“Der Gang ins Museum wird durch die Virtualisierung nicht wegbrechen”

Dr. Frank Reichherzer arbeitet am Lehrstuhl für Geschichte Westeuropas und transatlantische Beziehungen an der Humboldt Universität zu Berlin. Er konzipierte die digitale Ausstellung “Orte des Übergangs. Eine andere Geschichte des Ersten Weltkriegs” für Europeana.

Dr. Frank Reichherzer (Foto: privat)

Dr. Frank Reichherzer (Foto: privat)

Sie haben als Kurator die digitale Ausstellung „Orte des Übergangs. Eine andere Geschichte des Ersten Weltkrieges“ für Europeana geplant. Europeana verfügt über zahlreiche (Ego-)Dokumente aus verschiedenen Zeitspannen. Nach welchen Kriterien haben Sie ihre Ausstellungsdokumente ausgesucht?

Unser Kriterium war es, die Dokumente und Objekte als aussagekräftige Quellen für die übergeordnete Frage und das Ziel der Ausstellung zu nutzen. Da der Zugang über das Konzept der Orte nicht der Logik der Verschlagwortung der Europeana entspricht, haben wir uns den Themen in einem ersten Schritt über Quellenarten genähert – also Kriegstagebücher, Verordnungen, Karten, Bilder und andere Objekte, zeitgenössische Literatur bis hin zu Lieder- und Kochbüchern und vielem mehr. Dort haben wir die Stellen, an denen unsere Orte thematisiert wurden, vermerkt und dann für den zweiten Schritt alles, was einen bestimmten Ort betraf, als Materialsammlung zusammengestellt.

Ihr Ziel ist es, den Ersten Weltkrieg aus einer neuen Perspektive, und zwar anhand eines Mosaiks von Orten, zu betrachten. Geht es Ihnen darum, den Krieg, der so 100 Jahre zurück liegt und vielen so abstrakt erscheint, erfahrbar zu machen? Welches Publikum möchten Sie damit ansprechen?

„Erfahrbar“ wollten wir den Krieg nicht machen. Wie wollten den Krieg in seiner Widersprüchlichkeit, in seiner Komplexität sichtbar machen. Abstrakte Orte, wie der Bahnhof, das Lazarett, die Kasernen aber auch das Hauptquartier, die sich überall, auf allen Seiten der Fronten, finden lassen, erschienen uns als geeigneter Zugang, die Pfade der Chronologie des Krieges, der nationalen Perspektiven und der epischen Schlachtengemälde zu verlassen. In diesem Sinne abstrahieren wir sogar noch mehr als die meisten Publikationen zum Thema. Wir fordern unsere Besucher heraus. Sie sollen den Ersten Weltkrieg als diffuses Ereignis erkennen – als gigantischen Ort des Übergangs, an dem Zivilisation und Barbarei, Moderne und Archaik, Zerstörung und Schöpfung, Beschleunigung und Beharrung, Mythos und Rationalität, Traum und Trauma und vieles mehr ineinander verwobene Realitäten bilden. Wir wünschen uns ein breites Publikum. Die Ausstellung ist so konzipiert, dass der Besucher seine Wege und sein Eintauchen in die Materie selbst gestalten kann. Gerade der ‚virtuelle Ausstellungsraum’ macht diese Sprünge und Drifts möglich. Die Orte sind dabei der Einstieg. Die Dynamiken, die sich im Raum zwischen den Orten bilden, sollen mit dem ‚Klicken‘ durch die Ausstellung in einer spezifischen Art im Besucher deutlich werden – und hier stimmt es wohl –hier kann der Besucher die Geschichte des Erste Weltkrieg in einer besonderen Weise „erfahren“.

Mittlerweile stellen auch zahlreiche Museen auf ihren Websites digitale Ansichten von ihren Ausstellungsobjekten zur Verfügung. Welche Bedeutung werden digitale Ausstellungen Ihrer Meinung nach in der Zukunft haben?

