Social Media-Werkzeuge für Historiker/innen – Versuch einer Übersicht

 

2114683166_45ce6d7e43_mSeit etwa drei Wochen werden unter dem hashtag #digwerhist auf Twitter digitale Werkzeuge für Historiker/innen gesammelt. Die ursprüngliche Idee war, aus dem riesigen Angebot an Tools gemeinsam diejenigen herauszufiltern, die im wissenschaftlichen Alltag von der Community genutzt werden. Gleichzeitig sollten Anleitungen für den konkreten Einsatz der Werkzeuge gesammelt und aus den Tweets dann ein Blogbeitrag werden – ein viel zu ambitioniertes Vorhaben, wie sich schon nach kurzer Zeit herausstellte: Denn zu digitalen Werkzeugen im weitesten Sinne gehören Web 2.0-Tools genauso wie digitalisierte Quellensammlungen, E-Journals, Datenbanken, Bibliothekskataloge, Forschungsumgebungen, etc.

Daher werden hier mit dem Versuch einer ersten Übersicht und der Beschränkung auf Social-Media-Werkzeuge ausdrücklich kleinere Brötchen gebacken. Dass solche Sammlungen und Übersichten sinnvoll und nützlich sind und vor allem auch gewünscht werden, wird aus den bisherigen Reaktionen in den Sozialen Medien deutlich. Allen Hinweisgebern wird herzlich gedankt für das Teilen der wertvollen Tools. Ein besonderer Dank geht an Jan Hecker-Stampehl und Klaus Graf für Durchsicht und Ergänzungen dieses Beitrags. Das Sammeln digitaler Werkzeuge über den hashtag #digwerhist bei Twitter geht natürlich weiter.

Kommunikation, Kollaboration und Multimedia

Die folgende Übersicht über Social-Media-Tools orientiert sich an der Einteilung dieser Werkzeuge in die drei Bereiche Kommunikation, Kollaboration und Multimedia, wie sie in der Netzpublikation “Social media: A guide for researchers” aus dem Jahr 2011 vorgenommen wurde. Diese Einteilung ist idealtypisch und viele Werkzeuge lassen sich zwei oder drei Bereichen gleichzeitig zuordnen. Ich finde sie dennoch hilfreich, um den hauptsächlichen Sinn hinter den einzelnen Anwendungen zu verstehen. Ein Anspruch auf Vollständigkeit besteht nicht und wäre auch völlig fehl am Platz. Wichtig erscheint mir außerdem, nicht nur eine Aufzählung zu bieten, sondern auch Beispiele und vor allem Anleitungen oder Erfahrungsberichte dazu aufzulisten. Allzu viele Anleitungen gibt es derzeit allerdings noch nicht (oder ich habe sie nicht gefunden). Der Überblick macht bestehende Lücken deutlich und bietet Anregungen für alle, die gerne eine Anleitung schreiben möchten (z.B. als (Gast)beitrag hier auf diesem Blog). Auch für die Beispielsammlungen mancher Tools werden eigene Artikel benötigt. Diese könnten hier nach und nach aktualisiert werden, so dass mit diesem Beitrag eine zentrale Anlaufstelle entsteht. In diesem Sinne sind Ergänzungen in den Kommentaren sehr erwünscht! Nicht immer bedeutet die bloße Nennung eines Tools auch automatisch eine Empfehlung dafür.

Vorweg werden Übersichten über digitale Tools für den wissenschaftlichen Bereich aufgezählt.

Übersichten und Verzeichnisse digitaler Tools

Bamboo DiRT: Registry of digital research tools for scholarly use
Sehr praktische und umfangreiche Übersichtsseite, die digitale Tools auflistet. Der Zugang erfolgt über die Aufgabenstellung, die man erledigen will, z.B. Analyze Text, Share bookmarks, Manage bibliographic information etc. Die einzelnen Werkzeuge sind auf den Unterseiten kurz erläutert. Schön ist, dass es eine Wunschliste gibt, in die man sein gewünschtes Tool eintragen kann, in der Hoffnung, dass es dann jemand programmiert.

American Historical Association “A Digital Tool Box for Historians”
Schön bunt ist sie, die Pinnwand bei Pinterest der AHA. Und voll auch: 142 Tools sind derzeit im Angebot. Leider sind diese aber nicht nach Sinn und Zweck geordnet und daher ohne systematischen Zugang. Wer bei Pinterest ist, kann der Pinnwand folgen und verpasst damit nicht, wenn ein neues Werkzeug “angeheftet” wird. Dazu müsste uns natürlich noch jemand erklären, wie Pinterest eigentlich funktioniert…

Apps für “digitale Historiker”
Unter diesem Titel gab Pascal Föhr auf seinem Blog Historical Source Criticism einen ersten Überblick über Apps für mobile Geräte speziell für Historiker. Es entspann sich eine rege Diskussion und in den Kommentaren wurden weitere Apps hinzugefügt, die schließlich in eine Tabelle zusammengefasst wurden, getrennt nach Betriebssystemen. Die Liste kann weiter ergänzt werden.

