen im Umfeld, die mit ihrer Haltung wiederum die Bloggerin oder den Blogger beeinflussen.

 

Was hat unser Schulsystem damit zu tun?

Steht schon der wissenschaftliche Bereich den Web 2.0-Aktivitäten häufig eher skeptisch gegenüber, so tut – besonders bei uns in Deutschland – unser Schul- und Ausbildungssystem sein Übriges, denn hier werden nicht die Stärken, sondern Fehler und Schwächen der Schüler herausgestellt. Das ist in unseren Köpfen verankert und wir sind als Gesellschaft davon geprägt. Wir agieren in einer Ordnung, die eben nicht darauf ausgelegt ist, Mut zu belohnen. Wie soll das auch geschehen, wenn Scheitern derart negativ gesehen wird, wie bei uns?  Das dürfte ein Grund dafür sein, dass viele Projekte und Vorhaben durch Bedenken erstickt werden.

 

Mut, Entscheidungen zu treffen

„Was passiert wenn…“, „was denken andere, wenn…“, „welches Bild haben andere von mir, wenn…“, all diese Gedanken kann man sich vorher machen, sollte aber nicht darin steckenbleiben. Nach einer angemessenen Zeit der Überlegung ist die Entscheidung für oder gegen ein Projekt bzw. Blog zu treffen. „Vielleicht mache ich es irgendwann…“ ist eine Aussage und ein Zustand, mit dem man letztlich nicht glücklich wird, denn es hat etwas Aufschiebendes, Unerledigtes, Unvollständiges. Dann hilft nur, mit einem klaren „Ja“ das Projekt wirklich in die Tat umzusetzen oder mit einem entschiedenen „Nein“ die Gedanken daran zu beenden.

Warum es uns manchmal an Mut fehlt, warum wir das in uns vorhandene Potential nicht nutzen (können) bzw. uns gegenseitig daran hindern es zu nutzen; das und viel mehr beschreibt Gerald Hüther in seinem Buch  „Was wir sind und was wir sein könnten: Ein neurobiologischer Mutmacher“ . Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gehört zu allem was wir tun oder planen. Wird es systematisch zerstört, wie es vielfach in den Schulen geschieht, muss man sich nicht wundern, wenn Menschen zu Bedenkenträgern heranwachsen (das Wort gibt es übrigens nur im Deutschen).

Der erste Schritt fällt schwer, weil noch keine ausreichende Datenbasis – also keine Erfahrung – vorhanden ist, aufgrund der gehandelt werden kann und deshalb ein besonderes Maß an Mut erforderlich ist.

Nur wer den ersten Schritt macht, kann über sein Tun Ideen für den weiteren Weg gewinnen, kann Erfahrungen machen, die wiederum grundlegend für weiteres Handeln sind. Das gilt nicht nur – aber auch – für das Bloggen.

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Abbildung: paper airplane by woodleywonderworks, CC BY 2.0

Quelle: http://redaktionsblog.hypotheses.org/1204

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“Bologna-Reform – Positive Entwicklungen stützen, Fehler korrigieren und Verbesserungen durchsetzen”

Soeben hat die SPD-Bundestagsfraktion einen Antrag zur Bologna-Reform vorgelegt. Sehr erfreulich ist, dass die Fraktion dort gleich als ersten Punkt das wohl kritischste Problem benennt: “Bei der Umsetzung sind Probleme auch dadurch entstanden, dass die Hochschulen in Deutschland chronisch unterfinanziert sind. Für den durch den Bologna-Prozess entstandenen Mehrbedarf sind keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt worden und haben damit teilweise zu unvertretbaren Studienbedingungen geführt.” Wahrscheinlich wird nun der Hochschulpakt gegen diese Kritik in Stellung gebracht; das ist aber nicht korrekt, denn der Hochschulpakt ist vor allem dazu gedacht, Lehrkapazitätemn aufzubauen. Der im Rahmen des Bologna-Prozesses dramatisch gewachsene administrative Aufwand, d.h. genauer: die hierfür notwendigen Stellen sind im Wesentlichen aus der Grundausstattung der Universität heraus finanziert worden. Diese Grundausstattung ist deutschlandweit in just dem fraglichen Zeitraum nicht nur stagnierend, sondern real eher rückläufig. Strenggenommen ist das nicht nur eine Frage des Bologna-Prozesses, wenn man diesen nur als Phase der Implementierung neuer Studiengänge begreift; es handelt sich um Daueraufgaben, die immer häufiger aus Projektmitteln und befristeten Zuweisungen finanziert werden müssen.

