Lexikon zur Computergeschichte: 486er – 80486, 80487

Der 1989 auf den Markt gebrachte 80486 verfügte über einen in den Prozessor integrierten Level 1-Cache und konnte bis zu 100 MHz betrieben werden. Während die SX-Versionen noch über keine FPU verfügten, waren in alle DX-Versionen bereits numerische Koprozessoren integriert. Mit dem 486 SL und 486 GX wurden auch Prozessoren für embedded und portable Systeme [...]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2012/08/3146/

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ViFa Geschichte Nr. 08 (2012): Im Forum der sehepunkte 12 (2012), Nr. 1-7/8

Im Forum der sehepunkte 12 (2012), Nr. 1-7/8 Atlantische Geschichte http://www.sehepunkte.de/2012/01/ Dokumentieren, Bewahren und Erinnern. Neuerscheinungen zu Emanuel Ringelblum und dem Untergrundarchiv des Warschauer Gettos http://www.sehepunkte.de/2012/02/ Islamische Welten http://www.sehepunkte.de/2012/04/ Islamische Welten http://www.sehepunkte.de/2012/05/ Aus der Werkstatt des Neuprotestantismus. Friedrich Schleiermacher in neuen Brief- und Vorlesungseditionen http://www.sehepunkte.de/2012/06/ Michael Cook (ed.): The New Cambridge History of Islam, Cambridge: [...]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2012/08/3142/

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Kurzer Prozess: Die Verfolgung von Jugendkulturen als “Rowdies” hat eine lange Geschichte

Das drakonische Urteil gegen die Musikerinnen der russischen Punk-Band Pussy Riot vom 17. August 2012 hat eine lange Vorgeschichte. Schon im Zarenreich und im Staatssozialismus diente der Vorwurf des “Rowdytums” der Unterdrückung von Jugendkulturen. 


Politische Urteile gibt es viele in Russland. Die Verurteilung der drei jungen Frauen des russischen Punk-Kollektivs Pussy Riot aber erregt weltweit Empörung. Menschen fühlen sich angesprochen, weil die Musik auch ihre eigene ist, das macht das Urteil für viele zu einer höchstpersönlichen Angelegenheit. Das Moskauer Urteil gegen die Musikerinnen wird nicht nur Geschichte machen, es hat auch eine. Die Entscheidung der Richterin steht in einer langen und unrühmlichen rechtshistorischen Tradition autoritären und antiliberalen staatlichen Handelns. Dies belegt schon der Tatbestand des „Rowdytums“, unter dem die Anklage stand. Der Vorwurf des „Chuliganstvo“ hat eine lange Vorgeschichte.

Bereits im Kommunismus spielte er eine wichtige Rolle bei der Verfolgung politischer Gegner, wie der Regensburger Rechtswissenschaftler und Osteuropa-Experte Friedrich-Christian Schroeder schon in den sechziger Jahren herausarbeitete. Schroeder fand Ursprünge in revolutionärer Zeit, etwa im Aufruf „An die Bevölkerung“ vom November 1917: „Errichtet strengste, revolutionäre Ordnung, unterdrückt gnadenlos die Versuche zur Anarchie von Seiten der Säufer, Rowdys, konterrevolutionären Junker, Kornilow-Leute und dergleichen“, hieß es da in revolutionärem Duktus. Der Autor des Manifestes war Wladimir Iljitsch Lenin.

Ein Mittel zur Rechtfertigung juristischer Willkür

Dass Lenins Formulierungen nicht nur Revolutionsrhetorik waren, bewies er zwei Monate darauf, als er sie in einer Schrift über den Wettbewerb wiederholte. Dort gelten die „Rowdys“ gemeinsam mit den Reichen, Gaunern und Schmarotzern als „Auswurf der Menschheit“, als „rettungslos verfaulte und verkommene Elemente“. Die „Seuche, diese Pest, diese Eiterbeule“ sei eine Hinterlassenschaft des Kapitalismus, die beseitigt werden müsse.

Ein Dekret vom Februar 1918 setzte die expressive Prosa in konkrete Handlungsanweisungen um: Danach waren Rowdys ebenso wie feindliche Agenten und deutsche Spione „am Ort des Verbrechens zu erschießen“. Worin genau das Rowdytum bestand, definierten immer neue Erlasse immer wieder neu. Dabei ging es nicht nur um den Kampf gegen Zerstörungen und Schlägereien unter Alkoholeinfluss, die traditionell als Problem galten. „Chuliganen“ waren nicht nur Gewalttäter. Eine Verordnung von 1923 definierte als Rowdytum jene „Handlungen, die von einer offensichtlichen Missachtung der Gesellschaft begleitet sind, insbesondere Unfug jeder Art, Ausschreitungen, grobes Schimpfen“. Für die Revolutionstribunale der jungen Sowjetmacht hatten derart dehnbare Definitionen die wichtige Funktion, kurzen Prozess mit all jenen machen zu können, die nicht ins gängige Raster staatlicher Verfolgung passten.

