„Wir Kinder vom Busbahnhof“, Steinewerfer, „Surfin‘ Gaza“ und schwarze Wassertanks auf Häusern
Ein Workshop des Bildungswerks Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung
Am 3. Dezember 2016 kamen zwölf junge Leute im sogenannten Aquarium im Südblock am Kottbusser Tor in Berlin zusammen, um sich in einem vom Kommunikationswissenschaftler Felix Koltermann konzeptionierten und geleiteten Workshop mit den verschiedenen visuellen Facetten des israelisch-palästinensischen Konflikts auseinanderzusetzen. Nicht nur die großen Fensterfronten ließen den Eindruck entstehen, dass man sich in einem Aquarium befindet. Früher war in den Räumen tatsächlich ein Aquaristik-Fachgeschäft; inzwischen gibt es aber Vorhänge, und die Wasserbewohner sind ausgezogen.
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Guck mal, wer da bloggt 19! Blogs bei de.hypotheses.org
Mittlerweile haben wir bei de.hypotheses über 350 Blogs angelegt und nähern uns mit großen Schritten dem 4. Geburtstag des deutschsprachigen Portals. Natürlich haben es noch nicht alle in den Katalog geschafft, aber jede Woche werden es mehr. Und da seit der letzten Runde “Guck mal, wer da bloggt” im Dezember wieder einige Blogs aktiv geworden sind, wird es Zeit einige davon hier vorzustellen. Es folgt der Versuch die Vielfalt der Wissenschaftsblogs bei Hypotheses in eine Überschrift zu packen:
Von bloggenden Doktoranden, blühenden Bildern und uneindeutigen Zeiten und welche Rolle Archive, Bibliotheken, Institute und Graduiertenkollegs dabei spielen.
Ab wann sehen Babys 3D? & Frühchen und Theorie of Mind
Den Anfang machen drei Blogs aus Bonn.
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August 1916: „Alles zusammengeschossen“
„Die Zeitungen schreiben ja nicht sehr viel von hier. Es ist nämlich ein furchtbarer Kampf“, berichtet der Soldat Walter Kleinfeldt am 4. August 1916 in einem Feldpostbrief von der Westfront an seine Familie. In dem Band „Walter Kleinfeldt. Fotos von der Front 1915-1918“ stellen Irene Ziehe und Ulrich Hägele eine eindringliche Sammlung von Fotografien, Tagebuchausschnitten, Briefexzerpten und biografischem Beiwerk aus dem Leben des jungen Soldaten Walter Kleinfeldt zusammen. Der Fotografiehistoriker Anton Holzer nennt diese Komponenten im Vorwort des Bandes das „private Gepäck“[1] der Soldaten, denen er ein großes Maß an Anschaulichkeit des „Leben[s] und Sterben[s] an der Front“[2] zuspricht.
Quelle: https://www.visual-history.de/2015/10/19/august-1916-alles-zusammengeschossen/
Entwicklung der organisierten Privatfotografie im Dritten Reich
Die private deutsche Kriegsfotografie ist als Bestandteil der gesamten privaten Fotografie während der NS-Herrschaft anzusehen. Im Zuge der andauernden Gleichschaltungsprozesse des Jahres 1933 bemühte sich somit das NS-Regime auch die bestehenden Strukturen der deutschen Amateurfotografie in systemtreue eigene Organisationen umzuwandeln oder zu übernehmen. Den jeweiligen internen oder nahestehenden Organisationen der verbotenen Parteien wie dem „Arbeiter-Lichtbild-Bund“ der SPD oder dem „Verband der Arbeiterfotografien Deutschlands“ der KPD wurden infolge der Parteienverbote die ökonomische Basis entzogen. Daher mussten diese faktisch auch nicht aufgelöst werden, sie stellten ihre Verbandsarbeit mangels Teilnehmern von selbst ein. Deshalb verzichtete das RMVP, bzw. das zuständige Referat Lichtbild, dann auch auf eine Übernahme jener Parteiorganisationen. Generell herrschte aber im Frühjahr 1933 eine gewisse Ratlosigkeit, wie nun die Zukunft der organisierten Amateurfotografie und damit auch die Zukunft seines größten Verbandes dem „Verband Deutscher Amateurfotografie” (VDAV) auszusehen habe, zumal die politische Zuverlässigkeit des VDAV keinesfalls gesichert schien.Folglich kam es zur Neugründung eines eigenen parteigebundenen Verbandes unter Leitung von Heiner Kurzbein, in Personalunion auch Leiter des Referat Lichtbild im RMVP, unter dem Namen „Reichsbund Deutscher Amateurfotografen (RDAF)“ trug. Heiner Kurzbein sorgte durch seine Doppelfunktion für eine enge Verflechtung von Berufs- und Amateurfotografieauf der obersten Organisationsebene. Der ADAV wurde darüber hinaus dem von staatlicher Seite als Dachverband verstandenen RDAF untergeordnet.
