
“…weil Gott sich in Jesus Christus ganz auf die Geschichte eingelassen hat”?

Geschichtswissenschaftliche Blogs auf einen Blick
Frobenius Forster und die Brüder Pez. Abstract des Vortrags von Irene Rabl (Wien) bei der Tagung “Netzwerke gelehrter Mönche. St. Emmeram im Zeitalter der Aufklärung”, Regensburg, 21./22. September 2012
Zwischen den Benediktinerklöstern St. Emmeram in Regensburg und Melk in Niederösterreich herrschte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein steter wissenschaftlicher Austausch, der anhand noch erhaltener Gelehrtenkorrespondenz nachweisbar ist. Der erste Kontakt der Melker Benediktiner Bernhard (1683–1735) und Hieronymus (1685–1762) Pez mit dem Kloster St. Emmeram entstand 1709, als Bernhard Pez Enzykliken zum Zweck der Beschaffung von Informationen zu Schriftstellern für seine geplante Bibliotheca Benedictina an einzelne Klöster verschickte. Abt Johann Baptist Hemm reagierte zwar grundsätzlich positiv, jedoch übermittelte erst Kaspar Erhardt 1715 erste Materialien an Pez. 1717 besuchten die Melker Benediktiner auf ihrer Klösterreise schließlich auch St. Emmeram. Im Itinerarium Bavaricum et Suevicum (StiB Melk, Cod. 1850) haben sich bis heute ihre auf der Reise gesammelten Bibliotheksnotizen erhalten. Als weiterer St. Emmeramer antwortete Subprior und Bibliothekar Augustin Tröster 1732 auf eine Anfrage von Bernhard Pez nach den Inschriften und Grabsteinen in der Stiftskirche. Zumindest der erste der beiden erhaltenen Tröster-Briefe geht auf die zeitgleich stattfindende barocke Ausgestaltung der Kirche durch die Brüder Asam ein. Schließlich sind von Frobenius Forster fünf Briefe an Hieronymus Pez aus 1756 und 1757 im Melker Stiftsarchiv überliefert. Vor allem im Zuge seiner Tätigkeit als Bibliothekar begann Forster sich verstärkt mit mittelalterlichen Handschriften zu beschäftigen und entschloss sich Anfang der 1750er Jahre, angeregt durch Oliver Legipont, die Werke Alkuins neu (nach André Duchesne 1617) zu edieren. Die gelehrten Briefe Forsters an den bereits greisen Hieronymus Pez enthalten hauptsächlich Anfragen diese Edition betreffend. Forster stand einige Jahre später auch mit Martin Kropff, Bibliothekar in Melk, in Kontakt, ein kurzer Briefwechsel ist erhalten. Schließlich sind in diesem Zusammenhang auch die Briefe Forsters an Legipont aus der Zeit zwischen 1747 und 1757 in dessen Metzer Nachlass interessant, da Forster als „unermüdlicher Förderer der benediktinischen Akademiebestrebungen“ in seinen Briefen als geduldiger Ratgeber und scharfer Kritiker Legiponts in Hinblick auf die Gründung und Weiterführung der Societas litteraria Germano-Benedictina auftrat, sich jedoch von Legipont auch Unterstützung bei seiner Alkuinedition erhoffte. Darüber hinaus setzt die Korrespondenz zwischen den beiden Benediktinern ungefähr zu einem Zeitpunkt ein, als Forster von der Universität Salzburg, wo er seit 1745 eine Professur für Philosophie und Experimentalphysik inne hatte, in sein Kloster zurückgekehrt war. In seiner Salzburger Zeit (und auch noch danach) publizierte Forster einige (natur)philosophische Abhandlungen, in denen er sich kritisch vor allem mit Leibniz und Wolff auseinandersetzte.
