Historische Fotobestände aus Südamerika im Archiv für Geographie (Leipzig)
Das Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig (IfL) verfügt über ein in Deutschland einmaliges Archiv zur Geschichte der Geographie. 1902 als „Archiv für Forschungsreisende“ vom Geologen Alphons Stübel (1835-1904) gegründet, befinden sich heute fast 200 Nachlässe von Geographen und Forschungsreisenden sowie Akten von zentralen Fachverbänden, Vereinen und Redaktionen im Archiv für Geographie. Zu den bekanntesten Nachlassbildnern zählen Friedrich Ratzel (1844-1904), Hans Meyer (1858-1929), Albrecht Penck (1858-1945), Erich von Drygalski (1865-1949), Walter Christaller (1893-1969) oder Wolfgang Hartke (1908-1997). Neben den Schriftbeständen verfügt das Archiv über eine große Sammlung historischer Bilddokumente, darunter ca. 150.000 Fotografien.
Wie das gesamte Archiv gehen auch die Anfänge der Bildersammlung auf Stübel zurück. Von 1868 bis 1877 hielt er sich in Südamerika auf, um vornehmlich vulkanologischen Forschungen in den Anden nachzugehen.
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Bilder der Revolte: „Studium ist Opium“
Die Demonstrationen rund um den Schah-Besuch, der Tod von Benno Ohnesorg oder die Proteste gegen die Notstandsgesetze sind Motive der Fotografien von Ludwig Binder (1928-1980). Der ehemalige Student der Freien Universität Berlin hatte 1961 ein eigenes Fotostudio eröffnet, nachdem er schon vorher für verschiedene Zeitschriften und Zeitungen tätig gewesen war. Mit seinem Team aus freien Mitarbeitern hielt er nun viele große und kleinere Ereignisse im geteilten Berlin mit der Kamera fest. Trotzdem ist Binder heute nur noch einem kleinen Kreis von Personen bekannt, und auch in der Wissenschaft fanden seine Bilder wenig Beachtung. Diesen Zustand wollen die Initiatoren von „Bilder der Revolte“ ändern.
Die noch recht junge Webseite, die im Rahmen des Kultur-Hackathons „Coding da Vinci“ entstanden ist, ist ein relativ kleines Projekt:[1] Kulturinstitutionen stellen sonst schwer zugängliche Daten- oder Bildersätze ins Internet, die dann von allen Nutzern frei verwendet werden können. Das Projekt „Bilder der Revolte“ zeigt die Aufnahmen des Fotografen Ludwig Binder, die die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland digitalisiert und unter einer Creative Commons-Lizenz (CC BY-SA 3.0 DE) verfügbar gemacht hat.
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Quelle: https://www.visual-history.de/2016/12/19/bilder-der-revolte-studium-ist-opium/
„Lost in Transition?“
1. Einleitung
Es ist das Jahr 1984. Wir sehen den Klassenraum einer zehnten Klasse an einer West-Berliner Gesamtschule, der Politikunterricht hat vor zehn Minuten begonnen. Die Schüler_innen sitzen auf ihren Plätzen, vor ihnen auf den Tischen liegen Arbeitsblätter. Die Schüler_innen sehen auf ihre Arbeitsblätter, sie scheinen zu lesen. Es ist ruhig in der Klasse. Wir hören ein klapperndes Geräusch, die Schüler_innen blicken auf, die Stimme des Lehrers ist zu hören: „Oh, oh, oh, was ist denn da mit der Kamera los? Die Kappe war nicht ab?“ Eine männliche Stimme antwortet „Doch.
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Quelle: https://www.visual-history.de/2016/12/12/lost-in-transition/
„Guten Tag, ich bin der Klassenfeind“
Ministerium für Staatssicherheit vom Trockenboden eines Hochhauses – Wolf Biermann bei Privatkonzert vor Journalisten – Abwicklung des Freikaufs von politischen Gefangenen – Friedliche Proteste 1989 am Alexanderplatz. Motive, die Klaus Mehner zwischen 1973 und 1989 in der ehemaligen DDR vor die Linse kamen und die seit 2003 bei der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur archiviert sind. Er war 16 Jahre als akkreditierter Fotojournalist für das Nachrichtenmagazin SPIEGEL in der DDR tätig.
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Quelle: https://www.visual-history.de/2016/11/28/guten-tag-ich-bin-der-klassenfeind/
Von August Sander bis heute
In loser Folge stellen wir auf www.visual-history.de Institutionen vor, die im Kontext der Historischen Bildforschung von Interesse sind. Wir erkunden fotohistorische Sammlungen, Museen und Archive oder beleuchten einzelne Bildbestände.
Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur in Köln wurde 1992 mit der Übernahme des August Sander Archivs gegründet. Der Nachlass eines der bedeutendsten Fotografen des 20. Jahrhunderts legte den Grundstein für eine mittlerweile stark angewachsene Sammlung, die bis in die zeitgenössische Fotografie reicht.
Die Institution hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Sander-Bestand nicht nur zu archivieren und wissenschaftlich zu betreuen, sondern gleichermaßen die Forschung zu dokumentarischer Fotografie voranzutreiben. Sachlich-dokumentarische Fotografie als künstlerisches Ausdrucksmittel steht demzufolge im Fokus der Sammlungsaktivitäten.
Die Gründer orientierten sich an Institutionen wie beispielsweise in den Vereinigten Staaten, wo Fotografie innerhalb von Museen zu einem deutlich früheren Zeitpunkt als in Deutschland wahrgenommen und ausgestellt wurde. Inzwischen zeichnet sich das Sammlungsprofil durch weit mehr Künstler als nur August Sander aus, wenn auch die Identifikation mit seinem Werk stark ist. Laut Gabriele Conrath-Scholl – Leiterin der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur –, ist es insbesondere die zeitlose Anschlussfähigkeit der dokumentarischen Fotografie Sanders an unterschiedliche und immer neue Fragestellungen, die den Kernbestand der Sammlung so richtungsweisend macht: „Die vielen verschiedenen Themen und die Methodik, die sich im August Sander Archiv spiegeln, dienen unserer Arbeit als Fundament, ja geradezu als Ideenpool.“ Auf 450 Quadratmetern Fläche zeigt die Institution zwei bis drei Sonderschauen pro Jahr, größtenteils aus eigenen Beständen, aber auch im Austausch mit nationalen und internationalen Museen.
