Poeten, Patrone und Patrioten. Preußens Landwehr in adelsgeschichtlicher Perspektive

Allerlei Gestalten, groß und klein, pummelig dick bis hungersdünn, mit Zylinder und Samtweste vielleicht ein oder zwei, mit Mütz und Litewka keiner dabei, zerlumpt, barfüßig, darbend kommen so viel mehr, manch einer auch von weiter her. Zwischen 32 und 39 Jahre sind sie alt, Greise bald. Sind vom 2. Landwehr-Aufgebot, im Kriege blieben viele tot. Des Sonntags auf dem großen Acker, in Reih und Glied, angetreten zum Appell. Sie halten sich recht wacker, keiner der’s verriet, doch durchgezählt ist schnell: Frings, Hansen, Schmitz, Hausmann, Esser, Fritz – werden rasch eingetragen, auf das es Ihnen bald gehe an den Kragen, in die Liste säumiger Wehrmänner. Ausgewandert? Nach Virginien letzten Jänner? Krank? Verletzt? Ohne bürgermeisterliches Attest? So werden sie, gleich jetzt, zum Fall für die Gendarmerie. Rechtsschwenk Marsch! Zum Exerzieren ohne Gewehr! Dann Monturpflege, Zeughausdienst – der Leutnant befahl noch manches mehr. Dass einer dabei fror, kam selten vor. Der Dycker Fürst war ihr Major! Einen Gnadenthaler denn auch bekam, wer sich gut benahm.

Die Zeit der Romantik sah viele Dichter in Uniform. Auch die preußische Landwehr wich nicht ab von dieser ‘Norm’. Im Gegensatz zu obigen Zeilen (die mit etwas Glück einen wohlwollenden Schmunzler evozieren mögen) ist ihre Lyrik voll Ästhetik, Esprit, oft tiefer Melancholie. Jene hingegen spiegeln schlicht einige rein subjektive Eindrücke, die der Leser der überaus umfangreichen Appell- und Manöverberichte, Stärkelisten, Tagesbefehle, Bataillonsrapporte und Offizierskorrespondenzen im Dycker Archiv, Niederschlag einer über drei Jahrzehnte währenden aktiven Dienstzeit Josephs zu Salm-Reifferscheidt-Dyck als Offizier der preußischen Landwehr, gewinnen mag. Poeten, Melancholiker, die gab es auch in seinem Bataillon. Und damit ist nicht allein sein Adjutant Leutnant Althoff gemeint, der – es heißt verbotener Liebe trunken – sich anno 1820 mit seines fürstlichen Kommandanten Stieftochter im Tode vereinte. Als völlig ungefährlich, wenn auch kaum weniger anhänglich, erwiesen sich demgegenüber solche Landwehroffiziere, die der Dichtkunst seiner Gattin Constance de Salm huldigten, sie verehrten… .

Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck war im Jahre 1817 freiwillig in die Landwehr eingetreten – man mag sie grob ein auf Grundlage der Allgemeinen Wehrpflicht während der Befreiungskriege errichtetes, lokal organisiertes ‘Reserveheer’ des neupreußischen Staates nennen. Warum er dies (noch im fortgeschrittenen Alter) tat, wie es ihm gelang, trotz fehlender militärischer Ausbildung und Erfahrung, auch in dieser ‘Arena’ zu bestehen, welche Früchte ihm sein langjähriges und zeitraubendes Engagement einbrachte, und nicht zuletzt, was sich der Hohenzollernstaat von seiner Einbindung erhoffte, dies sind Fragen, denen ein einschlägiger Beitrag innerhalb der multiperspektivischen Netzbiographie zu seiner Person nachgeht. Hier hingegen soll für das äußerst breite Erkenntnisspektrum sensibilisiert werden, welches die Nachlässe adliger Landwehroffiziere aus Restauration und Vormärz bieten, die wenigstens im Rheinland im Übrigen zahlreicher sind, als es das Forschungspostulat eines “bürgerlichen Offizierskorps der Landwehr” (Rolf-Dieter Müller) suggeriert. Fürst Joseph ist auch hier nur einer von etlichen, doch er gibt uns wieder einmal  die volle “Messlatte” an die Hand.

Ganz im Sinne einer Adelsgeschichte als ‘Sonde’ zur Ausleuchtung wesentlich breiterer Themenbereiche, lässt sich auf dieser Grundlage noch viel weiter fragen. Zum Beispiel nach Patronage- oder Kreditnetzwerken. Mancher Pächter, Schuldner und Angestellte Fürst Josephs sah in ihm zugleich den lokalen Landwehrkommandeur, mancher Subalternoffizier einen reichen Gönner und Gläubiger. Welche adligen Netzwerke verliefen entlang der lokal bis regional gestrickten Landwehrstrukturen? Dieser war zugleich ein gemeinsamer Erfahrungsraum von Hunderttausenden preußischer Untertanen in national-patriotisch bewegten Zeiten. Konnte die Landwehr im entfeudalisierten Rheinland einen ‘Ersatz’ für verlorene Selbsterfahrungsmöglichkeiten als lokaler Herrschaftsträger bieten? Adel in der Landwehr – ein Bollwerk vor dem Thron? Wie konsequent setzten adlige Landwehroffiziere, hier gar ein ‘liberaler’ Regionalpolitiker, die staatlichen Zivilbehörden (Gensdarmerie, Bürgermeisterei, Landratsamt) zur Verfolgung pflichtvergessener Wehrmänner – und damit auch eigener Interesen – ein. Andersherum eröffnen die Überlieferungen der Adelsarchive einmalige Perspektiven auf die (Un-)Beliebtheit des unbesoldeten, tief in die noch weitgehend ländlichen Strukturen einschneidenden Landwehrdienstes. Landarmut und Auswanderung, Religiosität und Brauchtum scheinen als Ursachen für die oft apostrophierte und von ihren Gegnern im Militärapparat viel bemühte ‘Unzuverlässigkeit’ der Landwehr auch und gerade im Rheinland weit schwerer gewogen zu haben als ‘Vaterlandsvergessenheit’ oder demokratisch-liberale Politisierung. Es gäbe dazu noch so viel zu sagen, und zu forschen… Abtreten! Im Archiv melden! Weitermachen!