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Bemerkungen zu Peter Henisch: „Die kleine Figur meines Vaters“
Der stark autobiografisch geprägte Roman „Die kleine Figur meines Vaters“ ist eine literarische Auseinandersetzung von Peter Henisch mit dem Leben und der Beziehung zu seinem Vater, dem bekannten österreichischen Pressefotograf und prominenten NS-Kriegsfotograf Walter Henisch.
Walter Henisch (*26. November 1913, Wien; +22. März 1975, Wien) war nach einer handwerklichen Lehre und Arbeitsdienstzeit als freier Pressefotograf in Wien tätig. Im Mai 1939 wurde Henisch zur Wehrmacht einberufen, den Kriegsbeginn erlebte er als Meldegänger in Polen. Nach einigen Monaten erfolgten dann die Versetzung zur Propagandatruppe und der Dienst als „Bildberichter“ in der Propagandakompanie (PK) 612 bzw. ab August 1943 in der PK 693.
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Fotogeschichte
Bereits im Jahr 1981 in Frankfurt am Main gegründet, gilt die Zeitschrift „Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie“ heute als international renommierte Fachzeitschrift, die sich mit den Themen Fotografie sowie Gesellschaft beschäftigt und einen wichtigen Beitrag zur Etablierung der Fotografiegeschichte als Teil der Kultur- und Gesellschaftsgeschichte leistet. Die wissenschaftliche Vierteljahreszeitschrift, die seit 2001 von Anton Holzer (Wien) herausgegeben wird, ist ein wichtiges und international anerkanntes Forum für fotohistorische Debatten: Hier werden neue Themen und Forschungsergebnisse sowie die aktuelle Literatur in fundierten Rezensionen präsentiert, wobei jedes Heft vier bis sechs längere wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der Fotografie, zahlreiche Buch-, Katalog- und Ausstellungsbesprechungen sowie Hinweise zu aktuellen Forschungsarbeiten zu diesem Themenfeld enthält. Das gesamte Archiv der Zeitschrift ist online über ein Themen- und Stichwortverzeichnis erschlossen.
Im aktuellen Themenheft der „Fotogeschichte“, herausgegeben von Marion Beckers und Elisabeth Moortgat (Heft 134 / 2014 / Jg. 34), werden ausgewählte „Kriegsfotografinnen“ und ihre Arbeiten in den Jahren von 1916 bis 1944 vorgestellt, deren Erfahrungen und Bilder in der Fotogeschichtsschreibung lange Zeit wenig Beachtung fanden. So werden gleichfalls Amateurfotografinnen – oftmals Krankenschwestern, die den Kriegsalltag bildlich einfingen – als auch professionelle Fotografinnen näher betrachtet, die in den beiden Weltkriegen sowie im Spanischen Bürgerkrieg im eigenen Auftrag oder für Institutionen bzw. die Presse mit militärischer Akkreditierung fotografiert haben. Während im Ersten Weltkrieg die Zahl der vornehmlich aus Großbritannien und Österreich stammenden Kriegsfotografinnen noch überschaubar war, stieg ihre Zahl im Spanischen Bürgerkrieg an, nachdem der Beruf der Fotografin sich europaweit während der 1920er-Jahre insgesamt stark verbreitet hatte.