Ausgewählte Tools zur wissenschaftlichen Arbeit mit dem/im Social Web
Hinter diesem Titel befindet sich eine offene Wikimap, die mit mindmeister erstellt wurde. Unterteilt werden die Tools in diesem Mindmap z.B. nach “Kollaboration”, “Content/Recherche”, “Vernetzung, Kommunikation, Organisation” sowie “Web-Präsentation”.

Framasoft
Die französische Website Framasoft bietet einen Überblick über freie, dh. kostenlose Software, ohne Beschränkung auf den wissenschaftlichen Bereich. Die Übersicht ist in verschiedene Anwendungsbereiche wie Multimedia oder Education grob unterteilt. Allerdings muss man ein bisschen Französisch können, denn andere Sprache exisiteren für die Oberfläche leider nicht.

1. Bereich Kommunikation

Bloggen

Kostenlose Anwendungen zum Bloggen sind z.B.

Wer sein Blog nicht selbst hosten möchte oder kann und sich zudem von Anfang an in der Community vernetzen will, für den bietet die Plattform für geisteswissenschaftliche Blogs im deutschsprachigen Raum de.hypotheses.org eine Alternative.

Eine Übersicht zu Geschichtsblogs gibt es im Beitrag “Forschungsnotizbücher im Netz” mit weiteren Verweisen, sowie in der Liste der Geschichtsblogs im deutschsprachigen Raum. Kürzlich erschienen ist das Buch “Historyblogosphere – Bloggen in den Geschichtswissenschaften“, das frei online zugänglich ist. Ein Aggregator für deutschsprachige Geschichtsblogs, der Planet History, der aktuelle Beiträge aus 142 Geschichtsblogs anzeigt, ist vor kurzem freigeschaltet worden.

Microbloggen

Das bekannteste Beispiel für eine Anwendung im Bereich Microbloggen ist:

“Twitter ist ein hervorragendes Mittel, um einerseits auf dem Laufenden zu bleiben und um andererseits die Fachkollegen/innen über die eigenen Publikationen, Vorträge und Tätigkeiten zu informieren”, so liest man in der Anleitung: Twitter in der Wissenschaft – ein Leitfaden für Historiker/innen (21.8.2012).

Im Blog der Amercian Historical Association gibt es einen Beitrag über Hashtags im Bereich Geschichte: History-Hashtags: Exploring a Visual Network of Twitterstorians. Anstatt eine Liste anzulegen, wurden die hashtags mit der Anwendung Pearltree in Gruppen visuell dargestellt (Seite braucht etwas Zeit beim Laden).

Eine – noch junge – Alternative zu Twitter ist z.B. Quitter.

Social Networking

Neben Facebook, Google+, LinkedIn und vielen anderen gibt es auch Netze speziell für die Wissenschaft wie beispielsweise:

Anleitung von Maria Rottler: Share and follow research – Academia.edu (20.2.2013)

Erläuternder Artikel: Open Science: Facebook für Forscher (6.9.2013)

Auf Facebook gibt es seit kurzem eine eigene und offene Gruppe Digital History. Zu verweisen ist auch auf die offene Gruppe Geschichte & Kulturwissenschaften.

Aggregatoren

Aggregatoren sind Anwendungen, mit denen man Inhalte aus dem Netz (Twitter, Wikis, Zotero, Blogs…) über RSS-Feeds in einer eigenen Seite zusammenführen kann. Anwendungen für diese Dienste sind z.B.

Anleitung in Form eines Wikis: Intro to TagTeam

An dieser Stelle auch ein kurzer Hinweis allgemein auf RSS-Feeds und RSS-Reader: Um auf dem Laufenden zu bleiben, z.B. was Zeitschrifteninhalte, Blogs, Termine, Websites,  Suchanfragen in Bibliographien und Bibliothekskatalogen etc. anbelangt, sind RSS-Feeds ein sehr praktischer Dienst. Es gibt einen französischen Artikel zum Einsatz von RSS-Readern in den Geisteswissenschaften allgemein. Eine deutsche Version eines solchen Beitrags wäre wünschenswert, steht aber noch aus1.

Feeds können direkt im Browser gelesen oder in Mailprogrammen angzeigt werden. Damit sind sie aber nur lokal auf einem Rechner verfügbar. Daneben gibt es RSS-Reader, bei denen man ein Konto anlegt, so dass man die Feeds auf verschiedenen Geräten und u.a. auch mobil lesen kann. Ein RSS-Reader ist neben den bereits oben genannten z.B. Feedly, den ich selbst nutze und empfehlen kann.