Von Gabriele und Helmut Nothhelfer bis Walker Evans, von historischen Reisefotografien des 19. Jahrhunderts bis hin zu zeitgenössischen fotografischen Kartierungen Kölns – in den Ausstellungen spiegelt sich das Spektrum der Sammlung wider. Und zwischendurch: immer wieder August Sander. Zuletzt konnten Besucher noch Fotografien des US-amerikanischen Künstlers Jim Dine sehen, dessen fotografisches Archiv ebenso zum Bestand der Institution zählt. Der jüngste Zugang zur Sammlung ist ein Konvolut des Fotografen Martin Rosswog, der in den 1980er-Jahren sein Studium bei Bernd Becher absolvierte. Ein Teil der Arbeiten von Rosswog ist auch in der aktuellen Ausstellung „Entlang Europa“ zu sehen. In dem fotografischen Langzeitprojekt porträtiert der Künstler seit den 1980er-Jahren ländliche Lebenswelten sowie deren Bewohner und steht damit in direkter Tradition zu den Aufnahmen August Sanders, Walker Evans oder Bernd & Hilla Becher.
Der Bestand
Die Sammlung umfasst etwa 30.000 Werke internationaler Fotografen und Fotografinnen. Das Spektrum reicht dabei von der Frühzeit der Fotografie bis zur Gegenwart und von regionalen Künstlern bis hin zu den „Stars“ der internationalen Fotoszene. Die Schlüsselthemen sind Porträt, Landschaft, Architektur sowie urbaner und industrieller Raum. Das Herzstück der Sammlung – das August Sander Archiv – besteht aus 10.500 Negativen und 5500 Originalabzügen. Im Besitz der Stiftung befindet sich auch die Sammlung der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh), die ihren Sitz ebenfalls in Köln hat und deren Gründungsmitglied nicht zuletzt auch August Sander war.
Liste der vertretenen Künstler*innen: http://www.photographie-sk-kultur.de/sammlung-a-z/
Forschung
Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur steht für Wissenschaftler*innen offen. Für die Forschung – insbesondere für die historische Forschung – ist sie von besonderem Wert, da sie nicht nur große Werkkomplexe von Originalabzügen umfasst, sondern teilweise auch Negative, zugehörige Kontaktabzüge oder Dokumente, die die Entstehungsprozesse der Fotografien nachvollziehbar werden lassen und die Einordnung in kulturhistorische Zusammenhänge ermöglichen. Der Bestand ist außerordentlich gut erschlossen. Rund 95% der Objekte sind umfassend inventarisiert. Dabei geht die Erfassung in vielen Fällen über die Standard-Inventarisierung hinaus, da die Archivierung nach Möglichkeit jeweils an Künstler*in und Werk angepasst wird. So sind beispielsweise beim Werk von Bernd und Hilla Becher Bildgruppen und Hänge-Ordnungen mit registriert. Das umfangreiche Werk des Fotografen Karl Blossfeldt (1865-1932) ist online auf der Homepage der Stiftung recherchierbar: http://www.photographie-sk-kultur.de/karl-blossfeldt/werke/. Langfristig sollen noch weitere Bestände online zugänglich gemacht werden.
Für Forscher*innen steht überdies eine Fach-Bibliothek zur Verfügung. Vor allem Literatur zur Geschichte der Fotografie, Fototheorie oder einzelnen fotografischen Richtungen, aber auch Künstlermonografien, Ausstellungs- und Auktionskataloge und eine Sammlung von Zeitungsausschnitten stehen zur Benutzung bereit. Die Stiftung ist ebenfalls im Besitz von 900 Bänden der Privatbibliothek von August Sander, die vor Ort nach Terminabsprache eingesehen werden können.
Die Photographische Sammlung/
SK Stiftung Kultur
Im Mediapark 7
50670 Köln
Telefon: 0049-(0)221-88895 300
Fax: 0049-(0)221-88895 301
photographie@sk-kultur.de
www.photographie-sk-kultur.de
Öffnungszeiten der Ausstellungen: Täglich von 14 bis 19 Uhr, mittwochs geschlossen, montags Eintritt frei
Öffnungszeiten Bibliothek: Montag bis Donnerstag 9.00 bis 14.00 Uhr
Quelle: http://www.visual-history.de/2015/03/16/von-august-sander-bis-heute/
Comics als historische Quelle
Comics begleiten die Menschen weltweit schon seit mehr als 100 Jahren in verschiedensten Formen, sei es als Strip in Zeitungen, als klassisches Comic-Heft, als Album und „graphic novel“ oder nunmehr auch in digitaler Form im Internet. Sie sind nicht nur Unterhaltung, sondern immer auch Spiegel unserer Gesellschaften. Als historische Quelle wurden sie jedoch erst relativ spät entdeckt. Wie mit ihnen als Quelle umgegangen werden kann, wird im folgenden Artikel beleuchtet, indem in chronologischer Folge an ausgewählten Beispielen ihre Potenziale als text-bildliche Quelle vorgestellt werden.
Als der Comic Anfang der 1990er-Jahre als Medium historischen Lernens entdeckt wurde, erschienen auch die ersten Publikationen zum Comic als Quelle.[1] Bis dahin galt er als Teil einer Populärkultur, die zwar für Kinder und Jugendliche gedacht war, aber weder als wertvoll noch als bildungsrelevant angesehen wurde; ganz im Gegenteil galten Comics spätestens seit den Anti-Comic-Kampagnen der 1950er-Jahre als verdummend.[2] Geschichte wurde daher und überwiegend nur thematisiert, wenn es sich bei den Comics um sogenannte Geschichtscomics, also Comics mit historischen Inhalten handelte. Ausgehend von der These, dass gerade Jugendliche schnell und leicht von den bunten Heftchen zu beeinflussen seien, entstand schnell die Vorstellung, dass Generationen von Jungen ihr Mittelalterbild von Serien wie „Sigurd“ oder „Prinz Eisenherz“ erworben hätten. Empirische Studien, die dies be- oder widerlegen, gab und gibt es bis heute jedoch nicht.[3]
Dass der Comic jedoch unabhängig von seinen Inhalten eine wertvolle wissenschaftliche und pädagogische Ressource zur Dekonstruktion gesellschaftlicher Normen und Werte sein kann, zeigte sich deutlich mit dem Erscheinen der ersten wissenschaftlichen Studien über die US-amerikanischen Superheldencomics; sie waren ein Spiegel des gesellschaftlichen Umgangs mit Krisen, Gewalt und Sexualität. Heute sind Comics in mehrfacher Hinsicht eine wichtige Quelle für die Analyse von (Geschichts-)Kultur. Sie sind ein Zeugnis gesellschaftlicher Werte und Normen, von Geschlechterverständnissen oder Moden; sie spiegeln die Gesellschaft und deren aktuelle Diskurse wider. Als Geschichtscomics stellen sie darüber hinaus einen Teil unserer Erinnerungskultur dar, der gerade im Bereich des historischen Lernens in den letzten Jahren einen immer wichtigeren Platz einnimmt.
