Notizen über „Nutzen und Nachtheil“ kritischer Geschichte für das Leben

In den vergangenen Monaten habe ich zusammen mit Kolleg/inn/en die Geschichte einer Umweltorganisation erarbeitet, die 2013 ihr 100jähriges Gründungsjubiläum beging. Was Historiker/innen kaum überrascht, war für viele Verantwortliche und Mitglieder dieser Organisation, die in den 1970er Jahren eine Wende vom staatsnahen Heimatverein zum kritischen Umweltverband durchlief, in der letztendlichen Deutlichkeit unerwartet.

Der Verband war auf organisatorischer, ideologischer und personeller Ebene mit dem Nationalsozialismus verflochten – er war ein integraler, wenn auch nicht unbedingt wichtiger Teil des NS-Machtapparats. Was mich als akademischen Historiker überrascht hat, waren die praktischen Fragen, die sich aus dieser neuen Sicht der Verbandsgeschichte ergaben und immer noch ergeben. Diese Überraschung möchte ich hier reflektieren und nehme dabei Friedrich Nietzsches Essay “Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben” [1] zu Hilfe.

Stolpersteine

Hier steht ein Gedenkstein für einen Naturschützer, der ein Moor vor dem Zugriff des Reichsarbeitsdienstes gerettet hat – durch seine guten Beziehungen. Er war NSDAP-Mitglied seit 1922, Teilnehmer am Hitler-Putsch von 1923 und „Alter Kämpfer“. Er hielt Naturschutz für “Rasseschutz”. Dort ist eine Straße nach einem Naturschützer benannt, der in den 1960ern den Ortsverband aus der Taufe hob und über Jahre am Leben hielt. Bis 1945 war erObersturmbannführer der SA in deren Propagandastab. Und dann ein Naturschutz-Funktionär, der die Belange von Natur und Umwelt in einem ganzen süddeutschen Bundesland fast allein verteidigte, ganz gegen den Trend der Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit. Dadurch wurde er zur Identifikationsfigur für eine ganze Generation von Naturschützern/innen der 1960er und 1970er Jahre. Karriere als Wissenschaftler hatte er vor 1945 gemacht, in dem er opportunistisch die Klaviatur des NS-Wissenschaftssystems bespielte und natürlich den einschlägigen Parteigliederungen beitrat.

Gedenksteine, Straßennamen, historische Identifikationsfiguren sind allesamt praktische Stolpersteine für eine kritische Neufassung deutscher Geschichten. Sie sind nicht nur Mittel des Erinnerns und der Traditionsbildung. Oft sind sie zum Selbstzweck geworden, zu eigenen Erinnerungsorten, die Anspruch auf “Denkmalpflege” erheben. Die Menschen, die konkret und vor Ort mit ihnen Umgehen, die sie in ihre eigene Biografien – häufig durchaus als gesellschaftskritische Bürger – eingebunden haben, fordern das Urteil des/r Historikers/in heraus. Und das zu Recht. Die Fakten stehen keineswegs zur Diskussion. Die besagten Naturschützer/innen wollen lediglich eines genauer wissen: was sollen wir nun mit diesem Wissen anfangen? Sollen wir die Plaketten abmontieren, die Straßen umbenennen, die Gründerfiguren durch neue ersetzen? Ist es das, was daraus folgt? Ist das die Antwort?

Nietzsche und Kritische Geschichte

Spätestens hier wird einem der Unterschied zwischen einer/m Historiker/in und einer/m Richter/in deutlich. Dieser setzt nach dem Urteil das Strafmaß fest, jener ist mit solch einer Frage weitestgehend überfordert. Die intuitive Reaktion einer/s Historikers/in wäre vielleicht, sich möglichst zurückzuziehen und allenfalls ein weiteres Projekt anzustoßen, das Gedenkpraxis aus dem Blickwinkel der Erinnerungskulturforschung untersucht. Mehr fällt mir eigentlich auch nicht mehr ein, außer vielleicht nochmal über die Frage des praktischen Werts kritischer Geschichte nachzudenken. Das möchte ich im Folgenden kurz tun, mit Hilfe von Friedrich Nietzsches Reflexion „Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben“.

