Ihr Gesicht ist schmerzverzerrt, der Unterkörper schon verbrannt. An ihren Armen schlängeln sich Flammen empor und greifen nach ihrer Krone. Die Königin des Himmels wird verbrannt von einem Narren, der eine Mütze mit Eselsohren und Narrenschellen trägt. Mit großen, schwarzen Augen schürt er das Feuer. Und lächelt dabei. Diese Szene stammt aus dem Großen lutherischen Narren von Thomas Murner, veröffentlicht im Jahr 1522. Vor allem der Holzschnitt wird immer wieder zur Illustrierung früher altgläubiger Angriffe auf evangelische Ikonoklasmen herangezogen. Tatsächlich war er so aber […]
Vortragsreihe zu “Digital Humanities – Theorie und Methodik” gestartet
mitgeteilt von Prof. Dr. Elisabeth Burr, Universität Leipzig.
An der Universität Leipzig gibt es ab sofort eine Vortragsreihe zu “Digital Humanities – Theorie und Methodik”.
Die Vortragsreihe soll den Begriff “Digital Humanities” mit Inhalten füllen, indem Fragen ihrer Theorie und Methodik einer breiteren wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Die Vortragsreihe wird mit den folgenden Vorträgen eröffnet:
Montag, 10. November 2014, 15:15-16:45 und 17:15-18:45
Prof. Dr. Elena Pierazzo (Université Stendhal-Grenoble 3): “Modelling Texts, Modelling Editions, Modelling Documents”
Dienstag, 11. November 2014, 17:15-18:45
Dr. Evelyn Gius (Universität Hamburg): “Textanalyse in Zeiten der Digital Humanities. Zur Annotation und Auswertung geisteswissenschaftlicher Textdaten mit CATMA”
Informationen zu den Vorträgen und den beiden Referentinnen können unter http://db.uni-leipzig.de/~ifabdez5/_veranstaltungen/data/dokumente/php20141031020528.pdf abgerufen werden.
Die Vorträge finden im Vortragsraum der Bibliotheca Albertina, Beethovenstr. 6, Leipzig statt. Die Vorträge sind öffentlich. Alle interessierten Studierenden und Kolleg_innen aus nah und fern sind herzlich willkommen.
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4234
Enthüllungen zur „Schwarzen Zeitung“ (Wien 1787)
Die Hintermänner dieses Blatts voller Selbstmörder- und Raubersgeschichten - von dem allerdings kein Exemplar erhalten ist - blieben bislang im Verborgenen; dank eines Zufallstreffers im Niederösterreichischen Landesarchiv kann ich nun ein Mosaiksteinchen zu ihrer Geschichte hinzufügen, voilà die exklusive Enthüllung: http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/wz_zeitreisen/gemeine/699174_Rabenschwarze-Mordgeschichten.html
Eine längere Version des Beitrags mitsamt Belegen erscheint in der Ausgabe 2014-2 der Mitteilungen der Gesellschaft für Buchforschung in Österreich.
Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022369098/
Verklemmte Spaßpartei
Wow, ich bin beeindruckt, damit können noch soviele Rufe nach dem Wiederaufbau der Berliner Mauer und der Wiener Stadtbefestigung nicht mithalten; aber: Kein Licht, wo nicht auch Schatten ist: Die außenpolitischen Forderungen der Kaisertreuen sind etwas gar mau, man werfe einen Blick auf die von ihnen gezeichnete Karte: Was ist mit Bosnien? Siebenbürgen? Galizien? Belgie ... äh, österreichische Niederlande? Toskana? Venetien? Lombardei? Spanien? Südamerika respektive Las Indias? Überhaupt, das ganze Heilige Römische Reich? Ich meine, wenn schon Monarchie, dann in den Grenzen von 1520, arrondiert um ein paar spätere Zugänge!
Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022223878/
Jenseits des „Revisionismus“ – Christopher Clark über „Kriegsursachen, Auslöser und Ziele. Europäische Debatten zur Kriegsschuld“. Bemerkungen zu einem Vortrag an der vhs Regensburg vom 22.10.2014.
Jenseits des „Revisionismus“ –
Christopher Clark über „Kriegsursachen, Auslöser und Ziele. Europäische Debatten zur Kriegsschuld“.
Bemerkungen zu einem Vortrag an der vhs Regensburg vom 22.10.2014.
Christopher Clark wird sich einstweilen mit der Vorfreude begnügen müssen. Er freue sich nämlich, bekannte er eingangs, schon auf die Zeit, in der ihn ein nachlassendes Medieninteresse wieder in die Schreibstube des Forschenden entlassen werde. Der Vortagsraum der vhs Regensburg im Thon-Dittmer-Palais war aber jedenfalls bis zum letzten Platz besetzt, und ein Ende des Clark-Hypes ist nicht in Sicht. Die vhs Regensburg konnte sich keine ermutigendere Resonanz wünschen für ihr diesjähriges „Studium Generale“, das 2014 dem Thema 100 Jahre Erster Weltkrieg gewidmet ist und in Kooperation mit dem Institut für Ost- und Südosteuropaforschung eine Brücke zwischen Universität und einer breiteren, städtischen Öffentlichkeit schlagen soll – so einleitend Prof. Ulf Brunnbauer. Am ersten Abend ist dies glänzend gelungen. Der Erfolg seiner „Schlafwandler“ (250.000 verkaufte Exemplare) hat in Deutschland nicht zuletzt ein immens gesteigertes Interesse für die private, lokale und regionale Dimension des Ersten Weltkriegs befördert, das noch vor einigen Monaten so nicht zu erwarten gewesen wäre.1
In der Tat ist es gerade aus dieser Perspektive lohnend, dem Wanderredner in Sachen Kriegsausbruch immer wieder von neuem zuzuhören. Denn längst sind Clarks Auftritte Teil und Kommentar einer Debatte um die „Kriegsschuld“, die nirgendwo sonst in Europa – das unterstrich Clark auf eine Nachfrage aus dem Regensburger Publikum – derart intensiv, ja polarisierend geführt wird wie in Deutschland. In Frankreich beispielsweise seien seine Thesen ruhig und „souverän“, fast beiläufig aufgenommen worden, und in der breiten Erinnerung stehe die Trauer um die Toten im Vordergrund. Hierzulande dagegen wird die aktuelle Welle an bemerkenswerten lokalhistorischen Initiativen und Ausstellungen eben nicht durch eine gemeinsame Gedenkkultur getragen, das haben Clark und Gerd Krumeich unlängst auf dem Historikertag in Göttingen konstatiert.2 Vielleicht auch deswegen, das deutete Clark in Regensburg an, weil in (West-)Deutschland „viele Karrieren mit der Schuld verbunden“ seien, also einer Interpretation, in der 1914 stets im Zusammenhang mit 1939 betrachtet wurde und nie für sich selber stehen konnte. Es gebe aber „keine pyramidale Struktur“; bei der Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs bewege man sich in einer „anderen Welt“.