Das hat mehrere Gründe. Als visuelles Medium zieht der Comic über seinen Bildanteil die Aufmerksamkeit der Lesenden auf sich. Durch die Symbiose von Bild, Text und Symbolen gelingt es dabei guten Comics, die Lesenden an sich zu binden. Das liegt nicht zuletzt an den Funktionsmechanismen des Comics, wie beispielhaft Scott McCloud zeigt:[4] Zwischen den einzelnen Panels (den umrandeten Bildern) eines Comics vergeht Zeit, die die Lesenden selbst per Induktion überbrücken müssen und dabei ihre eigene Imagination einbringen (Abb. 1). Geschickt eingesetzte Symbolismen in Figuren (Stereotypen) und Gegenständen ermöglichen zudem eine schnelle Orientierung in einer Narration (Abb. 2). Unterscheidungen in gut/böse, gefährlich/ungefährlich und Ähnliches gelingen so schnell. Bilden Zeichenstil und erzählte Geschichte eine Einheit, kann der Comic bei den Lesenden zudem synästhetische Effekte auslösen. Denn obwohl beim Lesen nur ein (optischer) Sinn stimuliert wird, werden bei der Verarbeitung der visuellen Informationen mehrere Sinne angesprochen. Comics binden also Lesende in hohem Maße an sich und beeinflussen diese durch die verwendeten Symbolismen und gewählten Stilrichtungen eher unbewusst – und dadurch oftmals besonders effektiv. Sie ermöglichen daher auch eine narrative oder interpretative Lenkung der Lesenden.
Populärkultur als Spiegel der Gesellschaft und Teil der Geschichtskultur
Jeder Comic verfügt über Quellenauthentizität; in ihm spiegeln sich also verschiedenste Einstellungen über die Gesellschaft und Zeit wider, in der er entstanden ist. Das gilt auch für historische Deutungen. Einer der ersten Comics, die in diesem Zusammenhang große Aufmerksamkeit erfahren haben, war Hergés „Tim und Struppi“ („Les aventures de Tintin“). So zeigt zum Beispiel das Album „Tim im Kongo“ deutlich die damals gültigen gesellschaftlichen Normen und Vorstellungen von „rassischen“ Ungleichheiten. Einheimische erschienen als dumm und arbeitsfaul, und erst Tim in der Rolle als Kolonialherr brachte das nötige Maß an Ordnung mit und damit eine funktionierende Gesellschaft.[5] Solche Darstellungen führten jedoch erst im neuen Jahrtausend zu vermehrter Kritik und Fragen, wie gerade die Nachdrucke zu handhaben seien.[6] Heute wird der Comic nur noch mit einem entsprechenden Vermerk gedruckt, der auf die belgische Kolonialzeit verweist.
Comics sind jedoch auch Spiegel politischer Krisen. So kann die Entstehung der Superheldencomics als US-amerikanische Antwort auf die deutsche nationalsozialistische Aggressionspolitik verstanden werden. Sie dienten der moralischen Stütze der amerikanischen Gesellschaft und der Motivation der nach Europa entsandten Soldaten. Obwohl die Charaktere reine Phantasieprodukte waren, so produzierten doch einzelne Künstler immer wieder kurze Sequenzen, in denen Superhelden die größten Feinde der Nation, wie Hitler und Stalin, direkt angriffen. Eines der berühmtesten Beispiele ist „How Superman would end the war“, ein kurzer Strip, der heute auch online zu lesen ist.[7] Auch einer der zurzeit populärsten Helden, „Captain America“, wurde extra für den Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland erschaffen. In seiner der amerikanischen Flagge nachempfundenen Uniform steht er für eine heroische und letztlich siegreiche Nation. Je komplexer die Außenpolitik der USA wurde, desto vielfältiger griffen und greifen die Superheldencomics amerikanische (Außen-)Politik auf.[8]
Aber nicht nur der etablierte Comicmarkt reagierte auf den Zweiten Weltkrieg. Tatsächlich lassen sich in vielen von den Deutschen besetzten Staaten Untergrundcomics finden, die während des Krieges oder kurz danach veröffentlicht wurden und den Kampf gegen die Besatzer demonstrieren. Berühmte Beispiele sind „Das Biest ist tot. Der Zweite Weltkrieg bei den Tieren“ aus Frankreich oder auch „Struwwelhitler“ aus Großbritannien.[9]
In den 1950er- und 1960er-Jahren spiegelte die deutsche Comiclandschaft als Reaktion auf die weltweiten Anti-Comic-Kampagnen vor allem eine konservative und restriktive Gesellschaft wider, wie Bernd Dolle-Weinkauff in seinem Opus Magnum zur deutschen Comicgeschichte detailreich darstellt.[10] Mit der steigenden Popularität von Comicserien wie „Asterix“ Ende der 1960er-Jahre entdeckten auch politische Aktivisten den Comic für sich. So wurden die Comicfiguren – illegal – genutzt, um zum Beispiel gegen Atomkraftwerke zu mobilisieren.[11]
Selten fanden solche Werke auch den Weg in Archive oder Bibliotheken. In den USA wurden zu dieser Zeit die Undergroundcomics populär, in denen Künstler wie Robert Crumb und Trina Robbins sich provozierend mit gesellschaftlich normierter Sexualität und Rollenbildern auseinandersetzten. Auch Art Spiegelman, der später berühmt gewordene Autor und Zeichner von „Maus. Die Geschichte eines Überlebenden“, publizierte in entsprechenden Comicmagazinen seine ersten Werke.