2. Bereich Zusammenarbeit

Online-Konferenzen

Um eine kostenlose Videokonferenz abzuhalten bzw. einen Telefonanruf zu tätigen gibt es z.B. die folgenden Anwendungen:

Bei beiden Anbietern muss man vorher ein Konto anlegen. Doch während man bei Google Hangout mit beliebig vielen Teilnehmern gleichzeitig konferieren kann, ist dies bei Skype nur in der kostenpflichtigen Premium-Version zu haben.

Wikis

Mit Wikis können Gruppenarbeiten, Projektkoordinationen und Ergebnisdokumentationen vorgenommen werden, z.B. auch in der Lehre. Wer selbst ein Wiki erstellen möchte, kann das u.a. mit den folgenden Anwendungen tun:

Über Wikis speziell für Historikerinnen und Historiker müsste man einen eigenen Beitrag schreiben. Ein Beispiel ist die Seite Digitalisierte Nachlässe im Rahmen des deutschsprachigen Wikisource-Projekts, das Schwesterprojekt der mit Wikimedia-Software betriebenen Wikipedia. Weitere Wikis mit Geschichtsbezug, auf die mich Klaus Graf dankenswerter Weise hinwies, sind die Seiten Bibliographien, Digitale Sammlungen und Aufsatzrecherche in der Geschichtswissenschaft. Eine sehr nützliche Zusammenstellung von Wikis enthält die Seite Wunderwelt der Bibliotheken.

Social Documents

Gemeinsam im Netz ein Dokument zu schreiben und zu bearbeiten geht u.a. mit den folgenden Anwendungen:

Bei Google-Docs kann man kollaborativ und gleichzeitig an einem Dokument (Text, Tabelle…) arbeiten. Dazu wird begleitend ein Online-Chat angeboten, um sich parallel über die Arbeit austauschen zu können. Bei den EtherPads handelt es sich um Editoren, mit denen man gemeinsam Texte schreiben kann. Dabei haben die Mitwirkenden jeweils unterschiedliche Farben beim Schreiben, so dass eindrucksvolle, bunte Flickenteppich-Texte entstehen, aus denen hervorgeht, wer was geschrieben hat. Auch für die Etherpads gibt es einen begleitenden Chat.

Vor allem EtherPads können sehr gut in der Lehre, für Projekt-Brainstorming, für  gemeinsame Live-Protokolle etc. verwendet werden. Das Manifest der Digital Humanities ist beispielsweise in einer ersten Version auf diesem Framapad entstanden. Weitere Beispiele sind das Paläographie-Lern-Pad von Klaus Graf oder das jüngst eröffnete Pad Programmieren für Historiker von Michael Schmalenstroer.

Dokumente können auch online in der “Cloud” gespeichert werden und von dort aus mit anderen Nutzer/innen geteilt werden. Cloud-Dienste sind z.B. Dropbox aus den USA,  Alternativen aus Europa sind z.B. wuala oder fiabee. Eine Übersicht über die verschiedenen Angebote, die oftmals nur in der Grundausstattung kostenlos sind und bei größerem Speicherbedarf kostenpflichtig werden, gibt es hier.

Social Bookmarking

Social Bookmarking bezeichnet das gemeinsame Anlegen von Internetlesezeichen incl. deren Kommentierung und Ordnung. Das bedeutet, dass man Linklisten von interessanten Websites nicht für sich alleine als Lesezeichen im Browser ablegt, sondern gemeinsam mit Gleichgesinnten Sammlungen anlegt. Damit profitiert man von den Funden anderer und trägt so gemeinsam zu einer umfassenden Sammlung bei. Eine allgemeine Einführung findet sich im Beitrag Sind Social Bookmarking Dienste tatsächlich tot? (27.2.2012).

Der beste Dienst für Social Bookmarking aufgrund erweiterter Funktionalitäten wie die Möglichkeit, Unterstreichungen oder Anmerkungen anzubringen, ist derzeit  aus meiner Sicht:

Anleitung: Diigo – Informationskompetenz (IMB Uni-Augsburg, ohne Datum).

Ein Beispiel für eine offene diigo-Linksammlung ist die von Klaus Graf angelegte Sammlung zu digitalisierten Zeitschriften: https://www.diigo.com/user/klausgraf/Digi_Zeitungen.

Weitere Anwendungen sind z.B.:

Social Bibliographie

Unter Social Bibliographie versteht man das gemeinsame Erstellen von Online-Bibliographien. Dafür kann man beispielsweise die folgenden Dienste verwenden:

Beispiele für kollaborative Zotero-Bibliographien sind die Bibliographie zur Ordensgeschichte sowie die Bibliographie zum Ersten Weltkrieg First World War Studies.

Bei Mendeley gibt es eine gemeinsame Bibliographie zur digitalen Geschichte, angelegt und betreut von der AG Digitale Geschichtswissenschaft. Der Dienst ist jedoch vor kurzem an Elsevier verkauft worden, was in der Community auf Kritik stieß.