Noch einmal versuchte Clark in seinen Regensburger Ausführungen den Kern des Debatten-„Missverständnisses“ freizulegen und damit seine Herangehensweise zu verdeutlichen, die auch deswegen so große Beachtung und Zustimmung gefunden hat, weil sie auf eine aktuelle geopolitische Probleme sensibilisierte Öffentlichkeit trifft. Auf die europäischen Mächtesysteme wirkten schon vor 1914 globale Konflikte zurück (Beispiel: die britisch-russischen Bruchlinien in Fernost), der Konfliktherd Balkan und sein Sprengstoff – in vielen Darstellungen zum Ersten Weltkrieg oftmals sträflich vernachlässigt – ist seit den 1990er auch ex post verstärkter Aufmerksamkeit wert, die multipolare Welt-„Ordnung“ ist mit dem 21. Jahrhundert in veränderter Konstellation wiedererstanden und hat damit auch die Phase des beendeten Kalten Krieges („post-post-cold-war“) hinter sich gelassen. Dass die Attentäter von Sarajewo hochmotiviert-‚idealistische’ junge Männer waren, die den Selbstmord als Opfer für eine größere Sache betrachteten, verschlägt uns im (postheroischen) Westen nicht erst seit den letzten Monaten die Sprache (und doch hilft hier im Nachfeld kein hochmütiges Herabsehen weiter). Zudem: Ein Ereignis, so Clark, kann „härter“ sein als die Strukturen, von denen die Strukturhistoriker der 1970er Jahre (fast) alles ableiten zu können vermeinten. Dass unmittelbar nach dem 28. Juni 1914 kaum einer in Europa glaubte, einen guten Monat später werde man sich in einem Weltkrieg befinden, spricht nicht dagegen: Gerade deswegen müsse man den Kriegsausbruch und seine Vorgeschichte als komplexestes Ereignis der Neuesten Geschichte begreifen und analysieren – und deswegen darf man es auch nicht, so ließe sich hinzufügen, vorab in einem Quasi-Determinismus aus den ‚Ismen’ der Zeit (Nationalismus, Imperialismus, Militarismus etc. pp.) ableiten. Anschaulich machte Clark noch einmal deutlich, dass der Ort oder die Orte der Macht den Handelnden aller Mächte vielfach und immer wieder im Nebel verschwanden, die polyzentrischen Macht- und Entscheidungsstrukturen der Außenminister, Regierungsbeamten, Militärs und Botschafter jedes eigene Handeln mit vielen Unbekannten (im wahrsten Sinne des Wortes) belasteten. Jeder Handelnde beobachtete und handelte als Beobachter von nur relativ stabilen Platze aus – letztlich machte diese gleichsam „Heisenbergsche Unschärfe“ nicht erst in der Juli-Krise jede Aktion – es post, nach der Katastrophe weiß man es! – immer zu einem potenziellen Vabanque.
Ausdrücklich betonte Clark, dieses Ernstnehmen einer multipolaren und hochkomplexen Situation und des gerade in der Interaktion höchst störungsanfälligen europäischen Systems ziele keineswegs auf eine Reinwachsung der deutschen Politik in der Julikrise; Fritz Fischer habe ein noch heute gültiges Programm des deutschen „Kollektivhirns“, also der entscheidenden Politiker und Militärs gezeichnet, auf das man „gewiss nicht stolz sein kann“. Allerdings sei in den letzten Jahren die Forschungsliteratur „stark im Wandel begriffen“ gewesen (das hat nur vor Clarks brillanter Synthese, so ist hinzuzufügen zumindest in der breiteren Öffentlichkeit kaum einer bemerkt), u.a. hob er die Arbeiten von Friedrich Kießling oder von Stefan Schmidt zur französischen Außenpolitik hervor.3 Dass für das französisch-russische Bündnis ab 1912 ein Balkankonflikt zum casus foederis werden konnte und das „Vorwerk“ Serbien in diesem Kontext dabei eine gefährliche „geopolitische Sollbruchstelle“ darstellte, hob Clark noch einmal hervor – ebenso wie die französische Motivation, der keinesfalls ein geradliniger (Kriegs-)Plan zugrunde lag, sondern die Befürchtung, man könne sich, in der eigenen Angst vor Deutschland, auf die Briten nicht verlassen und das immer stärker werdende Russland (eine Fehleinschätzung, der alle europäischen Mächte unterlagen) werde Frankreich dereinst nicht mehr brauchen, daher müsse man es – via Serbien – enger an sich binden. Jedenfalls dürfe man, so Clark, eben nicht nur auf die gebannt auf die Juli-Krise blicken und dort den deutschen Teil der Verantwortung isolieren; wie Herfried Münkler, der lakonisch von „langen und kurzen Wegen in den Krieg“ spricht4, betonte Clark in Regensburg auch jene recht kurzfristigen Entwicklungen im europäischen Mächtesystem, die sich eine deutschen Beeinflussbarkeit entzogen, die aber beträchtliche Rückwirkungen auf die Mitte Europas hatten: Insbesondere der italienische Angriff auf Tripolitanien 1911, von Großbritannien und Frankreich unterstützt, habe Entwicklungen in Gang gesetzt, die das verbündete Habsburgerreich in eine prekäre Lage brachten – es hatte nämlich kein vergleichbares „Vorwerk“ und befand sich nach den Balkankriegen 1912/13 im Juni 1914 in einer Situation, in der man zum Krieg gegen Serbien entschlossen (aber gar nicht ausreichend rasch mobilisierbar) war.
