Von August Sander bis heute

August Sander, 1925

In loser Folge stellen wir auf www.visual-history.de Institutionen vor, die im Kontext der Historischen Bildforschung von Interesse sind. Wir erkunden fotohistorische Sammlungen, Museen und Archive oder beleuchten einzelne Bildbestände.

 

Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur in Köln wurde 1992 mit der Übernahme des August Sander Archivs gegründet. Der Nachlass eines der bedeutendsten Fotografen des 20. Jahrhunderts legte den Grundstein für eine mittlerweile stark angewachsene Sammlung, die bis in die zeitgenössische Fotografie reicht.

August Sander, 1925

August Sander, 1925. Mit freundlicher Genehmigung der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv, Köln; VG Bild-Kunst, Bonn, 2015

Die Institution hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Sander-Bestand nicht nur zu archivieren und wissenschaftlich zu betreuen, sondern gleichermaßen die Forschung zu dokumentarischer Fotografie voranzutreiben. Sachlich-dokumentarische Fotografie als künstlerisches Ausdrucksmittel steht demzufolge im Fokus der Sammlungsaktivitäten.

Die Gründer orientierten sich an Institutionen wie beispielsweise in den Vereinigten Staaten, wo Fotografie innerhalb von Museen zu einem deutlich früheren Zeitpunkt als in Deutschland wahrgenommen und ausgestellt wurde. Inzwischen zeichnet sich das Sammlungsprofil durch weit mehr Künstler als nur August Sander aus, wenn auch die Identifikation mit seinem Werk stark ist. Laut Gabriele Conrath-Scholl – Leiterin der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur –, ist es insbesondere die zeitlose Anschlussfähigkeit der dokumentarischen Fotografie Sanders an unterschiedliche und immer neue Fragestellungen, die den Kernbestand der Sammlung so richtungsweisend macht: „Die vielen verschiedenen Themen und die Methodik, die sich im August Sander Archiv spiegeln, dienen unserer Arbeit als Fundament, ja geradezu als Ideenpool.“ Auf 450 Quadratmetern Fläche zeigt die Institution zwei bis drei Sonderschauen pro Jahr, größtenteils aus eigenen Beständen, aber auch im Austausch mit nationalen und internationalen Museen.

 

Von Gabriele und Helmut Nothhelfer bis Walker Evans, von historischen Reisefotografien des 19. Jahrhunderts bis hin zu zeitgenössischen fotografischen Kartierungen Kölns – in den Ausstellungen spiegelt sich das Spektrum der Sammlung wider. Und zwischendurch: immer wieder August Sander. Zuletzt konnten Besucher noch Fotografien des US-amerikanischen Künstlers Jim Dine sehen, dessen fotografisches Archiv ebenso zum Bestand der Institution zählt. Der jüngste Zugang zur Sammlung ist ein Konvolut des Fotografen Martin Rosswog, der in den 1980er-Jahren sein Studium bei Bernd Becher absolvierte. Ein Teil der Arbeiten von Rosswog ist auch in der aktuellen Ausstellung „Entlang Europa“ zu sehen. In dem fotografischen Langzeitprojekt porträtiert der Künstler seit den 1980er-Jahren ländliche Lebenswelten sowie deren Bewohner und steht damit in direkter Tradition zu den Aufnahmen August Sanders, Walker Evans oder Bernd & Hilla Becher.

 

 

Der Bestand

Die Sammlung umfasst etwa 30.000 Werke internationaler Fotografen und Fotografinnen. Das Spektrum reicht dabei von der Frühzeit der Fotografie bis zur Gegenwart und von regionalen Künstlern bis hin zu den „Stars“ der internationalen Fotoszene. Die Schlüsselthemen sind Porträt, Landschaft, Architektur sowie urbaner und industrieller Raum. Das Herzstück der Sammlung – das August Sander Archiv – besteht aus 10.500 Negativen und 5500 Originalabzügen. Im Besitz der Stiftung befindet sich auch die Sammlung der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh), die ihren Sitz ebenfalls in Köln hat und deren Gründungsmitglied nicht zuletzt auch August Sander war.

Liste der vertretenen Künstler*innen: http://www.photographie-sk-kultur.de/sammlung-a-z/

 

 

Blick in die Ausstellung ZECHE HANNOVER. Photographien aus dem Ruhrgebiet von Bernd und Hilla Becher, Photographische Sammlung, 2010

Blick in die Ausstellung ZECHE HANNOVER. Photographien aus dem Ruhrgebiet von Bernd und Hilla Becher, Photographische Sammlung, 2010

Bernd und Hilla Becher: Zeche Hannover, Bochum-Hordel, Ruhrgebiet, 1973

Bernd und Hilla Becher: Zeche Hannover, Bochum-Hordel, Ruhrgebiet, 1973. Mit freundlicher Genehmigung der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur.

 

Forschung

Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur steht für Wissenschaftler*innen offen. Für die Forschung – insbesondere für die historische Forschung – ist sie von besonderem Wert, da sie nicht nur große Werkkomplexe von Originalabzügen umfasst, sondern teilweise auch Negative, zugehörige Kontaktabzüge oder Dokumente, die die Entstehungsprozesse der Fotografien nachvollziehbar werden lassen und die Einordnung in kulturhistorische Zusammenhänge ermöglichen. Der Bestand ist außerordentlich gut erschlossen. Rund 95% der Objekte sind umfassend inventarisiert. Dabei geht die Erfassung in vielen Fällen über die Standard-Inventarisierung hinaus, da die Archivierung nach Möglichkeit jeweils an Künstler*in und Werk angepasst wird. So sind beispielsweise beim Werk von Bernd und Hilla Becher Bildgruppen und Hänge-Ordnungen mit registriert. Das umfangreiche Werk des Fotografen Karl Blossfeldt (1865-1932) ist online auf der Homepage der Stiftung recherchierbar: http://www.photographie-sk-kultur.de/karl-blossfeldt/werke/. Langfristig sollen noch weitere Bestände online zugänglich gemacht werden.

Für Forscher*innen steht überdies eine Fach-Bibliothek zur Verfügung. Vor allem Literatur zur Geschichte der Fotografie, Fototheorie oder einzelnen fotografischen Richtungen, aber auch Künstlermonografien, Ausstellungs- und Auktionskataloge und eine Sammlung von Zeitungsausschnitten stehen zur Benutzung bereit. Die Stiftung ist ebenfalls im Besitz von 900 Bänden der Privatbibliothek von August Sander, die vor Ort nach Terminabsprache eingesehen werden können.