Dass die SPD-Fraktion am Ende der Ausführungen den Bund zur vieldiskutierten Grundgesetzänderung auffordert, um den Ländern mit Bundesmitteln in der Hochschulausstattung zu helfen, ist allerdings irritierend, denn jenseits dieser sehr berechtigten Frage (Darf der Bund …?) bleibt festzuhalten, dass auch SPD-geführte Bundesländer in der Hochschulfinanzierung nicht gerade rühmlich dastehen; auch hier stagniert die Grundausstattung bei dramatisch wachsenden Studierendenzahlen, Prüfungszahlen, Zusatzaufgaben und Verwaltungsaufwand. Hier gibt es noch Einiges zu tun.

Quelle: http://geschichtsadmin.hypotheses.org/101

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19.–23. August 2013 DH Summer School in Göttingen

Vom 19.–23. August organisieren DARIAH-DE und GCDH eine internationale Summer School zu den Digital Humanities.

In dem einwöchigen Kurs steht das Erlernen und Anwenden der Programmiersprache Python im Vordergrund, so dass ideale Voraussetzungen für die computerbasierte Bearbeitung digitaler Texte vermittelt werden.

Mehr erfahren Sie hier.

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Matt Munson (GCDH).

Bitte verbreiten Sie die Ankündigung auch über Ihre eigenen Netzwerke.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1703

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Ungleiche Geschwister | Teil 2 | Medien und Geschichtslernen im Prozess

Das folgende Schaubild ist ein Vorschlag für ein Modell, in dem für das Geschichtslernen relevante, supplementäre Medienbegriffe (s. Ungleiche Geschwister | Teil 1 | Medienbegriffe des Geschichtslernens) in einen prozessualen Zusammenhang gestellt werden.


In diesem Vorschlag wird ein zusätzlicher – der elementare – Medienbegriff  berücksichtigt. Daniel Bernsen hat zurecht darauf hingewiesen, dass sich in der Geschichtsdidaktik eine Einteilung der Mediengattungen nach ihrer Wahrnehmung etabliert hat, die sich aus den Kategorien des etablierten geschichtsdidaktischen Medienbegriffs (Zeit- und Authentizitätsbezug) nicht ableiten lässt. Das Schaubild macht auch deutlich, dass es auf Ebene des elementaren Medienbegriffs bezüglich der Wahrnehmung grundsätzlich unerheblich ist, ob ein Bild gedruckt vorliegt oder per Beamer projiziert wird, sich durch die Kontextualisierung in digital konfigurierten Denk- und Lernräumen die Verfügbarkeit von Bildern und der Umgang mit ihnen dennoch wandelt. Weil die Wahrnehmung von Medien selektiv ist (verschiedene Lerntypen, empirische Befunde beispielsweise zur Bildwahrnehmung) und sich das historische Denken individuell unterschiedlich vollzieht, ist es zudem sinnvoll, den/die Lerner/in als Bezugspunkt in den Mittelpunkt des Schaubildes zu stellen.

Auf Ebene der Medien als Lehr- und Lernmittel, die durch einen übergeordneten gesellschaftlichen Medienbegriff mitbestimmt wird, werden Rezeption und eigene Produktion von Medien unterschieden. Hier werden die Veränderungen des Geschichtslernens im digitalen Wandel verortet.