Duncan Forbes stellt in seinem Beitrag erstmals die Fotografien der Britin Vera Elkan vor, die mit Film- und Fotokamera im Auftrag der angelsächsischen „Aid Spain“-Bewegung zur Unterstützung der republikanischen Truppen und der Internationalen Brigaden vor Ort in Spanien arbeitete. Wie bei Elkan auch ist das Selbstbild und die gesellschaftliche Rezeption der fotografierenden Kriegsreporterinnen Thema weiterer Heftbeiträge: etwa bei Elisabeth Klaus, die anhand von Texten und Bildern der Österreicherin Alice Schalek – die erste deutschsprachige akkreditierte Kriegsreporterin und Fotografin – deren Selbstverständnis als Journalistin und Frau sowie ihre Gegnerschaft zum Pazifisten
Karl Kraus nachzeichnet. Nicht nur dieser Beitrag verdeutlicht dabei die Notwendigkeit einer Revision des Stereotyps von der grundsätzlich pazifistischen Frau im Kriegsgeschehen. Wie unterschiedlich die Kriegsfotografinnen nach Kriegsende in ihren Heimatländern behandelt wurden, zeigt der Beitrag von Elisabeth Bronfen. Anhand ausgesuchter Poträtfotografien beschreibt sie die glamouröse und popkulturelle Selbstpräsentation sowie Rezeption dreier akkreditierter US-Fotografinnen in Uniform: Lee Miller, Margaret Bourke-White und Martha Gellhorn. Der Artikel von Margot Blank behandelt hingegen die eher zurückhaltende Rezeption der Kriegsfotografinnen in der Sowjetunion, die bis hin zu Äußerungen des Misstrauens und der Anfeindung reichte, anhand der Schicksale von Natalja Bode und Olga Lander.
In ihrer aktuellen Ausgabe gibt die Zeitschrift „Fotogeschichte“ erneut interessante Einblicke in die Facetten der Fotografiegeschichte und liefert damit wichtige Impulse für die historische Bildforschung, an deren Entwicklung u.a. das Projekt „Visual History. Institutionen und Medien des Bildgedächtnisses“ beteiligt ist.
„Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie“; Herausgeber: Dr. Anton Holzer; Jonas Verlag für Kunst und Literatur GmbH; www.fotogeschichte.info
Quelle: http://www.visual-history.de/2015/03/10/fotogeschichte/
Fotografie, Staat und Öffentlichkeit: Signal Corps-Fotografien im und nach dem Zweiten Weltkrieg
ARCHIV-AUGUST 2022
Die Visual History-Redaktion nutzt den Monat August, um interessante, kluge und nachdenkenswerte Beiträge aus dem Visual History-Archiv in Erinnerung zu rufen. Für die Sommerlektüre haben wir eine Auswahl von acht Artikeln getroffen – zum Neulesen und Wiederentdecken!
(4) Und auch der nächste neu oder wieder zu entdeckende Beitrag aus dem Archiv beschäftigt sich mit Kriegsfotografie. Moderne Kriege werden nicht nur auf dem Schlachtfeld ausgetragen, sondern auch in der Öffentlichkeit. Viele Staaten haben sich mit der Einrichtung von Nachrichtentruppen ein Instrument geschaffen, die Produktion und Verbreitung von Kriegsinformationen selbst in die Hand zu nehmen. Unsere Abteilungsleiterin Annette Vowinckel hat sich die Geschichte der Foto-Einheiten des US-amerikanischen Signal Corps angesehen.
Der Artikel erschien am 12.
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Deutsche Kriegsfotografie im Zweiten Weltkrieg – Zwischen privater und professioneller Praxis
Autoren: Armin Kille, Thomas Lienkamp
Der Zweite Weltkrieg ist trotz der zeitlichen Distanz von fast 75 Jahren wie kein anderer Krieg in der deutschen Erinnerungskultur präsent. Es handelt sich um ein historisches Ereignis, das bis in die heutige Zeit auf individueller wie kollektiver Ebene von allen Generationen mit ganz bestimmten Bildern assoziiert wird. Bilder, die sich größtenteils auf Fotografien beziehen, die dem damaligen Geschehen auch tatsächlich entstammen. Diese ausgeprägte visuelle Dimension der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg hängt unmittelbar mit dessen historischer Situierung im beginnenden „Visuellen Zeitalter“ zusammen. In keinem vorherigen Krieg spielte die private und professionelle Produktion von fotografischen Bildern eine so große und wirkmächtige Rolle.
Das Forschungsblog verortet sich bewusst im Forschungsfeld der Visual History1. Dem Ansatz der Visual History folgend werden Fotografien, zusätzlich zu ihrer Rolle als Quelle, auch “als eigenständige Gegenstände der historiografischen Forschung”2 erfasst. Somit werden sie nicht nur als Darstellungsobjekt einer vergangenen Realität betrachtet, sondern ebenso als Vermittler von Wahrnehmungshorizonten und Denkhintergründen, als Multiplikator von Sehgewohnheiten und Ästhetiken sowie als Erzeuger einer eigenen Realität verstanden.