August Sander: Zirkusartisten, 1926-1932

August Sander: Zirkusartisten, 1926-1932. Mit freundlicher Genehmigung der Photographischen
Sammlung/SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv, Köln; VG Bild-Kunst, Bonn, 2015

 

Die Photographische Sammlung/

SK Stiftung Kultur

Im Mediapark 7

50670 Köln

Telefon: 0049-(0)221-88895 300

Fax: 0049-(0)221-88895 301

photographie@sk-kultur.de

www.photographie-sk-kultur.de

 

Öffnungszeiten der Ausstellungen: Täglich von 14 bis 19 Uhr, mittwochs geschlossen, montags Eintritt frei

Öffnungszeiten Bibliothek: Montag bis Donnerstag 9.00 bis 14.00 Uhr

Quelle: http://www.visual-history.de/2015/03/16/von-august-sander-bis-heute/

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Fundstücke

Von Stefan Sasse

- Ein englischsprachiger Artikel über die Frage, wie es die Autoindustrie geschafft hat das Überqueren der Straße nur an bestimmten Stellen zu erlauben - absolute Voraussetzung für den Durchbruch des Kfz als Massenprodukt. 

- Die BILD (ich weiß, ich weiß) hat was zu sowjetischen Scharfschützinnen im Zweiten Weltkrieg. Man beachte die Emotionsleiste unten. 

- 6 Mythen über Cäsars Ermordnung an den Iden des März (Englisch)

- Die Allierten haben Italiens Marine in den 1930ern konstant überschätzt (Englisch)

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2015/03/fundstucke.html

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DIJ Tokyo: Moderne Frauen in Japan


Den diesjährigen “Women’s History Month“ möchte die Max Weber Stiftung zum Anlass nehmen aktuelle Forschungsprojekte zur Frauengeschichte aus den Instituten der Stiftung vorzustellen.

 

Auch am Deutsche Institut für Japanstudien (DIJ) in Tokyo wird zu Themen unter dem Aspekt soziologischen Aspekt “Gender” geforscht. Im Gegensatz zu den Projekten an den anderen Instituten der Max Weber Stiftung orientieren sich die Projekte am DIJ stärker am aktuellen Zeitgeschehen. Gerade die Spezialisierung des Instituts auf politische und soziologische Fragestellungen, lassen einen anderen Blick auf den “Gender”-Aspekt zu, als es vielleicht historische Arbeit tun würde.

Japanische Mütter und politische Partizipation nach 3/11 

Bild: Mädchen mit Computer | Flickr: MIKI Yoshihito (´・ω・) | CC BY 2.0

Bild: Mädchen mit Computer | Flickr: MIKI Yoshihito (´・ω・) | CC BY 2.0

Nach der Katastrophe vom 11. März 2011 gründeten über 300 besorgte Eltern in ganz Japan landesweite, soziale Organisationen, die sich für den Schutz von Kindern vor der von Fukushima ausgehenden, radioaktiven Strahlung einsetzten.  Insbesondere Mütter wurden in diesen Organisationsnetzwerken politisch aktiv.  Für viele von ihnen eine völlig neue Erfahrung. Ihr Einsatz stand im krassen Gegensatz zum dem sonst in der japanischen Öffentlichkeit vorherrschenden, idealisierten Bild von der  Mutter als “stillen Beschützerin der Famile”. Mutterschaft und politischer Aktivismus sind zwei Konzepte, die einander nach der Logik der japanischen Gesellschaft eigentlich ausschließen sollten, aber dennoch untrennbar miteinander verbunden sind.

Phoebe Stella Holdegrün und Barbara Holthus forschten über zwei Jahre hinweg in Feldarbeit die Partizipationsstrategien japanischer Mütter unter den Mitgliedern der tokioter Zivilgesellschaftsorganisationen. Sie untersuchten welche Bedeutung Geschlechterrollen und ihr Verständnis für die Mütter und ihre “Widersacher”, allesamt männliche Repräsentanten von “Vater Staat” hatten. Sozialkapital und Interessenvertretung wurden bei der Auswertung der Befunde ebenfalls berücksichtigt.

Letztendlich zeigte die Studie, dass Gruppenmitglieder auf ein starkes Sozialkapital zurückgreifen konnten, die Einforderung ihrer Interessen in Interaktion mit den Lokalbehörden jedoch dünn ausfiel. Dieser, auf den ersten Blick schwache Stand, sei aber eine ganz bewusste gewählte Strategie von Müttern innerhalb der Bewegung, die mit kleinen Schritten langfristige Änderung anstreben.

 

Japanische Lebensläufe im Wandel

Noch vor dem einschneidenden Erdbeben untersuchte Hiromi Tanaka in ihrem Forschungsprojekt die Lebensläufen lediger, berufstätiger Frauen in Tokyo. Die Studie war Teil eines international-vergleichenden Forschungsprojekts zu ledigen, berufstätigen Frauen in ökonomisch entwickelten Territorien, in denen ein Ehe- und Geburtenrückgangstrend zu beobachten ist.

Women wearing kimonos in Tokyo, Japan | Flickr: Masahiro Hayata, 2007 | CC BY-SA 2.0

Bild: Frauen in Kimonos | Flickr: Masahiro Hayata, 2007 | CC BY-SA 2.0

Im Japan der Nachkriegszeit und der darauffolgenden Phase des Wirtschaftswachstums erfuhren die Lebensläufe von Männern und Frauen eine “Standardisierung”. Anstatt sich individuell von einander abzugrenzen, stellten die neue Art von Lebenslauf die Projektion eines idealisierten Bild von Familien- und Berufsleben in der japanischen Gesellschaft dar. Konkret hieß das, dass von Männern eine lebenslange Anstellung und die Rolle als Ernährer der Familie erwartet wurde. Frauen dagegen sollten in erster Linie als Ehefrauen und Mütter von zwei bis drei Kindern für den Haushalt sorgen sein. Diese Vorstellungen von de Rollenverteilung der Geschlechter spiegelten eine gesellschaftlich konstruierte und in der japanischen Mittelschichtgesellschaft breit akzeptierte Vorstellung eines “glücklichen Lebens”.