Florian Schönfuß

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/215

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Die Generalstaaten im Dreißigjährigen Krieg: eine vergessene Geschichte

Die Geschichtsschreibung ist an der Stelle sehr entschieden: Krieg führten der Kaiser und seine Verbündeten gegen die Pfälzer, Dänen, Schweden, Franzosen. Nur mit den Generalstaaten (in den Quellen meist „Staaten“ oder wie heut noch einfach und fälschlich „Holländer“ genannt) gab es so gut wie keine Berührungspunkte. So weit, so falsch. Denn es gibt immer wieder Hinweise darauf, daß niederländische Soldaten in großer Anzahl und keineswegs ‘zufällig’ im Reich agierten.

Gerade am Niederrhein gab es zahlreiche Basen für niederländische Einheiten, und diese Region war ohnehin der Bereich, in dem sich der Achtzigjährige und der Dreißigjährige Krieg überlappten. Die Operationen „staatischer“ Einheiten richteten sich aber nicht nur gegen spanische Stützpunkte, sondern griffen weit ins Reichsgebiet aus – ein Umstand, den die Forschung bislang vernachlässigt hat. Dabei ist durchaus bekannt, daß viele Reichsfürsten, zumal die katholischen, sich sehr davor scheuten, in das „niederländische Wesen“ verstrickt zu werden: Der Krieg im Reich sollte sich auf keinen Fall mit dem Kampf der Generalstaaten gegen die Spanier vermischen. Diese politische Doktrin ist in der Forschung weithin bekannt und mag ein wichtiger Grund dafür sein, daß dieses Thema bislang nicht in entsprechender Weise gewürdigt worden ist.

Ich selbst habe vor einigen Jahren dieses Thema von kurkölnischer Warte aus berührt (Der Krieg in der „Wetterecke der europäischen Politik“: Kurköln und die Kriegführung der Liga unter dem Feldherrn Tilly (1621-1630), in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 98 (1997/98), S. 29-66). Mittlerweile aber sehe ich die Dimension generalstaatischer Aktivitäten differenzierter und auch deutlich vielfältiger als zunächst angenommen. Nun strebe ich gar nicht an, die Generalstaaten gleichsam als offizielle Kriegspartei in diesen Konflikt einzuführen. Aber es gab deutliche Verstrickungen. Nur hat man deswegen kein großes Aufheben darum gemacht; gerade die betroffenen Landesobrigkeiten hielten es offenbar für nicht opportun, dieses Thema oben auf die Agenda zu setzen. Dasselbe gilt auch für die Generalstaaten selbst.

Und so wurde diese Problematik auch in der Aktenüberlieferung zwar nicht verschwiegen, doch deutlich zurückgedrängt. Nun ist es, wie ich finde, an der Zeit, diese vergessene Geschichte prononcierter, als bislang geschehen, zu bearbeiten. Im September findet in Bonn eine Tagung zum Thema „Krieg und Kriegserfahrung am Rhein. Der Westen des Reiches im langen 17. Jahrhundert (1568-1714)“ statt, auf der ich mich zum Thema Generalstaaten äußern werde. Erschöpft ist dieser Themenkomplex damit jedoch noch lange nicht. Weiteren Aspekten werde ich mich auch künftig verstärkt zuwenden.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/229

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Das Lorscher Arzneibuch ist zum Weltdokumentenerbe der UNESCO erklärt worden

Wie üblich verzichtet die Online-Presse meist darauf, dem Leser als Service einen Link zu den Digitalisaten des jetzt in das UNESCO-Weltdokumentenerbe aufgenommenen Lorscher Arzneibuchs (Bamberg, Staatsbibliothek, Msc. Med. 1) mitzuteilen (löblich dagegen der BR). Die Rivalitäten deutscher Bibliotheken werden offenbar, wenn man feststellt, dass bei den beiden Bamberger Digitalisaten nicht auf das Heidelberger Partnerprojekt der Bibliotheca Laureshamensis digital verwiesen wird, wo eine aktuelle wissenschaftliche Beschreibung (Stand: Mai 2013) zu finden ist, und umgekehrt das Heidelberger Projekt keinen Link auf die Präsentationen in der Kaiser-Heinrich-Bibliothek [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/4751

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Buchbesprechung: HETTINGER, Hermann von Beckerath

HETTINGER, Ulrich: Hermann von Beckerath. Ein preußischer Patriot und rheinischer Liberaler (Krefelder Studien 14), Krefeld 2010.