Von zentraler Bedeutung bleibt die Aussage, dass für das Geschichtslernen verschiedene Medienbegriffe mit verschiedenen Geltungsansprüchen relevant sind. Der digitale Wandel verändert das Geschichtslernen bezüglich der Rezeption und Produktion von Medien. Das Schaubild ist als ein Vorschlag zu verstehen. Sowohl die Frage, ob es sinnvoll ist, die supplementären Medienbegriffe in einen prozessualen Zusammenhang zu stellen, als auch die Triftigkeit der möglichen Kausalbeziehungen zwischen den vier als relevant erachteten Medienbegriffen sind zu diskutieren.

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2013): Ungleiche Geschwister | Teil 2 | Medien und Geschichtslernen im Prozess. In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 17.5.2013. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/1786, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/1786

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Über 170 Jahre alte Festschrift kehrt zurück ins Stralsunder Stadtarchiv

Einmal in die USA und zurück – nach Stralsund

Über 170 Jahre alte Festschrift kehrt zurück ins Stralsunder Stadtarchiv

(Presemitteilung der Hansestadt Stralsund)

Holger Roggelin bei der Übergabe des Stralsunder Konvoluts an Dr. Burkhard Kunkel (rechts)

Holger Roggelin bei der Übergabe des Stralsunder Konvoluts an Dr. Burkhard Kunkel (rechts)

„Das ist mein Beitrag zur Erhaltung des Stralsunder Archiv-Bestandes der Gymnasialbibliothek!“ Mit diesen Worten übergibt der eigens aus dem US-amerikanischen Baltimore angereiste Pastor und Historiker, Dr. Holger Roggelin, den Sonderdruck mit handschriftlichen Vermerken von 1839 an den Beauftragten für Archiv, Historische Handschriftensammlungen und Bibliotheken der Hansestadt Stralsund, Dr. Burkhard Kunkel.

Das Buch ist weit gereist. Aus dem Stralsunder Stadtarchiv in die USA und jetzt an seinen ursprünglichen Standort zurück, hat es mehr als 13.000 km zurückgelegt. Nun befindet es sich wieder im Stralsunder Stadtarchiv, „wo es auch hingehört“, wie Kunsthistoriker und Restaurator Burkhard Kunkel betont.

Über das Internet hatte Holger Roggelin, der sich besonders für die Hanse- und Schulgeschichte Vorpommerns interessiert, vergangenes Jahr von der Veräußerung von Teilen des Bestands des Stadtarchivs erfahren.

Daraufhin begann der ehemalige Lübecker systematisch nach Büchern aus der Stralsunder Gymnasialbibliothek im Netz zu suchen. Bei seinen Recherchen stieß er auf die „Festgabe“, die anlässlich des 50-jährigen Dienstjubiläums des damaligen Schulrats des Stralsunder Gymnasiums, Dr. Friedrich Koch, gedruckt worden ist. Diese enthält neben den Festschriften von Lehrerkollegen und der in Greifswald ausgestellten Ehrendoktorurkunde außerdem historische Grundrisse des Putbuser Pädagogiums und des Stralsunder Gymnasiums.

Der seit 2000 in den USA lebende Pastor hofft, durch sein gemeinnütziges Engagement für den Erhalt der Stralsunder Gymnasialbibliothek noch mehr Menschen zu ebensolchen Taten anzuregen. Er meint, dass Bücher, die aus dem Bestand des Stralsunder Stadtarchivs verkauft worden sind, wieder an ihren eigentlichen Bestimmungsort zurückgegeben werden sollten. Denn, da sind sich beide Wissenschaftler einig, der historische Wert der Gymnasialbibliothek liegt in der Vollständigkeit des Bestandes.

Autorin: Katja Schirrow

Foto: Hansestadt Stralsund l Pressestelle – Bildtext: Zwar hatte Dr. Holger Roggelin (l.) die Festgabe käuflich erworben, übergab sie dem Stadtarchiv aber unentgeltlich. Rechts im Bild Dr. Burkhard Kunkel.

INFOBOX:

Wie geht es weiter mit der Gymnasialbibliothek?