In ihrer soziologischen Studie stellte Tanaka fest, dass diese standardisierten Lebensläufe in den letzten Dekaden zunehmend verschwinden. Ihr Projekt beschäftigt sich mit eben diesem Wandel der standardisierten modernen Lebensläufe in Japan, wobei der Fokus ihrer empirischen Arbeit auf ledigen, berufstätigen Frauen in Tokyo in der Altersgruppe zwischen 30 und 50 Jahren lag. Die Werdegänge dieser Gruppe von Frauen zeigte in Hinsicht auf die Aspekte Ehe, Mutterschaft und Erwerbstätigkeit eine drastische Verschiebung im Vergleich zu den Lebensläufen älterer Generationen. Mit Hilfe qualitativer Interviews versuchte Tanka den Ursachen für diesen Wandel in den Entscheidungen lediger, berufstätiger Frauen auf den Grund zu gehen, führte Tanaka qualitative Interviews. Hierbei ging sie unter anderem folgenden Fragen nach welche gesellschaftlichen Faktoren einen Eherückgang unter berufstätigen Frauen in Japan – insbesondere in Tokyo – beeinflussen, wie diese Frauen ihr Leben bzw. ihren gesellschaftlichen Status als unverheiratete Frau wahrnehmen, welche Wünsche oder Erwartungen sie bezüglich Ehe, Elternschaft und Arbeit haben, und wie sie Arbeits-, Partner- und Elternschafts-bezogene Entscheidungen treffen.

Die Ergebnisse der beiden Forschungsprojekte kann man in den bereits veröffentlichten Studien Beyond a Standardized Life Course und Gender and Political Participation in post-3/11 Japan nachlesen.

Quelle: http://mws.hypotheses.org/26006

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Interview mit den Assoziation-A-Verlegern Rainer Wendling und Theo Bruns

Der Verlag Assoziation A gehört zu den wohl interessantesten linken Verlagen im deutschsprachigen Raum. Assoziation A sitzt in Berlin und Hamburg und gibt neben Romanen und Krimis vor allem Sachbücher zu Themen wie Antifaschismus, Widerstand, Exil, Migration, Geschichte der Linken, Theorie und Praxis sozialer Bewegungen heraus. Ein Interview mit den Verlegern Rainer Wendling (Berlin) und Theo Bruns (Hamburg) in der Zeitschruift Graswurzelrevolution.

Graswurzelrevolution (GWR): Euer Verlag sieht sich in der Tradition der antiautoritären und undogmatischen Protestbewegungen und wurzelt sozusagen in der 68er-Bewegung. Wie fing alles an?

Theo Bruns: Der Verlag Assoziation A entstand im Jahr 2001 aus dem Zusammenschluss der Verlage Libertäre Assoziation A, Hamburg, und dem Verlag Schwarze Risse, Berlin.
Zwischen beiden Verlagen gab es bereits vorher eine langjährige Kooperation, aber sie hatten natürlich auch ihre eigene Geschichte und ein unterschiedliches Profil. Was den Hamburger Zweig angeht, so hat er eine lange Tradition, die bis in die frühen 1970er Jahre im Anschluss an die Jugend- und Studentenrevolte von 1968 zurückreicht.
In der Zerfallsphase des SDS entstanden aus seiner antiautoritären Strömung u.a. bundesweit selbstorganisierte und -verwaltete Buchhandelsprojekte und Verlage, die sich im Verband des linken Buchhandels (VLB) zusammenschlossen. In Hamburg wurden in dieser Zeit der Verlag Association mit „c“ – etwa zeitgleich die Edition Nautilus –, der Manifest-Buchladen und der Spartacus Buchvertrieb gegründet. Der Verlag Association war damals politisch in einem Spektrum zwischen Anarchismus, Rätekommunismus und Operaismus angesiedelt, publizierte aber auch eine Reihe zur politischen Ökologie und einige literarische Titel, u.a. von Upton Sinclair und Erich Fried.
Seine wohl bekannteste Publikation war „Friedlich in die Katastrophe“ von Holger Strohm, ein Buch, das zu einer Art „Bibel“ der Anti-AKW-Bewegung avancierte. Aufgrund einer abenteuerlichen Geschichte, die einen eigenen Beitrag wert wäre, ging der Verlag 1979 in Konkurs.
Weiterlesen auf http://www.linksnet.de


Einsortiert unter:Aktion, Biographie, Erfahrungen, Erinnerung, Geschichte, Geschichtspolitik, Kolonialismus, Linke Debatte, Literatur, Medien, Sozialgeschichte, Vermittlung

Quelle: https://kritischegeschichte.wordpress.com/2015/03/15/interview-mit-den-assoziation-a-verlegern-rainer-wendling-und-theo-bruns/

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Kotzende Würmer

Es gibt hunderte, ach tausende Gründe, Richard Schuberths Roman Chronik einer fröhlichen Verschwörung (Rezensionen bislang u.a. in Die Presse, Falter, orf.at, Wien International) zur Lektüre anzuempfehlen, als einer davon sei dieser schöne Fluch daraus zitiert:

Wenn du verreckst, müßte man Löcher in deinen Sarg bohren, damit die Würmer sich rauslehnen und kotzen können.

Schuberth, Richard: Chronik einer fröhlichen Verschwörung. Roman. Wien: Zsolnay, 2015. Verlags-Info

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022407114/

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LMU: Ausschreibung: sieben Stellen als Wissenschaftliche Mitarbeiter/innen (Promovierende) in Teilzeit (65 %) (zum 1. Oktober 2015)

http://www.igk-religioese-kulturen.uni-muenchen.de/bewerbung/ausschr_stip/index.html Zum 1. Oktober 2015 vergibt das Internationale Graduiertenkolleg “Religiöse Kulturen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts” sieben Stellen als Wissenschaftliche Mitarbeiter/innen (Promovierende) in Teilzeit (65 %) für die Dauer von zunächst zwei Jahren. Eine Verlängerung um maximal zwölf Monate ist möglich. Bewerbungsschluss ist der 15. Mai 2015.