Friedrich Nietzsche unterschied in dem Essay von 1874 drei Grundformen von Geschichtsschreibung – die monumentalische, die antiquarische und die kritische (siehe v.a. Kap. 2/3). Die monumentalische Geschichte versuche die vergangenen Heldentaten, die Heroen und ihre Siege in Erinnerung zu rufen; sie sei die Geschichte der Sieger, der Mächtigen und könne im vernünftigen Maß Vorbilder herausstellen und die Fähigen der Gegenwart zu großen Taten motivieren. Im Übermaß betrieben verleite sie dazu, den Niedergang zu beklagen und ob des eigenen Epigonentums in Lethargie zu verfallen. Die antiquarische Variante sei, so Nietzsche, insofern ihr Gegenpol, als sie sich auf den kleinen Raum, die nächste Umgebung und das Gewordensein lokaler Beziehungen konzentriere. Sie rufe dazu auf, den eigenen Nahraum, die jeweilige Lebenswelt als die bestmögliche zu begreifen, es sich in ihr gemütlich zu machen, sich selbst in eine Familien-, Stadt- oder Vereinsgeschichte gleichsam hinein zu erzählen. Nietzsche erkennt die stabilisierende, praktische Lebenshilfe, die aus solch einer fast selbsttherapeutischen Herangehensweise erwächst, warnt aber vor einer ganzen antiquarischen Kultur, die zuletzt überhaupt nichts Neues mehr zulassen will, weil der eigene Ort bereits in der Vergangenheit perfekt eingerichtet worden ist.

Im Gegensatz zu diesen beiden Formen stehe eine dritte, die kritische Geschichte. Sie sei nicht nur die Geschichte der Besiegten, der Unterdrückten und Ausgebeuteten, sie sei destruktiv, indem sie die Fehler vergangener Generation aufsuche und diese zu richten trachte – eine sehr notwendige Funktion, wie Nietzsche meint:

[Der Mensch] muss die Kraft haben und von Zeit zu Zeit anwenden, eine Vergangenheit zu zerbrechen und aufzulösen, um leben zu können: dies erreicht er dadurch, dass er sie vor Gericht zieht, peinlich inquirirt, und endlich verurtheilt […]. Mitunter aber verlangt eben dasselbe Leben, das die Vergessenheit braucht, die zeitweilige Vernichtung der Vergessenheit; dann soll es eben klar werden, wie ungerecht die Existenz eines Dings, eines Privilegiums, einer Kaste, einer Dynastie zum Beispiel ist, wie sehr dieses Ding den Untergang verdient. Dann wird seine Vergangenheit kritisch betrachtet, dann greift man mit dem Messer an die Wurzeln, dann schreitet man grausam über alle Pietäten hinweg (33-34).

Sicherlich muss man sich Nietzsches düsterer Kategorisierung von kritischer Geschichte nicht anschließen. Nicht zuletzt ist seine philosophisch-systematische Charakterisierung auch zirkulär bzw. in der eigenen Systematik verhangen; der kritische Ansatz ist düster, weil er von den Besiegten und Entrechteten per definitionem ausgeht und dementsprechend auf die Dekonstruktion der monumentalischen und antiquarischen Geschichte ausgerichtet ist. Dennoch, denke ich, weist Nietzsche auf einige Gefahren historischer Kritik hin, z.B. was das „Richten“ betrifft (siehe v.a. Kap. 6).

“Wer zwingt euch zu richten?”