Die Vorbereitungen einer Ausschreibung zur Reinigung der Stralsunder Gymnasialbibliothek sind abgeschlossen. Die Bestände stehen zum Transport in das Restaurierungsunternehmen bereit, das den entsprechenden Auftrag dazu erhalten wird.Nach ihrer Rückkehr werden die Bücher katalogisiert. Das Katalogisierungsprojekt wird in Zusammenarbeit mit dem Land und der Universitätsbibliothek Greifswald realisiert. In diesen Katalog – im Sinne einer genauen Inventur – werden die zurückgekehrten Exemplare (bisher sieben wertvolle und zum Teil einzigartige Exemplare) eingearbeitet. Seit Dezember des vergangenen Jahres werden bis heute Bücher der Stralsunder Gymnasialbibliothek durch Privatpersonen, Bibliotheken und Sammlungen zur Verfügung gestellt, die diese zuvor auf dem antiquarischen Buchmarkt erworben hatten. Zeitgleich laufen in Kooperation mit der Universität Marburg, dem Christianeum Hamburg sowie der Universitätsbibliothek Rostock Planungen zu einem wissenschaftlichen Erschließungsprojekt, in dessen Ergebnis erstmals eine umfassende Darstellung dieses bedeutenden Schatzes auch in Buchform erscheinen soll.

Bisher zurückgegeben wurden:

  • Maximus von Tyrus, Sermones sive disputationes, 1557, Sign. B 53
  • Ernst Zober, Urkundliche Geschichte des Stralsunder Gymnasiums 1860, Sign. H8° 20d 
  • Diogenes, De Vita et moribus… 1566, Sign. B 62
  • Apollinarius, Versibus heroicis graec. Et. Lat., 1596, Sign. A 30
  • Franz Schlosser (Drucker), Türkenkriege, Vnsers aller gnedigsten Herren Ferdinandi Römischen Königs etc. Mandat an die Fürsten zu Stettin Pommeren etc.1531, Sign. B8° 1327
  • Konvolut von 12 Titeln aus der Gymnasialbibliothek, o. Sign.
  • Biblia Damulica, Trankebar 1739, Sign. L 24, (Rückgabe zugesagt)

PS: Siehe auch die aktualisierte Chronologie der Stadt: http://www.stralsund.de/hst01/content1.nsf/docname/Webseite_B8D598E4238E4E09C1257ABF00448714?OpenDocument

Quelle: http://kulturgut.hypotheses.org/225

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SdK 55: Alexander Geppert über Astrofuturismus

Alexander Geppert ist Historiker und beschäftigt sich mit der Kulturgeschichte des Weltraums. In seinem Forschungsprojekt zum Astrofuturismus versucht er, das Nachdenken über den Weltraum zu historisieren. Schließlich wurde der Weltraum zu unterschiedlichen Zeiten und in verschiedenen Kontexten anders imaginiert und ausstaffiert. Weltraum ist ein wichtiges Thema der Popkultur und dient als Motiv in zahlreichen Filmen, Bildern und Büchern. Häufig dient der Weltraum als Projektionsfläche, mit deren Hilfe über das Eigene und Fremde oder über Zukunftsentwürfe nachgedacht werden kann. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob das Phänomen der Globalisierung überhaupt ohne Weltraumerschließung erklärbar ist.

Linkliste: Alexander Geppert, Die Zukunft in den Sternen: Europäischer Astrofuturismus und außerirdisches Leben im 20. Jahrhundert, Spatial turn (Wikipedia), Zeughaus-Kino: Retrospektive Weltraumkino, Filme: Frau im Mond (Wikipedia), Das Himmelsschiff (Wikipedia), Forbidden Planet (Wikipedia), Klaus Bürgle (Wikipedia), Erik Theodor Lässig

Quelle: https://stimmen.univie.ac.at/podcast/sdk55

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Lexikon zur Computergeschichte: PS/2-Schnittstelle

Heute nur noch vereinzelt verwendete Schnittstelle für den Anschluss einer Maus oder eines Keyboards. Die Schnittststelle kam erstmals 1987 mit IBMs Personal System 2 auf den Markt, wobei sich das System nicht durchsetzen konnte. Überbleibsel sind die PS/2-Ports worunter heutzutage umgangssprachlich die Mini-DIN-Stecker für Tastatur und Maus verstanden werden. Sie hatten sich in den 1990er […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/05/4413/

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Historische Hintergründe zu den heiliggesprochenen “Märtyrern von Otranto” 1480. Interview mit Hubert Houben

Hubert Houben ist Professor an der Universität Lecce und Ehrenbürger von Otranto. Er bereitet ein Buch über den türkischen Überfall auf Otranto 1480 in Geschichte und Mythos vor. Ich bin sehr dankbar, dass er sich kurzfristig bereit fand, mit mir ein Mail-Interview zu dem in Archivalia neulich bereits aufgegriffenen Thema zu führen.