Nun ist alles, hier nur kursorisch Referierte im einzelnen von Spezialisten noch einmal zu diskutieren. Widersacher aber wird wohl keine dieser In-Betracht-Ziehungen überzeugen. Denn so wie Clark manche wirre Bewunderer gehässige Anti-Fischer-Emails schreiben (die er nicht beantwortet), so wollen viele seiner Kritiker ihm schon im Ansatz nicht folgen – insofern ist Clarks Formel vom „Missverständnis“ ein höflicher, aber letztlich erfolgloser Befriedungsversuch. Jenseits der fachwissenschaftlichen Diskussion wird auf einer anderen Ebene agiert: Heinrich August Winkler beispielweise, der in der ZEIT vom 18.8.2014 unter der Überschrift „Und erlöse uns von der Kriegsschuld“5 von „den Revisionisten von Clark bis [Jörg] Friedrich“ spricht, läuft nicht nur Sturm gegen eine hier angeblich „altmodische Konzentration auf die Diplomatiegeschichte“, sondern wirft Clark mit Autoren in einen Topf, bei denen er offene geschichtspolitische Motivation am Werk sieht. Dies ist hier nicht zu diskutieren, aber in diesem Kontext pauschal von einer „revisionistischen Literatur“ zu sprechen, die „jede Verbindung zwischen Demokratieabwehr der deutschen Eliten und Deutschlands Weg in den Ersten Weltkrieg“ leugne und daher versucht sei „in alter Manier ‚Versailles’, den Friedensvertrag von 1919, zur Wurzel alles folgenden Übels zu erklären“, kann man nicht auf sich beruhen lassen. Nun schließt sich eine ungeheuerlich zu nennende Unterstellung an, die aus Clarks Sicht eigentlich nur als ehrenrührig bezeichnet werden kann: „Wenn Deutschland ‚nur’ am Zweiten Weltkrieg schuld ist, am Ersten aber nicht, ist es kein weiter Schritt mehr zu der Behauptung, dass Hitler eben der große ‚Betriebsunfall’ der deutschen Geschichte war. Das schreibt bisher [!!] keiner der Revisionisten.“ Aber Clarks Leser, so meint es Winkler zu wissen, seien da schon weiter als der Autor: „Aber wenn es richtig ist, dass der ‚Clark-Effekt’ sich wesentlich aus tief sitzenden nationalapologetischen Bedürfnissen erklärt, dann liegt die Vermutung nahe, dass diese Folgerung bereits von vielen Deutschen [!] gezogen wird.“
Noch weiter in der Unterstellungspraxis geht der Historiker des deutschen Militarismus, Wolfgang Wette, der Clarks Buch mit wenigen Sätzen geschichtspolitisch zu erledigen vermeint: „Darin geht es, ohne dass es direkt ausgesprochen würde [!], um eine groß angelegte Entlastung der Deutschen.“ Ganz unverstellt trauert Wette um die Erosion dessen, was ihn wissenschaftlich sozialisierte: Die Fischer-Schule, so „könnte sich der Eindruck aufdrängen“, „habe sich mit ihren Vorstellungen national und international durchgesetzt. Doch nun, 100 Jahre nach Kriegsbeginn, wird an diesen Erkenntnissen wieder gerüttelt.“ Clarks Buch, auch wenn es über Fischer hinausgehe, habe, wie andere, „nichts an der Richtigkeit der Erkenntnisse von Fritz Fischer geändert.“ Kurz und bündig – ein Sachargument folgt nicht mehr –: „Seine [Clarks] Entlastung der Deutschen verträgt sich nicht mit den belegbaren Tatsachen.“ Man kann nicht umhin, auch Wettes Weiterungen aus den angeblich „fehlerhaften Geschichtsbildern über den Ersten Weltkrieg“ zu zitieren und dabei das eine oder andere Ausrufezeichen zu setzen: „Denn auch der politische Nebel, den diese Metapher verbreitet, ist keineswegs harmlos, sondern potentiell gefährlich. Er ist geeignet, die deutsche Gewaltgeschichte zu glätten und zu entsorgen. Unterschwellig [!] arbeitet dieses Bild einer Politik zu, die eine gestiegene politische Verantwortung in der Welt auch wieder militärisch definieren möchte.“ Man mache sich klar, dass auch der folgende Schluss-Satz auf Clark gemünzt ist: „Ein von historischer Kriegsschuld gereinigtes Deutschland könnte mit Hilfe eines geglätteten Geschichtsbildes einen größeren internationalen Handlungsspielraum beanspruchen und zu einer – auch militärisch instrumentierten – neuerlichen Weltpolitik [!] verleiten.“6 Clark – ein Wilhelm, gar ein Tirpitz redivivus! Sicherlich passt es in Wettes Weltbild, dass Clarks ‚revisionistisches’ Werk von manchen Tories in Großbritannien als „linkes Blöken“ – so Clark in Regensburg süffisant – abgetan wird.
Vorderhand subtiler, aber geschichtspolitisch wuchtiger und die Konstituanten der geschichtstheoretischen (Vor-)Entscheidungen bestätigend, schrieb Winkler in der FAZ von der „Kontinuität der Kriegspartei. Was 1914 gesät wurde, ging 1939 auf: Über den Zusammenhang der deutschen Politik bei Weltkriegsausbrüchen und über das historiographische Interesse, ihn zu verschleiern [!].“7 Die „Kontinuitätsfrage“ bzw. deren rechte, oder besser: linksliberale Beantwortung hat den „deutschen Sonderweg“ immer schon geklärt gehabt – wo wir uns auch befinden auf dem Zeitstrahl deutscher Geschichte zwischen Luther, Friedrich II., Bismarck und Hitler: 1914 ist mittelbar zu 1939, wir wissen ja, wie alles endet. Dass Winkler selbst Gerd Krumeich vor langer Zeit vor der Behandlung von >Versailles< gewarnt hat, weil dies nationalpädagogisch inopportun („zu gefährlich“) sei, ist belegt.8 Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Selbstverständlich ist die Rolle, sind die mentalen Prägungen der entscheidenden Eliten, zumal der zweifellos vorhandenen „Kriegspartei“ vor 1914 kritisch aufzuarbeiten, ist die extrakonstitutionelle Stellung des Militärs, der Einfluss des Militärkabinetts und des Generalstabs zu berücksichtigen. Das sagt aber a priori noch nichts über das Gewicht im Rahmen eines komplexen Ereignis- und Handlungsfelds. Die Frage nach der Verantwortung, den Verantwortlichkeiten, ist umso präziser zu beantworten, wenn – so Clark –„nach Möglichkeit […] die Antworten auf die Warum-Frage […] aus den Antworten auf Fragen nach dem Wie erwachsen, statt umgekehrt.“9 Wenn also – und das ist das entscheidende, weil methodologische Argument – ein historisches Phänomen, wenn dann auch Weimar immer nur und letztlich vorab entscheidend 1933, unter dem „geschichtlichen Ort der deutschen Katastrophe“ (Winkler)10 beleuchtet wird, dann ist das eine unzulässige Horizontverengung und eine ebenso unzulässige Komplexitätsreduktion. Wie formulierte der Nippedey-Schüler Wolfgang Hardtwig knapp und allgemeingültig: „Es macht, um die Denkmöglichkeiten, die Handlungsmotive und –horizonte zu verstehen mehr Sinn, eine Gegenwart als Nachgeschichte des Vorgestern zu lesen denn als Vorgeschichte des Späteren.“11 Und für eine Neubetrachtung der Nachgeschichte des „Großen Kriegs“, mithin für eine Geschichte der ersten deutschen Republik kann demzufolge Krumeichs Diktum nur uneingeschränkt zugestimmt werden: „Wir sollten im Übrigen endlich damit anfangen, eine Geschichte Weimars zu denken, die nicht vom Nationalsozialismus her erzählt wird, wie es bisher fast durchgängig der Fall ist. Die Weimarer Republik erklärt sich aus dem Ersten Weltkrieg, nicht aus dem Zweiten.“12 Hier, in dieser fundamentalen Perspektivenverschiebung, liegt nun, auf welcher Betrachtungsebene auch immer – und nicht zuletzt im Blick auf die regionalen politischer Kulturen – ein beträchtliches historiographisches Innovationspotenzial. Ob manche dies dann noch oder wieder „revisionistisch“ nennen, ist dann auch egal.