Frobenius Forster wurde am 24. Juli 1762 – wenige Monate vor dem Tod Hieronymus’ Pez am 14. Oktober und 27 Jahre nach dem Tod Bernhards – zum Fürstabt von St. Emmeram gewählt und lebte noch fast drei Jahrzehnte als Vorsteher seines Klosters. Etliche gelehrte Benediktiner scheinen sein Leben geprägt zu haben, was man, zumindest in Ansätzen, an der noch erhaltenen Gelehrtenkorrespondenz u.a. mit Hieronymus Pez und Oliver Legipont erkennen kann. Interessant erscheint die Bearbeitung der hier erwähnten Korrespondenzen St. Emmeram – Melk sowie Forster – Legipont vor dem Hintergrund der tiefgreifenden Veränderungen rund um Gelehrsamkeit und Wissenschaft, die während des hier behandelten Zeitrahmens innerhalb der europäischen Gelehrtenwelt stattgefunden haben.
MMag. Irene Rabl
MMag. Irene Rabl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des FWF-Start Projektes „Monastische Aufklärung und die benediktinische Gelehrtenrepublik“ an der Universität Wien sowie Archivarin im Zisterzienserstift Lilienfeld in Niederösterreich. Rabl arbeitet an einer Dissertation über Abt Chrysostomus Wieser (Abt 1716–1747) von Lilienfeld, u.a. in Zusammenhang mit der Lilienfelder Erzbruderschaft zum Hlg. Joseph.
Link zum Publikationsverzeichnis: http://www.univie.ac.at/monastische_aufklaerung/de/arbeitsgruppe/irene-rabl-publikationen.html
Ob die Astrologie in einer historischen Epoche einmal eine Wissenschaft gewesen war, ist gerade Thema meines Promotionsprojekts. Darin untersuche ich, wie die Autoren des 16. Jahrhunderts versucht haben, Astrologie als wissenschaftliche Methode zu begreifen. Dabei bin ich auf zahlreiche unterschiedliche … Weiterlesen
Kein anderer Wissenschaftler hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten so intensiv mit der Entstehung und Wirkung der völkischen Bewegung beschäftigt, wie der Historiker Uwe Puschner. Am kommenden Montag sprechen wir mit ihm über Geschichte und Wiederkehr der völkischen Bewegung im Kontext rechter Popkulturen der Gegenwart.
Quelle: http://www.montagsradio.de/2012/08/23/zwischen-rechter-esoterik-und-volkischer-bewegung/
Nochmals hallo mit ein paar weiteren Gedanken, die mir im Rahmen Ihres Blogs gekommen sind, während ich mich langsam durch die älteren Beiträge lese.Zunächst einmal möchte ich anmerken, daß mir die Art, in der die Artikel geschrieben sind, ausgesprochen sympathisch ist, da persönliche Standpunkte, soweit eingebracht, weitgehend in separaten Abschnitten abgehandelt werden, anstatt sie mit dem Faktenmaterial zu vermengen. Eine Tugend, die sich im Internet und gerade bei potentiellen Reizthemen (wozu, wie die weniger lesenswerte Kommentarspalte zeigt, teils auch Ihre Einträge gehören) nicht unbedingt verbreitet ist.Zum zweiten eine kurze Frage zu Ihrem aktuellsten Artikel über Vor- und Nachteile milieufremder Verwendung faschistisch besetzter Ausdrücke: Ein paar mal habe ich mich auch mit diesem Thema geistig beschäftigt, ohne auf eine konkrete Antwort zu kommen, allerdings in einem anderen Rahmen als die im Eintrag vorhandenen Beispiele. Im Gegensatz zu den klar abwertend und in Assoziation zur damaligen Diktatur gebrauchten Fällen stellt sich mir die Frage, ob es richtig oder falsch wäre, zu damaligen Zeiten pervertierte Sprachfiguren gezielt in einem sachlich passenden Zusammenhang zu nutzen, um sie dem Nazivokabular zu entziehen. Als Extremfall sei hier auf die bekannte Aufschrift "Arbeit macht frei" verwiesen (wenngleich ich die Prämisse nicht gänzlich teile).Welchen Standpunkt würden Sie hierbei einnehmen?Eine weitere Frage betrifft den Artikel "Probleme sprachlicher Klarfassung am Beispiel realsozialistischer Diktaturen". In diesem erklären Sie ausführlich, weshalb Sie die Ausdrücke "realsozialistisch" und "Ostblock" verwenden, nutzen aber einen weiteren