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2015/03/5732/

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“1864”: Krieg im dänischen Fernsehen

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor hundert Jahren war 2014 ein omnipräsentes Thema in den deutschen Medien. Dass sich ein anderer Krieg im gleichen Jahr zum 150. Mal jährte, fiel weitgehend historischer Amnesie anheim: der Zweite Schleswigsche Krieg von 1864, der erste der drei Bismarck’schen Einigungskriege. In Dänemark hingegen fehlte es – ebenso vorhersehbar – nicht an Ausstellungen, Erinnerungsveranstaltungen und Publikationen über diesen wahrscheinlich wichtigsten dänischen Krieg der letzten Jahrhunderte. Das Königreich Dänemark verlor beim Friedensschluss zwei Fünftel seines Gebietes, so dass die Südgrenze bis zur Volksabstimmung 1920 an der Königsau verlief. 1864 markiert in der dänischen Geschichte das Ende des jahrhundertealten multiethnischen Gesamtstaates und die Verwandlung in einen Nationalstaat (wenn man großzügig von den Färöern, Grönländern, Isländern und Bewohnern der Westindischen Inseln absieht). Oder präziser: in den Torso eines Nationalstaates, mussten bis 1920 doch ca. 200.000 dänischgesinnte Schleswiger unter preußischer Oberhoheit leben.

Medialer Höhepunkt der dänischen Erinnerung an 1864 war die Ausstrahlung einer achtteiligen Serie mit dem schlichten Titel 1864.1 Die Erwartungen waren hoch: Mit Ole Bornedal war es gelungen, einen der profiliertesten und international bekanntesten dänischen Filmemacher als Verantwortlichen für Drehbuch wie Regie zu gewinnen. Zudem haben dänische Serien wie Forbrydelsen (Kommissarin Lund – Das Verbrechen), Borgen (Borgen – Gefährliche Seilschaften) oder Broen (Die Brücke – Transit in den Tod) in den letzten Jahren erfolgreich bewiesen, dass sie auf dem internationalen Markt konkurrenzfähig sind. Nicht zuletzt verfügte 1864 über ein geradezu schwindelerregendes Budget von 173 Millionen dänischen Kronen, d.h. ca. 23 Millionen Euro.

Die Ausstrahlung der teuersten dänischen TV-Serie aller Zeiten sollte eigentlich ab April erfolgen, verzögerte sich jedoch mehrmals, als die Postproduktion sich länger als erwartet hinzog. Erst von Oktober bis November 2014 wurde 1864 in einstündigen Abschnitten im öffentlich-rechtlichen DR 1 ausgestrahlt, jeden Sonntagabend auf dem prime time-Sendeplatz um 20 Uhr. Geboten bekamen die Zuschauer keine filmische Auseinandersetzung mit den komplizierten politischen und diplomatischen Prozessen, die in den fatalen Krieg und Friedensschluss mündeten. Stattdessen konzentrierte sich Bornedal auf die Geschichte von fünf Hauptpersonen und deren Schicksal im Krieg. Die Inspiration für die Wahl einer Erzählperspektive, die sich vor allem auf den einfachen Soldaten und sein Umfeld richtet, holte er sich aus Tom Buk-Swientys Bestseller Slagtebænk Dybbøl von 2008, seit 2011 als Schlachtbank Düppel auch in deutscher Übersetzung erhältlich. Allerdings ist die Fernsehserie mitnichten eine Verfilmung von Slægtebank Dybbøl, das am adäquatesten wohl als eine historiographische Narration zu charakterisieren ist, die ostentativ ihr Emplotment reflektiert.2 Einige der Figuren der Serie haben zwar eine historische Entsprechung wie z.B. Karen Blixens Vater Wilhelm Dinesen, die auftretenden Könige, der dänische Konsejlspräsident Monrad, der preußische Ministerpräsident Bismarck, die Schauspielerin Johanne Louise Heiberg. Aber die wichtigsten Figuren des Filmes, an deren Schicksal der Zuschauer Anteil nehmen soll und aus deren Perspektive der Krieg hautnah erlebt wird, sind fiktionale Gestalten, Schöpfungen des Drehbuchautors Bornedal: die Brüder Laust und Peter, die Tochter des Gutsverwalters, Inge, in die die beiden verliebt sind, das Zigeunermädchen Sofia und schließlich Didrich, der kriegstraumatisierte Sohn des patriarchalen Barons.

Um oxymoronhaft historische Referenz wie Fiktionalität des Gezeigten gleichermaßen behaupten zu können, bedient sich Bornedal zudem einer seit Jahrhunderten erprobten Erzählstrategie: Als Erzählerstimme fungieren die Erinnerungen Inges, die diese kurz vor ihrem Tod niedergeschrieben hat (aparterweise in dänischer Rechtschreibung, die erst seit 1948 gilt) und die im Dänemark der Gegenwart von Claudia gelesen werden. Claudia ist eine jugendliche Rebellin mit einem schwierigen familiären Umfeld, deren Bruder in Afghanistan gefallen ist. Von der Sozialverwaltung wird sie zum greisen Baron Severin geschickt, um diesem zu helfen. Severin lässt sie Inges handschriftliche Erinnerungen vorlesen, und die endgültige Verknüpfung der beiden Erzählebenen – das Dänemark von 1864 und das Dänemark von heute – manifestiert sich schließlich in der Entdeckung, dass Severin der Enkel Inges ist und Claudia die Nachfahrin von Peter und Sofia.