Wie auf den Seiten dieses Blogs schon mehrfach festgestellt wurde, sind viele Mitglieder des Reichsministeriums von 1848/49 keineswegs gut erforschte Persönlichkeiten. Und auch in den Fällen, wo Publikationen in größerer Zahl vorhanden sind, überwiegen jene älteren Datums, die zwar oftmals wegen der darin abgedruckten Dokumente von großem Wert sind, in Darstellungsweise und Urteil aber kaum den aktuellen Ansprüchen und Standards genügen. Hermann von Beckerath, Reichsfinanzminister von August 1848 bis Mai 1849, bildet eine der wenigen Ausnahmen, indem zu ihm seit kurzem eine neue politische Biographie vorliegt. Es handelt sich um eine überarbeitete Fassung einer 2001 an der Universität zu Köln angenommenen Dissertation.


In seiner Darstellung des bisherigen Forschungsstands weist der Verfasser Ulrich Hettinger zum einen darauf hin, dass sich das biographische Wissen bisher auf zwei Darstellungen stützte, die kurz nach Beckeraths Tod im Jahr 1870 von Personen aus seinem nahen Umfeld veröffentlicht wurden1 und deutlich verklärende Züge aufweisen; die gelegentlichen kleineren Artikel und Notizen späterer Jahrzehnte fügten sachlich kaum etwas hinzu. Zum anderen geht er auf die vorliegende Forschung zu jener politischen Strömung ein, der Beckerath zuzurechnen ist, nämlich dem rheinischen Liberalismus. Zu dieser Bewegung und Gruppierung wie auch zu den wichtigsten Mitstreitern Beckeraths – Ludolf Camphausen, Gustav Mevissen oder David Hansemann – sind erheblich mehr neuere Arbeiten vorhanden als zu Beckerath selbst. Hettinger bemängelt allerdings, dass in beträchtlichen Teilen dieser Literatur zu verkürzten oder einseitigen Würdigungen des rheinischen Liberalismus gelangt worden sei, weil er an den Maßstäben seines meist deutlich radikaleren südwestdeutschen Gegenstücks gemessen wurde. Speziell das abschätzige Urteil von Lothar Gall, der in dieser Strömung nur eine „opportunistische Richtung“2 des deutschen Liberalismus erkennen konnte, die sich vom Gros der Bewegung unvorteilhaft abhob, macht der Verfasser als Anstoss für seine Untersuchung namhaft. Für seinen eigenen Ansatz beruft er sich gegen solche Verkürzungen, die vor allem die „regionalspezifischen sozioökonomischen Erfahrungen der rheinischen Liberalen“ ignorieren, namentlich auf Elisabeth Fehrenbach3 und will nach deren Vorbild „das Denken und Handeln Hermann von Beckeraths im Lichte der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Sonderentwicklung seiner Heimatregion beschreiben“ (S. 12).

Der Hauptteil der Darstellung ist nach üblichem biographischem Format im Wesentlichen chronologisch aufgebaut und gliedert sich nach Lebensphasen und Tätigkeitsbereichen Beckeraths. Die ersten beiden Kapitel „Jugendzeit“ sowie „Sozialer Aufstieg und bürgerliche Lebenswelt in Krefeld“ (S. 13–40, 41–68) sind der Zeit von der Geburt Beckeraths 1801 bis etwa 1840 gewidmet, für welche relativ wenige zeitnahe Zeugnisse vorliegen. Der spätere Bankier und Reichsfinanzminister entstammte einer mennonitischen Handwerkerfamilie in der alten Seidenweberstadt Krefeld. Im Preußischen Landtag sollte er später den berühmt gewordenen Ausspruch tun: „Meine Wiege stand am Webstuhl meines Vaters“ – was vielleicht beengtere Verhältnisse suggerierte, als er tatsächlich erlebt hatte, denn der Vater war Webermeister gewesen, der sechs bis acht Gesellen beschäftigte (S. 17–19); das ändert jedoch nichts daran, dass Beckerath ein klassischer Selfmade-Mann war, der eine früh beendete Schulbildung durch lebenslanges autodidaktisches Studieren kompensierte, vom Lehrling im ersten Krefelder Bankhaus Molenaar rasch zum Geschäftsführer, Teilhaber und schließlich (noch vor seinem vierzigsten Lebensjahr) Gründer seiner eigenen Bank avancierte und seine ersten politischen Ämter mit Dispens wegen noch nicht erreichten Mindestalters antrat. Diesen Lebensweg und die dabei gemachten Erfahrungen setzt Hettinger in Verbindung mit einigen Überzeugungen, die Beckerath später in seiner politischen Wirksamkeit vertrat. Dazu zählt etwa sein fester Glaube an die Verknüpfung von „Bildung und Wohlstand“ (S. 37), der wiederum stark auf seine Einstellungen zum allgemeinen Wahlrecht – das er stets ablehnte – oder zur sozialen Problematik wirkte. Dieser war er sich durchaus bewusst und anerkannte auch, dass keineswegs alle von Armut Betroffenen (gerade in den Krisenjahren ab 1845) diese selbst verschuldet hatten; er wurde auch in seiner Heimatstadt zur Bekämpfung der Not aktiv, gelangte dabei jedoch nicht über konventionelle Mittel der punktuellen karitativen Unterstützung hinaus. Dies lag einerseits an seiner festen Überzeugung, nur durch fortgesetzte industrielle Entwicklung und Hebung des allgemeinen Wohlstands sei der „Pauperismus“ wirksam zu bekämpfen – heute spräche man von der „Trickle down“-These; andererseits hemmten handfeste Sozialängste Beckerath ebenso wie die meisten großbürgerlichen Liberalen, wenn es darum ging, den ärmeren Bevölkerungsschichten politische Handlungsmöglichkeiten oder Mitspracherechte einzuräumen.