Comic-Künstler hatten sich bereits schon seit mehreren Dekaden auch mit historischen Inhalten auseinandergesetzt. In der Bundesrepublik waren es Serien wie die „Illustrierten Klassiker“, die auch historische Stoffe in Comicform anboten und damit dem Medium vor dem Hintergrund der immer wieder zitierten Verdummungskampagnen eine seriöse Aura vermitteln sollten.[12] In den 1980er-Jahren erschienen auf dem deutschen Markt immer mehr Comics, die – zumindest oberflächlich – Geschichte zum Inhalt hatten. Es handelte sich dabei vor allem um ein neues Marktsegment: „Comicalben“, die gezielt für ein älteres und damit auch anspruchsvolles und finanzkräftigeres Publikum hergestellt wurden. Besonders populär waren Serien wie „Vae Victis!“ oder „Reisende im Wind“.[13] Diese Abenteuercomics spiegelten wider, wie sich die Comic-Künstler der 1970er- und 1980er-Jahre die Antike oder die Neuzeit vorstellten, und nutzten die Epochen als exotischen Hintergrund vor allem, um möglichst spannende und teilweise auch äußerst gewaltlastige und sexualisierte Plotlinien darzustellen.
Der Blick auf das damit entstehende Genre der Geschichtscomics ist jedoch für die Wahrnehmung von Comics als Quelle essenziell, denn gerade eine Analyse des deutschen Comicmarkts kann für das Verständnis der deutschen (populären) Geschichtskultur äußerst hilfreich sein. So ist in den letzten 25 Jahren eine große Zahl an Comics erschienen, die den Zweiten Weltkrieg und die Shoah thematisieren – dabei handelt es sich in der Masse der Veröffentlichungen nicht um deutsche Produktionen, sondern Übersetzungen aus verschiedensten west- und teilweise auch osteuropäischen Ländern. Die „graphic novel“ als in den 1990er-Jahren entstandene Publikationsform bietet dafür die ideale Plattform.[14] Obwohl die Wortkombination auf Fiktionalität verweist, so erheben doch viele dieser Publikationen den Anspruch auf – zumindest partielle – Authentizität und belegen dies auch ggf. durch Literaturnachweise.
Besonders interessant ist hier das Subgenre des Holocaustcomics. Dass es sich überhaupt erst in Deutschland durchsetzen konnte, ist vor allem den langanhaltenden Diskussionen um Art Spiegelmans „Maus“ zu verdanken.[15] Spiegelman etablierte den Geschichtscomic als seriöses Medium in der deutschen Kulturlandschaft. Damit einher ging ein deutlicher Trend zur Schwarz-Weiß-Zeichnung bei quellenbasierten Geschichtscomics. Diese Art der Simulation von Vergangenheit verweist auf eine Darstellungskonvention unserer Zeit. Beeinflusst durch frühe Fotografien und Filmaufnahmen tendieren wir dazu, Schwarz-Weiß-Bildern Quellenauthentizität zuzuschreiben. Erst in den letzten Jahren nutzen Comic-Künstler wieder vermehrt farbige Darstellungen, um Geschichte(n) über die Shoah zu erzählen. Künstler können auch Authentizität simulieren, in dem sie grafische Stile der dargestellten Zeit aufgreifen, [16] oder aber der Stil verweist auf den Grad der Authentizität. So wählte Joe Kubert für „Yossel, 19 April 1943“ Bleistiftzeichnungen. Diese verweisen auf eine eigentlich unfertige Zeichnung, die üblicherweise noch nachgetuscht wird, und damit auf den Charakter der erzählten Geschichte – eine „was-wäre-wenn“-Narration, in der Kubert fabuliert, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn seine Eltern nicht rechtzeitig aus Polen emigriert wären.
Zwei Publikationsformen haben in den letzten Jahren besondere Aufmerksamkeit erfahren: Auseinandersetzungen der zweiten und dritten Generation mit dem Geschehen in Form von Autobiografien mit biografischen und historischen Rückblicken oder Reportagen. Zweitens spielen Comics, die gezielt für historische Lernprozesse eingesetzt werden, eine wichtige Rolle wie Eric Heuvels „Die Suche“, Pascal Crocis „Auschwitz“ oder auch im US-amerikanischen Raum „X-Men. Magneto Testament“.[17] Bei diesen Publikationen haben interessanterweise biografische oder autobiografische Zeugnisse einen immer geringeren Stellenwert. Ganz bewusst werden also immer mehr fiktionale Elemente eingesetzt, um faktuale Geschichte möglichst umfassend darzustellen.[18]
Schließlich bietet der Comicjournalismus eine weitere, gegenwartsbezogene Möglichkeit des reflektierenden Blicks auf unsere Gesellschaften. Als Hauptbegründer dieses Genres gilt heute Joe Sacco, der mit seinen Arbeiten zu Krisen und Kriegen im ehemaligen Jugoslawien und Israel den Comicjournalismus etablierte.[19] Werke solcher Künstler, die in Krisengebiete reisen und ihre Berichte in Comicform festhalten, bieten gerade durch den Verzicht auf Fotografien und die Transformation des Erlebten in die Comicform teilweise sehr intensive Einblicke in die Generierung von Wissen in unserer heutigen Gesellschaft.
Comics als Teil einer Visual History
Um Comics überhaupt erst für eine Visual History nutzbar zu machen, bedarf es der intensiven methodischen Diskussion innerhalb der Fachwissenschaft und Geschichtsdidaktik. Nur mit ausreichender Medienkompetenz lassen sich der Comic und seine hybriden analogen und digitalen Formen analysieren. Je stärker die populäre Geschichtskultur in den Blick der Forschung gerät, desto besser wird unser Verständnis der Bedeutung von Geschichtscomics für unsere Kultur. Ein ebenso großes Problem ist der Quellenzugriff. Gerade jenseits der Comic-Alben und graphic novels sind nur wenige Comics (Hefte, Picolos und andere Formate) systematisch gesammelt und damit in Archiven oder Bibliotheken öffentlich zugänglich. Ebenso schwierig ist es, Rezeptionswege dieser Art der populären Geschichtskultur nachzuzeichnen. Das stellt die geschichtswissenschaftliche Comicforschung heute vor große Herausforderungen, doch das Ergebnis lohnt die Mühe.