Schon Lenin verstand „Rowdys“ als „Auswurf der Menschheit“Auch in der postrevolutionären Phase der Stabilisierung des Sowjetsystems blieb der Rowdy-Paragraph ein wirksames Mittel zur Rechtfertigung juristischer Willkür. Zwar wurden tatsächliche oder vermeintliche Rowdys nun nicht mehr erschossen, sondern mit Geld- und Freiheitsstrafen oder mit Verbannung bestraft. Doch sieht der Sowjetrechtsexperte Schroeder in der unter Stalin vollzogenen Konsolidierung eine „frostige Erstarrung unter Beibehaltung fast aller kriegsbedingten Verschärfungen der Repression“. Nach Stalins Tod wurde 1956 unter Chruschtschow das Rowdytum in schwere und minderschwere Delikte unterteilt und letztere mit leichten Strafen, etwa kurzer Haft, belegt. Was wie eine Entschärfung aussah, war tatsächlich ein Mittel für massenhafte Einschüchterung.

„Liquidierung des Rowdytums“

Wie der Historiker Brian Lapierre vor einigen Jahren in den „Cahiers du Monde Russe“ analysierte, war die Kampagne gegen Rowdys nun nicht mehr ein Instrument, um vermeintliche Staatsfeinde mit schweren Strafen aus dem Verkehr zu ziehen. Nun konnten Menschen wegen minderschwerer Vergehen mit kurzen Strafen belegt werden, dies aber in großem Ausmaß. Die Verurteilungen überschritten in den fünfziger Jahren die Millionengrenze. Eine „minderschwere Strafe“ konnte etwa in zwei Wochen Arbeitslager bestehen. Die vage Beschreibung des Rowdytums umfasste auch Verstöße gegen Ruhe und Ordnung, „respektloses Verhalten gegenüber anderen Bürgern“ sowie „Obszönitäten und Ungehörigkeiten“ aller Art.

Diese Gummiparagraphen waren keineswegs neu. Zwar betonten die Gesetzgeber der Sowjetunion gern den radikalen Bruch zur Justiz des Zarenreiches, doch kannte bereits das zaristische Recht „Vergehen wider die Wohlanständigkeit, Ordnung und Ruhe“, das sich allerdings vom sowjetischen Recht durch minder drastische Strafen unterschied. Der Rowdyparagraph war nicht auf die Sowjetunion allein beschränkt. Jüngere Wissenschaftler wie der Prager Historiker Matej Kotalik erforschen derzeit, inwieweit sowjetisches Strafrecht auch die Bestimmungen anderer sozialistischer Staaten prägte.

In der DDR etwa galten die Anstrengungen der Volkspolizei um 1960 ebenfalls verstärkt der „Liquidierung des Rowdytums“ und der „Zersetzung“ jugendlicher Gruppen mit nachrichtendienstlichen Methoden. Gemeint waren damit jugendliche Fans amerikanischer Musik, die sich zu Clubs und Bands zusammengeschlossen hatten. Brigaden des SED-Zentralkomitees, zu denen lokale Partei- und FDJ-Funktionäre gehörten, gingen seit 1960 gegen Fanclubs und „halbstarke Verhaltensweisen“ vor, zu denen auch das Praktizieren westlicher Tänze oder Verstöße gegen die Bestuhlungsvorschriften auf Konzerten gehören konnten. Einen Höhepunkt hatten diese Restriktionen in der Zwangsauflösung von Gitarrenbands 1965, gegen die Jugendliche in Leipzig demonstrierten und darum zu teils drakonischen Strafen verurteilt wurden. Als Tatbestand ging das Rowdytum 1968 in das Strafgesetzbuch der DDR ein. Der Paragraph 215 ahndete Vergehen wie nächtliche Ruhestörung, Verstoß gegen die Veranstaltungsordnung und „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“. Er wurde als sogenannter Rowdy-Paragraph berüchtigt.

Wachsendes Unverständnis

Immer wieder wurde er zur Unterdrückung unerwünschter kultureller Aktivitäten genutzt. In den fünfziger Jahren waren es die Halbstarken, in den Sechzigern und Siebzigern jugendliche „Gammler“, die auch dann als „Arbeitsbummelanten“ verfolgt wurden, wenn sie über ein einträgliches Einkommen etwa als Musiker oder Gelegenheitsarbeiter verfügten. In der Sowjetunion ging man ähnlich vor, in Ungarn und Tschechien war die Jugendpolitik etwas toleranter. Doch auch im Westen erklang der Ruf nach „Arbeitslagern für Langhaarige“ nicht nur aus dem Volksmund der Nachkriegsgesellschaft. Ein Gutachten der Weltgesundheitsorganisation erwog um 1960 militärische Trainingscamps für „antisoziale“ Jugendliche, die rauchen und trinken.

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Quelle: http://pophistory.hypotheses.org/389

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“…weil Gott sich in Jesus Christus ganz auf die Geschichte eingelassen hat”?