Technisch ist und wird vieles möglich sein. Vor allem Hypertextstrukturen und gestaffelte Informationsschichte bieten dem Besucher die Möglichkeit, in unterschiedliche Formen, Intensitäten und eigenen Wegen in die Materie einzutauchen. Wir hatten im ursprünglichen Konzept viel mehr Verlinkungen der Orte und der Narrationen wie ‚Ordnung und Chaos‘, geplant, mussten uns aber an den Europeana-Richtlinien orientieren.

Der Gang ins Museum wird aber durch die Virtualisierung nicht wegbrechen. Das Museum als sozialer Ort wird daher nicht verdrängt. Die Sehnsucht nach dem Sozialen und dem Authentischen ist groß. Ich denke, Mischformen werden sich etablieren. Mehr und mehr wird der Ausstellungsbesuch virtuell durch Terminals vor Ort oder auch durch die Nutzung mobiler Endgeräte weiter mit zusätzlichen Informationen angereichert. Grenzen hierzu sehe ich weder im Wissenschaftlich-kuratorischen Input noch in der Technik. Probleme liegen eher in urheberrechtlichen Fragen.

 

Sie wollen mehr über das Projekt Europeana und digitale Museen wissen? Fragen Sie Dr. Reichherzer bei unserem WeberWorldCafé “Narrating the First World War – Experiences and Reports from Transregional Perspectives”!

Quelle: http://wwc.hypotheses.org/390

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Antonioni und die Geschichte der Fotografie: Eine Ausstellung in Wien

Michelangelo Antonionis Film Blow Up gilt als Dokument einer Epoche. Er begründete den Weltruhm des deutschen Models Veruschka von Lehndorff, dem Herbie Hancock seinen Hammond-Groover im Soundtrack widmete, und spricht wie nur wenige andere Filme die Bildsprache der “Swingng Sixties”: Sex, Musik, Drogen, Design und Gegenkultur. Eine atmosphärische Momentaufnahme vom London des Jahres 1966, der “aufregendsten Stadt der Welt”, wie im selben Jahr das amerikanische Magazin Time jubelte. Dass Antonioni sein Porträt der Swinging Sixties weniger als impressionistische Erzählung erfunden als vielmehr sorgfältig recherchiert hatte, enthüllt nun eine Ausstellung, die noch bis Mitte August 2014 in der Wiener Albertina zu sehen ist.

David Hemmings in Blow Up (Regie: Michelangelo Antonioni), 1966. film still. Foto: Arthur Evans, Privatsammlung Wien, Courtesy: Neue Visionen Filmverleih GmbH (Albertina/Wien)

Vordergründig ist Blow Up ein Krimi, und entsprechend dramatisch inszeniert ihn das Museum. Beim Betreten umfängt den Besucher Dunkelheit. Eine eigens in das gold- und stuckverzierte Palais hineingebaute Blackbox (Ausstellungs-Design Walter Kirpicsenko) macht den Film begehbar: Standbilder leuchten aus Dioramen, in überdimensionale Filmstreifen hineinmontierte Ausschnitte teilen den Film thematisch auf. Den Anfang macht die Schlüsselszene im Park: Der von David Hemmings gespielte Protagonist hat ein Liebespaar fotografiert, meint aber beim Entwickeln der Negative im unscharfen Bildhintergrund einen Pistolenschützen zu entdecken. Als er die Fotos immer weiter vergrößert, erscheint eine Leiche, doch die Fotografie bietet keine Eindeutigkeit: Die Figur löst sich zu Pixeln auf.

Don McCullin: Thomas’ blow-ups aus dem Park – Courtesy Philippe Garner © Neue Visionen Filmverleih GmbH/Turner Entertainment Co. – A Warner Bros Entertainment Company. All rights reserved. (Albertina/Wien)

Kapitelweise erkundet die Ausstellung nicht nur Antonionis Auseinandersetzung mit dem Medium Fotografie, sondern auch realhistorische Hintergründe und ästhetische Vorbilder des Filmes. Erstmals zu sehen sind die Fragebögen, die der Regisseur an Londoner Fotografen verschickt hatte. Darin erkundigte er sich nach deren Lebensgewohnheiten: Ob sie bei der Arbeit tränken, mit ihren Models schliefen, sich von Pop- und Op-Art beeinflussen ließen, ihre Autos selbst führen oder Chauffeure beschäftigten. Marotten wie der Rolls-Royce des Protagonisten waren nicht der Fantasie des Regisseurs entsprungen, sondern bei dem Londoner Fotografen Terence Donovan abgeschaut.