Einerseits sieht er die Gefahr des umfassenden Historismus, der alles versteht und sich anverwandelt, der „eine solche Zartheit und Erregbarkeit der Empfindung ausbildet, dass ihm gar nichts Menschliches fern bleibt; die verschiedensten Zeiten klingen sofort auf seiner Lyra in verwandten Tönen nach: er ist zum nachtönenden Passivum geworden“ (56). Dieses radikale Historisieren – also des Verstehens aus dem jeweiligen zeitlichen Horizonts heraus und des sich Entäußern der eigenen Werte und Maßstäbe, arte zur „Toleranz, zum Geltenlassen des einmal nicht Wegzuläugnenden, zum Zurechtlegen und maassvoll-wohlwollenden Beschönigen“ (57) aus. Ebenso problematisch sieht er andererseits die billige Selbstgerechtigkeit derjenigen, „die im naiven Glauben [...], dass gerade ihre Zeit in allen Popularmeinungen Recht habe“, die „Vergangenheit“ der  eigenen „Trivialität“ (58) anpassten: „Als Richter müsst ihr höher stehen, als der zu Richtende; während ihr nur später gekommen seid“ (63). Es ist wohl typisch für Friedrich Nietzsche, dass er ein wahres, gerechtes und vor allem dem Leben nützliches Urteil nur von ganz wenigen Berufenen mit „jener innerlich blitzenden, äusserlich unbewegten und dunklen Ruhe des Künstlerauges“ zutraut und den anderen entgegenhält: „Wer zwingt euch zu richten?“ (63) Das gibt Helmut Kohls Spruch von der „Gnade der späten Geburt“ (1984 vor der Knesset), die einen vor Schuld bewahre, noch einmal eine neue Bedeutung. Nämlich: hütet euch zu richten, denn ihr seid lediglich später geboren.

Der Historikerstreit und die Frage von Kollektivschuld versus Kollektivverantwortung muss hier nicht rekapituliert werden. Eins wird jedoch deutlich. Nietzsche selbst liefert eine zeitgebundene Analyse vom Ende des 19. Jahrhunderts her. Nach 1945 wollen und können wir nicht mehr auf eine kleine Gruppe genialer Künstler-Historiker warten, die mit sicherem Auge Gerechtes von Ungerechtem unterscheidet und ihre Urteile fällt, während sich der Rest der Zunft und der Gesellschaft mit der Gnade der späten Geburt zufrieden gibt. Nicht nur, dass sich ein nietzscheanischer Virtuosen-Kult überlebt hat. Die Geschichte der Shoa, des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs, fordert eine wertende Analyse von den späteren Generationen. Eine streng historisierende Bewertung kann natürlich Ereignisse und Handlungen ebenfalls bewerten; vieles war einfach auch nach den damaligen Wertmaßstäben ein juristisches wie moralisches Verbrechen. Aber unsere Gesellschaft hat sich weiterentwickelt, hat neue Maßstäbe produziert – demokratische, pazifistische, inklusive und tolerante. Auch diese muss man an die Vergangenheit anlegen können, ohne selbstgerecht zu werden. Bloß, wie geht das? Das zumindest ist eine der Fragen, die sich mir ganz praktisch angesichts der NS-Geschichte des besagten Naturschutzverbandes stellen, weniger im Bezug auf konkret verurteilbare Verbrechen, als hinsichtlich seiner instrumentellen Funktion für eine antisemitisch, rassistisch, sexistisch und auf viele weitere Weisen ausschließende “Volksgemeinschaft”.

Vergangenes Geschehen und zu erinnernde Geschichte

Was kann man nun als Historiker/in auf die Frage nach den praktischen Konsequenzen neuer Erkenntnis antworten? Man kann darauf hinweisen, dass die Arbeit des/r Historikers/in sich von der des Staatsanwalts, Verteidigers oder Richters unterscheidet. Dass es um ein historisches Urteil geht, dass die Horizonte, die Kontexte und die Alternativen einer historischen Person und ihrer Handlungen berücksichtigen muss, und nicht um eine juristische Verurteilung – dazu ist unsere historische Methode nicht geeignet. Dass aber eine Frage energisch zurückgespiegelt werden muss: Taugen die historischen Akteure als Vorbild für unsere Zeit? Haben sie etwas Lehrreiches für Gegenwart und Zukunft zu sagen? Will man sich in ihre Tradition stehen? Und dass wir Material für eine Antwort liefern, die wir oft nicht alleine geben können.