Sie haben Ihre Dissertation in Freiburg im Breisgau über mittelalterliche Handschriften aus der Abtei St. Blasien im Schwarzwald vorgelegt (gedruckt 1979) – wie kommt es, dass Sie heute Experte für die Geschichte der Region Salento sind?

Seitdem ich 1980 mit einem Feodor-Lynen-Forschungsstipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung an die Universität Lecce (jetzt “Università del Salento) kam, und später dann hier Professor für mittelalterliche Geschichte wurde, befasse ich mich – neben anderen Themen wie den Normannen und Staufern oder dem Deutschen Orden im Mittelmeerraum – auch mit der Geschichte Apuliens.

Papst Franziskus hat dieser Tage die 800 Märtyrer von Otranto zur Ehre der Altäre erhoben. Wie bewerten Sie als Historiker die Heiligsprechung?

Die Heiligsprechung ist ein Akt der katholischen Kirche, den ich respektiere.

Können Sie kurz den Forschungsstand zum osmanischen Feldzug 1480 und zu den “Märtyrern” charakterisieren? Ist sehr viel umstritten oder herrscht ein weitgehender Konsens?

Die Fachhistoriker sind sich weitgehend einig darüber, dass es sich um den Versuch handelte, Apulien oder zumindest Südapulien zu erobern, nachdem bereits das auf der anderen Seite der Adria liegende Albanien dem osmanischen Reich einverleibt worden war. Die nur ca. 70 km von der albanischen Hafenstadt Valona (alb. Vlorë) entfernte, ebenfalls am Meer gelegene Stadt Otranto war leicht zu erreichen und nur schwach befestigt. Als die Einwohner das Angebot, sich der Herrschaft der Osmanen zu unterwerfen (nur das, keine Forderung nach Konversion zum Islam!) ablehnten und Widerstand leisteten, wurden nach Eroberung der Stadt ca. 800-900 Männer aus Rache hingerichtet. Dieses Massaker sollte auch die benachbarten Städte so einzuschüchtern, dass sie keinen Widerstand mehr leisteten. Dieses Ziel wurde allerdings verfehlt, denn Lecce und Brindisi ergaben sich nicht und konnten von den osmanischen Truppen nicht erobert werden.

Welche Fakten sind aus Ihrer Sicht hinsichtlich der Eroberung Otrantos unstrittig?

1. Dass das osmanische Heer am 11. August 1480 nach 14tägiger Belagerung die Stadt eroberte, nachdem die Einwohner es abgelehnt hatten, sich zu ergeben.

2. Dass am Tag danach (also am 12. August, und nicht erst am 14. August wie spätere, unverlässige Quellen angeben) ca. 800 oder 900 Männer aus den oben genannten Gründen hingerichtet wurden, während die Frauen und Kinder versklavt und größtenteils nach Konstantinopel verkauft wurden.

3. Dass es ca. 20 wohlhabenden Bürgern gelang der Hinrichtung zu entgehen, indem sie sich durch eine hohe Geldzahlung die Freiheit erkauften. Es wurde also fast ausnahmslos die gesamte männliche Bevölkerung hingerichtet.

Auf welche zeitgenössischen Quellen kann sich eine geschichtswissenschaftliche Rekonstruktion des Geschehens stützen und wie glaubwürdig sind diese?