Das dritte und vierte Kapitel („Unternehmerische Tätigkeit und regionalwirtschaftliche Ziele“, S. 69–97; „Kommunales Wirken“, S. 99–128) betreffen die Tätigkeitsgebiete Beckeraths außerhalb der „großen“ Politik. Auch hier werden allerdings viele Züge und Zielsetzungen herausgearbeitet, die seine gesamte Aktivität durchziehen. Beckerath setzte seine Hoffnung ganz in die zielgerichtete Förderung der Industrie; er drang immer wieder auf Maßnahmen sowohl von privater wie von staatlicher Seite zur Verbesserung des Kreditwesens und der Investitionsbedingungen und engagierte sich für den Ausbau der Verkehrswege, insbesondere der Eisenbahnen. Der Autor dieser Zeilen erreichte Krefeld jüngst zwecks eines Besuchs im Stadtarchiv über eben jene Strecke von Köln über Neuß (einst Cöln-Crefelder Eisenbahn), auf deren Errichtung Beckerath schon in den 1840er Jahren wiederholt, wenn auch vorerst erfolglos, gedrungen hatte (S. 93–97).

Wie Beckeraths Zukunftsvorstellungen in der Anwendung auf Preußen und Deutschland aussahen, wird im fünften Kapitel (“Ökonomisches Modernisierungskonzept und politische Reformforderungen”, S. 129–156) dargelegt. Die Modernisierungsvision, die ihm vor Augen stand, verschränkte den ökonomischen Aufbau auf das Engste mit den verfassungs- und nationalpolitischen Zielen der Durchsetzung des Konstitutionalismus sowie der deutschen Einheit. In Handelsfragen war Beckerath stets ein überzeugter Anhänger der Schutz- und Differentialzollpolitik; in ihr und im deutschen Zollverein sah er zugleich ein wichtiges Instrument der nationalen Einigung. Der Einfluss der Schriften Friedrich Lists auf diese Vorstellungen wird von Hettinger deutlich herausgestellt; er lässt sich bis zum Nachweis List’scher Schlüsselbegriffe in den Denkschriften und Reden Beckeraths verfolgen (S. 134). Die Umsetzung der von Friedrich Wilhelm III. nach den Napoleonischen Kriegen gegebenen Verfassungsversprechen und somit die gesicherte Partizipation des Bürgertums an der Gesetzgebung über ein periodisch tagendes preußisches Parlament figurierten als nötige Voraussetzungen dieser Ziele – schon deshalb, weil die von hochkonservativen Adels- und Beamtenkreisen dominierte Regierung und ihre Bürokratie Beckerath und seinen Mitstreitern als gänzlich unfähig zur Bewältigung auch nur der dringendsten Aufgaben, geschweige denn zur Verfolgung großer Zukunftsvisionen erschienen. Am monarchischen Prinzip hingegen und an der Dynastie der Hohenzollern, für die er sichtlich eine tiefe Loyalität empfand, scheint Beckerath nie gezweifelt zu haben. Zudem glaubte er unverbrüchlich an die Berufung Preußens, der natürliche Ausgangspunkt und Träger der Vereinigung Deutschlands zu sein.

Die drei letzten Hauptkapitel sind der aktivsten Zeit des Protagonisten in der preußischen Politik gewidmet: Seiner Rolle auf den Rheinischen Provinziallandtagen von 1843 und 1845 sowie auf dem Vereinigten Landtag von 1847 (S. 157–266). Die Gruppe der rheinischen Liberalen, zu deren wichtigeren Exponenten Beckerath zählte, wird hier in ihrem Zusammenkommen, in den innovativen Methoden ihrer politischen Mobilisierung und ihres Mediengebrauchs, in ihrer parlamentarischen Taktik, ihren meist eher publizistischen als faktischen Erfolgen, aber auch in ihren internen Zerwürfnissen und den Grenzen ihrer Kohärenz und Effektivität plastisch geschildert. Neuartig – und für die preußischen Regierungskreise zutiefst beunruhigend – war etwa der gekonnte Gebrauch, den die liberalen Politiker von Petitionen machten; sie verstanden es, im Vorfeld der Landtage konzertierte Wellen von Eingaben zustande zu bringen. Diese stellten nicht nur ihren Rückhalt in der bürgerlichen Öffentlichkeit eindrucksvoll unter Beweis, sondern erlaubten ihnen auch trotz der restriktiven Geschäftsordnung, die Themen der Diskussion in den Versammlungen unter Umgehung der königlichen Propositionen zu bestimmen.

Die Beschlüsse, die auf diesem Wege erreicht wurden, stellten nicht selten kalkulierte Überschreitungen der sehr beschränkten Kompetenzen der Landtage dar. Dennoch ist die Strategie der rheinischen Liberalen im Kern stets eine der Verständigung mit der Krone geblieben. Ihre Bitten und Aufforderungen verbanden sich stets mit demonstrativen Loyalitätsbekundungen, und einen anderen Weg zu politischen Veränderungen scheinen sie nie ernsthaft in Betracht gezogen zu haben – nicht zuletzt aus Furcht vor Revolution und Chaos bei Verlassen dieser Bahn. Beckerath war stets ein besonders entschiedener Verfechter dieser Strategie, der selbst dann, als Mitstreiter angesichts des ausbleibenden Entgegenkommens der Regierung für Obstruktion oder Rückzug plädierten, fast immer bestrebt war, den offenen Bruch zu vermeiden. Beispielsweise zählte er 1847 zu jener Minderheit der liberalen Abgeordneten, die sich an der Wahl des Vereinigten Ständischen Ausschusses beteiligten, obwohl Friedrich Wilhelm IV. auf ihre Forderungen, die Periodizität und die Kompetenzen des Landtags gegenüber diesem Ausschuss sicherzustellen, nicht eingegangen war. Diese Entscheidung war auch vor den eigenen Wählern nicht leicht zu rechtfertigen (S. 254–255).