Analytisch gesehen bedeutet das eine Trennung von Geschichte als vergangenem Geschehen, das mit Hilfe klassischer historischer Methoden rekonstruiert wird, und zu erinnernder Geschichte (explizit nicht erinnerter G., denn dies wäre erneut eine Frage der Rekonstruktion). Letzteres wirft eben die Frage nach unseren gegenwärtigen Maßstäben und unseren Interessen an der Vergangenheit auf, nach einem kritischen Erinnern. Allerdings ist das nicht mehr allein Expertise der Geschichtswissenschaft, sondern eine Frage des gesellschaftlichen Dialogs. Kritisch wäre an so einer Auffassung einerseits die wissenschaftliche Infragestellung/Dekonstrution der Vergangenheit (das Zerstören im Sinne Nietzsches) und andererseits die selbstkritische Begrenzung der eigenen Expertise und die dialogische Frage: wie wollen wir erinnern?

[1] Die Angaben beziehen sich auf die Reclam-Ausgabe Friedrich Nietzsche, Vom Nutzen und Nachtheil die Historie für das Leben, hg. v. Günter Figal, Stuttgart 2009.

Online-Ausgaben gibt es u.a. bei Zeno.org und Projekt Gutenberg.


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Quelle: https://kritischegeschichte.wordpress.com/2014/01/07/notizen-uber-nutzen-und-nachtheil-kritischer-geschichte-fur-das-leben/

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Geschichte von Klöstern und Orden #OpenAccess (3)

In dieser Rubrik werden Bücher und Artikel, die sich mit der Geschichte von Klöstern und Orden beschäftigen und die nun (auch) online – und zwar Open Access – zur Verfügung stehen, aufgeführt. Das soll auch als Anreiz verstanden werden.    Lennart Bohnenkamp, Regino von Prüm und die religiöse Bedeutung der Geschichtsschreibung im Frühmittelalter, in: Concilium medii aevi 14 (2011), S. 289–317, online: http://cma.gbv.de/dr,cma,014,2011,a,13.pdf.   Caroline Bruzelius, Nuns in Space: Strict Enclosure and the Architecture of the Clarissas in the Thirteenth century, in: Ingrid Peterson (Hg.), Clare of Assisi. A [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/4174

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Ute Daniel: Ganove und Gendarm zugleich


Die professionelle Geschichtswissenschaft ist immer beides zugleich: Ganove und Gendarm. Sie ist, blickt man in der Geschichte zurück, oft daran beteiligt, die Vergangenheit im Dienste der jeweiligen Gegenwart (oder des jeweiligen politischen Systems) umzudeuten. Und ebenso oft ist sie eifrig damit beschäftigt, die Indienstnahme der Vergangenheit durch die Gegenwart herauszuarbeiten und zu kritisieren. Beides gleichzeitig ist möglich, weil auch die Wahrung professioneller Standards nicht verhindern kann, der Geschichte einen gewünschten Sinn zu unterlegen: Politisierte Geschichtsschreibung (mit einer starken Interpretation) ist eben nicht notwendigerweise schlechte (oder unwissenschaftliche) Geschichtsschreibung. Ganz im Gegenteil, würde ich sagen: Wer sich einzig darauf konzentriert, alle wissenschaftlichen Standards zu beachten und möglichst viele Fußnoten zu machen, erzeugt mit ziemlicher Sicherheit eines – nämlich langweilige Geschichtsschreibung. Und damit überlässt man das Feld der Deutungen denjenigen, die weniger Skrupel und mehr manipulative Ziele haben. Außerdem verschließt man durch Verlangweiligung den unendlich bereichernden Erfahrungsschatz, den die Vergangenheit bietet, für alle, die keine professionellen Historiker sind. Und das ist in gewissem Sinne auch politisch. Geschichtsschreibung ist also immer politisch – und das ist gut so.
Aber nicht nur die professionelle Geschichtsschreibung ist immer politisch. Das ist auch jede gedeutete Vergangenheit (und anders als eine gedeutete ist Vergangenheit nicht verfügbar). Wenn beispielsweise das Dritte Reich damit erklärt wird, dass die Nationalsozialisten vor und nach 1933 propagandistisch und medial so erfolgreich waren, dann geschieht dreierlei: Erstens werden die damaligen Wähler und Unterstützer der NSDAP entmenschlicht, indem sie zu manipulierten, irrationalen Wesen degradiert werden. Zweitens wird der Einfluss unterschlagen, den damals diejenigen Kreise hatten, die die Nationalsozialisten weder gewählt noch gemocht haben, sie aber Januar 1933 ans Ruder brachten. Drittens wird implizit so eine Linie von damals Richtung heute gezogen, die uns Heutigen über die Menschen von damals erhebt: Wir sehen im Vergleich zu unseren Vorgängern so viel reifer, so viel klüger aus! Das ist vielleicht die schlimmste Folge einer Geschichtsschreibung, die die Erfahrungen und Deutungsweisen früherer Menschen nicht ernst genug nimmt: dass sie uns gefährlich selbstgerecht macht…