Botschafter (sog. “oratori”) der italienischen Regionalstaaten (Mailand, Venedig, Ferrara, Florenz, Kirchenstaat), die über ein Netz von Informanten verfügten, haben hunderte von Briefen (sog. “dispacci”) hinterlassen, die viele Details der Eroberung von Otranto, der anschließenden Kämpfe (und Verhandlungen) und der Rückeroberung (nach dem Tod Mehmets II. ergab sich die türkische Besatzung gegen Zusicherung eines ehrenvollen Abzugs) enthalten. Auszüge aus einigen dieser Briefe, die die Eroberung betreffen, wurden bereits 1881 ediert (in der Zeitschrift “Archivio Storico per le Province Napoletane”), andere (über die anschließenden Kämpfe und Verhandlungen) wurden kürzlich veröffentlicht (“Lettere degli ambasciatori estensi …”, 2 Bde., ed. H. Houben, Galatina 2013). Diese Nachrichten können verglichen und kritisch untersucht werden, so dass man sich insgesamt ein gutes Bild von den Ereignissen machen kann. Jede Quelle ist natürlich subjektiv, aber diese Briefe haben den Vorteil, dass die Botschafter versuchten, fast Tag für Tag möglichst frische und “objektive” Informationen an ihre jeweiligen “Staatsoberhäupter” zu übermitteln.

Können Sie auch etwas über Quellen türkischer Provenienz sagen?

Die osmanischen Chronisten berichten relativ wenig über den Otrantofeldzug, da er am Ende mit einem Misserfolg (Abzug 1481) endete. Der einzige türkische Chronist, der dem Otrantofeldzug ein Kapitel widmet, ist Kemalpascha Zāde (gest. 1534), der einige Jahrzehnte nach den Ereignissen schreibt. Er erwähnt das Massaker nur nebenbei und ohne Einzelheiten. In seiner Chronik, die eine Erfolgsgeschichte der osmanischen Sultane ist, heißt es u.a. (ich zitiere die Übersetzung von Klaus Kreiser): “Seine Majestät (Mehmed II. ‘der Eroberer’) befahl seinem Feldherrn und Eroberer Gedik Achmet Pascià, nachdem er Kephalonia und Valona erobert hatte, das Land Apulien zu unterwerfen (…). Er sollte diese Provinz dem Herrschaftsbereich des Islam (dār al-Islām) einfügen und aus ihr die Spur des Unglaubens vertreiben”. Prof. Kreiser bemerkt dazu, dass der Chronist nicht selten eine solch religiöse Motivation für Eroberungen (z. B. auf dem Balkan) benutzt, hinter denen in Wirklichkeit materielle Gründe standen (in: La conquista turca di Otranto …, hg. v. H. Houben, Galatina 2008, Bd. 1 S. 171).

Wie kam es aus Ihrer Sicht zur Entstehung der Tradition von den Märtyrern von Otranto und welchen Zweck hatte ihre Verbreitung?

Bereits kurz nach der christlichen Rückeroberung von Otranto verbreiteten sich Ansätze dieser Tradition in der Stadt und in der Region: die Überlebenden glaubten, die Gefallenen und Hingerichteten seien als Märtyrer für Glauben und Vaterland gestorben. Eine wichtige Rolle bei der Verbreitung dieser Tradition spielte der aus dem Salento stammende Humanist Antonio de Ferrariis († 1517), genannt Galateo (weil er aus einem Ort namens Galàtone, nicht zu verwechseln mit dem benachbarten Galatìna, stammte). Die Könige von Neapel förderten diese Tradition, um sich als Verteidiger des Christentums gegen die Türken zu stilisieren. Die 800 “Märtyrer” wurden zum Symbol der lokalen Identität der Stadt Otranto, die sich als ein Bollwerk des Christentums gegen die Türkengefahr verstand.

Welche Quellen berichten vom umstrittenen “Martyrium” am 14. August 1480 und wie sind diese zu bewerten?