[1] Vgl. Michael F. Scholz, Comics – Eine neue historische Quelle, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 38 (1990), S. 1004-1010.
[2] Vgl. Marc Degens, Wie amerikanische Comic Books die Welt verändert haben, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken 56 (2002) H. 9-10, S. 833-839.
[3] Vgl. Christine Gundermann, Jenseits von Asterix. Comics im Geschichtsunterricht, Schwalbach 2007, S. 74.
[4] Scott McCloud, Comics richtig lesen, 3. Aufl., Hamburg 1995.
[5] Vgl. Hergé, Werkausgabe, Bd. 2: Der brave Herr Mops; Tim im Kongo; Tim in Amerika, Hamburg 1999, S. 44.
[6] Vgl. Kolonialismus im Comic. Gericht entscheidet: Tim und Struppi nicht rassistisch, Der Tagesspiegel, 10.2.2012, online unter: http://www.tagesspiegel.de/kultur/comics/kolonialismus-im-comic-gericht-entscheidet-tim-und-struppi-nicht-rassistisch/6197264.html (10.7.2014).
[7] Vgl. How Superman would end the war, online unter http://www.archive.org/stream/HowSupermanWouldEndTheWar/look#page/n1/mode/2up (10.7.2014). Jerry Siegel und Joe Shuster hatten diese Kurzepisode speziell für die Zeitschrift “Look” 1940 geschaffen. „Superman“ war bereits so populär, dass er hier zur Unterhaltung und politischen Mobilisierung einer größeren Leserschaft eingesetzt werden konnte.
[8] Vgl. Stephan Packard, „Whose Side Are You On?” Zur Allegorisierung von 9/11 in Marvels Civil War-Comics, in: Sandra Poppe/Thorsten Schüller/ Sascha Seiler (Hrsg.), 9/11 als kulturelle Zäsur Repräsentationen des 11. September 2001 in kulturellen Diskursen, Literatur und visuellen Medien, Bielefeld 2009, S. 317-336.
[9] Vgl. Edmond-François Calvo/Victor Dancette, Het Beest is dood! De Wereldoorlog bij de dieren, Amsterdam 1977; Philip Spence/Robert Spence, Struwwelhitler. A Nazi Story Book by Doktor Schrecklichkeit, London 1941. Zwei weniger bekannte Beispiele aus den Niederlanden werden vorgestellt in: Christine Gundermann, “Opgepast …de Duitsers”. Geschichtspolitik in niederländischen Comics, in: Ralf Palandt (Hrsg.), Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics, Berlin 2011, S. 359-374, hier S. 362.
[10] Vgl. Bernd Dolle-Weinkauff, Comics. Geschichte einer populären Literaturform in Deutschland seit 1945, Weinheim 1990.
[11] Vgl. U. Raub u.a., Asterix und das Atomkraftwerk, o.A. vermutlich 1979 (Raubdruck).
[12] Die „Illustrierten Klassiker“ erschienen von 1956 bis 1972 im Bildschriftenverlag und boten vor allem Literaturklassiker in Comicformat an. Eine Auflistung der Reihe findet sich auf www.comicguide.de.
[13] Vgl. Simon Rocca/Jean-Yves Mitton, Vae Victis!, 15 Bde., Strasbourg 1991-2006; François Bourgeon, Reisende im Wind, 5 Bde., Reinbek bei Hamburg 1981-1987.
[14] Die graphic novel als „gezeichneter Roman“ verweist erst einmal nur auf ein Publikationsformat, bei der eine umfangreiche Geschichte in einem spezifischen individuellen Stil in einem Buch (also nicht in mehreren Bänden) veröffentlicht wird. Auf dem deutschen Comicmarkt wurde der Begriff vor allem genutzt, um Publikationen von klassischen Comic-Alben, also Serienproduktionen, abzugrenzen und Vorurteile von Lesenden gegenüber Comics zu umgehen.
[15] Einführend: Kai-Steffen Schwarz, Vom Aufmucken und Verstummen der Kritiker. Die Diskussion um Art Spiegelmans „Maus“, in: Joachim Kaps (Hrsg.), Comic Almanach 1993, Wimmelbach 1993, S. 107-113.
[16] Ein hervorragendes Beispiel ist „Berlin 1931“ von Felipe H. Cava und Raúl, München 2001.
[17] Vgl. Eric Heuvel u.a., Die Suche, Amsterdam 2007; Pascal Croci, Auschwitz, Köln 2005; Greg Pak/Carmine Di Giandomenico, X-Men. Magneto Testament, New York 2009.
[18] Siehe dazu Christine Gundermann, Geschichtskultur in Sprechblasen: Comics in der politisch-historischen Bildungsarbeit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) 33-34/2014, S. 24-29, online unter http://www.bpb.de/apuz/189530/comics-in-der-politisch-historischen-bildung?p=all.
[19] Vgl. Joe Sacco, Safe Area Goražde, Seattle 2001; Joe Sacco, Palestine, Seattle 2002.
Literatur
François Bourgeon, Reisende im Wind, 5 Bde., Reinbek bei Hamburg 1981-1987.
Pascal Croci, Auschwitz. Eine Graphic Novel, Köln 2005.
Felipe H. Cava/Raúl, Berlin 1931, München 2001.
Victor Dancette/Calvo, Het Beest is dood. De Wereldoorlog bij de dieren, Amsterdam 1977.
Marc Degens, Wie amerikanische Comic Books die Welt verändert haben, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken 56 (2002), H. 9-10, S. 833-839.
Bernd Dolle-Weinkauff, Comics. Geschichte einer populären Literaturform in Deutschland seit 1945, Weinheim 1990.
Will Eisner, Grafisches Erzählen. Graphic Storytelling, Wimmelbach 1998.
Christine Gundermann, Geschichtskultur in Sprechblasen: Comics in der politisch-historischen Bildungsarbeit, in: APuZ, (2014) H. 33-34, S. 24-29.
Christine Gundermann, Jenseits von Asterix. Comics im Geschichtsunterricht, Schwalbach 2007.
Christine Gundermann, „Opgepast … de Duitsers“. Geschichtspolitik in niederländischen Comics, in: Ralf Palandt (Hrsg.), Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics, Berlin 2011, S. 359-374.