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Prof. Dr. Ute Daniel ist Professorin für die Geschichte des 19./20. Jahrhunderts und der Frühen Neuzeit an der Technischen Universität Braunschweig. Ihre Forschungsinteressen liegen auf der europäischen Kultur- und Sozialgeschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts und auf Theoriefragen der Kulturgeschichtsschreibung, zu denen sie 2001 das „Kompendium Kulturgeschichte“ vorgelegt hat. Sie ist seit 2006 Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.

Quelle: http://gid.hypotheses.org/121

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Vortrag: Europäische Geschichtskulturen um 1700 zwischen Gelehrsamkeit, Politik und Konfession

Am 29. Juni 2012 wurde am Historicum der LMU München der Sammelband „Europäische Geschichtskulturen um 1700 zwischen Gelehrsamkeit, Politik und Konfession“ präsentiert. Eingeladen hatten zu dieser Veranstaltung das am Institut für Geschichte der Universität Wien und am Institut für österreichische Geschichtsforschung angesiedelte FWF-Start-Projekt „Monastische Aufklärung und die Benediktinische Gelehrtenrepublik“, der Lehrstuhl für mittelalterliche Geschichte mit dem Schwerpunkt Spätmittelalter an der Ludwig-Maximilians-Universität München, die Monumenta Germaniae Historica sowie der Verlag De Gruyter. Es sprachen für den einladenden Lehrstuhl Prof. Dr. Claudia Märtl, für den Verlag Julia Brauch sowie zur [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/644

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Sammelband: Europäische Geschichtskulturen um 1700

Anfang 2012 erschien beim Verlag De Gruyter der Band mit den Beiträgen einer 2010 in Wien gehaltenen Tagung zu Geschichtsschreibung und Geschichtsforschung in verschiedenen Ländern Europas in den Jahrzehnten um 1700, an der sowohl junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als auch namhafte Größen der Gelehrsamkeits- und der Ordensgeschichte aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und den USA teilnahmen (Tagungsbericht). Nicht nur weil das Forschungsprojekt Monastische Aufklärung und die benediktinische Gelehrtenrepublik (angesiedelt am Institut für Geschichte der Universität Wien und am Institut für Österreichische Geschichtsforschung) die Veranstaltung ausrichtete, sondern [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/665

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Essay-Preis der Zeitschrift WerkstattGeschichte und des Klartext-Verlags vergeben

Im Januar haben wir hier über den Essay-Preis der Zeitschrift WerkstattGeschichte berichtet. Der Verein für kritische Geschichtsschreibung, der die WerkstattGeschichte herausgibt, hat die Frage “Was ist kritische Geschichtsschreibung heute?” gestellt; einige Dutzend Historiker/innen haben als Antwort Essays eingesandt, die sich mit dem Thema kritische Geschichtsschreibung auseinandersetzen. Am heutigen Dienstag wurde der Preisträger bekannt gegeben: Achim Landwehr mit dem Essay “Die Kunst, sich nicht allzu sicher zu sein: Möglichkeiten kritischer Geschichtsschreibung”.

Der Preis wird auf dem Historiker/innentag verliehen und der Essay ist jetzt bereits auf der Homepage der Zeitschrift runterzuladen. Das Votum der Jury (Franziska Augstein, Annett Gröschner, Axel Doßmann, Monica Juneja, Silke Törpsch, Michael Wildt, Dietlind Hüchtker), der die Einsendungen anonymisiert vorlagen, war einstimmig.