3. Bereich Multimedia

Fotografie

Zu den bekanntesten Social-Media-Anwendungen im Bereich der Fotografie zählen:

Beide Anwendungen eignen sich, um eigene Fotos dort hochzuladen und der Community zur Verfügung zu stellen. Auf beiden Foto-Plattformen sind natürlich bereits eine große Anzahl an Forschenden und an wissenschaftlichen Einrichtungen aktiv. Um diese vorzustellen, braucht es (mindestens) einen eigenen Beitrag, eine Aufgabe, der sich Jan Hecker-Stampehl dankenswerter Weise demnächst stellen will. Hier sei nur beispielhaft verwiesen auf die Flickr-Seite Commons, auf der umfangreiche digitale Sammlungen von Archiven, Bibliotheken und Forschungsstätten in public domain versammelt sind. Flickr selbst bietet in der erweiterten Suche einen Filter an, um Bilder, die unter Creative-Commons-Lizenz stehen, zu finden2.

Weitere Beispiele für den Einsatz von Flickr in historischen Projekten ist z.B. Photo Normandie mit einer Sammlung an Fotos von der Landung der Alliierten, die gemeinsam beschrieben werden (crowdsourcing) sowie die Foto Sammlung zum Ersten Weltkrieg der BDIC.

Darüber hinaus gibt es in Frankreich ein offenes Archiv speziell für das Teilen von wissenschaflichen Abbildungen, die alle unter eine CC-Lizenz stehen: MédiHAL.

Video

Für das Teilen von Videos gibt es u.a. die folgenden Portale, die aber nicht auf wissenschaftliche Inhalte beschränkt sind:

Ein unverzichtbarer Anbieter für Videos unter CC-Lizenz (wie auch für Bilder und andere Medien) ist das Internetarchive. Im Beitrag Freie Videos finden von Klaus Graf finden sich wichtige Hinweise zur Suche von rechtefreien Videos im Netz. Eine Suchmaschine speziell für wissenschaftliche Videos ist yovisto.

Präsentationen

Für das Online-Teilen von Präsentationen gibt es z.B. die Anwendung:

Eine Übersicht über weitere Tools sowie eine kurze Erläuterung sind in diesem englischsprachigen Beitrag zusammen gestellt. Anstatt Präsentationen von Vorträgen hinterher per Mail an die Zuhörenden zu verteilen, kann man sie über diese Tools der gesamten akademischen Community (und darüber hinaus) offen zur Verfügung stellen. Dabei kann individuell angegeben werden, ob und wie die Präsentationen nachgenutzt werden dürfen.

Weitere Anleitungen rund um Soziale Medien

In den sozialen Medien präsent zu sein und sich darüber zu vernetzen, zu kommunizieren und zu publizieren ist die eine Sache. Die andere ist, wie man den eigenen Erfolg für dieses Engagement misst. Für ein “Monitoring” im Bereich soziale Medien sei daher auf den sehr guten Beitrag von Wenke Bönisch auf diesem Blog hingewiesen: Social Media Monitoring für Wissenschaflter/innen (1.10.2013), der alles Wesentliche dazu erklärt.

Ausblick: Persönliche Berichte von Historiker/innen und wie sie digitale Werkzeuge nutzen

Bei der Abfassung dieser Übersicht entstand die Idee, praktische Erfahrungen zur Verwendung der digitalen Werkzeuge zu sammeln und darüber in einen Austausch zu geraten. Denn das Sammeln von Werkzeugen alleine ist zwar ein wichtiger, aber nur ein erster Schritt. Hilfreich ist es aus meiner Sicht, dazu auch die konkrete Anwendung im wissenschaftlichen Alltag zu zeigen. Man könnte daher systematisch anhand eines Fragebogens den Einsatz dieser Tools im wissenschaftlichen Alltag abfragen, um so zu einer möglichst breiten Sammlung an Praktiken zu kommen. Ich könnte mir vorstellen, dass dies zahlreiche Anregungen für die Praxis bringt. Da die Kollgen vom französichen Blog “La boite à outil” etwas Ähnliches planen, entstand die Idee, diese Praxisberichte gemeinsam anzugehen. Damit können gleichzeitig die eventuell national unterschiedlichen Handhabungen deutlich werden.

In eine ähnliche Richtung geht derzeit auch die Video-Serie “Max meets Lisa” Zwischen Büchern und Bytes. Geisteswissenschaftler, wie arbeitet Ihr heute?“, in der bisher zwei Videos erschienen sind.

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Literaturliste und weitere Hinweise

Wenke Bönisch, Wofür können Wissenschaftler Web 2.0/Internet nutzen?, in: Wissenschaft und neue Medien, 15.2.2011, http://digiwis.de/blog/2011/02/15/wofuer-koennen-wissenschaftler-web-2-0internet-nutzen/.