Um einen möglichst breiten Blick über das Themenfeld der deutschen Kriegsfotografie zu erreichen, werden in thematisch und methodisch ergänzenden Beiträgen die beiden wichtigsten Gruppen von Bildautoren in einer eng kooperierenden Projektgruppe untersucht:
Professionelle Fotografen lieferten im staatlichen Auftrag Aufnahmen, durch die ein einheitlich konstruiertes Bild des Krieges für die Öffentlichkeit entstehen konnte. Die eigens dafür in den „Propagandakompanien“ (PK) zusammengefassten Berufsfotografen begleiteten die Einheiten der Wehrmacht und der Waffen-SS und erstellten Material für die Kriegsberichterstattung in den deutschen und neutralen Medien. Ihre vorrangige Prämisse war dabei die gezielte Modellierung einer virtuellen Kriegsrealität, eines gewollten Bild des Krieges, das den Zielen und Zwecken der Staats- und Wehrmachtführung entsprach und der deutschen Öffentlichkeit vermittelt werden sollte.
Andererseits wurden durch die zahlreichen privat fotografierenden Soldaten sehr viele individuelle Bilder des Krieges konstruiert. Durch diverse technische Neuerungen begünstigt erreichte das Fotografieren auch im privaten Gebrauch einen Höhepunkt und entwickelte sich in den 1920er Jahren zu einem alle Gesellschaftsschichten durchdringenden Phänomen. Es zeigte sich, dass Amateure und Knipser gerade auch in der Ausnahmesituation Krieg weiter fotografierten und in ihren Aufnahmen zwischen soldatischer Alltagsfotografie, touristischem Blick und bellizistischer Sensationsfotografie oszillierten. Dabei gestalteten die Soldaten, bewusst wie unbewusst, ihren ganz privaten Bilderkosmos.
Auch wenn die fotografischen Quellen ausreichend vorhanden sind, handelt es sich bei einem Vergleich zwischen privater und professioneller Kriegsfotografie im Zweiten Weltkrieg bis heute um ein weitgehendes Forschungsdesiderat. Das konzipierte Blogprojekt möchte seinen Beitrag leisten, diese Lücke, 75 Jahre nach Kriegsanfang, weiter zu schließen.
- Vgl. weiterführend Paul, Gerhard, Visual History. Version 3.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.03.2014, URL: http://docupedia.de/zg/Visual_History_Version_3.0_Gerhard_Paul?oldid=88771, Stand: 31.07.2014.
- Vgl. Paul, Gerhard, Visual History. Ein Studienbuch, Göttingen 2006, S. 25.
Bilderkrieger, oder: Wer fotografiert den Krieg?
„Mein Arbeitsplatz ist sicher, denn diese Typen – sie werden niemals aufhören zu kämpfen. Ich würde aufhören, wenn das nur ein Job wäre. Aber es ist eine Art zu leben.“
Was der französische Kriegsfotograf Patrick Chauvel hier zum Ausdruck bringt, würden viele seiner Kollegen sicher unterschreiben. Wer einmal angefangen hat, Krieg zu fotografieren, kommt davon oft nicht mehr los – so zumindest berichten es viele der in diesem Band vertretenen Fotografinnen und Fotografen. Der von Michael Kamber zusammengestellte Band enthält 21 Gespräche mit 15 Männern und fünf Frauen, die in Kriegen von Vietnam bis Afghanistan fotografierten (Joao Silva ist mit zwei Gesprächen vertreten).
Eingeteilt sind die Gespräche in die Komplexe „Mission“, „Krieg“ und „Narben“. Überwiegend handelt es sich dabei um bereinigte Transkriptionen von Interviews, in zwei Fällen (Francesco Zizola und Don McCullin) um Erinnerungsprotokolle von Gesprächen, die nicht aufgezeichnet wurden. Die hier besprochene Ausgabe ist eine Übersetzung des bei University of Texas Press ebenfalls 2013 erschienenen Buches Photojournalists on War – The Untold Stories from Iraq. Die einzelnen Beiträge sind zwischen 5 und 12 Seiten lang und schließen jeweils mit einer einzelnen doppelseitigen Abbildung aus dem Werk des Fotografen. Am Ende findet sich zudem ein visueller Epilog, der aus neun Fotografien von Personen besteht, die im Interviewteil nicht vertreten sind.