Zum Abschluss aber zurück zu Clark und seinen Kritikern. Angesichts einer Vielzahl von Studien, die vor oder zugleich mit Clark hundert Jahre nach dem Kriegsausbruch erschienen sind, ist eines klar: „dass man nicht hinter der Erkenntnis zurückfallen darf, „dass“, wie die hervorragende (vorläufige) Bilanz von Arndt Weinrich konstatiert, „die Schwierigkeit situative und strukturelle Faktoren zusammen zu bringen, wohl eines der (bleibenden) Kernprobleme der Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs bleiben wird.“ Fortan müsse man davon ausgehen, was alle fundierten neueren Studien verbindet: „Da ist zum einen der deutliche Trend, den Handlungs- und Entscheidungsspielraum wichtiger Akteure oder Akteursgruppen (agency) stärker zu gewichten und damit – und das ist eine zweite eng damit verbundene Tendenz – die vielen strukturellen Erklärungsansätzen wenigstens implizit innewohnende Linearität der Entwicklung zum Krieg zu Gunsten einer stärkeren Kontingenz der Ereignisse von 1914 zu relativieren.“13 Auf dieser Ebene gilt es fortan zu argumentieren – und nicht mehr auf der Basis obsoleter geschichtspolitischer Prämissen in nationalpädagogischer Absicht. Ob Deutschland auf dem „langen Weg nach Westen“ dem richtigen Kompass gefolgt ist und folgt, ist politisch, nicht historiographisch zu entscheiden.
1 Ein hier vorab zu nennendes Beispiel: Lübbers, Bernhard / Reichmann, Stefan (Hg.): Regensburg im Ersten Weltkrieg. Schlaglichter auf die Geschichte einer bayerischen Provinzstadt zwischen 1914 und 1918, Regensburg 2014. Und um hier neben einer größeren Stadt: http://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/Kriegdaheim2014.de (Karlsruhe) auch kleinere aus der Region anzuführen: http://www.stadtmuseum-noerdlingen.de/index.php/sonderausstellung/ereignis-erinnerung (Nördlingen), http://www.neuburg-donau.de/neuburg/veranstaltungen/sonderausstellung-stadtmuseum (Neuburg a.d. Donau). Für ganz Bayern natürlich zentral das Armeemuseum Ingolstadt: http://www.armeemuseum.de/de/aktuell/100-jahre-erster-weltkrieg.html. – Vgl. die einschlägigen Einlassungen von Johannes Paulmann und Gerd Krumeich auf dem Historikertag in Göttingen, 26.9. 2014, http://www.youtube.com/watch?v=LNnCAQh9sUE, 1:07 ff.
2 Ebd. 1:10:45 ff.
3 Einen aktuellen, umfassenden und präzisen Überblick bietet: Rose, Andreas: Ein neuer Streit um die Deutungshoheit? Neuere Literatur zu den Kriegsursachen von 1914, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2014-3-074. Herauskristallisiert habe sich mittlerweile, „dass das lange vorherrschende Muster von der wilhelminischen Außenpolitik als Inbegriff permanenten Versagens, wiederholt vorsätzlich ausgelöster Krisen und eines geradezu verbrecherisch herbeigeführten Krieges im Sommer 1914 korrekturbedürftig ist. […] Auch der ehemals breite Konsens zum ähnlich fest etablierten Interpretationsschema einer lediglich auf die deutsche Herausforderung reagierenden britischen Gleichgewichtspolitik ist mittlerweile ebenso erschüttert wie die vermeintliche Opferrolle Frankreichs oder Russlands.“
4 Münkler, Herfried: Der große Krieg. Die Welt 1914-1918, 5. Aufl. 2014, S. 25ff.
6 Alle vorangegangenen Zitate bei Wette, Wolfram: Seit hundert Jahren umkämpft: Die Kriegsschuldfrage, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 9/2014, S. 91-101, hier S. 91 und S. 101f.
7 Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 196, 25.8.2014, S. 15.
8 So offenbar Winkler Krumeich gegenüber, s. http://www.youtube.com/watch?v=LNnCAQh9sUE, 59:00 ff.
9 Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog, 7. Aufl. München 2013, S. 18.
10 Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 196, 25.8.2014, S. 15.
11 Hardtwig, Wolfgang: Volksgemeinschaft im Übergang. Von der Demokratie zum rassistischen Führerstaat, in: Lehnert, Detlef (Hg.): Gemeinschaftsdenken in Europa. Das Gesellschaftskonzept „Volksheim“ im Vergleich 1900-1938 (Historische Demokratieforschung. Schriften der Hugo-Preuß- und der Paul-Löbe-Stiftung Band 5), Köln-Weimar-Wien 2013, S. 227-253, S. 230.
12 Süddeutsche Zeitung, Nr. 50, 1./2. März 2014, S. 7.
13 Weinrich, Arndt: „Großer Krieg“, große Ursachen? Aktuelle Forschungen zu den Ursachen des Ersten Weltkriegs, in: Francia 40 (2013), S. 233-252; Zitate S. 240 bzw. 234.