Bildsprache von Comics und Film Noir: Das Kino thematisiert die Popkultur

David Bailey photographing Moyra Swan, 1965
© Terry O´Neill – Courtesy Philippe Garner (Albertina)

Gemeinsam mit seinen Kollegen David Bailey und Brian Duffy bildete der Lebemann damals die berüchtigte “Black Trinity”, ein Trio, das die Modefotografie dynamisierte. Statt mit Großbildkamera und Stativ im Studio zu arbeiten, nahmen die drei Fotografen ihre Models mit der handlichen Kleinbildkamera Nikon F auf, die auch in Antonionis Film die eigentliche Hauptrolle spielt. Den Hintergrund bildeten alltägliche Straßenszenen und ungewöhnliche Settings. Mal hängten die Foto-Pioniere ihre weiblichen Models an Fallschirme, mal inszenierten sie Dressmen mit Schusswaffen in erzählerischen Bildsequenzen, die vom Film Noir oder vom Comic inspiriert waren. Antonioni zeigte diese Fotos in Blow Up – und holte deren Bildsprache damit zurück ins Medium Film.

Das ikonische Shooting mit Veruschka hatte er sich ebenfalls von David Bailey abgeguckt. Ein Jahr zuvor hatte dessen Kollege Terry O’Neill seine Arbeitsweise in einer Serie porträtiert, die sich Antonioni zum Vorbild nahm. Um das Medium Fotografie in seinen unterschiedlichen Varianten zu zeigen, wechselte er in Blow Up radikal Setting und Genre: Eben noch erotisierender Mode-Macho, versucht sich sein Protagonist im nächsten Moment im seriösen Genre der Sozialreportage unter Fabrikarbeitern und Obdachlosen.

Die Ausstellung zeigt, wie akribisch Antonioni auch hier arbeitete: Die Bilder, die der fiktive Fotograf im Film seinem Agenten vorlegt, hatte der Regisseur eigens bei dem Reportage-Fotografen Don McCullin in Auftrag gegeben. Die Fotos porträtieren das bettelarme East End der sechziger Jahre und setzen damit einen Kontrapunkt zum hedonistischen Lebensstil der Londoner in-crowd.

Hier weiterlesen (zuerst erschienen in DIE ZEIT Nº 26/2014)

Quelle: http://pophistory.hypotheses.org/1556

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Der Deutsche Museumsbund und die Frage: Brauchen Kulturinstitutionen eine Facebook-Seite?

Viele Social Media Kanäle sind umstritten wenn es darum geht, als Institution dort präsent zu sein.  Muss man wirklich twittern? Google Plus – benutzt das überhaupt jemand? Soll man Bilder bei Pinterest posten? So uneinig sich Institutionen bei der Vielzahl Sozialer Medien sind, so einig sind sie sich bei Facebook. Eine Facebook-Seite muss schon sein – oder doch nicht? Der Museumsbund bei Facebook Der Deutsche Museumsbund e.V. ist bei Facebook. Wen diese Nachricht überrascht, wird vielleicht weniger überrascht sein wenn er erfährt: Es handelt sich […]

Quelle: http://musermeku.hypotheses.org/1753

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Ein Rückblick zur Neueröffnung des Imperial War Museum London

 

Nach monatelanger Umbauzeit wurde am 19. Juli 2014 das Imperial War Museum in London neu eröffnet. Das Gebäude wurde vor allem in seiner inneren Baustruktur stark verändert – ein guter Anlass, im Rückblick zu zeigen, wie das IWM vor dem Umbau aussah… Im Zentrum der Neueröffnung stehen inhaltlich die „First World War Galleries“ und die Kunstausstellung „Truth and Memory: British Art of the First World War“. Mit beiden Ausstellungen begeht das Imperial War Museum das 100. Jubiläum des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges, einem Thema […]