Die Hinrichtung der 800 oder 900 “Märtyrer” wegen ihres Widerstands gegen die Eroberer ist aus den erwähnten Briefen der Botschafter gut belegt. Eine Zeugenbefragung von 1539 (gedruckt 1670) sollte beweisen, dass die 800 getötet wurden, weil sie sich geweigert hatten, den christlichen Glauben zu verleugnen; aus den Aussagen geht indes hervor, dass sie hingerichtet wurden, weil sie sich nicht ergeben hatten. Doch bezeugen diese 59 Jahre nach den Ereignissen gemachten Aussagen auch, dass die Bevölkerung glaubte, dass es sich um “Märtyrer” handele, die für Glauben und Vaterland freudig in den Tod gegangen seien. Einige Zeugen berichten, ein alte Schuster, Meister Grimaldo, habe seine Mitbürger aufgefordert, sich hinrichten zu lassen, da sie dadurch zu Märtyrern würden. Keiner der befragten Zeugen berichtet von einer Aufforderung zur Konversion zum Islam.

Diese taucht erst in einer 1583 gedruckten Geschichte der Ereignisse von 1480-81 auf, die sich als von einem lokalen Priester (Giovanni Michele Marziano) verfasste italienische Übersetzung eines lateinischen Werks des erwähnten Humanisten Galateo ausgibt. Die Forscher sind sich aber seit längerem darüber einig, dass es sich um eine Fiktion handelt und dass der Autor, wohl auch in Kenntnis der Ergebnisse der erwähnten Zeugenbefragung, die Ereignisse ausgeschmückt hat. Bei ihm wird “Meister Grimaldo” zu “Meister Antonio Primaldo” (Primaldo vermutlich weil er als Erster, primus, das Martyrium erlitt). Ferner wird erzählt, dass dieser nach seiner Enthauptung so lange aufrecht stehen geblieben sei, bis der letzte Märtyrer den Tod gefunden hatte. So auch in der angeblich 1537, in Wirklichkeit aber nach 1583 entstandenen Geschichte (“Istoria”) des Giovanni Michele Lagetto (oder Laggetto) aus Otranto, der vorgibt sich auf eine Erzählung seines Vaters zu stützen, der die Ereignisse von 1480 miterlebt habe, was vermutlich eine Fiktion ist. Spätere lokale Geschichten fügen hinzu, dass der türkische Henker sich ob solcher Standhaftigkeit zum Christentum bekehrte und zur Strafe aufgespießt (gepfählt) wurde.

Sind Ihnen denn über diesen Meister Grimaldo, der jetzt als Antonio Primaldo kanonisiert wurde, Quellen aus dem 15. Jahrhundert bekannt?

Nein, aber das ist nicht verwunderlich, denn einfache Leute wie er kommen in den Quellen meist nicht vor. Man kann also nicht nachweisen, dass er existiert hat. Aber auch nicht das Gegenteil.

Vermutlich gab es einen Schustermeister Grimaldo unter den Hingerichteten und vielleicht war er wirklich überzeugt, als Märtyrer zu sterben.

Welche Motive hatte der osmanische Feldzug und wie ordnet sich das Vorgehen der osmanischen Truppen in Otranto in die Kriegsführung der damaligen Zeit ein?

Es handelte sich um einen Eroberungsfeldzug (nicht etwa zur Ausbreitung des Islam – dass im Laufe der Expansion des ottomanischen Reichs ein Teil der Bevölkerung der eroberten Gebiete nach und nach konvertierten, um nicht länger als Untertanen “zweiter Klasse” behandelt zu werden, steht auf einem anderen Blatt). Ein ähnliches Massaker wie 1480 in Otranto richteten die Osmanen 1470 nach der Eroberung der griechischen Insel Euböa (ital. Negroponte und bis dahin im Besitz von Venedig) an. Hier wurden ebenfalls 800 Männer hingerichtet, weil sie sich nicht ergeben hatten (ein ähnlicher Fall ereignete sich wenige Jahre danach bei der Eroberung Albaniens). Die Kriege wurden damals auf beiden Seiten oft mit brutaler Gewalt geführt: So wurde z. B. die besonders grausame Art der Hinrichtung durch Pfählung sowohl auf christlicher als auch auf osmanischer Seite praktiziert.

Vielen Dank für die Antworten!

Erstveröffentlichung in Archivalia.

Quelle: http://frueheneuzeit.hypotheses.org/1417

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