Auch in anderen Punkten erwies sich die liberale Gruppe als brüchig. Während die meisten ihrer Mitglieder wie Beckerath schutzzöllnerisch dachten, verfocht etwa Camphausen entschieden eine Politik des Freihandels; und auch kleinliche regionale Sonderinteressen, etwa bei der Konkurrenz zwischen verschiedenen Bankplätzen oder Eisenbahnprojekten, hatten öfters eine entzweiende Wirkung auf die überwiegend aus Unternehmern bestehende Gruppierung. Beckerath, der die rechtliche und staatliche Einheit Preußens als Voraussetzung seiner Zukunftsvisionen ansah und daher jeden provinziellen Partikularismus ablehnte, isolierte sich dadurch mitunter von anderen Oppositionspolitikern, die gern gerade auf die Sonderrechte ihrer Provinzen pochten. Einig waren sich die Liberalen allerdings, außer in der grundsätzlichen Stoßrichtung ihrer konstitutionellen Forderungen, vor allem im Hinblick auf den Wunsch nach staatsbürgerlicher Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit. Ein besonderes Anliegen des Mennoniten Beckerath war die Gleichberechtigung der religiösen Minderheiten; mehrere seiner am meisten beachteten Landtagsreden galten der Emanzipation der Juden, die freilich wie fast alle anderen Forderungen angesichts des hartnäckigen Widerstands der Regierung weit weniger vorankam, als er gewünscht hätte.

Mit dem Beginn der Revolution von 1848 schließt der Hauptteil von Hettingers Darstellung; die Tätigkeit Beckeraths sowohl in als auch nach der Revolutionszeit wird nur in einem knappen „Ausblick“ gewürdigt (S. 267–282). Gerade aus der Sicht unseres Projekts ist dies natürlich zu bedauern4. Die Skizze, die Hettinger bietet, deckt sich allerdings mit dem Bild, das auch die Protokolle und Akten der Zentralgewalt sowie die weitere einschlägige Literatur liefern. Beckerath hatte die Revolution von Anfang an als „Katastrophe“ angesehen (S. 269). Die Bildung der Provisorischen Zentralgewalt und die Wahl eines österreichischen Erzherzogs zum Reichsverweser waren ihm alles andere als recht (S. 272); zu seinem Regierungseintritt kam es letztlich vor allem deshalb, weil Camphausen sich zu einem solchen nicht bewegen ließ. Im Rahmen der ohnehin alles andere als radikalen Ministerien Leiningen und Schmerling war Beckerath eine der konservativeren Figuren, und vor allem vertrat er – weit mehr als der preußische General Peucker im Kriegsministerium – die Interessen Preußens. Schon im August 1848 stellte er sich mehrfach gegen die Mehrheit seiner Kollegen, so in der Frage des Huldigungserlasses oder in jener der Verkündung der Reichsgesetze in den Einzelstaaten5. Auch am Ende seines Ministeramtes scherte er aus, denn die ohnehin begrenzte Bereitschaft seiner Kollegen zu Maßnahmen zur Durchsetzung der Reichsverfassung trotz der Ablehnung durch Preußen ging ihm zu weit; den Beschluss der Nationalversammlung zur Ausschreibung von Reichstagswahlen vom 4. Mai 1849 nahm er zum Anlass, als Abgeordneter und Minister zurückzutreten (S. 276), einige Tage bevor dies der Rest des Ministeriums Gagern tat. Seine eigentlichen Kompetenzen als Finanzminister hatte er hingegen durchaus mit Elan wahrgenommen, nicht zuletzt weil die von den Einzelstaaten einzutreibenden Gelder vor allem für den Aufbau der deutschen Kriegsflotte dienen sollten – ein nationales Vorhaben, für das auch Beckerath große Sympathien hegte. Vom preußischen Unionsprojekt (dem sogenannten „Dreikönigsbündnis“) zeigte er sich nach seinem Regierungsaustritt hoch erfreut6 und unterstützte es bis zum endgültigen Scheitern 1850, obwohl die darin enthaltenen verfassungsrechtlichen Pläne weit hinter den liberalen Forderungen zurückblieben; auch die oktroyierte preußische Verfassung und deren revidierte Fassung von 1850 erschienen ihm in Summe eher als wichtige Fortschritte auf dem von ihm gewünschten Weg denn als Enttäuschungen (S. 277–278).

Das Verdienst des konzisen und gut lesbaren Buches von Hettinger liegt vor allem darin, sowohl zum Verständnis der persönlichen Vorstellungswelt und Handlungsweisen Beckeraths als auch zur Deutung des rheinischen Liberalismus insgesamt nicht monokausal auf einen einzigen Faktor zu rekurrieren, sondern verschiedene Elemente und Ebenen zusammenzuführen und ihre wechselseitige Verschränkung verständlich zu machen. Es wird deutlich, dass im Denken Beckeraths sowohl die konkreten ökonomischen Interessen seiner sozialen Gruppe und seiner Region als auch verschiedene Kategorien ideeller Beweggründe ineinandergriffen: ererbter preußischer Patriotismus und dynastische Loyalität, der (mehr über Lektüre und bürgerliche Geselligkeit denn auf schulischem Wege rezipierte) Idealismus und Humanismus seiner Jugendzeit, ein intensives Gefühl nationaler Zugehörigkeit, ein tief verwurzeltes Arbeits- und Pflichtethos (Beckerath scheint seine öffentliche Tätigkeit kaum jemals als angenehm empfunden zu haben). Nicht zuletzt war auch sein religiöses Empfinden für ihn in hohem Maße handlungsleitend. Dabei handelte es sich allerdings um eine universalistisch-überkonfessionelle Verehrung für den ethischen „Geist des Christentums“ (S. 252), die mit kirchlich gebundenem Offenbarungsglauben wenig zu tun hatte.