 

 

Quelle: http://musermeku.hypotheses.org/1645

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Museumsreport: Residenzschloss Heidecksburg in Rudolstadt/Thüringen

http://www.heidecksburg.de Die Heidecksburg im thüringischen Rudolstadt ist ein prachtvolles Barockschloss aus dem 18. Jahrundert. Während die Burg im Hochmittelalter noch den Grafen von Orlamünde gehörte, wurde sie 1340 von den Schwarzburger Grafen erworben und schließlich 1574 Stammsitz der Grafen und späteren bis 1918 regierenden Fürsten von Schwarzburg Rudolstadt. Das dort untergebrachte Thüringer Landesmuseum Heidecksburg bietet […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/06/5171/

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George Clooney im Museum – Was Kulturinstitutionen von #heftig Click-Baits lernen können

Immer mehr Online-Medien setzen auf plakative, Neugier erweckende oder emotionalisierende Headlines. Diese sogenannten Click-Baits - also Klickköder – die mittlerweile auch als Heftig-Stil bekannt sind, erzielen besonders in Social Media beachtliche Reichweiten. Kulturinstitutionen können hiervon lernen – auch wenn man nicht jeden Tag darüber berichten kann, dass George Clooney vor der Tür steht… Ich dachte, es wird ein ganz normaler Tag im Museum für Naturkunde – doch dann stand plötzlich George Clooney vor der Tür… So hätte die Ankündigung bei Facebook zum Artikel “Hollywood-Fieber vor dem Ostflügel” […]

Quelle: http://musermeku.hypotheses.org/1518

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Fastnacht der Hölle – Inklusion als Herausforderung im Museum

 

 

Die Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention zeigt auch Wirkungen auf die museumspädagogische Arbeit. Derzeit wird am Haus der Geschichte Baden-Württembergs in Stuttgart in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Heidelberg/Abt. Geschichte und Abt. Sonderpädagogik für die aktuelle Ausstellung “Fastnacht der Hölle. Der Erste Weltkrieg und die Sinne”1 an einem Angebot für Förderschüler/innen gearbeitet. Das kooperative Erarbeiten eines solchen Angebots von Vertreterinnen der Museumspädagogik, der Geschichtsdidaktik und der Sonderpädagogik kann durchaus als innovativ und den Herausforderungen angemessen bezeichnet werden.2

 

 

Gemeinsamer Nenner: Das Erlebnis

Bei dem kooperativen Projekt wird kein eigentlich inklusives Angebot erarbeitet, sondern die museumspädagogischen Zielgruppen werden um die FörderschülerInnen erweitert. Diese Adressatengruppe ist in sich nicht homogen, sondern umfasst SchülerInnen mit Lerneinschränkungen und solche mit geistigen Beeinträchtigungen. Deren kognitiven Fähigkeiten, z.B. was die Lesekompetenz oder schriftsprachliche Fähigkeiten angeht, können weit auseinander liegen.3 Auch über deren Ausprägungen des Geschichtsbewusstseins ist wenig empirisch Gesichertes bekannt: SchülerInnen mit Lernbeeinträchtigungen können recht sicher zwischen Vergangenheit und Gegenwart unterscheiden, äußern aber, z.B. nach einer Bildbetrachtung, kaum konkrete Unterscheidungsmerkmale. Sie betrachten Geschichte im Sinne eines Wandels und haben ein sehr subjektives Verständnis für Chronologie, d.h. sie stellen häufig keinen korrekten Bezug zu Daten bzw. Zeiträumen her.4 Auch in der Museumspädagogik gibt es nur wenige, eher allgemeine Hinweise, die sich mit den Ansätzen in der Sonderpädagogik decken: Ein Museumsbesuch ist nachhaltiger, wenn er als Erlebnis gestaltet wird und die Inhalte auf mehreren Wahrnehmungsebenen gleichzeitig und emotional angebunden vermittelt werden.5 Die Forschungsergebnisse sind direkt in das Konzept des museumspädagogischen Angebots für Förderschulen eingegangen. So steht am Anfang die Arbeit am Zeitbegriff (vor 100 Jahren), durch das Anknüpfen an die eigene Familiengeschichte: Damals haben die Urgroßeltern gelebt! Gleichzeitig ist für die SchülerInnen wichtig zu erfahren, dass es sich um ein Geschehen in der Vergangenheit handelt, sie also keine Angst haben müssen, dass “morgen” ähnliches passiert.