Dieser Artikel soll einige Gedanken zum Verhältnis von Religionsgemeinschaften, persönlicher Religiosität und Geschichtsschreibung anstellen. Anlass dafür ist eine im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung (14. August 2012) auszugsweise abgedruckte Rede des Münsteraner Kirchenhistorikers Hubert Wolf, die er eine Woche zuvor bei den Salzburger Hochschulwochen gehalten hat. Darin beklagte Wolf die unbedeutende und zu angepasste Rolle, die die universitäre Kirchengeschichte für die politischen und theologischen Entscheidungen des Vatikans spielten. Die Amtskirche solle viel stärker auf ihre Historiker hören, denn: “Ohne Kirchengeschichte fehlt dem theologischen Blick die nötige Tiefenschärfe.” Kirchengeschichte könne der Kirchenleitung demnach die ganze (katholische) Vielfalt der theologischen Meinungen und deren historische Entwicklungen und Brüche demonstrieren. Sie könne zeigen, dass es in der Theologie keine Lehrkonstanz gibt. Nicht einmal in Rom. Dabei müssten freilich wissenschaftliche Standards eingehalten werden. Dazu beschreibt Wolf wie folgt das Wesen von Glauben in und für die (Kirchen-)Geschichte: “Der Traditionsprozess, der seinen Ausgangspunkt im historischen Christusereignis nimmt, kommt niemals zum Stillstand, weil Gott sich in Jesus Christus ganz auf die Geschichte eingelassen hat und die Kirche unter den wechselnden Bedingungen der jeweiligen Zeit die zentrale Aufgabe hat, den Tod und die Auferstehung des Herrn zu bezeugen.” Hier beginnen die Schwierigkeiten, die ich mit einigen Aspekten der Rede habe. Kirchenhistoriker sind noch immer auf der Suche nach dem “Gottesteilchen” in der Geschichte. Volker Leppin hat diese Aufgabe vor kurzem so formuliert: “In diesem Zusammenhang stellt die Kirchengeschichte wirklich eine eigene theologische Frage: die nach der Verschiedenartigkeit der kulturell bestimmten Bilder, die den Gott der biblischen Offenbarung sprechen lassen.” [1] Zweifel, ob es sich dabei nicht um eine – frei nach Lucien Febvre - question mal posée handelt, ja handeln muss, tauchen nicht auf. Ich habe noch nie in einer kirchengeschichtlichen Arbeit die Frage gelesen: gibt es das überhaupt, was wir da nachverfolgen? Auch unabhängig davon, wie man diese Frage beantwortet, ist die notwendigerweise so an persönliche Glaubensbejahung gebundene Geschichtsbetrachtung eine große Hypothek für die daraus resultierende Forschung. Die aus dem und mit dem Glauben (und laut Wolf für die Kirche) heraus operierende Hermeneutik setzt den Kirchenhistorikern eine Brille für Deutungen und großrahmige Einordnungen der Geschichte auf, die stärker sind als jede Theorie. Kirchenhistoriker antizipieren, wenn sie ihr Aufgabenfeld wie Wolf und Leppin begreifen, unausgesprochen eine Kraft hinter die Geschichte, an die man letztlich als seriöser Historiker nicht herankommen kann. Kirchenhistoriker versuchen dies trotzdem über die Theologiegeschichte (die an sich ein ehrenwertes und höchst anregendes Forschungsfeld ist!), mitunter auch über Institutionen (bzw. deren “Sieg” oder “Untergehen”). So wird freilich das Pferd der Clio von hinten aufgezäumt. Die stark auf Gott und Formen der göttlichen Offenbarung in Theologie und Kirchenstrukturen abzielende deutsche Kichengeschichte bringt somit eine falsche Sakralität in einen Forschungsbereich, den manch einer für Atheisten oder Agnostikern sogar verschlossen sieht. Die Debatte, ob nicht-religiöse Menschen überhaupt Zugang zu historischer Religiosität haben, kocht immer wieder hoch. [2] Fast noch problematiascher ist aber der durch die Suche nach dem “Gottesteilchen” verengte Blick auf die Religionsgeschicht. Gerade die frühneuzeitliche Religionsgeschichte und in ihr besonders die Reformation werden in Deutschland von Kirchenhistorikern dominiert. Das ist zunächst einmal weder gut noch schlecht. Aber ihre einseitige Fokussierung auf Theologie und Institionen verdrängt das für die größte Zahl der historischen Zeitgenossen wichtigste an den Rand: Kulturformen, Praktiken, Deutungen und soziale Wirkmächtigkeiten von Religion. So werden aus einer schlecht gestellten Frage nicht gestellte Fragen! Der Umstand, dass Kirchenhistoriker in aller Regel als Beschäftigte an Theologischen Seminaren von der Kirche ausgewählt und besoldet werden, macht dies nicht besser. Die Kirchen suchen sich also die aus, die dann über sie schreiben. Dabei kommen vielfach ausgebildete Theologen zum Zuge. Natürlich, zahlreiche gläubige Menschen und Theologen betreiben hervorragende Forschung. Dennoch werden somit nicht bessere und neue Fragen an die Geschichte gestellt. Vielleicht liegt auch hier ein Grund für die innerkirchliche Zahmheit und Marginalität der konfessionellen Kirchengeschichte, die Hubert Wolf konstatiert hat. Im Ausland läuft manches besser. Das Beispiel Frankreich zeigt, was für exzellente und innovative Forschung zur Religionsgeschichte ohne die deutsche Sonderform der Theologie- und Kirchenhistorie entsteht. In Frankreich gibt es keine staatlichen Theologischen Fakultäten. Dort kümmern sich “Allgemeinhistoriker” um die Religionsgeschichte. Sie machen eine theoretisch-methodisch moderne histoire des religions und werden so zu Religionshistorikern.     Religionshistoriker und Agnostiker: Lucien Febvre (1878-1956)   [1] Volker Leppin: Histoire de l’Eglise et histoire des religions, in: Christophe Duhamelle/Philippe Büttgen (Hg.): Religion ou confession. Un bilan franco-allemand sur l’époque moderne (XVIe-XVIIIe siècles), Paris 2010, 57-72, hier: 72. [2] Siehe dazu demnachäst Marc Mudrak, Rez. zu C. Scott Dixon: Contesting the Reformation (Contesting the Past), New York 2012, unter: H-Soz-u-Kult. Cf. auch Tracy, James D.: Believers, Non-Believers, and the Historian’s Unspoken Assumptions, in: Catholic Historical Review 86 (2000), S. 403-419. Gläubige sehen Religion laut Tracy als ein persönliches Phänomen und die Person als in rational-bewusstem Handeln erklärbar. Atheisten sehen Religion sowie einzelne Personen demnach im Zusammenhang sozialer und kultureller Prozesse und sind theorieaffiner.