1864 war, rein an den Zuschauerzahlen gemessen, durchaus ein Erfolg: Der erste Abschnitt wurde von knapp 1,7 Millionen Zuschauern gesehen, was einem Zuschaueranteil von 68% entspricht, der letzte Abschnitt immerhin noch von 1,17 Millionen, sprich von 46% der einschaltenden Zuschauer. Von solchen Quoten kann selbst die Institution des Tatort im deutschen Fernsehen nur entfernt träumen. Kaum vorzustellen auch, dass eine deutsche Fernsehserie so eine öffentliche Debatte hervorrufen könnte, wie dies bei 1864 in Dänemark der Fall war. U.a. betätigten sich gleich zwei Kulturminister, nämlich Per Stig Møller, Kulturminister von 2010–11, und die jetzige Amtsinhaberin Marianne Jelved als Rezensenten.3 Über einen Mangel an öffentlicher Aufmerksamkeit konnte sich Bornedal wahrhaftig nicht beklagen, aber bei aller Anerkennung für fast durchweg formidable Schauspielerleistungen und eine eindrucksvolle Kinematographie voll wuchtiger Bilder wurde doch mit Kritik nicht gespart. Die wenigsten Rezensenten mochten Ib Bondebjerg, seines Zeichens Professor für Medienwissenschaft an der Kopenhagener Universität, zustimmen, dass die populären dänischen Fernsehserien Matador (1978–81) und Krøniken (2004–07) mit 1864 einen würdigen modernen Nachfolger gefunden hätten.4 Henrik Palle resümierte noch prinzipiell wohlwollend in der linksliberalen Tageszeitung Politiken, dass die Dänen nicht „Zeuge eines grandiosen Fiaskos geworden seien, wie es das Schicksal der Dänen bei Düppel war, aber auch nicht Zeuge eines völlig überzeugenden Sieges, wie als wir viele Jahre später die Europameisterschaft im Fußball gewannen“.5 Andere Rezensenten ließen hingegen kaum ein gutes Haar an der Serie: Bornedal arbeite mit didaktischen Holzhammermethoden, um dem Zuschauer seine Moral und eine Verfälschung von Geschichte aufzudrängen, anstatt die historischen Geschehnisse zu vermitteln; Plot wie Repliken wiesen zahlreiche Schwächen auf; und überhaupt sei die Parallele, die implizit zwischen dem Krieg von 1864 und dem Afghanistan-Einsatz gezogen werde, politische Stimmungsmache, wenn nicht gar Manipulation.

Es ist verlockend, in den Rezensionen, nicht zuletzt auch in der Kritik der Serie durch Politiker wie der ehemaligen Vorsitzenden der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei, Pia Kjærsgaard, die Fronten des Kulturkampfes in Dänemark nachzuzeichnen. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht, auch wenn die Kritik an DR 1 als vermeintlich ‚roter’ Sender nicht neu ist. So wurde z.B. auch den Machern von Borgen 2013 vorgeworfen, eine politische Agenda zu verfolgen, die zur Public-Service-Verpflichtung des Senders im Widerspruch stünde.6 Die Enttäuschung über die Serie und die hingebungsvoll bis kleinlich geführte Diskussion über Mängel an historischer Akkuratesse zeugen indes vor allem von einem nicht erfüllten Erwartungshorizont vieler Rezensenten. Denn 100 Millionen Kronen der Gesamtkosten der Serie von 173 Millionen stammten aus einer Sonderbewilligung des dänischen Parlamentes für „eine historische Dramaserie hoher Qualität, die den Dänen Wissen über wichtige Ereignisse in der Geschichte Dänemarks geben kann“, verabschiedet 2010 mit den Stimmen der liberalkonservativen Regierung mit Unterstützung der Dänischen Volkspartei. Diesen Anspruch erfüllt 1864 nun zweifelsohne nicht – hier ist dem Historiker Rasmus Glenthøj uneingeschränkt recht zu geben,7 der im Jubiläumsjahr mit einer eigenen Monographie zu den Ereignissen (1864. Sønner af de slagne) an die Öffentlichkeit getreten war.

Man könnte Bornedals Serie unter Hinweis auf die längst banale Einsicht jeglicher Forschung zum historischen Film wie historischen Roman verteidigen: dass ein historischer Film immer mehr Zeugnis von seiner Entstehungszeit ablegt als von der Zeit, die er zu behandeln vorgibt. Und dass er zuvörderst Film ist und erst in zweiter Reihe historiographischer Diskurs, weshalb es z.B. selbstverständlich legitim ist, mehrere historische Akteure in einer Figur dramatisch zu kondensieren. Der historische Film erschöpft sich nie in seiner historischen Referenz. Aber gerade dann muss man von ihm erwarten können, dass er als Film innovativ ist und ein ästhetisches Ganzes ergibt – und genau hier liegen die Schwächen der Serie.

1864 betritt als filmische Gestaltung des Krieges von 1864 Neuland, was indes angesichts der kargen Bilanz von über hundert Jahren filmischer Auseinandersetzung mit 1864 aus dänischer Perspektive (zwei kurze Stummfilme aus dem Jahr 1910, eine Verfilmung von Herman Bangs Roman Tine aus dem Jahr 1964) keine große Herausforderung war. Bornedal rekurriert für seine Darstellung des Krieges auf ein bellographisches Narrativ, das er zwar grandios in Kinematographie zu übersetzen vermag, das aber auch spätestens seit Bangs Tine (1889) aus der literarischen Auseinandersetzung mit 1864 nicht mehr wegzudenken ist und in der dänischen Gegenwartsliteratur z.B. seinen Niederschlag in den Romanen Claes Johansens gefunden hat: Krieg ist weder heroische Mannesschule noch ein notwendiges Opfer auf dem Altar der Nation oder die Chance zur Reinigung einer dekadent-verweichlichten Zivilisation, sondern der Zusammenbruch ordnungsstiftender Werte, die Abwesenheit von Sinn, die Entfesselung von animalischen Trieben. Krieg bedeutet Leid und Tod für den Einzelnen, was auch nicht durch den Rekurs auf transzendente Werte gemildert werden kann. Die Soldaten in den Schützengräben und hinter den Wällen haben in 1864 entsprechend kein anderes Ziel als das Überleben. Warum es einen Unterschied macht, ob Schleswig nun dänisches Herzogtum oder Teil des dänischen Reiches ist, wissen sie nicht, würden es im Zweifelsfall auch nicht verstehen, und für ihre existenzielle Situation hat es ohnehin keine Bedeutung. Krieg ist Wahnsinn, so Bornedal, und entsprechend sind nicht wenige Oberbefehlshaber in 1864 als greisenhaft-dement dargestellt, verhalten sich bizarr oder sind schlicht ein Fall für das Irrenhaus wie der dänische Konsejlspräsident Monrad, dem wir in der Serie das erste Mal begegnen, als er mit nacktem Hintern auf dem Boden kniet und manisch Papier bekritzelt.