Wenke Bönisch, Sind Social Bookmarking Dienste tatsächlich tot? in: Digitale Geschichtswissenschaft, 27.2.2012, http://digiwis.de/blog/2012/02/27/sind-social-bookmarking-dienste-tatsaechlich-tot/.

Wenke Bönisch, Übersichtsliste und Eindrücke zur Geschichtsblogosphäre im deutschsprachigen Raum, in: Wissenschaft und neue Medien, 1.9.2012, http://digiwis.de/blog/2012/01/09/uebersichtsliste-und-eindruecke-zur-geschichtsblogosphaere-im-deutschsprachigen-raum/.

Wenke Bönisch, Social Media Monitoring für Wissenschaflter/innen, in: Digitale Geschichtswissenschaft, 1.10.2013, http://digigw.hypotheses.org/205.

Alan Cann, Konstantia Dimitriou, Tristram Hooley, fSocial media: A guide for researchers, Februar 2011 (pdf): http://www.rin.ac.uk/system/files/attachments/social_media_guide_for_screen_0.pdf.

Klaus Graf, Paläographie lernen mit dem Etherpad, in: Archivalia, 6.4.2011, http://archiv.twoday.net/stories/16552609/.

Klaus Graf, Blog & Recht: Wie nutze ich Bilder unter freier Lizenz korrekt?, in: Archivalia, 8.12.2012, http://archiv.twoday.net/stories/219051498/.

Klaus Graf, Freie Videos finden, in: Archivalia, 22.5.2013, http://archiv.twoday.net/stories/410257652/.

Klaus Graf, Mareike König, Forschungsnotizbücher im Netz – Postskript zu einer Veröffentlichung, in: Redaktionsblog, 24.6.2013, http://redaktionsblog.hypotheses.org/1385.

Peter Haber, Eva Pfanzelter (Hg), Historyblogosphere. Bloggen in den Geschichtswissenschaften, Oldenbourg 2013, http://www.degruyter.com/viewbooktoc/product/216968.

Mareike König, Twitter in der Wissenschaft: Ein Leitfaden für Historiker/innen, in: Digital Humanities am DHIP, 21.08.2012 http://dhdhi.hypotheses.org/1072.

Dave Roos, How Desktop sharing Works, in: How Stuff Works, http://computer.howstuffworks.com/how-desktop-sharing-works3.htm.

Maria Rottler, Share and follow research – Academia.edu, in: Ordensgeschichte, 20.2.2013, http://ordensgeschichte.hypotheses.org/2663.

Annette Schläfer, Organiser sa veille scientifique avec des flux RSS, in: Germano-Fil, 13.1.2012, http://germano-fil.hypotheses.org/756.

Annette Schläfer, Auf dem Laufenden bleiben: Zeitschrifteninhaltsdienste im Blog, in: Franco-fil, 10.9.2013, http://francofil.hypotheses.org/351.

Tim Sherratt, Exploring Digital History With NLA’s Tim Sherratt, in: Inside History, 10.9.2013, http://www.insidehistory.com.au/2013/09/exploring-digital-history-with-nlas-tim-sherratt/.

Michael van den Heuvel, Open Science: Facebook für Forscher, in: DocChec News, 6.9.2013, http://news.doccheck.com/de/24705/open-science-facebook-fur-forscher/.

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Abbildung: wrench rust von HVargas, CC-BY-SA 2.0.

 

  1. Ein Überblick, wie man u.a. mit RSS-Feeds bei Zeitschrifteninhalten auf dem Laufenden bleibt, gibt der Beitrag Auf dem Laufenden bleiben: Zeitschrifteninhaltsdienste im Blog Franco-fil
  2. Zur korrekten Verwendung von Bildern unter freier Lizenz siehe den Beitrag auf von Klaus Graf: Wie nutze ich Bilder unter freier Lizenz korrekt?, in: Archivalia, 8.12.2012.

 

 

Quelle: http://digigw.hypotheses.org/164

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Internationale Open Access Week: Wie Wissenschaftsblogger Open Access fördern können

Die meisten WissenschaftlerInnen befürworten Open Access. Sie wollen – auch aus eigenem Interesse – einen besseren Zugang zu den Resultaten wissenschaftlicher Forschung, zu Zeitschriftenartikeln, Buchbeiträgen oder Büchern, zu Forschungsdaten und digitalisiertem Kulturgut.Vom 21. bis zum 27. Oktober 2013 findet derzeit wieder die Internationale Open Access Woche statt, in der unzählige Institutionen weltweit auf die Vorzüge von Open Access aufmerksam machen (offizielle Website).  Gefragt sind aber auch die Blogger und diejenigen, die in den Social Media aktiv sind, auf Facebook, Google+ oder Twitter, denn die großen Medien werden voraussichtlich die Open Access Week wie in den vergangenen Jahren weitgehend ignorieren.

Natürlich ist es wichtig, dass Open Access nicht nur in einer von 52 Wochen ein Thema ist. Die folgenden Tipps gelten daher nicht nur für diese Woche.