Quelle: http://catholiccultures.hypotheses.org/165

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Irene Rabl: Frobenius Forster und die Brüder Pez

Frobenius Forster und die Brüder Pez. Abstract des Vortrags von Irene Rabl (Wien) bei der Tagung “Netzwerke gelehrter Mönche. St. Emmeram im Zeitalter der Aufklärung”, Regensburg, 21./22. September 2012

Zwischen den Benediktinerklöstern St. Emmeram in Regensburg und Melk in Niederösterreich herrschte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein steter wissenschaftlicher Austausch, der anhand noch erhaltener Gelehrtenkorrespondenz nachweisbar ist. Der erste Kontakt der Melker Benediktiner Bernhard (1683–1735) und Hieronymus (1685–1762) Pez mit dem Kloster St. Emmeram entstand 1709, als Bernhard Pez Enzykliken zum Zweck der Beschaffung von Informationen zu Schriftstellern für seine geplante Bibliotheca Benedictina an einzelne Klöster verschickte. Abt Johann Baptist Hemm reagierte zwar grundsätzlich positiv, jedoch übermittelte erst Kaspar Erhardt 1715 erste Materialien an Pez. 1717 besuchten die Melker Benediktiner auf ihrer Klösterreise schließlich auch St. Emmeram. Im Itinerarium Bavaricum et Suevicum (StiB Melk, Cod. 1850) haben sich bis heute ihre auf der Reise gesammelten Bibliotheksnotizen erhalten. Als weiterer St. Emmeramer antwortete Subprior und Bibliothekar Augustin Tröster 1732 auf eine Anfrage von Bernhard Pez nach den Inschriften und Grabsteinen in der Stiftskirche. Zumindest der erste der beiden erhaltenen Tröster-Briefe geht auf die zeitgleich stattfindende barocke Ausgestaltung der Kirche durch die Brüder Asam ein. Schließlich sind von Frobenius Forster fünf Briefe an Hieronymus Pez aus 1756 und 1757 im Melker Stiftsarchiv überliefert. Vor allem im Zuge seiner Tätigkeit als Bibliothekar begann Forster sich verstärkt mit mittelalterlichen Handschriften zu beschäftigen und entschloss sich Anfang der 1750er Jahre, angeregt durch Oliver Legipont, die Werke Alkuins neu (nach André Duchesne 1617) zu edieren. Die gelehrten Briefe Forsters an den bereits greisen Hieronymus Pez enthalten hauptsächlich Anfragen diese Edition betreffend. Forster stand einige Jahre später auch mit Martin Kropff, Bibliothekar in Melk, in Kontakt, ein kurzer Briefwechsel ist erhalten. Schließlich sind in diesem Zusammenhang auch die Briefe Forsters an Legipont aus der Zeit zwischen 1747 und 1757 in dessen Metzer Nachlass interessant, da Forster als „unermüdlicher Förderer der benediktinischen Akademiebestrebungen“ in seinen Briefen als geduldiger Ratgeber und scharfer Kritiker Legiponts in Hinblick auf die Gründung und Weiterführung der Societas litteraria Germano-Benedictina auftrat, sich jedoch von Legipont auch Unterstützung bei seiner Alkuinedition erhoffte. Darüber hinaus setzt die Korrespondenz zwischen den beiden Benediktinern ungefähr zu einem Zeitpunkt ein, als Forster von der Universität Salzburg, wo er seit 1745 eine Professur für Philosophie und Experimentalphysik inne hatte, in sein Kloster zurückgekehrt war. In seiner Salzburger Zeit (und auch noch danach) publizierte Forster einige (natur)philosophische Abhandlungen, in denen er sich kritisch vor allem mit Leibniz und Wolff auseinandersetzte.

Frobenius Forster wurde am 24. Juli 1762 – wenige Monate vor dem Tod Hieronymus’ Pez am 14. Oktober und 27 Jahre nach dem Tod Bernhards – zum Fürstabt von St. Emmeram gewählt und lebte noch fast drei Jahrzehnte als Vorsteher seines Klosters. Etliche gelehrte Benediktiner scheinen sein Leben geprägt zu haben, was man, zumindest in Ansätzen, an der noch erhaltenen Gelehrtenkorrespondenz u.a. mit Hieronymus Pez und Oliver Legipont erkennen kann. Interessant erscheint die Bearbeitung der hier erwähnten Korrespondenzen St. Emmeram – Melk sowie Forster – Legipont vor dem Hintergrund der tiefgreifenden Veränderungen rund um Gelehrsamkeit und Wissenschaft, die während des hier behandelten Zeitrahmens innerhalb der europäischen Gelehrtenwelt stattgefunden haben.