Quelle: http://neuburg.hypotheses.org/67
ReManage Thinking. Wissenschaft und Anwendbarkeit
Die Wege der Wissenschaft sind unergründlich. Diese theologisch anmutende Aussage kommt mir manchmal in den Sinn, wenn Wissenschaftler eine abwehrende Haltung dagegen zeigen, die Relevanz ihres Faches aufzuzeigen. Natürlich mag es niemand, wenn sein Tun, seine Leidenschaft grundsätzlich in Frage gestellt wird. Außerdem ist es keine leichte Forderung. Sie bedeutet über Methoden und Disziplingrenzen hinweg gänzlich neue Blickwinkel einzunehmen. Genau das tat die Tagung „ReThinking Management“, die im Oktober an der Karlshochschule International University stattfand. Hier wurde die Anwendung von geisteswissenschaftlichen Theorien auf den Bereich des Managements thematisiert und dabei indirekt auch die Anwendung von Managementtheorien auf die Struktur, Organisation und das Selbstverständnis der Geisteswissenschaften.
Kulturelle Wissenschaften und das Selbstverständnis von Management
Modernes Management bedeutet eine Brücke zu bauen zwischen den auf Effizienz und Ertrag ausgerichteten Wirtschaftswissenschaften und Ansätzen aus anderen Wissenschaftsbereichen und sich selbst in Hinblick auf neue Kontexte und Herausforderungen kritisch zu reflektieren. Ein hehres Ziel, das auch für Bereiche Vielversprechendes zu bieten hat, die nicht Kapital, sondern Wissen und Werte generieren. Auch an sie werden Erwartungen gestellt, die sich neben qualitativem Output auf weitere Eigenheiten konzentrieren: transparent zu sein, digital, nachhaltig. Dahinter stehen vieldimensionale Veränderungen, die alle Bereiche der Gesellschaft gleichermaßen betreffen. Die Ausrichtung des klassischen Managements – auch von Kultur und Wissenschaft – auf Funktionalität entstammt dem historisch-kulturellen Kontext der westlichen Welt, sie ist nicht allgemeingültig und nicht vor aktuellen Veränderungen gefeit.
Ein Mangel klassischen Managements besteht darin, dass man sich aus einem vorgefertigten Werkzeugkasten bedient, um messbare Funktionen zu erfüllen. Dafür erschafft Management, ebenso wie Wissenschaft, eine Subsystem, eine künstliche Welt von Verhalten und Kontrolle. Diese ist abstrakt, reduziert Komplexität bis hin zur Mystifizierung, so fasste Ulrich Gehmann es in seinem Vortrag bei ReThinking Management zusammen, und übersieht dabei wichtige Details und Veränderungsprozesse. Wie Johan Kolsteeg von der Utrecht University of the Arts in seiner Präsentation aufzeigte, kann man Ziele besser erreichen, wenn man sich dem individuellen Kontext, dessen Akteuren und deren Bedürfnisse öffnet. Es bedarf dafür einer Gedankenkultur, einer Struktur und eines Managements, das grundlegendes Kontextwissen über Zielgruppen, Gesellschaft und Politik einbezieht. Deshalb braucht es die Geistes- und Sozialwissenschaften. Ihre Erkenntnisse werden nur in einem kleinen Teil der Management-Forschung und einem noch kleineren der Praxis miteinander verknüpft – ebenso, wie die Kultur und die (Geistes-)Wissenschaften sich kaum mit Theorien von Projektmanagement, Organisation und Führung für ihr Funktionieren beschäftigen. Beide verspielen damit die Möglichkeiten, das implizite Wissen ihrer Inhalte auf ihre explizite Ausführung zu übertragen.
Die Anwendung der Kulturwissenschaften
Aufgrund des Trends zu Individualisierung, Transparenz, einer erfüllenden Tätigkeit sowie zunehmender Interkulturalität auch bei Mitarbeitern ist das nicht nur für externe, sondern vor allem für die internen Beziehungen wichtig. Hier gewinnen neue Kommunikations- und Interaktionsformen an Bedeutung. Diese Idee geht aus den genannten Veränderungen und neuen Werten hervor. Mit der Erforschung der cultural turns haben die Geisteswissenschaften in den letzten Jahren viele Grundlagen gelegt. Wie sich dies anwenden lässt, zeigte Doris Bachmann-Medick in ihrem Vortrag bei ReThinking Management auf. Sie machte deutlich, dass Management alle Bereiche umfasst, die von kulturellen und kommunikativen Eigenheiten beeinflusst werden, sodass die Rücksichtnahme auf diese Eigenheiten mithilfe der cultural turns den Output einer Organisation positiv beeinflusst. Dabei sind diese mehr als ein situativ anwendbarer Werkzeugkasten und können kaum getrennt voneinander betrachtet oder angewandt werden:
- Der translational turn befasst sich mit den Eigenarten und Möglichkeiten von Sprache und Rhetorik. Grundkenntnisse in diesem Bereich sind wichtig für den Umgang mit Partnern und Mitarbeitern mit verschiedenstem Background, also für das gesamte Organisationsgefüge.
- Das Studium gesellschaftlich-ritualisierten und individuellen Verhaltens, der performative turn, kann das Funktionieren des Beziehungsgeflechts innerhalb und außerhalb einer Organisation verbessern. Eng daran gebunden ist das embodiement, also die Körpersprache.
- Der interpretive und der pictorial turn erweitern dies auf den Bereich der Kommunikation über Versinnbildlichung, Sinngebung und Bildverständnis. Silke Schmidt zeigte anhand des Beispiels Storytelling auf, wie Metaphern und Geschichten dazu beitragen können, Kollegen wie Geschäftspartner positiv auf gemeinsame Werte und Ziele zu eichen und damit Zusammengehörigkeit und Verständnis zu schaffen. Storytelling wie auch Bildsprachen sind historisches Kulturgut und eignen sich besser als rationale Sprache dazu, Gedanken auf den Punkt zu bringen und Ideen anschaulich zu machen.
- Der spatial turn greift das Thema Raum auf und beschäftigt sich damit, wie Arbeitsplätze und –umgebungen die Arbeit selbst beeinflussen, sei es in Hinblick auf Lautstärke, Kommunikation oder Kreativität. Entsprechend präsentierte Tobias Klingenmayer Vorstellungen vom Raum als Objekt der Erkenntnis, als Metapher und als Werkzeug für organisationale Veränderungen.
Die cultural turns sind also nicht nur geisteswissenschaftliche Forschungsthemen. Sie greifen gesellschaftliche Trends hin zu besserer Kommunikation, einem veränderten Selbstverständnis als Organisation oder Disziplin sowie die neuen Werte der Gesellschaft auf und wollen sie durch entsprechende Fragestellungen verstehen und darauf reagieren.