Open Access immer wieder thematisieren!

Vorbildlich ist die Artikelserie in dem von Maria Rottler in unserem Portal betriebenen Gemeinschaftsblog Ordensgeschichte. Es heißt dort: “In dieser Rubrik werden Bücher und Artikel, die sich mit der Geschichte von Klöstern und Orden beschäftigen und die nun (auch) online – und zwar Open Access – zur Verfügung stehen, aufgeführt. Das soll auch als Anreiz verstanden werden.  Alle hier aufgeführten Titel wurden auch in die kollaborative Bibliographie bei Zotero eingetragen.” Dort findet sich auch ein Link zu einer Darstellung der Rechtsfragen.

Open Access Publikationen zusammenstellen und verlinken!

Es sollte immer wieder auf (neue und alte) Open Access Publikationen aufmerksam gemacht werden. Analog zu den Rezensions-Digests bräuchten wir vergleichbare Zusammenstellungen für neu erschienene Beiträge aus Open Access Zeitschriften (“goldener Weg”) und die einschlägigen Inhalte der Hochschulschriftenserver. Auch wenn hier im deutschsprachigen Raum immer noch vergleichsweise wenige geisteswissenschaftliche Fachaufsätze im Zuge des “grünen Wegs” von Open Access in Repositorien verfügbar sind, so sollte man doch die vielen elektronischen Dissertationen (von anderen Abschlussarbeiten einmal abgesehen) nicht übersehen, die normalerweise in wissenschaftlichen Zeitschriften nicht rezensiert werden.

Man kann die Sichtbarkeit solcher Publikationen ebenfalls erhöhen, indem man sie in der Wikipedia oder gegebenenfalls auch auf Wikisource verlinkt – wenn die Links denn den Kriterien dieser Communities genügen.

Sinnvollerweise sollten bibliographische Nachweise der Open Access Veröffentlichungen in einem Austauschformat z.B. auf Zotero frei nachnutzbar bereitstehen.

Eigene Publikationen Open Access veröffentlichen und dies auch anderen empfehlen!

Da es an passenden renommierten Open-Access-Journals in den Geisteswissenschaften oft fehlt und nach wie vor die Publikation in einer angesehenen Nicht-Open-Access-Zeitschrift gerade von jungen Wissenschaftlern aus Karrieregründen bevorzugt wird, kommt eine Zweitveröffentlichung in einem Repositorium in Betracht. Das demnächst in Kraft tretende (missratene) gesetzliche Zweitveröffentlichungsrecht  in Deutschland war ja von dem Wunsch motiviert, es Wissenschaftlern zu ermöglichen, auch dann Open Access zu publizieren, wenn ihnen dies die vertragliche Vereinbarung mit dem Verlag untersagt.

In welchem Format veröffentlichen? Wenn es rechtlich geht: als Faksimilescan des Originals, vorzugsweise als PDF mit darunterliegendem OCR-Text, sonst eben in der letzten Autorenversion (“final draft”).

Wo veröffentlichen? Mit Blick auf die Langzeitarchivierung und die Sichtbarkeit z.B. in BASE ist ein Repositorium die beste Wahl. Wer an keines angeschlossen ist, kann Qucosa nehmen. Aber auch wer die eigene Homepage, Academia.edu, ResearchGate, Mendeley, Scribd usw. wählt, nützt der Wissenschaft.

Man sollte über diese Möglichkeiten immer wieder im KollegInnenkreis sprechen und auch bei Kontakten mit anderen Wissenschaftlern, wenn es um die Übersendung von Arbeiten geht, einfließen lassen, dass es doch schön wäre, wenn der Beitrag auch Open Access zur Verfügung stünde.  Auch wenn man in vielen Fällen keinen Erfolg damit hat, die erfolgreichen Versuche lohnen den Aufwand!

Blogs für (kleinere) wissenschaftliche Publikationen nutzen!

Ob Miszellen oder Opuscula (“Wiedergeburt der Miszelle im Geist des Open Access”) - langsam beginnen WissenschaftlerInnen wissenschaftliche Inhalte auch in Blogs zu veröffentlichen. Dies sollte weiter ausgebaut werden. Meinen Plan eines Miszellen-Blogs habe ich nicht aufgegeben.

Forschungsdaten zugänglich machen, Digitalisierungen anregen!

“Bei jedem Projekt (z.B. Veröffentlichung, auch Aufsätze) sich fragen: Welche Quellen und Sekundärliteratur kann ich online der Allgemeinheit zugänglich machen?” (Kontext). Forschungsdaten klingt ein wenig hochtrabend für Materialien (Bilder, Texte usw.), die keinen Eingang in einen wissenschaftlichen Beitrag finden, aber trotzdem für andere von Nutzen sind. Ich selbst habe auch schon sehr viele Digitalisate gemeinfreier Literatur (mitunter auch von handschriftlichen Quellen) erfolgreich von Bibliotheken und anderen Institutionen “erbettelt” und diese natürlich im Internet Archive oder Wikimedia Commons zugänglich gemacht, wenn die Bibliothek kein eigenes Angebot unterhielt. Jüngst ließ sich sogar ein Archiv erweichen. Fragen kostet nichts!