Durch dieses differenzierte Bild werden auch manche scheinbaren Widersprüche plausibel aufgelöst. Beckerath konnte zugleich die Emanzipation der Juden fordern und von Preußen als „christlichem Staat“ sprechen, weil er damit etwas völlig anderes meinte als die konservativen Erfinder dieser Denkfigur. Er hätte sich selbst als erster dazu bekannt, dass seine konstitutionellen Vorstellungen darauf hinausliefen, den politischen Einfluss der sozialen Formation, der er selbst angehörte, zu stärken; im Gegensatz zu den Konservativen hätte er hierin allerdings keinen selbstsüchtigen Griff nach der Macht gesehen, da ihm die Beteiligung des industriellen Bürgertums am Staatswesen geradezu als Voraussetzung dafür erschien, dass der Staat für das Wohl aller Bevölkerungsschichten sorgen könne. Manches an ihm freilich wird durch nähere Betrachtung um nichts besser verständlich; insbesondere gilt dies für das offenbar unerschütterliche Vertrauen, das er trotz vielfach wiederkehrender Enttäuschungen und selbst schroffer persönlicher Zurückweisungen in die Herrscher aus dem Haus Hohenzollern setzte, erst in Friedrich Wilhelm IV., dann in Wilhelm I. In seinem Nachlass findet sich eine eigene Mappe, die nur der Dokumentation seiner persönlichen Kontakte mit den Mitgliedern des Königshauses gewidmet ist7.

Auch was den rheinischen Liberalismus im Ganzen angeht, erweist sich die differenzierende Sichtweise Hettingers als hilfreich zur Überwindung verkürzender Einschätzungen. Die inhaltliche Mäßigung und der taktische Pragmatismus, welche diese Strömung im Vergleich zu den Liberalen anderer deutscher Regionen kennzeichneten, entsprechen zum einen den besonderen ökonomischen Bedingungen einer Provinz, die sich auf einem deutlich höheren Stand der industriellen Entwicklung befand als fast alle anderen Teile Deutschlands, und dem damit verbundenen Umstand, dass es sich beim politischen Personal der Gruppe überwiegend um Unternehmer handelte – im Gegensatz zu den akademischen oder beamteten Juristen, die andernorts die meisten oppositionellen Politiker stellten. Nicht nur materielle Interessen, sondern auch Ausbildung und Lebenserfahrung bedingten bei ihnen eine andere Herangehensweise. Beckerath war wie die meisten seiner Mitstreiter kein Theoretiker; er hat seine Zukunftsvision nie als kohärentes System in allen Teilen ausformuliert und wäre vermutlich nie auf die Idee gekommen, einen eigenen Entwurf einer deutschen Verfassung aus dem Ärmel zu schütteln, wie dies etwa Robert von Mohl im Frühjahr 1848 innerhalb kürzester Zeit fertigbrachte. Zum anderen muß, wie Hettinger mit Recht hervorhebt, die Behutsamkeit der rheinischen Liberalen und ihr besonderes Festhalten am Verständigungsprinzip auch mit den politischen und rechtlichen Zuständen des verfassungslosen Preußen in Verbindung gebracht werden. Sie konnten sich manches nicht erlauben, was die auf einem vergleichsweise weit festeren konstitutionellen und parlamentarischen Rechtsboden stehenden Oppositionellen etwa in den südwestdeutschen Staaten erprobten. Ohne die Interessengebundenheit der rheinisch-liberalen Politik zu leugnen, werden durch diese Überlegungen so reduktionistische Urteile wie die von Hettinger eingangs zitierten Formulierungen von Gall in wichtigen Punkten nuanciert.

 

  1. KOPSTADT, Hugo: Hermann von Beckerath. Ein Lebensbild, Braunschweig 1875; ONCKEN, Wilhelm: Aus dem Leben und den Papieren Hermann’s von Beckerath, Köln 1873.
  2. GALL, Lothar: Liberalismus und „bürgerliche Gesellschaft“. Zu Charakter und Entwicklung der liberalen Bewegung in Deutschland. In: Historische Zeitschrift 220 (1975) 324–356, hier 349.
  3. FEHRENBACH, Elisabeth: Rheinischer Liberalismus und gesellschaftliche Verfassung. In: SCHIEDER, Wolfgang (Hrsg.): Liberalismus in der Gesellschaft des deutschen Vormärz (Geschichte und Gesellschaft Sonderheft 9), Göttingen 1983, 272–294.
  4. In einer Anmerkung (S. 348) verweist Hettinger darauf, dass diese Periode den Schwerpunkt der älteren Darstellungen (vgl. Anm. 1) bildet. Angesichts der von ihm selbst zur Genüge herausgestellten Schwächen jener Arbeiten ist das nur bedingt überzeugend. Die Beschränkung erfolgte wohl eher aus pragmatischen Gründen, die der beschränkte Rahmen einer Dissertation nahelegte, und ist in dieser Hinsicht legitim; eine Aufarbeitung von Beckeraths Aktivität 1848/49 auf ähnlichem Niveau, wie es Hettinger für die Zeit davor bietet, bleibt aber ein Desiderat, das die älteren Arbeiten keineswegs erfüllen.
  5. BArch DB 52/1 fol. 10–14, Protokoll der 3. Sitzung des Gesamtreichsministeriums, 1848 August 24.
  6. Vgl. insbesondere seine Korrespondenz mit Bassermann und Mathy aus dem Mai und Juni 1849: Stadtarchiv Krefeld, Bestand 40/2, Nr. 5, fol. 18–21, und Nr. 6, fol. 52–67.
  7. Stadtarchiv Krefeld, Bestand 40/2, Nr. 7.