“Der Erste Weltkrieg zerstörte die Sinne!”

Genauso wie bei allen anderen museumspädagogischen Angeboten gilt, dass die Ausstellungsziele im museumspädagogischen Angebot zentral sind und für die entsprechende Zielgruppe aufgearbeitet werden. Die Kuratorin der Ausstellung formuliert die Ausstellungsziele wie folgt:

“Die Ausstellung zeigt das Empfinden des Krieges mit allen Sinnen. Denn der Erste Weltkrieg sprengte damals alle Maßstäbe der Wahrnehmung, beeinträchtigte und zerstörte die Sinne. Doch die Regierungen instrumentalisierten die Sinne auch, indem sie die Kriegswahrnehmung bewusst lenkten.”

Die Sinneserfahrungen wirkten sich nachhaltig auf den Menschen aus: auf seinen Körper, auf sein Erleben und seine Psyche – nicht nur an der Front, sondern auch in der Etappe und in der Heimat. Diese Zielsetzung soll elementarisiert und auf die Aneignungsniveaus der Adressaten bezogen beibehalten werden.

Wie fühlt sich der Krieg an?

Wichtige Zugänge zu den Ausstellungszielen sind für die FörderschülerInnen sinnliche Wahrnehmungen, also direkt zu empfinden, wie sich der Krieg angefühlt (Tornister, Gewehr, Papierhemd), angehört (Kanonendonner), angesehen (Bilder von Schützengräben, Lazarette), wie er gerochen (Leichengeruch, Eau de Cologne) und geschmeckt (“nachgebackener” Notzwieback) hat. Hinzu kommt, dass für diese Adressatengruppe der Lebensweltbezug und die Einbettung in eine Rahmenhandlung als direkt fassbarer “roter Faden” wichtig ist, weshalb eine reale Familie durch einen Tag im Krieg begleitet werden soll. Allerdings gestaltet sich die Recherche einer solchen Familie aufgrund der Quellenlage schwierig: Meist sind nur die Feldpostbriefe der Soldaten erhalten, weil deren Ehefrauen diese gesammelt haben. Die weibliche Perspektive und damit auch die Perspektive der Heimat fehlt häufig. Hier ist die Museumspädagogin dabei, nach einer realen, im Südwesten verankerten Familie zu recherchieren, die im Idealfall ein Kind im Alter der SchülerInnen hat: Wie nimmt der Vater an der Front und in der Etappe den Krieg wahr, wie die Mutter und das Kind in der Heimat? Wie verändern sich deren Sinne durch den Krieg? Um diesen Lebensweltbezug beizubehalten soll das museumspädagogische Angebot in der Heimat beginnen: Der Vater wird aus dem Familienalltag herausgerissen, fährt an die Front, hat Angst und muss kämpfen, wird verwundet und die restliche Familie bleibt in der Heimat und muss mit dem Mangel zurechtkommen.