ReManage Thinking
Die Erkenntnisse der Wissenschaft zu aktuelle Themen in die Gesellschaft zu transferieren liegt in beiderseitiger Verantwortung. Auch bei Fachtagungen wie ReThinking Management fehlen aber beim intensivem Austausch und der Entwicklung neuer Ansätze die Praktiker, seien es Manager, Wissenschaftskommunikatoren oder Politiker. Auch ihr Anliegen sollte es sein, sich neue Modelle anzueignen, um die oft beklagte Hilflosigkeit abzubauen, gegebenes Wissen zu hinterfragen, Zusammenhänge zu verstehen, Verständnis zu lernen.
Es ist ein Manko – auch das machte ReThinking Management deutlich – dass Wirkungsweisen fernab von Zahlen schlecht fassbar sind. Potentielle Unterstützer lassen sich nur auf Basis gefühlter Verbesserungen schlecht überzeugen. Es ist also auch eine Aufgabe der Forschung, auf Basis eines Design-Thinking-Labcharakters entsprechende Tools und Möglichkeiten des Transfers und der Kommunikation zu entwickeln und in einer Testphase zu prüfen. Dabei ist auch die Dokumentation von Misserfolgen wichtig, um die übermäßige Produktion von hausinternem „Bullshit“ zu vermeiden, wie es Andre Spicer in Karlsruhe formulierte: je größer die Organisation desto mehr basiert sie auf Fassadenhaftigkeit nach außen wie innen. Dies bringt weder die gewünschte Aufmerksamkeit noch die Bindung von Mitarbeitern, Interessierten, Entscheidern oder Geldgebern. Das eigene Selbstverständnis zu überdenken ist der erste Schritt. Anders zu handeln, ein „bullshit replacement management“, ist für Spicer der entscheidende zweite – die Überwindung der Kluft zwischen Theorie und Praxis, zwischen Forschung und Anwendung.
Einladung zum 3. Berliner DH-Rundgang
Der Interdisziplinäre Forschungsverbund Digital Humanities in Berlin (ifDHb) lädt zum 3. Berliner DH-Rundgang ein. Gastgeber ist das Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin (ZIB). Besonderer Schwerpunkt dieses DH-Rundgangs wird die digitale Langzeitarchivierung sein.
Termin: Dienstag, 18.11.2014, 09:30-11:00 Uhr
Ort: Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin (Seminarraum Rundbau), Takustr. 7, 14195 Berlin
Das Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin (ZIB) ist ein außeruniversitäres Forschungsinstitut des Landes Berlin mit dem Schwerpunkt anwendungsorientierte Mathematik und Informatik. Neben dem Forschungsauftrag bietet das ZIB seit vielen Jahren Dienstleistungen für Gedächtnisinstitutionen an – unter anderem sind am ZIB die Serviceeinrichtungen Kooperativer Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg (KOBV), Servicestelle Digitalisierung Berlin (digiS) und AG Museumssoftware angesiedelt. Neben Beratung ist das Ziel die Bereitstellung von Infrastruktur und Lösungen für die Datenanalyse und Datenerschließung, für die Online-Präsentation und die technische und semantische Langzeitverfügbarkeit digitaler Objekte. 2014 wurde der neue Forschungsfokus “Digital Humanities” eingerichtet, der das zunehmende Engagement des ZIB in diesem Themenfeld widerspiegelt.
Bei diesem 3. DH-Rundgang liegt der Schwerpunkt auf dem Thema digitale Langzeitarchivierung. Neben einem Überblick zu grundlegenden Konzepten der Langzeitarchivierung werden aktuelle Entwicklungen am ZIB und potentielle Services vorgestellt. Den Abschluss bildet ein Rundgang zum Supercomputer und zum Bandroboter im Untergeschoss des ZIB.
Die Teilnahme ist kostenlos, wir bitten um eine verbindliche Anmeldung über das Formular am Ende dieser Seite.
Programm
09:30 Uhr Begrüßung
09:40 Uhr Der neue Forschungsfokus Digital Humanities am ZIB (Wolfgang Peters-Kottig)
10:00 Uhr Digitale Langzeitarchivierung – grundlegende Konzepte und Strategien (Tim Hasler)
10:20 Uhr Ausblick: Services für die Digital Humanities in Berlin (Elias Oltmanns & Wolfgang Peters-Kottig)
10:40 Uhr Rundgang Bandroboter und HLRN
Die nächsten Berliner DH-Rundgang-Termine:
- 9. Dezember 2014: Computerspielemuseum
- 28. Januar 2015: Universitätsbibliothek und Mediathek im Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität zu Berlin
- 20. Februar 2015: Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) / Fachbereich Gestaltung
- März 2015: Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen in Deutschland
- April 2015: Deutsches Archäologisches Institut (DAI)
- Mai 2015: Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG)
- Juni 2015: Freie Universität Berlin / Institut für Informatik / AG Netzbasierte Informationssysteme
Sie wollen auch zu einem Berliner DH-Rundgang einladen? Dann schreiben Sie uns bitte eine kurze E-Mail an info@ifdhberlin.de oder nehmen Sie telefonisch Kontakt zu uns auf.
Weitere Informationen finden Sie auf der Website: http://www.ifdhberlin.de/arbeitsfelder/dh-rundgang/
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4226
Grafschaft Sponheim um 1620
Nachdem Gräfin Elisabeth von Sponheim-Kreuznach 1417 kinderlos starb, erlosch die Linie Kreuznach und damit die so genannte “Vordere Grafschaft” Sponheims, die die Städte und Ämter Kirchberg, Koppenstein, Kreuznach und Naumburg umfasst hatte. Ein Fünftel des Besitzes ging als “kurpfälzisches Erbfünftel” … Weiterlesen →
The science of history turns – even in school?
In the science of history, one turn is followed by another: from the rather old linguistic turn to the postcolonial or global turn, the visual or iconic turn to the spatial, acoustic and material turn. But how do history lessons respond? …
English
In the historical sciences, one turn follows another: from the rather old linguistic turn to the postcolonial or global turn, the visual or iconic turn to the spatial, acoustic, and material turn. But how does history teaching respond to these turns? At first glance, hardly at all. But, we may ask, does history teaching need to respond at all? And if so, how might it respond? Or are there good reasons not to respond?
When is a turn a turn?
The historical sciences have often ridiculed for their “turneritis”. One may indeed ask whether the trendiness of certain research approaches and raising their distinctiveness to generate third-party funds are linked. Does such linkage always imply a paradigm shift in research, or should one much rather speak about new, additional perspectives?
The aforementioned turns do not coexist in isolation. Instead, they are part of a major, secular process. They are all cultural turns, sharing a shift of interest from particular research subjects to the methods for acquiring and consolidating knowledge (which then put a new complexion on the subjects researched). It is, then, a matter of more closely considering both the processes involved in the construction of history and the conceptual foundations for generating specialist knowledge.