Open Access geht uns alle an, und jede/r kann etwas für ihn tun!

Und nun husch, über Open Access bloggen …

Quelle: http://redaktionsblog.hypotheses.org/1742

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Buchbesprechung: BACK, Dorf und Revolution

 

BACK, Nikolaus: Dorf und Revolution. Die Ereignisse von 1848/49 im ländlichen Württemberg (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 70), Ostfildern 2010.

Von der Existenz dieses Buches hat der Rezensent mit viel Freude und einer kleinen Beimischung von Ärger erfahren. Die Freude bezieht sich auf das Vorliegen einer neuen substantiellen Forschungsarbeit zu diesem Thema; der Ärger auf den Umstand, von ihr nicht rechtzeitig Kenntnis erhalten zu haben, um sie vor der Drucklegung der eigenen Dissertation noch berücksichtigen zu können.

Cover: Nikolaus BACK, Dorf und RevolutionCover: Nikolaus BACK, Dorf und Revolution

Freilich ist es heute nicht mehr, wie noch vor wenigen Jahrzehnten, der Fall, dass wir von den Ereignissen von 1848/49 im ländlichen Raum fast gar nichts wüssten, aber abgesehen von einer regional sehr unterschiedlichen Qualität und Dichte der vorliegenden Erkenntnisse sind auch manche wichtigen Fragestellungen noch kaum systematisch aufgegriffen worden, während andere als verhältnismäßig gut untersucht gelten können. Dies geht auch aus der Einleitung der vorliegenden Monographie deutlich hervor, welche 2009/10 an der Universität Tübingen als Dissertation angenommen wurde1. Eine beträchtliche Menge an Literatur kann der Verfasser insbesondere zu den ländlichen Unruhen des März und April 1848 in verschiedenen deutschen Staaten anführen (S. 3–11); dabei zeigt sich auch, welche Fortschritte in den vergangenen Jahrzehnten bei ihrer Deutung und Einordnung gemacht worden sind. Hatten sie noch vor einem halben Jahrhundert als letzter Ausläufer des Mittelalters, „noch auf der gleichen Stufe“ mit dem Bauernkrieg von 1525, gegolten2, so haben sich seither wesentlich differenziertere Einschätzungen hinsichtlich der Beweggründe, Akteure und Handlungsformen durchgesetzt, etwa mit den Arbeiten von Andreas Düwel, Robert von Friedeburg und Manfred Gailus3.

Demgegenüber ist der weitere Verlauf des Geschehens im ländlichen Raum während der Jahre 1848 und 1849 noch verhältnismäßig selten systematisch untersucht worden, in erster Linie deshalb nicht, weil sich eine so aufsehenerregende Welle von Unruhen nicht mehr wiederholte. Die schon bald nach der Niederschlagung der Revolution vor allem von konservativen Beobachtern – großer Einfluß kam hier den Schriften von Wilhelm Heinrich Riehl zu4 – aufgebrachte Deutung, nach einem kurzen rauschhaften Intermezzo in den „tollen Märztagen“ sei die Landbevölkerung rasch und nachhaltig zu einer konservativen, weil im Grunde unpolitischen Haltung zurückgekehrt, hat in der Historiographie sehr lange nachgewirkt und tut dies mitunter sogar bis heute5. Immerhin liegen für einige wenige, besonders aktive Regionen bereits Pionierstudien vor, die nachweisen konnten, dass verschiedene Formen zeittypischer politischer Aktivität auch auf dem Land Platz griffen, vor allem Petitionsbewegungen und das politische Vereinswesen. Als Marksteine erscheinen hier vor allem die Arbeiten von Michael Wettengel zu Hessen-Darmstadt und Nassau6 sowie von Jonathan Sperber zum Rheinland7.