MMag. Irene Rabl

MMag. Irene Rabl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des FWF-Start Projektes „Monastische Aufklärung und die benediktinische Gelehrtenrepublik“ an der Universität Wien sowie Archivarin im Zisterzienserstift Lilienfeld in Niederösterreich. Rabl arbeitet an einer Dissertation über Abt Chrysostomus Wieser (Abt 1716–1747) von Lilienfeld, u.a. in Zusammenhang mit der Lilienfelder Erzbruderschaft zum Hlg. Joseph.

Link zum Publikationsverzeichnis: http://www.univie.ac.at/monastische_aufklaerung/de/arbeitsgruppe/irene-rabl-publikationen.html

Quelle: http://frobeniusforster.hypotheses.org/196

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Ist Astrologie eine Wissenschaft?

Ob die Astrologie in einer historischen Epoche einmal eine Wissenschaft gewesen war, ist gerade Thema meines Promotionsprojekts. Darin untersuche ich, wie die Autoren des 16. Jahrhunderts versucht haben, Astrologie als wissenschaftliche Methode zu begreifen. Dabei bin ich auf zahlreiche unterschiedliche … Weiterlesen

Quelle: http://astrologiefnz.hypotheses.org/95

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Zwischen rechter Esoterik und völkischer Bewegung

Kein anderer Wissenschaftler hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten so intensiv mit der Entstehung und Wirkung der völkischen Bewegung beschäftigt, wie der Historiker Uwe Puschner. Am kommenden Montag sprechen wir mit ihm über Geschichte und Wiederkehr der völkischen Bewegung im Kontext rechter Popkulturen der Gegenwart.

Quelle: http://www.montagsradio.de/2012/08/23/zwischen-rechter-esoterik-und-volkischer-bewegung/

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Thomas Konicz: Arbeitswelt im Web 2.0

Nicht gerade rosige Perspektiven sind es, die Thomas Konicz in einem für Telepolis verfassten Beitrag über die schöne neue Arbeitswelt im Zeitalter von Crowdsourcing und Cloudworking für die Zukunft entwirft. Und tatsächlich würde ich darin auch gerne mehr Überlegungen zu Möglichkeiten des Widerstands lesen, Konicz entwickelt nur an einer Stelle eine leise Andeutung:

Diese angestrebte Bindungslosigkeit des neuen Internetproletariats ist für die Unternehmen Segen und Fluch zugleich. Der Verzicht auf einen Arbeitsplatz mitsamt fester Anstellung, Büroflächen, Sozialabgaben und Arbeitsausrüstung lässt auch keinerlei Verbindlichkeit, Loyalitäten oder sonstiger Bindungsgefühle seitens des neuen digitalen Prekariats aufkommen. Eine Identifizierung des Tagelöhners mit dem Konzern - der für gewöhnlich eine spezifische Corporate Identity kreiert - ist somit nicht mehr möglich. Hierdurch fällt der Kernbelegschaft auch die Sicherung einer zuverlässigen Mitarbeit der Tagelöhner, mitunter der Qualitätskontrolle der abgelieferten Arbeit, sehr schwer.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/129662556/

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Hazel Rosenstrauchs böhmische Miniatur über den empfindsamen Henker Karl Huß

Hazel Rosenstrauch hat gestern verkündet, dass ihr neues Buch erschienen ist, und es klingt äußerst spannend:

Rosenstrauch, Hazel: Karl Huß, der empfindsame Henker. Eine böhmische Miniatur. Berlin: Matthes & Seitz, 2012. 175 S., 19.90 Euro [Verlags-Info]

Huß war nicht wirklich Henker, sondern Scharfrichter, lebte von 1761 – 1836 erst in Brix, dann in Eger (Cheb) und zuletzt in Königswart (Kynžvart). Er hat geköpft und geheilt, hat Steine, Münzen und Waffen gesammelt, eine Chronik der Stadt Eger, seine Autobiographie und eine Schrift gegen den Aberglauben verfasst. Am Ende seines Lebens wurde er „ehrlich“ gemacht und starb als Kustos der Metternichschen Sammlungen.

Der Essay erzählt von Stigmatisierung und Feingefühl, vom aufgeklärtem Absolutismus und Abschaffung der Todesstrafe (die den Scharfrichter arbeitslos machte), von Patriotismen, böhmischen Gespenstern und allerlei sozialen wie emotionalen Umordnungen. Als wichtige Nebenfiguren treten Goethe und der österreichische Staatskanzler Fürst Metternich, aber auch Joseph von Sonnenfels, Carl Ludwig Sand, Kaiser, Könige und Intellektuelle auf.


Neben anderen Städten ist auch in Wien eine Präsentation geplant, nämlich am 20.11.2012 um 19 Uhr, in der Buchhandlung Orlando, Liechtensteinstraße 17.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/129662549/

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Darf man Begriffe benutzen, die bisher der Beschreibung der Verhältnisse in der Nazizeit vorbehalten waren?