Eric Heuvel u.a., Die Suche, Amsterdam 2007.
Scott McCloud, Comics richtig lesen, Hamburg 1995.
Stephan Packard, „Whose Side are You On?” Zur Allegorisierung von 9/11 in Marvels Civil War-Comics, in: Sandra Poppe/Thorsten Schüller/Sascha Seiler (Hrsg.), 9/11 als kulturelle Zäsur Repräsentationen des 11. September 2001 in kulturellen Diskursen, Literatur und visuellen Medien, Bielefeld 2009, S. 317-336.
Greg Pak/ Carmine Di Giandomenico, X-Men. Magneto Testament, New York 2009.
Raub u.a., Asterix und das Atomkraftwerk, o. A. vermutlich 1979.
Simon Rocca/Jean-Yves Mitton, Vae Victis!, 15 Bde., Strasbourg 1991-2006.
Joe Sacco, Palestine, Seattle 2002.
Joe Sacco, Safe Area Goražde, Seattle 2001.
Michael F.Scholz, Comics – Eine neue historische Quelle, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 38 (1990), S. 1004-1010.
Kai-Steffen Schwarz, Vom Aufmucken und Verstummen der Kritiker. Die Diskussion um Art Spiegelmans „Maus“, in: Joachim Kaps (Hrsg.), Comic Almanach 1993, Wimmelbach 1993, S. 107-113.
Philip Spence/Robert Spence, Struwwelhitler. A Nazi Story Book by Doktor Schrecklichkeit, London 1941.
Quelle: http://www.visual-history.de/2015/01/26/comics-als-historische-quelle/
Film.Stadt.Wien
A transdisciplinary exploration of Vienna as a Cinematic City
Von einer „Filmstadt“ Wien zu sprechen, ist im Grunde paradox, verfügte Wien doch – die kurze Zeitspanne zwischen 1919 und 1922 ausgenommen – weder über eine nennenswerte Filmindustrie noch gehörte „Film“ jemals zu den ersten und wichtigsten Assoziationen, die Besucher ebenso wie Einwohner mit der Stadt in Verbindung brachten. Nicht ohne Grund: Weist doch die Mehrzahl der populären Bilder und Vorstellungen, die das globale Image der Stadt dominieren, in eine Zeit vor der Erfindung des Films. Von einem „gemütlichen Wien“ im Gegensatz zu einem „verständigen Berlin“ war bereits in der Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts die Rede; die Selbstvermarktung als „Musikstadt“ – sowohl in der klassischen Spielart wie auch in der populären Ausprägung – war ein Produkt des späten 19. Jahrhunderts; und die nostalgische Verklärung der imperialen Vergangenheit, die bereits kurz nach dem Untergang der Monarchie 1918 einsetzte, aktualisierte nur eine seit dem Biedermeier ebenfalls als Wien spezifisch imaginierte Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die es niemals gegeben hat.
Diesem in der Hauptsache rückwärtsgewandten und dezidiert anti-modernen Wienbild hatte der konventionelle Kino-Film wenig entgegenzusetzen: Zum einen, weil er weder an der Hervorbringung des Bilds noch an der Kritik der Kehrseiten desselben federführend beteiligt war (letzteres war eine Sache des Theaters, der Literatur und des Kabaretts); zum anderen, weil insbesondere der Spielfilm frühzeitig die internationale Popularität des nostalgischen Wienbilds als entscheidenden Erfolgsfaktor entdeckt hatte. (In die Geschichte eingeschrieben: Erich von Stroheims „Merry-Go-Round“ von 1923.) Etwas zugespitzt, aber durchaus zutreffend könnte man behaupten, dass nicht der Wien-Film die Bilder und Vorstellungen der Stadt, sondern umgekehrt, die anderswo – in der Literatur, in der Bildenden Kunst, am Theater, in der populären Massenpresse etc. – erzeugten Bilder und Vorstellungen der Stadt den Wien-Film entscheidend beeinflusst haben.
Der Umstand, dass die Wien-Filme sich aus ökonomischen Gründen der Repräsentation eines in schroffem Gegensatz zur urbanen Realität stehenden Wienbilds verschrieben, ist sowohl für ihre bescheidene ästhetische Bedeutung verantwortlich zu machen wie auch für ihren geringen Erkenntniswert im Hinblick auf die Untersuchung Wiens als einer filmischen Stadt: Hinweise auf die historische Entwicklung zur modernen Großstadt wird man in diesen Filmen ebenso wenig finden wie Hinweise auf die Erfahrung eines auch in Wien von Kontingenz, Flüchtigkeit und Anonymität geprägten Großstadtlebens. Vor diesem Hintergrund erschien es nahe liegend, die Untersuchung Wiens als einer filmischen Stadt nicht vom repräsentativen Spielfilm aus in Angriff zu nehmen, sondern von einem etwa 300 sogenannte ephemere Filme umfassenden Filmbestand des Österreichischen Filmmuseums (ÖFM), der sich aus frühen kinematographischen Ansichten, Wochenschaubeiträgen, Industrie-, Werbe-, Avantgarde- und Amateurfilmen zusammensetzt, ergänzt durch Dokumentationen und Auftragsfilme von „mediawien“, der Filmsammlung der Stadt Wien.
Das Projekt Film.Stadt.Wien. entwickelte sich deshalb auch zu einem Erschließungsprojekt, das Filme, die allzu lange unbeachtet in Archiven lagen, für die wissenschaftliche Forschung aufbereitet und in weiterer Folge einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht. Eine datenbankgestützte Website präsentiert ausgewählte Filmdokumente mit ihren Metadaten, klassifiziert sie nach unterschiedlichen Arten von Raumnutzung und Akteuren, offeriert time-code-basierte Sequenzanalysen, topografische Informationen und schriftliche wie visuelle Kontextmaterialien. Such- und Filterfunktionen ermöglichen die effektive Recherche von Personen und Landmarks in spezifizierten Zeiträumen. () Der beträchtliche Aufwand, der mit einer solchen Form der Erschließung verbunden ist, knüpft sich an die Erwartung, dass in den Bildern „ein außerordentlicher Schatz an faktischer, historischer, sozialer und materialer Information aufbewahrt wird“ (Thomas Elsaesser), den schriftliche Quellen entweder gar nicht oder jedenfalls nicht in derselben Weise zugänglich machen.