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/217

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Rheinische Klöster im Dreißigjährigen Krieg

Soeben ist der zweite Band des Nordrheinischen Klosterbuchs ist erschienen; vor einigen Wochen hatte ich bereits auf die Kapuziner in der Schenkenschanz hingewiesen. Das vorliegende Lexikon behandelt die kirchlichen Einrichtungen in der Vormoderne, alphabetisch organisiert von Düsseldorf bis Kleve, und bietet einen kursorischen Überblick über Schicksale dieser kirchlichen Institute. Dieses Werk stellt auch für alle, die sich mit dem Dreißigjährigen Krieg beschäftigen, höchst aufschlußreiche Befunde vor. Denn Kriegszeiten konnten immer auch einen bedeutenden Einschnitt in der Geschichte eines Klosters bedeuten, was nicht überrascht, da Konvente, Klöster und Stifte attraktiv waren für jede Truppe, die Unterkunft suchte und Versorgung benötigte; ein Beispiel bietet das 1640 von Truppen Hessen-Kassels besetzte Kalkar (S. 589, 2.1.4).

Erwartet habe ich die übliche Geschichte von harten Kriegskontributionen, von Plünderungen und Zerstörungen und ebenso von konfessionspolitischen Eingriffen. Tatsächlich gibt es auch eine Reihe von Einrichtungen, denen genau dieses Schicksal widerfahren ist. Das Chorherrenstift St. Maria in Goch erlebte immer wieder Verwüstungen, so daß auch die Chorherren zeitweise ausweichen mußten (S. 406), ähnlich schwierig waren die Geschicke der Kartäuser in Jülich (S. 549) und erst recht diejenige des Kanonissenstifts in Essen-Rellinghausen (S. 321 f.). Einigermaßen glimpflich verlief die Geschichte des Kollegiatstifts Kleve, doch auch hier waren Einbußen und Rückschläge nicht zu vermeiden (S. 694). Somit passen diese Befunde durchaus in das allgemeine Narrativ vom Niedergang einer einstmals prosperierenden rheinischen Landschaft, die durch jahrzehntelange kriegerische Auseinandersetzungen derartige Einbußen hatte hinnehmen müssen, daß die Konsolidierung erst wieder im 18. Jahrhundert gelang – wenn überhaupt, denn für viele Städte leitete das 17. Jahrhundert eine Phase des Niedergangs ein, die erst durch die Industrialisierung im 19. Jahrhundert überwunden werden konnte.

Auffällig ist jedoch, daß das Narrativ vom Niedergang einige Male durchbrochen wird. So gab es eine Reihe von Klöstern, die allem Anschein nach gut durch die Krisenjahrzehnte kamen und diese offenbar ohne große Verluste überstanden. Die Geschichte des Klosters in Hamminkeln verlief in „gewohnten beschaulichen Bahnen“ (S. 450), und ähnlich unbehelligt von Kriegsereignissen kamen die Kapuziner in Essen durch diese Jahrzehnte (S. 293). Andere Beispiele zeigen sogar, daß die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs eine Phase war, in der Neugründungen unternommen wurden, die sich durchaus behaupten konnten: Bot die Krisensituation dieser Zeit mitunter auch Chancen? Beispielsweise wurde 1625 in Emmerich eine Sodalität der Devotessen gegründet (S. 206 f.), was nicht nur aufgrund des Zeitpunkts inmitten des Kriegs auffällt, sondern auch eben durch den Standort: In Emmerich lag eine Garnison der Generalstaaten, die im Herzogtum Kleve ohnehin einige starke Stützpunkte unterhielten und diese Militärmacht auch konfessionspolitisch einzusetzen verstanden. Dies bekam der Konvent der Fraterherren in Emmerich zu spüren (S. 211) und ebenso die Jesuiten (S. 221 f.), aber eben nicht die Devotessen. Erfolgreich waren ebenfalls die Franziskaner im Jahr 1624 in Kempen (S. 636), und ebenso glückte ihnen die Gründung eines Konvents direkt nach Kriegsende in Erftstadt-Lechenich (S. 263).