politisierten Ausdruck relativ unreflektiert. Verbinden Sie mit der Bezeichnung "Warschauer Pakt" eine ähnliche Stellungnahme, die Sie diesen gegenüber dem "Warschauer Vertrag" bevorzugen läßt, oder handelt es sich hierbei eher um sprachliche Gewohnheit?Und zuguterletzt noch eine Frage zu dem Artikel über "Erinnerung und Geschichtsbewußtsein der Deutschen" vom Februar des letzten Jahres. Ein größerer Teil des Artikels wird durch zeitgenössische Sichtweisen, insbesondere in zunehmend revisionistischer Form zum Nationalsozialismus, eingenommen. In diesem Zusammenhang mußte ich an die Grabrede zu Ehren des damaligen Strafrichters und späteren Landespolitikers Hans Filbinger denken, dessen Nachfolger hierbei die Taten als "inneren Widerstand" einordnete, möglicherweise in einem falsch verstandenen Anfall von Pietät. Die Kritik an der Aussage war heftig, soweit ich mich erinnern kann, wobei ich mir unsicher bin, ob es auch Stimmen gab, die das ähnlich sahen.Wie würden Sie im Rahmen Ihres Artikels dieses Ereignis einordnen?Noch einmal im Voraus danke für die Antwort (und in Vorfreude auf weitere Blogartikel)Jerry
Hallo Herr Laval,
prinzipiell ist die Idee, Dinge dem nationalsozialistischen Sprachschatz zu entziehen ja in Ordnung. Aber wozu? In welchem Zusammenhang möchte ich "Arbeit macht frei" denn tatsächlich nutzen? Ich kann sagen "Arbeit wirkt befreiend", ohne Probleme, und habe mich wahrscheinlich auch noch präziser ausgedrückt. Ich denke, die lingua tertii imperii sollte als solche gebrandmarkt bleiben, schon alleine, damit wir sensibilisiert bleiben für das Problem von entmenschlichender Sprache generell. Worte wie "Sonderbehandlung" oder "Endlösung" haben ja dasselbe Problem. Ich könnte auch Waren in mein "Konzentrationslager" bringen, wo ich eben alle meine Samsung Bildschirme, die ich verkaufe auf einem Punkt konzentriere, aber warum, wenn ich "Zentrallager" sagen kann? Der Vorteil der Sprache als reines Nazi-Vokabular ist, dass ich deren Praktiken sehr präzise fassen kann. Wenn ich im Kontext des Nationalsozialismus von Sonderbehandlungen rede weiß ich, was gemeint ist. Ich kann dann auch im Kontext eines modernen Genozids sagen, dass die Praxis sich an die Sonderbehandlungen der Nazi-Zeit anlehnt - und wieder weiß ich sofort, was gemeint ist. Das ist nicht der Fall, wenn ich den Begriff wieder in den Allgemeinwortschatz überführt habe.
Und genau damit wären wir bei Ihrem zweiten Punkt. Die Verwendung des Wortes "realsozialistisch" dient der Differenzierung zwischen der sozialistischen Ideologie und den Staaten, die sie zu ihrer Legitimierung nutzten. Würde ich die DDR und die anderen Warschauer-Pakt-Staaten "sozialistisch" nennen, so würde ichd en Sozialismus als Ganzes diffamieren. Stattdessen kann ich so differenzieren. Das ist etwas, was ich bei "nationalsozialistisch" ganz bewusst will - jede Verwendung des Begriffs soll sofort das Dritte Reich assoziieren, ebenso "Sonderbehandlung" oder "Gleichschaltung".
Der Warschauer Pakt ist genauso wie der Ostblock eine sprachliche Gewohnheit. Wenn ich mich nicht irre wurden die Begriffe aber ebenfalls verwendet.
Was Oettinger betrifft, so versuchen die Konservativen seit langem, in diese Richtung zu gehen. Kohls "geistig-moralische Wende" 1982 hatte dieses Ziel; Oettinger ist da ein relativer Spätzünder. Ich denke in seinem Fall war es einfach unbedachte Pietät, aber es gibt definitiv Menschen, die so denken, und auch zahllose Menschen, die Filbingers Aussage zustimmen würden, weil sie die Implikationen nicht verstehen.
Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich unseren Mailwechsel unter den Artikel ergänze, gegebenenfalls anonym?
Liebe Grüße
Stefan Sasse
Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2012/08/darf-man-begriffe-benutzen-die-bisher.html