Von Stefan Sasse

Unter dieser Überschrift fragten die NachDenkSeiten rhetorisch am 4. Juni nach. Dass ich den Artikel so lange mit mir herumschleppe, hat seine Gründe, denn die Beantwortung der Frage ist alles andere als einfach. Konkret geht es den NachDenkSeiten hauptsächlich um den Begriff der "Gleichschaltung", mit dem sie den großen, übergreifenden Reformkonsens in den Medien beschreiben. Weitere verwendete Begriffe sind "Stürmer-Methoden" (BILD) und "völkisches Denken" für den Rassismus, der besonders mit der Euro-Krise wieder salonfähig wurde. Die Frage wurde von den NachDenkSeiten eher rhetorisch gestellt und auch gleich beantwortet: ja, man darf es verwenden, und die Tabuisierung hat nur dazu geführt, dass diese Methoden quasi unter dem Deckmantel der political correctness salonfähig wurden und nicht als das benannt werden dürfen, was sie sind. Ich möchte dieser Argumentation widersprechen, aus zwei Gründen. Der eine ist eine verkappte Zustimmung zum letztgenannten Punkt, während der andere tiefer geht. Ich möchte daher mit dem ersten beginnen, der sich pragmatischer gebärdet und schlicht der politischen Kommunikation entstammt: Nazi-Vergleiche sind ein Verliererthema. Immer. Wer den Nazi-Vergleich benutzt, verliert (ich habe dazu bereits geschrieben). Es ist deswegen in höchstem Maße ratsam, von der Benutzung abzusehen. 

Nazi-Vergleiche werden häufig von Randgruppen der gesellschaftlichen Diskussion benutzt. Es sind stark linksgeprägte Personen, die beständig die Faschismuskeule schwingen, Verschwörungstheoretiker, die von der Gleichschaltung sprechen, und Rechte, die den Vorwurf umzudrehen versuchen. Ebenfalls gerne dabei sind Unsympathen aus dem Ausland, die den Nazi-Vergleich als billige Polemik nutzen - der Iran etwa. Mit diesen Gruppierungen möchte man nicht in einen Topf geworfen werden; der Nazi-Vergleich ist daher ein schwerer Fehler. Nun könnte man argumentieren, dass gerade deswegen der Vergleich genutzt werden muss - um ihn dieser Gruppe zu entziehen. Tatsächlich ist das Besetzen von Begriffen ein schwer unterschätzter Schauplatz des Kampfs um die Deutungshoheit, und pauschal eine komplette Kategorie von Begriffen und jederzeit abrufbaren Assoziationen aufzugeben scheint nur eingeschränkt klug (siehe hier und hier). In den meisten Fällen würde ich deswegen auch zustimmen: entreißt den Gegnern dieser Gesellschaft ihre eigenen rhetorischen Waffen und lasst sie nackt dastehen! Allein, in den von den NachDenkSeiten zitierten Fällen stehen schwerwiegende fachliche Gründe gegen eine Übernahme dieser Begriffe.

Das größte von den NachDenkSeiten aufgemachte Fass ist der Begriff "Gleichschaltung". Mir ist klar, was sie damit sagen wollen - dass die Medien überwiegend einseitig berichten und nur eine bestimmte Meinung geradezu kampagnenartig vertreten. Allein, das ist nicht, was Gleichschaltung ist. Die Verwendung des Begriffs hier entwertet den Begriff für seine konkrete historische Bedeutung völlig. Würde er dem Willen der NachDenkSeiten gemäß salonfähig werden, so wären wir zwar um einen politischen Kampfbegriff reicher (der bald von allen verwendet und deswegen bald sinnentleert wäre), aber um die Beschreibung eines spezifischen historischen Phänomens ärmer. Mit der Gleichschaltung bezeichneten die Nationalsozialisten vor allem die Zusammenfassung der Länder und die Zentralisierung des Deutschen Reiches; später kam dann die Gleichschaltung aller anderen Lebensbereiche hinzu. Die Gleichschaltung aber setzt eine einzige, übergeordnete Instanz voraus. Selbst wenn der von Albrecht Müller erhobene Vorwurf, dass nur rund 200 Personen alle wesentlichen Medien kontrollieren, wahr ist, so konstituiert das allenfalls eine Plutokratie, aber keine Gleichschaltung. Denn es existiert keine zentrale Stelle, die alle Presseorgane gleichschalten und einem Willen unterwerfen würde. 

Dazu kommt, dass der Vorwurf schlicht sachlich falsch ist. Besonders seit 2009 hat sich die Lage ohnehin wesentlich gebessert, und in vielen Zeitungen herrscht inzwischen eine gewisse Meinungsvielfalt mit Beiträgen zu mehreren (konsensfähigen) Sichtweisen. Zweifellos liegt noch immer ein starkes Übergewicht bei einer Sichtweise, aber von einer Gleichschaltung, bei der alle nur dasselbe schreiben dürfen und das auch kontrolliert wird, kann keine Rede sein. Der Begriff relativiert damit, in diesem Zusammenhang geraucht, nicht nur ein historisches Phänomen, das ein Grundstein der Nazi-Zeit war, es ist schlicht im Gebrauch falsch. 

Schwieriger ist es bei den Vorwürfen der "Stürmer-Methoden" und des "völkischen Denkens". Die BILD ist nicht der "Stürmer", so viel sollte klar sein. Aber die krasse Zuspitzung, Polarisierung und Aufpeitschung beherrscht sie. Allerdings bestehen auch hier ernsthafte Probleme: der "Stürmer" war ein Staatsorgan, das die Aufgabe hatte, die Bevölkerung gegen eine bestimmte Gruppe aufzustacheln und gewissermaßen "auf Linie" zu bringen. Die BILD dagegen ist ein kommerzielles Boulevardblatt, das sein Geld damit macht, an die niederen Instinkte zu appellieren. Das ist ein Unterschied. Der Vorwurf der "Stürmer-Methoden" sollte daher an dieser Stelle ebenfalls unterlassen werden. Er ist unzutreffend, eine riesige Keule und eine schwere Beleidigung. 