Man lehnt sich nicht allzu weit aus dem Fenster mit der Behauptung, dass dieses Kriegsnarrativ zumindest in West- und Mitteleuropa mehrheitsfähig sein dürfte. Historiker mögen zwar einwenden, dass es wegen seiner Pauschalität und seiner Konzentration auf existenzielle Befindlichkeit wenig dazu einlädt, die Geschichte eines Krieges einschließlich seines politischen Verlaufs im Detail zu analysieren, also z.B. warum der Status Schleswigs sehr wohl einen Unterschied machte und ein Krieg wegen der Schleswig-Frage ausbrechen konnte. Bornedal würde diese Kritik indes an sich abperlen lassen; die Serie handle, wie er in einem Interview erklärte, „nicht nur von 1864 und einer tragischen Begebenheit, sondern davon, dass wir alle sterben müssen. Du und ich müssen sterben“.8

Bornedals Rückgriff auf ein zwar sympathisches, wenn auch wenig innovatives Kriegsnarrativ vom Krieg als Auflösung und Zusammenbruch sinnstiftender Ordnung wird allerdings in der Serie zum Problem, weil Bornedal zugleich stark mit Elementen und Strategien des Melodramatischen arbeitet. Kaum ein Charakteristikum des melodramatischen Modus wird in 1864 ausgelassen: das Zielen auf die Gefühligkeit des Zuschauers, die moralische Polarisierung, das starke Pathos, das Eingreifen eines Übernatürlichen, nicht zuletzt ein Plot, in dem es von zufälligen Begegnungen und Koinzidenzen nur so wimmelt. So gebiert Inge in Sonderburg Lausts Kind, während dieser wenige Kilometer entfernt in den Düppeler Schanzen bei deren Erstürmung durch die Preußen stirbt, und die Jugendliche Claudia enthüllt sich als direkte Nachfahrin von zwei Hauptfiguren in den Erinnerungen, die sie auf Geheiß des Barons vorliest. Im heimischen Keller findet sie sogar Peters Briefe aus dem Krieg. Diese jeder Wahrscheinlichkeit spottenden Zusammentreffen verweisen auf eine Ordnung hinter den geschichtlichen Verläufen, die in 1864 im unaufgelösten und ästhetisch unbefriedigenden Widerspruch steht zu den Erfahrungen von Anomie und Zusammenbruch durch den Krieg. Der melodramatische Modus wurde – so die bekannte These Peter Brooks’9 – im Gefolge der Französischen Revolution entwickelt, um Wahrheit und Ethik in einer desakralisierten Welt zu verkündigen. Übertragen auf 1864 lässt sich behaupten, dass Bornedal zwar einerseits mit seinen eindrucksvollen, zeitweise schwer zu ertragenden Filmbildern einem Kriegsnarrativ huldigt, das den Krieg als Zusammenbruch von Ordnung und Abwesenheit von Sinn schildert, andererseits aber durch seinen Rückgriff auf den melodramatischen Modus eine – im Wortsinn – okkulte Ordnung hinter den Geschehnissen, eine innere Ordnung zurückbeschwört. Die Welt wird so wieder als sinnvoll lesbar, der semantische Zusammenbruch gebannt. Nicht einmal den Tod des alten Barons just in jenem Augenblick, als Claudia die Erinnerungen bis zum Schluss vorgelesen hat, erspart Bornedal dem Zuschauer: Die Lesbarkeit des Krieges ist jetzt auch in der jungen Generation gewährleistet, die alte kann erfüllt sterben. Bis zum Kitsch ist es hier nicht mehr weit.

Nach der Ausstrahlung in DR1 ist 1864 Ende letzten Jahres in Dänemark auf DVD erschienen. 11 Länder haben die Serie bislang zur Ausstrahlung gekauft, was angesichts der Erfolgszahlen von Forbrydelsen und Broen (Verkauf in über 130 Länder) oder Borgen (ca. 70 Länder) als eher bescheidener Vermarktungserfolg gelten muss. In Norwegen hat TV2 bereits die Serie gezeigt, auch hier mit einem eher gemischten Kritikerecho. Der deutsch-französische Sender ARTE hat die Ausstrahlung für Juni 2015 angekündigt. Angekündigt ist zudem ein Zusammenschnitt der Serie auf einen abendfüllenden Spielfilm, der eigentlich auf der Berlinale 2015 hätte laufen sollen, dessen Fertigstellung sich aber anscheinend verzögert hat.

  1. Die offizielle Homepage der Serie findet sich unter http://www.dr.dk/diverse/drama/1864/index.
  2. Vgl. hierzu Stephan Jaeger: „Erzählen im historiographischen Diskurs“. In: Christian Klein u. Matías Martínez (Hg.): Wirklichkeitserzählungen. Felder, Formen und Funktionen nicht-literarischen Erzählens. Stuttgart u. Weimar: Metzler, 2009, S. 110–135.
  3. “Per Stig Møller: ‘1864’ slutter med et skuldertræk”, 30.11.2014, unter http://www.dr.dk/nyheder/kultur/film/stig-moeller-1864-slutter-med-et-skuldertraek; “Jelved anmelder 1864: Et fremragende stykke drama til seks stjerner”, 9.11.2014, unter http://www.dr.dk/Nyheder/Kultur/Film/2014/11/08/110122.htm.
  4. Ib Bondebjerg: “Afsnit syv af 1864 er gruopvækkende og anti-heroisk”, 23.11.2014, unter http://www.dr.dk/Nyheder/Kultur/Film/2014/11/20/111047.htm
  5. Henrik Palle: “‘1864′ blev et storladent melodrama af international klasse”, in: Politiken, 30.11.2014, hier zitiert nach http://politiken.dk/kultur/filmogtv/tvanmeldelser/ECE2469966/1864-blev-et-storladent-melodrama-af-international-klasse/
  6. Morten Hesseldahl: “DR: ‘Borgen’ vasker ikke danskerne røde”. In: Berlingske Tidende, 12.2.2013, hier nach http://www.b.dk/kommentarer/dr-borgen-hjernevasker-ikke-danskerne-roede
  7. “Historiker: Bornedal har vist os en fejlagtig version af 1864″. In: Politiken, 1.12.2014, hier nach http://politiken.dk/kultur/filmogtv/ECE2470681/historiker-bornedal-har-vist-os-en-fejlagtig-version-af-1864/
  8. “Det handler om at vi alle skal dø”. In: Politiken, 12.10.2015, hier zitiert nach http://politiken.dk/magasinet/interview/ECE2418550/det-handler-om-at-vi-alle-skal-doe/
  9. Peter Brooks: The Melodramatic Imagination: Balzac, Henry James, Melodrama, and the Mode of Excess. New Haven u.a.: Yale UP, 1976.