Die Jury begründete ihre Entscheidung wiefolgt: Der “Essay ist ein Plädoyer für eine kritische Geschichtsschreibung, der es um eine ‘Entselbstverständlichung’ von Geschichte geht. In seinem bemerkenswert unprätentiösen Text führt Landwehr vielschichtig vor, wie Nicht-Eindeutigkeit und Verunsicherung im Verhältnis von Vergangenheit und Gegenwart das Schreiben kritischer Geschichte möglich machen kann.” Ich selbst habe den Essay gelesen und war angetan von der klaren Sprache, in der eine Selbstkritik der Geschichtswissenschaft (“Was ist das Gegenteil kritischer Geschichtsschreibung?”) in produktive Fragen umgewandelt werden kann.

Was kennzeichnet die WerkstattGeschichte, die den Preis verliehen hat? Ein wenig Eigenwerbung, denn der Autor dieses Blog-Eintrags ist Redaktionsmitglied:

Die Zeitschrift WerkstattGeschichte wird von einem Verein getragen. Sie existiert seit 1992, hängt nicht wie viele andere Fachzeitschriften an einem Lehrstuhl oder einem Forschungsinstitut und konzentriert sich auf epochen- und regionenübergreifende Themenhefte zur Alltags-, Geschlechter-, Sozial- und Kulturgeschichte. Die inhaltlichen Linien werden von einem Herausgeber/innenkollektiv entwickelt. Die Redaktion setzt sich aus derzeit 8 Historiker/innen zusammen, die an der Universität, in Verlagen und Redaktionen tätig sind. Sie arbeiten gemeinsam mit den Autor/innen an den Manuskripten und sichern in der kollektiven Diskussion die Qualität der Beiträge. Besonderes Anliegen der Zeitschrift ist es in Debatten- und Werkstatttexten jungen Historiker/innen und innovativen Forschungsansätzen ein Forum zu bieten. Externe Herausgeber/innen können Themen vorschlagen und Hefte zusammen mit der WerkstattGeschichte entwickeln.

Themenhefte, die älter als zwei Jahre sind, können auf der Homepage der Zeitschrift kostenlos heruntergeladen werden. Rezensionen stehen vollständig online zur Verfügung. Eine Erweiterung des Online-Auftritts ist in Planung.


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Quelle: http://kritischegeschichte.wordpress.com/2012/09/19/essay-preis-der-zeitschrift-werkstattgeschichte-und-des-klartext-verlags-vergeben/

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Nochmals die Besiegten – von Livius zu Walter Benjamin

Nochmals die Gescheiterten und Besiegten, als Supplement zum vorigen Eintrag . Für einen Vortrag im Rahmen einer Lehrerfortbildung war vor ein paar Wochen über Livius zu sprechen. Die ersten zehn Bücher von Ab urbe condita sind demnächst Gegenstand des Lateinabiturs in Niedersachsen. Suche nach einem Einstieg in den Vortrag. Beliebt ist die Rezeptionsgeschichte, um die Bedeutung des Gegenstandes herauszustreichen. Aber die Zeit, als aus Livius Funken für die eigene Gegenwart...(read more)

Quelle: http://faz-community.faz.net/blogs/antike/archive/2012/09/16/nochmals-die-besiegten-von-livius-zu-walter-benjamin.aspx

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Die leidige Verweigerung der Gleichzeitigkeit

HSOZKULT weitet den Blick. Beim Sortieren der Botschaften, die einem täglich in den Email-Account flattern, sortiert man zwar schnell zwischen relevant oder nicht relevant für die eigene Forschung. Manchmal ergibt sich jedoch eine produktive Irritation aus den entfernteren Bereichen der Geschichtswissenschaft. Leider gibt es auch weniger produktive Irritationen, wie den Bericht zu einer Tagung des Erlanger Forschungsprojekts “Gotische Kriegergruppen im spätrömischen Reich” mit dem Titel “Mobile Kriegergruppen in Europa und Afrika. Transkulturelle Perspektiven”.

Belisar und die Goten (1830), aus: Wikimedia Commons.