Originalobjekte als „Leitquelle“

Die Ausnahmesituation des Krieges, die ein anderes Verhalten erzwang als es in der Zeit üblich war, soll kontinuierlich angesprochen werden: Das Gewehr steht für das Töten und Sterben an der Front, für die Angst in den Schützengräben und für das Töten auf Distanz, das natürliche Hemmschwellen verringert. Die Prothese in der Etappe und in der Heimat für eine Verletzung im Krieg, die die Amputation erzwang und ein Weiterleben mit größten Beeinträchtigungen zur Folge hatte. Den Originalobjekten sollen Materialien zur Seite gestellt werden, die die SchülerInnen anfassen/lesen/betrachten können. So kann beispielsweise ein Tornister, der den Vater als Soldaten durch den Kriegsalltag begleitete, diesen erfahrbarer machen und gleichzeitig eine Art “Leitquelle” durch das museumspädagogische Angebot darstellen. Ein Feldpostbrief übersetzt in “Leichte Sprache” kann eine Brücke für das unterschiedliche Kriegserleben in der Heimat und in der Etappe sein. Für die Stationen Front-Etappe-Heimat wird das Material differenziert für SchülerInnen mit Lerneinschränkungen und für SchülerInnen mit geistigen Beeinträchtigungen bereitgestellt werden. Bevor das museumspädagogische Angebot im September 2014 zur Verfügung steht, sollen Rückmeldungen bei den anfragenden Lehrpersonen und gegebenenfalls bei Selbsthilfeorganisationen eingeholt werden.

 

 

Literatur

  • Barsch, Sebastian / Hasberg, Wolfgang (Hrsg.): Inklusiv – Exklusiv. Historisches Lernen für alle, Schwalbach/Ts. 2014.
  • Barsch, Sebastian / Dziak-Mahler, Myrle: Problemorientierung inklusive: Historisches Lernen im inklusiven Unterricht. In: Amrhein, Bettina / Dziak-Mahler, Myrle (Hrsg.): Fachdidaktik inklusiv. Auf der Suche nach didaktischen Leitlinien für den Umgang mit Vielfalt in der Schule, Münster 2014, S. 119-132.
  • Deutscher Museumsbund (Hrsg.): Das inklusive Museum – Ein Leitfaden zu Barrierefreiheit und Inklusion. Berlin 2013.

Externe Links

 



Abbildungsnachweis
Ausstellungsplakat. © Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Stuttgart.

Empfohlene Zitierweise
Alavi, Bettina: Fastnacht der Hölle - Inklusion als Herausforderung im Museum. In: Public History Weekly 2 (2014) 21, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2014-2120.

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Quelle: http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/2-2014-21/fastnacht-der-hoelle-inklusion-als-herausforderung-im-museum/

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Staubfrei

2014-05-16-985  2014-05-16-986

Man kann es durchaus als seltenes Großereignis bezeichnen, wenn ein Museum neu entsteht. Für Chemnitz war es ohne Zweifel eines, als am vergangenen Wochenende das Staatliche Museum für Archäologie Chemnitz – kurz SMAC – eröffnete. Vor 1,5 Jahren haben die wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen des Museums wie auch die Ausstellungsdesigner uns Teilnehmer/innen der ersten Dresdner Summer School mit Etagenmodellen und grafischen Animationen eine Vorstellung ihres Museums- und Medienkonzeptes vermittelt. Das hieß für uns, nichts wie hin und gleich am Eröffnungsabend das Ergebnis ansehen. Auf 3.000 m² wird Sachsens 300.000 jährige Geschichte von der Altsteinzeit bis zur Industrialisierung des 19. Jahrhunderts; von der Naturlandschaft bis zur modernen Kulturlandschaft präsentiert.