Quelle: http://nofoblog.hypotheses.org/169

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Historisches Stichwort: Kalif / Kalifat

Das Kalifat bezeichnet den Herrschaftsbereich eines Kalifen, welcher als Nachfolger des Propheten Mohammed auf Erden zur Leitung der religiösen Gemeinde (umma) berufen ist. [Analogien zum Christentum, die den Kailfen als Stellvertreter Mohammeds auf Erden und das Kalifat als eine Entsprechung zum Kirchenstaat verstehen, sind falsch.] Da die Prophetie Mohammeds mit dessen Tod als beendet galt, erstreckte sich die Zuständigkeit eines Kalifen in erster Linie auf weltliche Angelegenheiten sowie auf die Überwachung der Einhaltung von Glaubensregeln.

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2015/03/5727/

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Apps bei der Denkmaltagung 2015

DenkmalschildVom 4. bis 6. März fand in Dresden die Tagung „In guter Gesellschaft? Die Rolle der Denkmalpflege in Stadtmarketing und Tourismus“ statt. Dort durfte ich etwas über Apps als Vermittlungs- und Vermarktungsinstrument für die Boden- und Baudenkmalpflege berichten – leider der einzige Vortrag zu einem rein digitalen Thema während einer sonst sehr analogen, aber spannenden Tagung und mit wunderbarem Feedback.

Die Vielfalt der sozialen Medien zur Vermittlung von Fachinhalten nutzen bisher im Kulturbereich vor allem Museen. Für sie reicht diese Aufgabe über Ausstellungen, Kataloge oder Pressearbeit hinaus auch in den digitalen Raum, sie betreiben spannendes Content-Marketing und wollen auch den digitalen Besuchern ein Erlebnis schaffen. Bei den denkmalpflegerischen Fachbesuchern der Tagung, die sich seltener mit diesen Aufgabenbereichen beschäftigen, sorgten die Zahlen der Social Media-Nutzung bei verschiedenen Nutzergruppen für – wortwörtlich – offene Münder. Demnach nutzen 70% der Besucher von Kultureinrichtungen mobile Endgeräte vor, während und nach ihrem Besuch. Damit können sie können nicht nur Informationen immer dann abrufen, wenn sie gebraucht werden, sondern umgekehrt auch auf spannende Dinge in ihrer Umgebung hingewiesen werden – etwa gerade außerhalb eines Museums mittels Apps, die Thema des Vortrages waren.

Social Media und Apps sind zwar nicht dasselbe, hängen, wenn es um Fachkommunikation geht, aber eng zusammen. Sie ermöglichen es der Denkmalpflege, ihren – inhaltlichen, touristischen, politischen – Wert und zeitübergreifende Zusammenhänge anhand greifbarer Orte aufzuzeigen. Dabei können und sollten Denkmalpfleger aktiver Teil der Erstellung und Aufbereitung der Inhalte werden, denn Denkmäler sprechen nicht von selbst, sondern werden über ihre Geschichten lebendig und lebensnah. Storytelling ist auch ein aktueller Tourismus- und Kommunikationstrend. Touristen reisen immer stärker individuell und eventorientiert, wollen Wissen mit Spaß entdecken (Denkmalschilder suchen zählt nicht dazu..) und teilen – beste Voraussetzung für die Nutzung von digitalen Endgeräten, um auf Informationen zuzugreifen und sich Zusammenhänge zu erschließen. Bilder sind dabei eine große Hilfe und zugleich fester Teil der denkmalpflegerischen Arbeit mit materiellen Hinterlassenschaften. Da Fotos zu den wichtigsten Elementen im Web gehören, um Erlebnisse und besuchte Orte zu teilen, lässt sich Denkmalpflege wunderbar auf diese Weise vermitteln.

Trotzdem werden Apps für die Vermittlung von Geschichte außerhalb von Museen oder auch im Stadtmarketing bisher eher selten genutzt. Zwar können gut aufbereitete Anwendungen für Besucher und Vermittler einen großen Mehrwert haben, brauchen aber auch entsprechende finanzielle Mittel. Dennoch erschließt sich hier ein neues Feld, dem technologische Trends und gesellschaftliche Interessensverschiebungen wie das Histotainment entgegen kommen. Denkmal-Apps können auf Ortsreferenzierungen und Gamification-Aspekten aufbauen und sie mit multimedialen Inhalten, Augmented Reality oder Rekonstruktionen anreichern. Mit den entstehenden Touren lässt sich Geschichte mit Bezug zum Standort und damit der Zusammenhang von historischen Überresten, räumlichen Veränderungen und modernen Themen aufzeigen.

Für diese Ideen gibt es schon einige Beispiele mit jeweils eigenen spannenden Ansätzen. Für das Stadtlabor Wallanlagen des Historischen Museum Frankfurt etwa wurde das Wissen der Menschen vor Ort über unbekanntere historische Orte genutzt. Ähnlich verknüpft auch Moor Stories die Museumssammlungen von Dartmoor mit Fundorten, modernem Kontext und persönlichen Geschichten. Sie werden von Bewohnern und Besuchern auf der Website eingereicht, in der App geteilt und via GPS vor Ort erzählt. Die App Colonia Mysteria, die u.a. vom Cologne Game Lab mitentwickelt wurde, lässt das römische und das moderne Köln zwischen realer und virtueller Welt verschmelzen. Die Nutzer begeben sich hier auf eine Suche nach historischen Spuren, die nur mit der App sichtbar werden. Ähnliches macht auch der “REXplorer” des Regensburg Experience Museum. Hier erhalten die Nutzer eigens dafür gemachte Guides und erkunden historische Phänomene in der Innenstadt. Die Spielergebnisse, Bilder und Inhalte werden mit einer URL gespeichert und können dann individuell geteilt werden.