Der komplizierteste Fall ist wohl das "völkische Denken". Dies liegt auch daran, dass es sich nicht um ein Nazi-Phänomen handelt. Die völkischen Ideen entstammen dem 19. Jahrhundert und sind eher eine übersteigerte Form des Nationalismus als ein direkter Vorläufer des Nationalsozialismus. Dieser nahm zwar viele Elemente der völkischen Bewegung auf - schon allein, weil diese sehr populär und bekannt war -, unterschied sich aber in einigen Punkten. Die Diversität der völkischen Bewegung und ihre lange Geschichte macht es auch leichter anwendbar. Ich sehe allerdings in der Griechen-Polemik unserer Tage kein "völkisches Denken" in dem Sinne, als dass das deutsche Blut dafür verantwortlich wäre. Wäre dem so, so könnte man den Griechen nicht vorwerfen, zu faul zu sein und sie aufzufordern, einfach dem deutschen Beispiel zu folgen. Läge es am Blut, wären sie dazu ja gar nicht in der Lage. Ganz anders sieht es bei Sarrazin aus: ihm völkisches Denken zu unterstellen ist mit Sicherheit kein Fehler. Viktor Orban kann man es ebenso um die Ohren hauen. 

Zuletzt haben die NachDenkSeiten merkwürdigerweise auch "Rassismus" in ihre Auflistung integriert. Das ist insofern merkwürdig, als dass sie zwar Recht damit haben, dass der Begriff tabuisiert wurde, aber er mit Sicherheit kein nazi-spezifischer Begriff. Daher: ja, den kann man verwenden. Man sollte ihn auch verwenden. Sarrazin das Label des Rassisten anzuhängen war das Beste, das man tun konnte, denn das ist er. Es war falsch von der bundesdeutschen Gesellschaft, Rassismus nur auf tumbe Glatzen zu beschränken und so zu tun, als sei der Alltagsrassismus der bürgerlichen Gesellschaft keiner, sondern vielmehr so was wie das konservative Herz der Deutschen, eine im Grunde liebenswürdige Schrulle. Von den Brandanschlägen auf Asylantenheime in den 1990er Jahren über die entwürdigende Behandlung der Asylbewerber bis hin zu den NSU-Morden lässt sich eine klare Linie aus dem Verschweigen des Rassismus ziehen. 

Gerade deshalb aber ist es wichtig, Begriffe trennscharf zu benutzen. Nicht nur macht man sich selbst lächerlich, wenn man mit völlig unangemessenen Begriffen um sich wirft - man richtet dabei auch viel größeren Schaden bei der Aufarbeitung und Bewertung der dunkelsten Zeit in der Geschichte der Deutschen an. Wenn die Begriffe dieser Epoche (beziehungsweise die, mit denen wir sie beschreiben) völlig entwertet und beliebig in aktuellen Debatten zum bashen des jeweiligen Gegners verwendet werden können, beschreiben sie bald gar nichts mehr, und ein bleierndes Schweigen legt sich über jene Zeit. Wie kann man beispielsweise ernsthaft die Geschichte des Sozialismus besprechen, wo der Begriff zu einer so beliebigen politischen Kampfvokabel verkommen ist? Was beschreibt "neoliberal" denn heute noch, außer jemandem, der nicht mit einem Linken übereinstimmt? Dieses Schicksal sollte man den Begriffen, die die Nazi-Zeit beschreiben, dringend ersparen. Deswegen, liebe NachDenkSeiten, seht von ihrer Benutzung ab. Verwendet zutreffende Beschreibungen und macht sie populär. Vor 1933 war Gleichschaltung auch nur ein Begriff, der Elektrikern vertraut war.

Nachtrag:
Ein Leser hat noch weitere Nachfragen gestellt:
Nochmals hallo mit ein paar weiteren Gedanken, die mir im Rahmen Ihres Blogs gekommen sind, während ich mich langsam durch die älteren Beiträge lese.

Zunächst einmal möchte ich anmerken, daß mir die Art, in der die Artikel geschrieben sind, ausgesprochen sympathisch ist, da persönliche Standpunkte, soweit eingebracht, weitgehend in separaten Abschnitten abgehandelt werden, anstatt sie mit dem Faktenmaterial zu vermengen. Eine Tugend, die sich im Internet und gerade bei potentiellen Reizthemen (wozu, wie die weniger lesenswerte Kommentarspalte zeigt, teils auch Ihre Einträge gehören) nicht unbedingt verbreitet ist.