smac  2014-05-16-1000

Bei vielen ruft ein Museum für Archäologie verstaubte Vorstellungen von durchnummerierten Speerspitzen und Keramikscherben hervor. Das SMAC hat ordentlich entstaubt. Mit dem ehemaligen Kaufhaus Schocken wird eine architektonische Besonderheit von Chemnitz der 1920er Jahre wieder zum Leben erweckt. Wo wir im Oktober 2012 noch mit Bauhelmen und viel Phantasie über die leeren Etagen liefen, erstrahlt das Ergebnis langjähriger Arbeit nun für die Öffentlichkeit. Und die Gestalter haben sich auf die Architektur eingelassen und die Ausstellungsgestaltung klar und erfrischend umgesetzt. Dazu trägt auch der umfangreiche Einsatz neuer Medien bei, die zum einen die schwierige Objektlage der frühen Perioden aufwerten, zum anderen einzelne Objekte kontextualisieren und mit zusätzlichen Informationen anreichern. Interaktiv bewegen sich die Besucher durch die drei Ausstellungsebenen: am Bildschirm kann man sich in einen Neandertaler morphen, die städtische Überformung des Naturraumes Leipzigs lässt sich auf einem dreidimensionalen Medientisch nachvollziehen und die riesige Sammlung beeindruckender Haushaltsgegenstände durchstöbert man per Touchscreen. Damit berührt die Ausstellung Sinne, die über das reine Betrachten und Lesen hinausgehen. Mit Lichtwirkung, Tastsinn und  Bewegung wird der Besucher zum Ausprobieren animiert, für ein schwer fassbares Thema interessiert und über die Arbeit der Archäologie informiert. Die eingesetzten Medien dienen als Vermittler, ohne den Objekten die Schau zu stehlen.

Maria Obenaus und Isabel Dzierson

2014-05-16-988

Quelle: http://dss.hypotheses.org/1297

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Facebook hui / Twitter pfui? – Die Integration von Social Media in Kommunikationskonzepte kultureller Veranstaltungen

 

An Twitter scheiden sich die Geister. Während beispielsweise die ARD-Filmreihe „Tatort“ bereits frühzeitig zu einem Paradebeispiel dafür wurde, wie kollektiv via Hashtag (#tatort) auf Twitter zu einem Ereignis diskutiert wird, zielen heute immer mehr Medien, aber auch Kulturinstitutionen ganz bewusst auf die Einbindung des Publikums über diesen Social Media Kanal. Eines der jüngsten Beispiele ist der Digitalsender EinsPlus, der bei der Übertragung des Eurovision Song Contest 2014 die Twitter-Wall gleich mit auf den Bildschirm holte und so das Second Screen-Verhalten forcierte, um Zuschauer interaktiv […]

 

 

Quelle: http://musermeku.hypotheses.org/1200

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BallinStadt: Zerstörtes Lebenswerk

Im Sommer 2014 jährt sich der Ausbruch des Ersten Weltkrieges zum hundertsten Mal. Ab Juli thematisiert das Auswanderermuseum BallinStadt in einer Sonderausstellung die Auswirkungen des Krieges auf die Auswandererhallen auf der Veddel. Diese Pavillon-Anlage gewährte europäischen Emigranten den Aufenthalt vor ihrer Abreise in die neue Welt. Um einen Vorgeschmack auf die Geschichte der Hallen zu geben, werfen die Hamburgischen Geschichten schon jetzt einen Blick auf die Entstehung und Entwicklung der Auswandererhallen.

Das Auswanderungsgeschäft war zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein wichtiger Wirtschaftsfaktor Hamburgs. Die Stadt entwickelte sich zum größten Auswandererhafen Deutschlands – ein Nadelöhr auf dem Weg in die neue Welt. Von hier aus starteten die Schiffe der Reederei Hapag (Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft).

Die Hamburg-Amerika-Linie hatte im Jahr 1892 Auswandererbaracken am Amerika-Kai errichtet. Im Jahr 1901 folgte der Umzug auf die Veddel. Die neuen Auswandererhallen boten Platz für mehr als 1000 Personen und beherbergten eine eigene Infrastruktur. Die Anlage bestand zunächst aus 15 Gebäuden: ein Empfangsgebäude, fünf Schlaf- und Wohnpavillons, zwei Hotels, eine Speisehalle, eine Kirche, ein Musikpavillon, ein Verwaltungsgebäude, ein Lazarett, ein Gepäckschuppen sowie ein Stall. Da der Andrang groß war, wurden die Auswandererhallen auf der Veddel nach drei Jahren erweitert. Auf dem Gelände von etwa 55.000 Quadratmeter standen nun mehr als 30 Gebäude, die bis zu 5.000 Menschen aufnehmen konnten.