Aus den Interviews geht hervor, wie unterschiedlich die einzelnen Kriegsfotografen arbeiteten und noch arbeiten. Gleichwohl bilden sich auch bestimmte Muster heraus, die immer wiederkehren und so dazu beitragen, einen „idealtypischen“ Kriegsfotografen entstehen zu lassen, den man etwa so beschreiben könnte: Am Anfang steht zwar keine Ausbildung, aber die Überzeugung, dass es eine moralische Verpflichtung gibt, das vom Krieg verursachte Leid zu dokumentieren und der Weltöffentlichkeit zu zeigen, und zwar unabhängig davon, ob sich die Weltöffentlichkeit dafür auch interessiert oder nicht – letzteres sei nämlich häufig der Fall. Partei ergreifen die Fotografen selten für einen Krieg führenden Staat oder eine Gruppe im Bürgerkrieg; Partei ergreifen sie aber sehr wohl für die leidende Zivilbevölkerung. Dass sie selbst sich dabei in Lebensgefahr begeben, nehmen sie billigend in Kauf. Angst empfinden sie, fühlen sich jedoch entweder verpflichtet, diese in den Griff zu bekommen, oder genießen auch den Adrenalinkick, den die Gefahrensituation auslöst. Sie sind extrem genügsam, untereinander gut vernetzt und haben entweder keine Familie oder sind geschieden.
So weit bestätigen sie frühere Aussagen von Kriegsfotografen, die es in großer Zahl gibt und die stets um die gleichen Themen kreisen. Dennoch sind die Interviews spannend zu lesen und da besonders eindrücklich, wo die Protagonisten ihre eigene Verstrickung in das Geschehen beschreiben: Manche leiden, wie Soldaten, unter posttraumatischem Stresssyndrom, manche haben Schuldgefühle, weil sie Mitmenschen in Gefahr bringen oder befürchten, dass die Präsenz der Kamera Gewalttaten auch auslösen (statt verhindern) kann.
Zudem kommen auch einige Fotografen zu Wort, die nicht den Krieg selbst, sondern seine Folgen dokumentieren, sei es im Zusammenhang mit der Benachrichtigung der Angehörigen von gefallenen Soldaten, sei es im Kontext der Rehabilitation Schwerverletzter, die von der Öffentlichkeit gern vergessen werden. Diese Fotografen bilden ein gutes Gegengewicht zum Typ Gefahrensucher, als der die meisten Kriegsfotografen erscheinen – mitunter allerdings wohl auch zu Unrecht. Schließlich erklären alle hier vertretenen Fotografen, dass Vorsicht, Erfahrung, vernünftiges Abwägen von Risiken und eine gute Vernetzung ausschlaggebender für den Erfolg seien als blindes Draufgängertum.
Eine historische Einordnung der Kriegsfotografie in die Geschichte des 20. Jahrhunderts nimmt der Herausgeber nicht vor – und das ist auch gut so, gibt es doch schon reichlich Literatur zum Thema. Besonders beeindruckend ist indes die Auswahl der im Band abgedruckten Fotografien, die zum Teil schon durch die Medien gingen, darunter Anja Niedringhaus’ Foto eines U.S. Marine im Irak, der eine GI Joe Figur – also eine Art militärischen Ken – im Rucksack trägt; dieses Bild gewann als Teil einer Serie einen Pulitzer-Preis für Fotografie. (Anja Niedringhaus wurde am 4. April 2014 – weniger als ein Jahr nach Erscheinen des Buches – bei der Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit in Afghanistan erschossen; eine kanadische Kollegin überlebte schwer verletzt.) Andere Fotografien – wie das von Ashley Gilbertson aus einem Hubschrauber aufgenommene Bild des Camp Lima im Irak, in dem polnische Soldaten eben ein Sonnenbad nehmen, sind vielfach unbekannt. Angesichts der Tatsache, dass im Textteil eher wiederholt eine Inflation der Bilder als ein Mangel an Bildern beklagt wird, ist die Zurückhaltung bei der Bildauswahl und die Beschränkung auf einige herausragende Aufnahmen ebenso konsequent wie überzeugend. Das Buch ist mit Fadenheftung, Lesebändchen und guter Druckqualität handwerklich sehr schön gemacht. Aktuell wird es wohl noch lange bleiben.
Michael Kamber, Bilderkrieger. Von jenen, die ausziehen, uns die Augen zu öffnen. Kriegsfotografen erzählen, Hollenstedt: Ankerherz 2013, 287 Seiten mit zum Teil farbigen Abbildungen, ISBN 978-3-940138-44-6, € 29,90 (D); € 30,70 (A); CHF 45,00
Quelle: http://www.visual-history.de/2014/06/30/bilderkrieger-oder-wer-fotografiert-den-krieg/