Innovations in history teaching
Neither the topics of nor the trends in the historical sciences can be transferred one-to-one to the history classroom. Straight “copycat didactics” are obsolete. Generating and rendering distinct topics for history lessons are discrete processes based on specific criteria: the social relevance of historical knowledge and the insights to be gained by students; the personal relevance of such insights for the students themselves; and the opportunity to learn, apply, and practise specialist skills. That aside, it is also self-evident that research must hold the – referring to Koselleck – “right of veto”. In history lessons, nothing should be presented that conflicts with the current state of research – although in some cases, this may be rather difficult to determine.
“History teaching” (the term here comprises various aspects, ranging from the curriculum to everyday teaching) should acknowledge innovations in research. Whereas it should not be obliged to adopt such insights without hesitation, it ought to question their relevance. After all, it is by no means the case that history lessons have not incorporated various new approaches since the gradual implementation of the resource paradigm began (at academic high schools). As opposed to the former dominance of political history, contemporary history lessons now deal with social history and consider different emphases depending on the topic under discussion. Approaches such as everyday history, environmental history or – at the time – “women’s history” were adopted comparatively early in the didactic literature and in textbooks. But the example of “women’s history” also reveals implementation problems and limitations: textbooks still regard “women’s history” as a form of compensatory supplementary history; the implementation of gender history is by far more difficult and, as I see it, has so far not been implemented convincingly.
Is it all a question of the medium?
But what about the reception of recent historical science turns? The linguistic turn plays a major role in these developments, as the bedrock of the narrative paradigm of history didactics. Furthermore, global history has received intense attention, although the current concepts prove elusive. However, the diagnosis of most turns is ambivalent: on the one hand, there is a long, successfully applied practice in history lessons; on the other, however, from the perspective of the turn theories, this practice takes place rather subconceptually. This applies equally to the iconic turn, acoustic turn, material turn, and spatial turn. From a narrow point of view, these turns can be applied to the media used in history teaching – pictorial, audio, and material sources (including maps). These turns have therefore occupied a traditional place in the classroom or have at least been present there for some time. However, once again, in practice history teaching is conceptually less elaborated and pragmatically limited: educational work with pictorial sources lags behind Bredekamp’s concept of a “pictorial act”; moreover, a history of listening or of sounds and noises using material resources to generate scientific findings is not much help in school – where we need demonstrable sounds.
The general direction
If one looks not at individual turns but at the general tendency, a connection with the development of history teaching can of course be identified. Already during the broad implementation of source work, it was a matter of orienting teaching toward the building of specialist knowledge. Over time, the sources available have broadened and diversified (pictorial resources, segmentation of the major resource categories). Since the 1990s, moreover, the learning of methods has become a compulsory element of textbooks. Several new research approaches have been embraced over time. Since the 1980s, for instance, the central concept of “historical consciousness” has been established in didactic literature and curricula; subsequently, the concept of “historical culture” was added – mind you, the concept is being engaged with only hesistantly in the history classroom. The current competence orientation can be regarded as a grouping of all these steps toward fostering a conscious, reflected, and critical way of dealing with the meaning of one’s own history and that of other cultures – whatever the respective skills terminology. Thus, it is on this meta-level that the various turns in the historical sciences and the interests of good modern history teaching meet.
____________________
Literature
- Doris Bachmann-Medick, Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, (Reinbek 4th. Ed. 2010).
- Ute Daniel, Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter, (Frankfurt a. M. 2001, 5th., rev. a. add. Ed. 2006).
- Silvia Serena Tschopp / Wolfgang E.J. Weber, Grundfragen der Kulturgeschichte, (Darmstadt 2007).
External Link
- Relevant articles on http://docupedia.de/zg/Kategorie:Methoden (last accessed 28.10.2014).
- Wikipedia.org, article: Cultural turn https://en.wikipedia.org/wiki/Cultural_turn (last accessed 5.11.2014).
____________________
Image Credits
© Guenter Hamich / pixelio.de.
Recommended Citation
Sauer, Michael: The science of history turns – even in school? In: Public History Weekly 2 (2014) 38, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2014-2836.
Copyright (c) 2014 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.
Deutsch
In der Geschichtswissenschaft jagt ein Turn den anderen: vom schon älteren Linguistic Turn über den Postcolonial oder Global Turn, den Visual oder Iconic Turn bis hin zum Spatial, Acoustic und Material Turn. Wie reagiert der Geschichtsunterricht darauf? Auf den ersten Blick so gut wie gar nicht. Müsste er reagieren? Wie könnte er reagieren? Oder gibt es gute Gründe, nicht zu reagieren?
Wann ist ein Turn ein Turn?
Die “Turneritis” in der Geschichtswissenschaft ist schon des Öfteren bespöttelt worden. Man mag in der Tat kritisch fragen, ob eine gewisse Modenhaftigkeit der Forschungsansätze nicht auch etwas mit Profilierung zwecks Drittmittelgewinnung zu tun hat. Ist damit immer gleich ein Paradigmawechsel der Forschung verbunden, oder sollte man nicht vielleicht bescheidener von neuen, ergänzenden Perspektiven sprechen?
Freilich stehen die genannten Turns ja nicht isoliert nebeneinander. Sie sind Teil eines größeren, gleichsam säkularen Prozesses, sie alle sind Cultural Turns: Ihre Gemeinsamkeit liegt in einer Verlagerung des Interesses von den Forschungsgegenständen hin zu den Erkenntnismethoden (die dann die Forschungsgegenstände in einem neuen Licht erscheinen lassen). Es geht um eine verstärkte Reflexion über Prozesse der Konstruktion von Geschichte und konzeptionelle Grundlagen fachspezifischer Wissensgenerierung.
Innovationen im Geschichtsunterricht
Dass Themen und Trends der Geschichtswissenschaft nicht einfach eins zu eins in den Geschichtsunterricht übernommen werden, versteht sich von selbst. Wir betreiben keine “Abbilddidaktik” mehr. Die Generierung und Profilierung von Themen für den Geschichtsunterricht ist ein eigenständiger Akt, Grundlage dafür sind spezifische Kriterien: die gesellschaftliche Relevanz von historischen Kenntnissen und Erkenntnissen, die SchülerInnen gewinnen sollen; die persönliche Relevanz für sie selbst; und die Gelegenheit zum Lernen, Anwenden und Üben fachspezifischer Kompetenzen. Genauso selbstverständlich ist es allerdings, dass es – in Anlehnung an Koselleck – ein “Vetorecht der Forschung” geben muss. Im Geschichtsunterricht sollte nichts dargeboten werden, was ausdrücklich dem Forschungsstand widerspricht, was freilich im Einzelfall nicht gerade leicht zu bestimmen ist.