Mit den Auswandererhallen, die 1901 fertig gestellt wurden, entwickelte die Hapag im Auswanderergeschäft ein gut funktionierendes und gewinnbringendes System. Die Reederei warb von nun an mit „All-inclusive-Angeboten“ um die Auswanderer: Mit dem Kauf des Schiffstickets erhielten diese auch die Karte für die Fahrt in Zügen von den Grenzkontrollstationen zu den Hafenstädten und die Unterbringung und Verpflegung in den Auswandererhallen. Von den 156.000 Auswanderern, die im Jahr 1907 Hamburg verließen, übernachteten rund 113.000 auf der Veddel.

Die Idee und Planung dieser Hallen fiel auf Albert Ballin zurück, weshalb das Museum heute seinen Namen trägt. Ballin wurde am 15. August 1857 geboren. Sein Vater Samuel Joel Ballin, der sich später Joseph Ballin nannte, war Gründer der unabhängigen Auswandereragentur Morris & Co. Die Agentur warb Auswanderer an und organisierte den Transport der Emigranten zum Hamburger Hafen. Als Albert Ballins Vater 1874 starb, übernahm der junge Ballin die Führung der Auswandereragentur.

Um mehr Kundschaft zu gewinnen, änderte Ballin das Konzept der Agentur und organisierte nun auch die Überfahrt selbst. Dieses Angebot fand so viel Zuspruch, dass seine Firma scharfe Konkurrenz für die Hapag wurde. Um die Hapag zu retten, kaufte die Reederei im Jahr 1886 Ballins Firma. Zwei Jahre später wurde Albert Ballin in den Vorstand der Hapag gewählt.

Zu diesem Zeitpunkt besaß die Reederei keine ernst zu nehmende Führung und befand sich in einer Krise. Dank Ballins Fähigkeit Marktlücken zu erkennen, gelang es, die Wende für die Hapag herbeizuführen. 1897 war die Reederei unter Ballins Leitung zur größten der Welt geworden – und blieb dies bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges.

Die Niederlage Ballins durch den Ersten Weltkrieg

Der Erste Weltkrieg änderte die Situation für die Hapag grundlegend, denn mit der Kriegserklärung Großbritanniens an das Deutsche Reich brach die Hapag zusammen: Anfang November 1914 erklärte die britische Admiralität die gesamte Nordsee zur Kriegszone, sperrte sie und den Kanal zwischen Norwegen und Schottland für die deutsche Schifffahrt. Die Auswanderung über Hamburg war von nun an nicht mehr möglich.

Mit Kriegseintritt der Vereinigten Staaten im April 1917 wurden zudem 35 Hapag-Schiffe beschlagnahmt, die in den US-Häfen vor Anker lagen. Damit waren die Auswanderer- und Kreuzfahrtschiffe nicht mehr in der Hand der Hapag, was einen großen Einbruch für die Reederei bedeutete.

Die Auswandererhallen auf der Veddel, die für die Auswanderer nicht mehr von Nutzen waren, wurden zu einem Marine-Lazarett umfunktioniert. Hamburg verlor einen großen Wirtschaftszweig.

Unter Ballins Führung wurde die Hapag zur größten Reederei der Welt – das Tor zu dieser Welt wurde Hamburg. Durch den Ersten Weltkrieg verlor Ballin dieses Lebenswerk jedoch. Am 8. November 1918 nahm er eine Überdosis Beruhigungsmittel, an denen er einen Tag später, am 9. November 1918, starb.

Nähere Informationen zu den Auswandererhallen im Ersten Weltkrieg sind ab Juli 2014 in der Sonderausstellung der BallinStadt zu entdecken.

 

Zum Weiterlesen:

  • Gerhardt, Johannes: Albert Ballin. Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung (Hrg.), Hamburg 2009.
  • Wiborg, Susanne: Albert Ballin. Hamburger Köpfe, Herausgegeben von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, Hamburg 2000.

 

Katharina Reissmann ist Studentin an der Universität Hamburg am Historischen Seminar.

Quelle: http://www.hh-geschichten.uni-hamburg.de/?p=1415

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