Zum zweiten eine kurze Frage zu Ihrem aktuellsten Artikel über Vor- und Nachteile milieufremder Verwendung faschistisch besetzter Ausdrücke: Ein paar mal habe ich mich auch mit diesem Thema geistig beschäftigt, ohne auf eine konkrete Antwort zu kommen, allerdings in einem anderen Rahmen als die im Eintrag vorhandenen Beispiele. Im Gegensatz zu den klar abwertend und in Assoziation zur damaligen Diktatur gebrauchten Fällen stellt sich mir die Frage, ob es richtig oder falsch wäre, zu damaligen Zeiten pervertierte Sprachfiguren gezielt in einem sachlich passenden Zusammenhang zu nutzen, um sie dem Nazivokabular zu entziehen. Als Extremfall sei hier auf die bekannte Aufschrift "Arbeit macht frei" verwiesen (wenngleich ich die Prämisse nicht gänzlich teile).
Welchen Standpunkt würden Sie hierbei einnehmen?

Eine weitere Frage betrifft den Artikel "Probleme sprachlicher Klarfassung am Beispiel realsozialistischer Diktaturen". In diesem erklären Sie ausführlich, weshalb Sie die Ausdrücke "realsozialistisch" und "Ostblock" verwenden, nutzen aber einen weiteren politisierten Ausdruck relativ unreflektiert. Verbinden Sie mit der Bezeichnung "Warschauer Pakt" eine ähnliche Stellungnahme, die Sie diesen gegenüber dem "Warschauer Vertrag" bevorzugen läßt, oder handelt es sich hierbei eher um sprachliche Gewohnheit?

Und zuguterletzt noch eine Frage zu dem Artikel über "Erinnerung und Geschichtsbewußtsein der Deutschen" vom Februar des letzten Jahres. Ein größerer Teil des Artikels wird durch zeitgenössische Sichtweisen, insbesondere in zunehmend revisionistischer Form zum Nationalsozialismus, eingenommen. In diesem Zusammenhang mußte ich an die Grabrede zu Ehren des damaligen Strafrichters und späteren Landespolitikers Hans Filbinger denken, dessen Nachfolger hierbei die Taten als "inneren Widerstand" einordnete, möglicherweise in einem falsch verstandenen Anfall von Pietät. Die Kritik an der Aussage war heftig, soweit ich mich erinnern kann, wobei ich mir unsicher bin, ob es auch Stimmen gab, die das ähnlich sahen.
Wie würden Sie im Rahmen Ihres Artikels dieses Ereignis einordnen?

Noch einmal im Voraus danke für die Antwort (und in Vorfreude auf weitere Blogartikel)
Jerry
 Meine Antwort: 
Hallo Herr Laval,

prinzipiell ist die Idee, Dinge dem nationalsozialistischen Sprachschatz zu entziehen ja in Ordnung. Aber wozu? In welchem Zusammenhang möchte ich "Arbeit macht frei" denn tatsächlich nutzen? Ich kann sagen "Arbeit wirkt befreiend", ohne Probleme, und habe mich wahrscheinlich auch noch präziser ausgedrückt. Ich denke, die lingua tertii imperii sollte als solche gebrandmarkt bleiben, schon alleine, damit wir sensibilisiert bleiben für das Problem von entmenschlichender Sprache generell. Worte wie "Sonderbehandlung" oder "Endlösung" haben ja dasselbe Problem. Ich könnte auch Waren in mein "Konzentrationslager" bringen, wo ich eben alle meine Samsung Bildschirme, die ich verkaufe auf einem Punkt konzentriere, aber warum, wenn ich "Zentrallager" sagen kann? Der Vorteil der Sprache als reines Nazi-Vokabular ist, dass ich deren Praktiken sehr präzise fassen kann. Wenn ich im Kontext des Nationalsozialismus von Sonderbehandlungen rede weiß ich, was gemeint ist. Ich kann dann auch im Kontext eines modernen Genozids sagen, dass die Praxis sich an die Sonderbehandlungen der Nazi-Zeit anlehnt - und wieder weiß ich sofort, was gemeint ist. Das ist nicht der Fall, wenn ich den Begriff wieder in den Allgemeinwortschatz überführt habe.
Und genau damit wären wir bei Ihrem zweiten Punkt. Die Verwendung des Wortes "realsozialistisch" dient der Differenzierung zwischen der sozialistischen Ideologie und den Staaten, die sie zu ihrer Legitimierung nutzten. Würde ich die DDR und die anderen Warschauer-Pakt-Staaten "sozialistisch" nennen, so würde ichd en Sozialismus als Ganzes diffamieren. Stattdessen kann ich so differenzieren. Das ist etwas, was ich bei "nationalsozialistisch" ganz bewusst will - jede Verwendung des Begriffs soll sofort das Dritte Reich assoziieren, ebenso "Sonderbehandlung" oder "Gleichschaltung".
Der Warschauer Pakt ist genauso wie der Ostblock eine sprachliche Gewohnheit. Wenn ich mich nicht irre wurden die Begriffe aber ebenfalls verwendet.
Was Oettinger betrifft, so versuchen die Konservativen seit langem, in diese Richtung zu gehen. Kohls "geistig-moralische Wende" 1982 hatte dieses Ziel; Oettinger ist da ein relativer Spätzünder. Ich denke in seinem Fall war es einfach unbedachte Pietät, aber es gibt definitiv Menschen, die so denken, und auch zahllose Menschen, die Filbingers Aussage zustimmen würden, weil sie die Implikationen nicht verstehen.

Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich unseren Mailwechsel unter den Artikel ergänze, gegebenenfalls anonym?

Liebe Grüße
Stefan Sasse
 

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2012/08/darf-man-begriffe-benutzen-die-bisher.html

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