“Geschichtsunterricht” (das meint hier Unterschiedliches vom Curriculum bis zum Unterrichtsalltag) sollte also Innovationen der Forschung zur Kenntnis nehmen, muss sie aber nicht unbesehen übernehmen, sondern im Hinblick auf seine Belange kritisch mustern. Es ist ja auch keineswegs so, dass der Geschichtsunterricht seit der allmählichen Durchsetzung des Quellenparadigmas (im Gymnasium) nicht diverse neue Ansätze aufgegriffen hätte. Statt der ehemaligen Dominanz der Politikgeschichte betreiben wir heute im Unterricht eine Gesellschaftsgeschichte mit je nach Thema unterschiedlichen Akzentsetzungen. Ansätze wie Alltagsgeschichte, Umweltgeschichte oder – damals – “Frauengeschichte” sind in der didaktischen Literatur und in Schulbüchern vergleichsweise früh aufgegriffen worden. Das Beispiel “Frauengeschichte” zeigt aber auch die Umsetzungsprobleme und Begrenzungen: Noch immer finden wir im Schulbuch “Frauengeschichte” als eine Art kompensatorische Ergänzungsgeschichte; die Realisierung von “Geschlechter-” oder gar “Gendergeschichte” ist weitaus schwieriger und bislang, so weit ich sehe, nicht überzeugend realisiert worden.
Alles eine Frage des Mediums?
Wie steht es aber nun mit der Rezeption der neueren geschichtswissenschaftlichen Turns? Eine große Rolle spielt der Linguistic Turn als Grundlage für das Narrativitätsparadigma der Geschichtsdidaktik. Eine intensive Beschäftigung mit Globalgeschichte hat stattgefunden, wenngleich die vorliegenden Konzepte nur schwer realisierbar sind. Bei den meisten Turns ist die Diagnose ambivalent: Einerseits gibt es eine lang geübte Praxis im Geschichtsunterricht, andererseits findet diese aus der Sicht der Turn-Theorien gewissermaßen subkonzeptionell statt. Dies gilt für den Iconic Turn, Acoustic Turn, Material Turn, Spatial Turn. Sie lassen sich, eng betrachtet, auf Medien des Geschichtsunterrichts – Bild-, Ton-, Sachquellen und Karten – beziehen und sind insofern dort traditionell oder jedenfalls schon länger präsent. Allerdings ist die Praxis des Geschichtsunterrichts auch hier wieder konzeptionell weniger elaboriert und pragmatisch begrenzt: Unterrichtliche Bildquellenarbeit etwa bleibt zurück hinter dem von Bredekamp propagierten Konzept des „Bildakts“; und eine Geschichte des Hörens oder der Töne und Geräusche, die ihre wissenschaftlichen Befunde zu früheren Zeiten im Wesentlichen wieder aus Textquellen gewinnt, hilft in der Schule wenig – hier braucht man vorführbare Töne.
Die Generalrichtung
Blickt man jenseits der einzelnen Turns auf den generellen Trend, lassen sich freilich sehr wohl Verbindungen mit der Entwicklung des Geschichtsunterrichts ausmachen. Schon bei der breiten Durchsetzung der Quellenarbeit ging es um die Orientierung an den Verfahren fachspezifischer Erkenntnisgewinnung. Die Quellenbasis dafür hat sich im Laufe der Zeit verbreitert und differenziert (Bildquellen, Untergliederung der Quellengroßgattungen). Seit den 90er Jahren ist das Methodenlernen in den Schulbüchern obligatorisch geworden. Einzelne neue Forschungsansätze sind aufgegriffen worden. Seit den 80er Jahren schon hat sich der Leitbegriff “Geschichtsbewusstsein” in der didaktischen Literatur und in den Curricula etabliert, später hinzugekommen ist der Begriff “Geschichtskultur” – erst zögerlich beginnt die tatsächliche Beschäftigung mit ihr im Unterricht. Die aktuelle Kompetenzorientierung kann man als Bündelung aller dieser Entwicklungsschritte auffassen: Es geht um die Generalrichtung hin zu einem bewussten, reflektierten und kritischen Umgang mit eigener und fremder historischer Sinnbildung – wie auch immer die jeweiligen Kompetenzbegrifflichkeiten dafür lauten mögen. Und auf dieser Metaebene treffen sich nun doch geschichtswissenschaftliche Turns und die Belange eines modernen, guten Geschichtsunterrichts.
____________________
Literatur
- Bachmann-Medick, Doris: Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek 4. Aufl. 2010.
- Daniel, Ute: Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter, Frankfurt a. M. 2001, 5., durchges. u. erg. Aufl. 2006.
- Tschopp, Silvia Serena / Weber, Wolfgang E.J.: Grundfragen der Kulturgeschichte, Darmstadt 2007.
Externe Links
- Einschlägige Artikel unter http://docupedia.de/zg/Kategorie:Methoden (zuletzt am 28.10.2014).
- Wikipedia.de, Artikel: Cultural Turn https://de.wikipedia.org/wiki/Cultural_turn (zuletzt am 5.11.2014).
____________________
Abbildungsnachweis
© Guenter Hamich / pixelio.de
Empfohlene Zitierweise
Sauer, Michael: Die Geschichtswissenschaft “turned” – auch in der Schule? In: Public History Weekly 2 (2014) 38, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2014-2836.
Copyright (c) 2014 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.
The post The science of history turns – even in school? appeared first on Public History Weekly.
Quelle: http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/2-2014-38/science-history-turns-even-school/
Nürnberg Hauptbahnhof, Richtung Dokuzentrum
Seit meine Kollegin Angelika Schoder vor zwei Wochen hier bei MusErMeKu über Blogparaden geschrieben hat, habe ich mit dem Gedanken gespielt, an so einer virtuellen Veranstaltung teilzunehmen. Ich folge ihrem Tipp und schreibe einen Beitrag zur Blogparade von @kurzundknapp zum Thema “Zeigt mir eure Gegend”. Die Entscheidung, mich an der Blogparade #ZeigtEureGegend zu beteiligen, fiel mir ziemlich leicht, denn nun habe ich die Möglichkeit, einmal einen Beitrag auf Deutsch zu schreiben und ganz subjektiv zu sein. Ich möchte hier im Blog eine andere Seite von Nürnberg zeigen. […]