Wo der Wien-Film die Logik seiner Erzählhandlung der Logik gängiger Wien-Klischees unterwirft, beobachten wir bei den einzelnen Gattungen des ephemeren Films eine Vervielfältigung der Bezugsrahmen und zugleich eine Fragmentierung der Erzählhandlung: Aufsehen erregende oder den Alltag skandierende Ereignisse bei den Beiträgen der „Wochenschau“; das Familienleben bzw. die „Verfestigung und Verfestlichung“ (Alexandra Schneider) anderer Formen der Gemeinschaft beim Amateurfilm; technische Erzeugnisse und Verfahren, Produktions- oder Betriebsabläufe, Rationalisierungsprozesse, Mitarbeiterkommunikation und Produktwerbung beim Industrie- und Werbefilm; schließlich die wütende Bezugnahme auf und brüske Zurückweisung der Wien-Klischees beim Avantgardefilm. Jede dieser fragmentierten Erzählhandlungen bezeichnet einer analytischen Stadtgeschichte den Ort, an dem sie weitere Grabungen durchführen und auf diese Weise zur Rekonstruktion jener urbanen Bezugsrahmen beitragen kann (vgl. Henri Lefebvre), die dem ephemeren Film zugrunde liegen, ohne von diesem ausdrücklich artikuliert zu werden.
Siegfried Mattl ist Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Geschichte und Gesellschaft, Wien (Projektleiter Film.Stadt.Wien)
Vrääth Öhner ist Assistent und Vizestudienprogrammleiter am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien (key researcher Film.Stadt.Wien)
Film.Stadt.Wien war ein vom Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds gefördertes Projekt. Es wurde in enger Zusammenarbeit von Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Gesellschaft, den FilmkünstlerInnen Gustav Deutsch und Hanna Schimek, dem Österreichischen Filmmuseum. Datenbank- und Websitedesign: vonautomatisch (Patrick Kranzlmüller & Alex Swoboda) http://stadtfilm-wien.at/, http://geschichte.lbg.ac.at/research-program-news/filmstadtwien
Filmstill: Vor einem „Hitleraltar“ (Loos-Haus am Michaelerplatz): AMATEURAUFNAHMEN WIEN, FRÜHJAHR 1938 (ÖFM)
http://stadtfilm-wien.at/film/104/
Quelle: http://www.visual-history.de/2014/10/14/film-stadt-wien/
„War of Pictures “. Press Photography in Austria 1945-1955
1945 wurde Österreich von den alliierten Truppen befreit und innerhalb der Staatsgrenzen Österreichs, die bis 1938 bestanden hatten, in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Kriegsende, heimkehrende Soldaten, Zerstörung, Wiederaufbau und Verschärfung der politischen Fronten im Kalten Krieg sind die zentralen Themen des Jahrzehnts, die in der illustrierten Presse zunehmend bilderreicher in Szene gesetzt werden.
Über Österreich bricht förmlich eine multiperspektivische Bilderflut herein, betreibt doch jede Besatzungsmacht einen eigenen Bilderdienst und eigene Publikationskanäle. Besonders der amerikanische Information Services Branch (ISB, ab 1950: USIS: United States Information Service) verfügt über ausreichend finanzielle Mittel, um seinen Bilderdienst, die sogenannte Pictorial Section, zunehmend auszubauen und zu professionalisieren. Die offensive Kulturpolitik der Amerikaner, die in dem Schlagwort „Coca-Colonisation“ (Wagnleitner) trefflich zum Ausdruck kommt, ist auch in der Medienpolitik spürbar und nicht zuletzt auf der Ebene der visuellen Massenkommunikation nachvollziehbar.
Erstmals sollen in dem Forschungsprojekt alle MitarbeiterInnen der alliierten Bilderdienste sowie selbstständige österreichische PressefotografInnen dieser Ära ermittelt, die Organisationsstruktur der Bilderdienste beschrieben, das Zusammenspiel von nationalen und internationalen Bildagenturen dokumentiert und die Vertriebswege von Pressefotografie analysiert werden.
Zentrales Augenmerk wird dabei auf die von 1945 bis 1955 tätige Pictorial Section der amerikanischen ISB gelegt. Diese Schwerpunktsetzung folgt der These, dass die amerikanische Bildpublizistik bzw. die vom amerikanischen Pressefotografen Yoichi R. Okamoto geleitete Pictorial Section der ISB als zentraler Motor für die österreichische Pressefotografie fungierte. An der Pictorial Section lässt sich zudem paradigmatisch ein Wandel in der Wertschätzung des journalistischen Bildes und damit einhergehend eine Professionalisierung desselben aufzeigen. Aufgrund der guten Quellenlage ist daher ein Blick hinter die Kulissen eines der aktivsten Bilderdienste im Nachkriegsösterreich möglich.
Die quantitative Reichweite des amerikanischen Bilderdienstes lässt sich wie folgt beziffern: Im Jahr 1950 umfasste das gesammelte und archivierte Bildmaterial der Pictorial Section bereits rund 35.000 Negative, das der illustrierten Presse in Österreich unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde. Rund 16.000 Negative sind bis heute als geschlossener Bestand des Bildarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek erhalten geblieben.
Ein weiteres für das Forschungsprojekt definiertes Ziel ist die Erhebung der von 1945-1955 tätigen PressefotografInnen. Biografische Daten zu österreichischen PressefotografInnen, darunter Alfred Cermak, Albert Hilscher, Fritz Kern, Max Fibinger, Fred Riedmann, die Gebrüder Basch u.v.m., münden in eine kollektivbiografische Studie, bei der insbesondere der Aspekt von ideologischen Kontinuitäten zwischen Vor- und Nachkriegszeit herausgearbeitet werden soll. Ein Schwerpunkt des Forschungsprojekts liegt schließlich in der Untersuchung des Publikationskontextes der Pressebilder. Anhand von Fallstudien wird mit Hilfe von Text-Bild-Analysen gezeigt, wie sich der Kalte Krieg auf bildsprachlicher Ebene als „war of pictures“ in der Tageszeitung „Wiener Kurier“ und den illustrierten Wochenzeitschriften „Wiener Bilderwoche“, „Große Österreich Illustrierte“, „Wiener Illustrierte“ und „Welt-Illustrierte“ manifestiert.