Als Ziel der Tagung geben die Veranstalter an:

“Der Workshop bringt Phänomene zusammen, die sonst getrennt betrachtet werden: Kriegergruppen im spätantiken Mittelmeerraum sowie neuzeitliche Kriegsherren und ihre Gefolgschaften in Afrika. [...] Der Workshop untersucht sowohl die Gemeinsamkeiten mobiler Kriegergruppen im Europa der Spätantike und im (vor-)modernen Afrika als auch phänomenologisch ähnliche Entwicklungen in unterschiedlichen Kulturräumen und zu verschiedenen Zeiten. Die sich aus dem komparativ angelegten Programm ergebenden transkulturellen Perspektiven sollen der Schärfung des methodischen Zugriffs in den beteiligten Disziplinen dienen. Hinter der Auswahl der Einzelthemen steht der Versuch, eine Zusammenstellung anschaulicher Beispiele für die Bedeutung von Mobilität für den Erfolg im fortwährenden Daseinskampf der Kriegergruppen zu geben.”

Verwunderlich an diesem Programm ist vor allem die, wahrscheinlich unbewußte, Perpeturierung kolonialer Perspektiven und Narrative. Seit dem späten 19. Jahrhundert durchzieht die Erzählung vom zivilisatorischen Entwicklungsvorsprung Europas insbesondere gegenüber afrikanischen Bevölkerungen die kolonialen Diskurse. Dies produzierte zum einen die Idee der Geschichtslosigkeit Afrikas und zum anderen die Idee, afrikanische Gesellschaften mit den “Barbaren”, wie sie von den römisch-antiken Autoren beschrieben wurden, zu vergleichen. Der Ethnologe Johannes Fabian hat diese diskursive Praxis als “denial of coevalness” bezeichnet. Ergebnis der “Verweigerung der Gleichzeitigkeit” war die radikale Alterisierung und letztendlich die Legitimation kolonialer Unterwerfung afrikanischer Bevölkerungen.

Das diese Vergleiche nun erneut angestellt werden, lässt mich gelinde gesagt staunen. Wenn man schon diese radikale Enthistorisierung von “Gewaltgemeinschaften” vornimmt – warum (1) nimmt man nicht europäische Gewaltgemeinschaften der Neuzeit in den Vergleich mit hinein. Das 20. Jahrhundert böte genügend Beispiele – der Verweis auf Timothy Snyders “Bloodlands” dürfte hier wohl genügen. Warum (2) untersucht man nicht die Interaktion von Europäern und Afrikanern, die in zahlreichen Kolonialkriegen transkulturelle Gewaltgemeinschaften bildeten, etwa während des Maji-Maji-Krieges in “Deutsch-Ostafrika”? Warum nicht rezente euro-amerikanische Söldner-Armeen, wie etwa die “Sicherheitsdienstleister” von Blackwater? Warum nicht die Zusammenhänge von afrikanischen Gewaltgemeinschaften und globalen Wirtschaftsbeziehungen (Stichwort: Sklavenhandel im 19. Jahrhundert oder Rohstoffmärket für “blutige Diamanten”, Erdöl oder seltene Erden im 20. Jahrhundert)?

Die Organisatoren argumentieren in dem zitierten Statement insbesondere mit der Mobilität der untersuchten Kriegergruppen.  M. E. ist es jedoch fraglich, ob es genügt, ein Charakteristikum herauszugreifen, um diese Art des Vergleichs zu rechtfertigen. Wenigstens müssten die Traditionslinien klar und kritisch reflektiert werden, in denen diese Herangehensweise steht, bevor man sie reaktiviert. Der Tagungsbericht und die Tagungsankündigung geben leider keinen Hinweis darauf, dass dies geschehen ist. Aber vielleicht erschließt ja ein zukünftiger Sammelband das Feld auf andere Weise.

Zitierte Literatur:

Johannes Fabian, Time and the Other. How Anthropology makes its Object, New York 2002 [1983].