Diese Beispiele zeigen, wie Forschung zu Gamification, Pädagogik, digitalen Bildern und Kulturerbe verknüpft und mit historischen Entdeckungs-Routen die Vergangenheit einer Stadt erlebbar gemacht werden kann. Wichtig für die Beteiligten Denkmalpfleger: das muss keinesfalls Einbußen an Qualität bedeuten. Dieser Aspekt war es denn auch, der die auf der Tagung anwesenden Fachleute überzeugte. In den vielen positiven Gesprächen nach dem Vortrag bestätigten sie mir meine eigene Erfahrung bei den ersten intensiven Auseinandersetzungen mit digitalen Technologien: Es öffnet sich eine bunte, facettenreiche Welt im Kopf mit vielen Ideen, wie man die neuen Möglichkeiten auf den eigenen Bereich anwenden kann. Dabei kamen während der Tagung verschiedenste Themen auf: dass sich die Diskussion um das Für und Wider der Rekonstruktion eines Denkmales damit aufheben könnte, dass auch unbekannte und „unbequeme“ Denkmäler im Gesamtkontext neue Würdigung erfahren könnten, dass die aktive Fachkommunikation gestärkt und die Zusammenarbeit von den Marketing- und Tourismusexperten auf neue Beine gestellt werden könne, um gemeinsam die Geschichte eines Ortes zu erzählen.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1576

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Ö1-Diagonal über Edward Snowden

Heute auf Ö1-Diagonal (14.3.2015, 17:05-19:00):

Zur Person Edward Snowden. Whistleblower, Held und Verräter.
Präsentation: Ines Mitterer

Er hatte gut verdient, einen, wie er selbst sagt, "komfortablen Job" und ein Haus auf Hawaii. Das alles hat er vor zwei Jahren aufgegeben, als er einem Journalisten und einer Dokumentarfilmerin erzählte, woran er gearbeitet hatte: an Programmen zur weltweiten Überwachung der Internet-Kommunikation im Auftrag des US-amerikanischen Geheimdienstes NSA.

Seitdem ist Edward Snowden auf der Flucht, und dass er sich ausgerechnet in Putins Russland aufhält, wird ihm von vielen angekreidet - doch mehr als ein Dutzend westliche Staaten wollten ihm kein Asyl gewähren, und Ecuador, das dazu bereit gewesen wäre, wurde von den USA mit dem Entzug von Handelserleichterungen bedroht. Die Freie Universität Berlin hat ihn zu ihrem Ehrenmitglied gemacht, er hat den Alternativen Nobelpreis und die Carl-von-Ossietzky-Medaille erhalten, doch für den Wiener Mathematiker Rudolf Taschner ist er der "Heiland der notorischen Amerika-Hasser".

"Diagonal" zeichnet nach, was in den vergangenen zwei Jahren über die weltweiten Überwachungssysteme bekannt geworden ist, beschreibt, wie der investigative Journalismus bedroht ist und würdigt die Rolle von Whistleblowern.

Inhaltsverzeichnis

Sammler und Jäger
Diese Woche ist bekannt geworden, dass die National Security Agency auch österreichische UPC Kunden mit chello.at-Mail-Adresse im Visier hatte oder hat. Das sind mehr als 400.000 Internetkunden in Österreich, deren Daten jetzt in den riesigen Speichern der NSA gelandet sind und dort gelagert werden bis zum Sanktnimmerleinstag. Die NSA interessiert sich also bei uns nicht nur für internationale Einrichtungen wie die OPEC oder die Atomenergiebehörde - was wir schon aus Snowden-Dokumenten erfahren haben - sondern auch für Sie und mich. Sonja Bettel schildert die Tragweite der Snowden-Enthüllungen bis heute.

"Ich bin eine Hauskatze"
Das sagt Ed Snowden über sich. Und das ist auch gut so. Sonst würde der derzeit im russischen Exil lebende Whistleblower wohl seinen Auslauf vermissen. Snowdens Spielraum ist klein: Er hat keinen Pass, darf nicht ausreisen und schon gar nicht nach Hause, wo ihn ein Prozess und wohl einige Jahrzehnte Haft erwarten würden. Aufgeben werde er deswegen nicht, hat er sich vorgenommen. Er lernt schon einmal russisch. Wie Snowden Russland und Russland Snowden sieht, berichtet von dort Christian Lininger.

Ich weiß, ich weiß, was du nicht weißt!
... darf aber nicht sagen, von wem. Whistleblower bleiben aus gutem Grund anonym. Sie können so gut wie nirgends auf dieser Welt auf einen fairen Prozess hoffen. Ihr Sprachrohr sind Journalisten. Bei Snowden waren das Glenn Greenwald vom britischen "Guardian" und die Filmemacherin Laura Poitras. Wie können aber Journalisten ihre Quellen schützen? Schlecht bis gar nicht, weiß Tanja Malle - vor allem wenn es um Fragen "nationaler Sicherheit" geht.

Gut gepfiffen, Löwe
Geheimdienste haben es naturgemäß nicht gerne, wenn ihre Geheimnisse ans Tageslicht kommen. Sollte es jemanden also einfallen, auf Missstände innerhalb der "Organisation" aufmerksam machen zu wollen, dann wehe ihm oder ihr. Statt diejenigen, denen unsere Privatsphäre so egal ist wie nur, trifft die Härte des Gesetzes dann oft die Whistleblower. Im übelsten Fall landen sie jahrzehntelang im Gefängnis. Doch selbst, wenn sie davonkommen, ist der psychische Druck so groß, dass Leben daran zugrunde gehen können, wie zwei britische Whistleblower Sonja Bettel erzählt haben.

Jedem sein Geheimpapier
Seit Snowdens Enthüllungen machen inzwischen doch auch einige Privatpersonen und Firmen das, was früher nur Organisationen gemacht haben, die über Hochvertrauliches kommuniziert haben: Sie verschlüsseln ihre Nachrichten. Sie, ja Sie können ihren E-Mail-Verkehr für die NSA uneinsehbar machen, genauso wie Ihre Spuren im WWW verschwinden lassen. Das klingt nicht nur attraktiv, das stärkt auch die Zivilgesellschaft. Tanja Malle erklärt, warum.

Kleinmöbel und Musik
Günter Hack, Autor, Journalist und früher Leiter der ORF Futurezone, erklärt in einem Studiogespräch, warum er die Netzutopie der glücklichen Internetfrühzeit für gescheitert hält, das World Wide Web aber trotzdem einfach "schön" ist; Robert Rotifer macht sich in London ein Bild über die von der Regierung angeordnete Zerstörung der Festplatten beim "Guardian", auf denen die Informationen von Edward Snowden gespeichert waren; und Tanja Malle war damals am Flughafen in Schwechat dabei, als die USA das Präsidentenflugzeug von Evo Morales zum Landen zwangen, weil sie vermuteten, er hätte einen blinden Passagier namens Snowden an Bord.

Gestaltung: Ines Mitterer

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022406679/

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