Das Forschungsvorhaben ist an der Schnittstelle unterschiedlicher Disziplinen wie Medien- und Kommunikationswissenschaft, Geschichte, Kulturwissenschaft, Semiotik und Kunstgeschichte angesiedelt. Methodisch werden Ansätze aus der modernen Journalismusforschung und der Kultursemiotik synthetisiert, um gleichermaßen auf die Organisationsstrukturen, die handelnden AkteurInnen und die bildjournalistischen Produkte fokussieren zu können. Diesem multiperspektivischen Vorgehen entspricht auch die geplante Verschränkung von quantitativen und qualitativen Forschungsmethoden. Biografische Hinweise zu österreichischen PressefotografInnen der Nachkriegszeit sind herzlich willkommen.
Institution: Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien
Thema: „War of Pictures“. Pressefotografie in Österreich 1945-1955
Projektleiter: Prof. Fritz Hausjell
Laufzeit: Februar 2014 bis Januar 2017
Kontakt: marion.krammer@univie.ac.at, margarethe.szeless@univie.ac.at
Quelle: http://www.visual-history.de/2014/05/05/war-of-pictures-press-photography-in-austria-1945-1955/
„War of Pictures “. Press Photography in Austria 1945-1955
1945 wurde Österreich von den alliierten Truppen befreit und innerhalb der Staatsgrenzen Österreichs, die bis 1938 bestanden hatten, in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Kriegsende, heimkehrende Soldaten, Zerstörung, Wiederaufbau und Verschärfung der politischen Fronten im Kalten Krieg sind die zentralen Themen des Jahrzehnts, die in der illustrierten Presse zunehmend bilderreicher in Szene gesetzt werden.
Über Österreich bricht förmlich eine multiperspektivische Bilderflut herein, betreibt doch jede Besatzungsmacht einen eigenen Bilderdienst und eigene Publikationskanäle. Besonders der amerikanische Information Services Branch (ISB, ab 1950: USIS: United States Information Service) verfügt über ausreichend finanzielle Mittel, um seinen Bilderdienst, die sogenannte Pictorial Section, zunehmend auszubauen und zu professionalisieren. Die offensive Kulturpolitik der Amerikaner, die in dem Schlagwort „Coca-Colonisation“ (Wagnleitner) trefflich zum Ausdruck kommt, ist auch in der Medienpolitik spürbar und nicht zuletzt auf der Ebene der visuellen Massenkommunikation nachvollziehbar.
Erstmals sollen in dem Forschungsprojekt alle MitarbeiterInnen der alliierten Bilderdienste sowie selbstständige österreichische PressefotografInnen dieser Ära ermittelt, die Organisationsstruktur der Bilderdienste beschrieben, das Zusammenspiel von nationalen und internationalen Bildagenturen dokumentiert und die Vertriebswege von Pressefotografie analysiert werden.
Zentrales Augenmerk wird dabei auf die von 1945 bis 1955 tätige Pictorial Section der amerikanischen ISB gelegt. Diese Schwerpunktsetzung folgt der These, dass die amerikanische Bildpublizistik bzw. die vom amerikanischen Pressefotografen Yoichi R. Okamoto geleitete Pictorial Section der ISB als zentraler Motor für die österreichische Pressefotografie fungierte. An der Pictorial Section lässt sich zudem paradigmatisch ein Wandel in der Wertschätzung des journalistischen Bildes und damit einhergehend eine Professionalisierung desselben aufzeigen. Aufgrund der guten Quellenlage ist daher ein Blick hinter die Kulissen eines der aktivsten Bilderdienste im Nachkriegsösterreich möglich.
Die quantitative Reichweite des amerikanischen Bilderdienstes lässt sich wie folgt beziffern: Im Jahr 1950 umfasste das gesammelte und archivierte Bildmaterial der Pictorial Section bereits rund 35.000 Negative, das der illustrierten Presse in Österreich unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde. Rund 16.000 Negative sind bis heute als geschlossener Bestand des Bildarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek erhalten geblieben.
Ein weiteres für das Forschungsprojekt definiertes Ziel ist die Erhebung der von 1945-1955 tätigen PressefotografInnen. Biografische Daten zu österreichischen PressefotografInnen, darunter Alfred Cermak, Albert Hilscher, Fritz Kern, Max Fibinger, Fred Riedmann, die Gebrüder Basch u.v.m., münden in eine kollektivbiografische Studie, bei der insbesondere der Aspekt von ideologischen Kontinuitäten zwischen Vor- und Nachkriegszeit herausgearbeitet werden soll. Ein Schwerpunkt des Forschungsprojekts liegt schließlich in der Untersuchung des Publikationskontextes der Pressebilder. Anhand von Fallstudien wird mit Hilfe von Text-Bild-Analysen gezeigt, wie sich der Kalte Krieg auf bildsprachlicher Ebene als „war of pictures“ in der Tageszeitung „Wiener Kurier“ und den illustrierten Wochenzeitschriften „Wiener Bilderwoche“, „Große Österreich Illustrierte“, „Wiener Illustrierte“ und „Welt-Illustrierte“ manifestiert.
Das Forschungsvorhaben ist an der Schnittstelle unterschiedlicher Disziplinen wie Medien- und Kommunikationswissenschaft, Geschichte, Kulturwissenschaft, Semiotik und Kunstgeschichte angesiedelt. Methodisch werden Ansätze aus der modernen Journalismusforschung und der Kultursemiotik synthetisiert, um gleichermaßen auf die Organisationsstrukturen, die handelnden AkteurInnen und die bildjournalistischen Produkte fokussieren zu können. Diesem multiperspektivischen Vorgehen entspricht auch die geplante Verschränkung von quantitativen und qualitativen Forschungsmethoden. Biografische Hinweise zu österreichischen PressefotografInnen der Nachkriegszeit sind herzlich willkommen.
Institution: Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien
Thema: „War of Pictures“. Pressefotografie in Österreich 1945-1955
Projektleiter: Prof. Fritz Hausjell
Laufzeit: Februar 2014 bis Januar 2017
Kontakt: marion.krammer@univie.ac.at, margarethe.szeless@univie.ac.at
Quelle: http://www.visual-history.de/2014/05/05/war-of-pictures-press-photography-in-austria-1945-1955/