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Quelle: https://kritischegeschichte.wordpress.com/2012/06/28/die-leidige-verweigerung-der-gleichzeitigkeit/

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Karl Bosl in Cham abmontiert

Wie die Süddeutsche Zeitung (sueddeutsche.de, 29.11.2011, 12:20) gestern berichtete und der Nachrichtendienst für Historiker verlinkte, hat der Stadtrat von Cham vergangene Woche beschlossen Karl Bosl (1908-1993) die Ehrungen durch seine Geburtsstadt abzuerkennen. Ummittelbar danach wurde das Straßenschild des nun ehemaligen Prof.-Karl-Bosl-Platzes abmontiert. Gleiches soll mit einer 50.000 Euro teueren Bronzebüste Bosls geschehen, die die Stadt 2003 aufgestellt hatte.  Zuvor hatte der Stadtrat den Stadtarchivar Timo Bullemer beauftragt, Vorwürfe zu prüfen, Bosl habe seine Rolle als Widerstandskämpfer während der NS-Zeit erfunden.

Bosl – Erneuerer der Bayerischen Landesgeschichte im Sinne einer Struktur- und Sozialgeschichte in den 1950er und 60er Jahren -  war seit 1930 Mitglied des Stahlhelm gewesen, im Mai 1933 in die NSDAP, in den NS-Lehrerbund und danach auch in die SA eingetreten. Der Historiker Matthias Berg verweist in der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft darauf, dass Bosl zunächst keine aktive Rolle in den NS-Organisationen eingenommen habe, die Mitgliedschaft  sogar nach Wohnungswechseln einschlafen ließ. Nach seiner Promotion 1938 allerdings erwies sich Bosl als linientreuer Nachwuchsforscher und übernahm ein Forschungsprojekt des SS-Ahnenerbes zur Lehensgeschichte. Dass dem jungen Bosl keine Dozentur zuerkannt wurde, lag viel eher daran, dass das Kriegsende nahte, als an einer vermeintlich Widerstandstätigkeit, wie Bosl nach 1945 vorgab. Um eine Einstufung als ‘Mitläufer’ zu verhindern, gab Bosl unter Eidesstatt an, er sei Mitglied des Ansbacher Widerstands gewesen. Zeugen oder Quellenbelege gibt es dafür keine. Im Gegenteil deuten die von Berg  untersuchten Akten auf eine ‘mustergültige’ Wissenschaftlerkarriere und Vernetzung im NS-Wissenschaftsapparat hin, die vor allem über die Beziehung zu seinem Lehrer Karl-Alexander v. Müller ging.

Vgl. Matthias Berg, Lehrjahre eines Historikers. Karl Bosl im Nationalsozialismus, in: ZfG 59 (2011) 1, S. 45-63.


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Quelle: http://kritischegeschichte.wordpress.com/2011/11/30/karl-bosl-in-cham-abmontiert/

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Zweimal linke Bewegungsgeschichte

Richard Müller Novemberrevolution Cover Sachen, die man lesen könnte:

Da ist zum einen das dritte Heft Beiträge zur Geschichte einer pluralen Linken. Bewegungen, Parteien, Ideen, herausgegeben von Marcel Bois und Bernd Hüttner, erschienen. Auf die beiden ersten Hefte habe ich hier schon hingewiesen.

Und dann habe ich mir noch „Eine Geschichte der Novemberrevolution“ von Richard Müller angesehen. Im Original erschienen 1924 und 1925 wurde diese jetzt neu herausgegeben.
Geschichtspolitisch und historiographisch halte ich das Buch für bedeutend. So war Müller Metallarbeiter und Vorsitzender des Vollzugsrats der Arbeiter- und Soldatenräte in der deutschen Novemberrevolution. Wir erhalten mit seiner Darstellung der Geschehnisse einen Blick auf die Revolution aus Sicht der Räte und revolutionären Obleute, die in den gängigen Darstellungen nicht oder nur verzerrt widergegeben wird.
Müller ging es politisch um den Nachweis, dass die Eskalation der Konflikte eine gezielte Strategie der Gegenrevolution war: Es gab keinen Bürgerkrieg von links, vielmehr wurde der Bürgerkrieg von rechts geführt. Müller arbeitete dazu recht akribisch mit historischen Belegen. Und so ist seine „Geschichte der Novemberrevolution“ auch eine im akademischen Sinn richtige Geschichtsschreibung, die in der Einleitung von Ralf Hoffrogge lesenswert in die Historiographiegeschichte eingeordnet wird.


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Quelle: https://kritischegeschichte.wordpress.com/2011/10/29/zweimal-linke-bewegungsgeschichte/

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