Weitergehende Interpretationen will ich an dieser Stelle gar nicht verfolgen; doch aufschlußreich scheint mir schon zu sein, daß die Befunde wie so oft ein differenzierteres Bild ergeben als zunächst erwartet. Anregungen, sich weiter mit dieser Thematik (und natürlich anderen Aspekten) zu beschäftigen, bietet dieses Lexikon allemal.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/167

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Die Nöte des Kölner Kurfürsten

21. Januar 1645: Kurfürst Ferdinand von Köln schreibt von seiner Bonner Residenz aus an den kaiserlichen Feldmarschall Hatzfeldt, der derzeit in Böhmen operiert. Dieser zieht dort seine Truppen zusammen und sucht eine Entscheidung gegen die vorrückenden Schweden. Dazu wünscht der Kurfürst dem Feldmarschall guten Erfolg und verbindet damit auch die Hoffnung, daß Gott Graf Hatzfeld „solche gluckhliche Progress wieder den Feindt verleihen werde, damit Vnß dießer Orths in kurtzem waß Lufft gemacht werden möge“. In dem Zusammenhang weist Kurfürst Ferdinand auf die sich verschlechternde militärische Lage im Rheinland hin: Nachdem die niederrheinisch-westfälischen Kreistruppen unter Graf Geleen ins Westfälische abgezogen seien, stehe das Rheinland weitestgehend ungeschützt da. Nur noch wenige Kräfte seien an der Mosel verblieben, auf die allerdings kein Verlaß sei. Erst kurz zuvor hätten französische Einheiten die Stadt Oberwesel eingenommen (am Mittelrhein, zwischen Boppard und Bingen gelegen), nun sei auch Koblenz bedroht. Die Lage sei kritisch, und dem Feind Widerstand zu leisten, sei man „so gahr nit gefast“. (Schönstein, Fürstlich Hatzfeldt-Wildenburgsches Archiv, Kriegsarchiv Melchior von Hatzfeldt Nr. 236 unfol. Ausf.)

Der Brief liest sich wie eines der üblichen Schreiben, in dem ein mit dem Kaiser verbündeter Reichsfürst um militärische Hilfe bittet. Tatsächlich waren derartige Anforderungen um militärische Verstärkungen üblich in einem Koalitionskrieg, eine Konstellation, wie sie sich im Dreißigjährigen Krieg immer wieder ergab. Vor dem Hintergrund ist der Brief ein weitgehend standardisiertes Schreiben, wie er in den Kanzleien dieser Zeit üblich war. Die besondere Note erhält das Schreiben aber durch die Nachschrift, die der Kurfürst eigenhändig an Graf Hatzfeldt anfügte.

In acht weiteren Zeilen, ungefähr einer drittel Seite, greift Kurfürst Ferdinand noch einmal das Anliegen auf und wiederholt die Gefährdung, die für die Rheinlande bestehen: Es bedürfe keiner weiteren Ausführung, wie wichtig das „Hauptwesen“ sei (also der Hauptkriegsschauplatz in Böhmen). Doch auch dem „edlen Rheinstrom“ und ebenso der Mosel komme eine große Bedeutung zu, wie Hatzfeldt zuletzt selbst noch in einem früheren Schreiben dargelegt habe. So hoffe er, Ferdinand, daß man „uns arme verlassene Rheinländer“ nicht im Stich lassen, sondern nach dem „glücklichen Success“ in Böhmen wirkliche helfen werde, „ehe aus Frankreich ein neuer Tempestas entstehe, der uns zugrunde richte“.

Es ist dieses Postscriptum, das in besonderer Eindringlichkeit die Not vorstellt, die der Kölner Kurfürst empfand. Für Ferdinand, der schon seit 1612 das Kurfürstentum regierte und den Krieg von Anfang an miterlebt hatte, sind zahlreiche eigenhändige Nachschriften überliefert, die vielfach seine Ansichten und Sorgen erkennen ließen. Mag also ein Postskriptum für Ferdinand nicht unüblich gewesen sein, so stellt es in diesem Fall eine immense Verstärkung des eigentlichen Briefinhalts dar: Nicht allein das Kanzleischreiben transportiert das Anliegen, sondern der Kurfürst selbst greift eigenhändig diese Nöte auf und personalisiert die geäußerten Befürchtungen.

Über diesen einen Fall hinausgehend stellen eigenhändige Notizen eines regierenden Fürsten eine besondere Form der Überlieferung dar. Sie machen seine Persönlichkeit viel unmittelbarer faßbar als die im regulären Kanzleibetrieb verfertigten Schriftstücke. Eben weil die Fürsten damals durch einen wachsenden Apparat von Bediensteten umgeben sind, bleibt oftmals schemenhaft, in welchem Maße die Korrespondenzen jeweils die Meinung des Fürsten oder nicht eher die seiner Räte widerspiegeln. Eigenhändige Marginalien und Ergänzungen in diesen Briefschaften sind daher rare Schlaglichter auf die Gedanken des Fürsten selbst. ‑

Nachschrift:
Am 6. März 1645 trafen bei Jankau in Böhmen das kaiserliche und das schwedische Heer aufeinander. Bekanntermaßen verlor Hatzfeldt die Schlacht und fast die gesamte Armee – Kurfürst Ferdinand mußte also seine Hoffnung aufgeben, daß bald schon kaiserliche Truppen die Lage am Rhein zum Besseren wenden würden.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/74

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800 Jahre Zisterzienserabtei Marienstatt: Neue Monografie zum Geburtstag

1212 gegründet, 1803 aufgelöst, 1888 wiederbesiedelt. Das sind die Eckdaten der nunmehr 800 Jahre alten Zisterzienserabtei im Tal der Nister im Westerwald. Die Monografie zur Geschichte Marienstatts betrachtet erstmals den gesamten Zeitraum seit der Gründung der Abtei aus einem wissenschaftlichen Blickwinkel. Sie schildert die schwierige Gründungsphase, in der die Abtei vom Erzbistum Trier in das Erzbistum Köln verlegt wurde, und widmet sich der vielfältigen Vernetzung des Zisterzienserordens sowie den Beziehungen zu den übrigen kirchlichen und weltlichen Institutionen der Region. Außerdem untersucht sie das Verhältnis [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/264

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