An diese Vorbilder anschließend will der Verfasser des hier gegenständlichen Buches für den Raum des ehemaligen Königreichs Württemberg „untersuchen, ob und wie sich die Politisierung der Landbevölkerung nach den Märzunruhen 1848 fortsetzte“ (S. 15). Er geht dabei vor allem insofern noch einen Schritt weiter als Wettengel und Sperber, als er den ländlichen Raum nicht auch, sondern ausschließlich ins Auge fassen und die Entwicklung in den Städten nur so weit behandeln will, wie dies zum Verständnis und zur Erklärung des in den Dörfern Beobachteten erforderlich ist. Wie sich im Verlauf der Untersuchung erweist, waren die Verflechtungen dicht, der Blick auf die Städte bleibt somit durchgehend notwendig, aber – und dies ist von größter Wichtigkeit – die Entwicklung auf dem Land kann dennoch nicht allein als Folge städtischen Einflusses gedeutet werden, sondern ist als Resultat der Interaktion urbaner Impulse mit autochthonen Initiativen in und aus den Landgemeinden zu verstehen. Das Spektrum der in Betracht kommenden „politischen Äußerungen“ wird erfreulich breit abgesteckt: „Volksversammlungen, Petitionen, der so genannte ‚Rau-Ausmarsch‘ vom September 1848, vor allem aber die Entstehung von politischen Vereinen und schließlich in einzelnen Gebieten Ausmärsche zur Unterstützung der Nationalversammlung im Juni 1849“ (S. 15–16). Daneben werden noch andere Aktivitäten wie Spendensammlungen, öffentliche Feiern oder die Verbreitung und Lektüre von Zeitungen und politischen Broschüren, weiters Institutionen wie Bürgerwehren, Gesangs- und Turnvereine mehr oder weniger detailliert behandelt.

Dass sich die Untersuchung auf das ganze Königreich Württemberg erstreckt, wird in erster Linie mit der schütteren Quellenlage begründet, die einen näheren Fokus unergiebig gemacht hätte (S. 16). In der Tat liegt ein großer Vorzug der Studie in der sehr ausgedehnten und zugleich sorgfältigen Quellenarbeit. Der Verfasser hat neben den Akten der württembergischen Zentralstellen jene der Oberämter und der Gerichte benutzt, zudem kirchliche Archive, das Heilbronner Stadtarchiv sowie in Einzelfällen weitere Gemeindearchive. Darüber hinaus hat er eine Vielzahl regionaler und lokaler Zeitungen – vom Boten von Aalen bis zum Amts- und Unterhaltungsblatt für den Oberamtsbezirk Urach – penibel ausgewertet und ihnen selbst kleinste Erwähnungen und Annoncen im Zusammenhang mit politischer Aktivität abgerungen. Ihm ist dabei stets bewusst, dass in den wenigsten dieser Quellen die zentralen Subjekte seiner Untersuchung, die Dorfbewohner, sich aus eigenem Antrieb äußern. Was Angehörige des urbanen Bürgertums oder der Beamtenschaft zu ihnen oder über sie zu sagen hatten, spiegelt oft mehr die Wahrnehmungen und Intentionen dieser Sprecher, als dass es unmittelbar als Information über das Leben in den Dörfern dienen könnte; und nicht selten handelt es sich dabei um Standpunkte, die der pro-revolutionären politischen Aktivität der Landbewohner ablehnend gegenüberstanden. In einer jener Situationen, in denen die Worte dörflicher Aktivisten am ehesten verschriftlicht wurden, nämlich bei behördlichen Vernehmungen, hatten sie ein markantes Interesse daran, sich unwissend und unpolitisch darzustellen. Der Verfasser ist dem mit einer vorsichtig abwägenden Quellenkritik begegnet und hat auch, wo es möglich war, die Aussagen unterschiedlicher Quellen miteinander abgeglichen. Dies verschafft seinen Befunden ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit.

Ein kurzes erstes Kapitel skizziert die wirtschaftliche und soziale Situation im Vormärz und am Vorabend der Revolution (S. 24–36). Hervorgehoben werden dabei die vielfachen Unterschiede zwischen den alt- und den neuwürttembergischen Gebieten im Hinblick etwa auf das Erbrecht und die dadurch bedingte Sozialstruktur der Dörfer, auf den Stand der Grundentlastung (in den erst im 19. Jh. durch Mediatisierung von Kleinterritorien an Württemberg gekommenen Gebieten war diese viel weniger weit fortgeschritten) sowie auf die konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung. Das ländliche Handwerk und das Verlagswesen hatten in Württemberg eine hohe Bedeutung, hingegen gab es wenig fabriksmäßige Industrie; die sozial und politisch stabilisierende Wirkung, die sich Regierungskreise von diesem durchaus erwünschten Zustand versprachen (S. 29), hielt allerdings der Wirtschaftskrise der 1840er Jahre nicht stand.

Den Unruhen im März und April 1848 ist der erste Hauptabschnitt gewidmet. Der Autor hat sie in mehrere Kategorien unterteilt: Proteste gegen Adelsherrschaften (S. 37–68), gegen Schultheißen und Gemeinderäte (S. 68–98), gegen staatliche Amtsträger (S. 98–105) sowie antisemitische und xenophobe Ausschreitungen (S. 106–114). Ein beträchtliches – und bisher nicht vollständig wahrgenommenes – Ausmaß nahmen insbesondere die kommunalen Unruhen an: Zwischen März und August 1848 gab es in 353 von insgesamt 1.919 württembergischen Gemeinden einen Wechsel im Amt des Schultheißen, wovon nur die wenigsten ganz ohne Zusammenhang mit der Revolution gewesen sein dürften (S. 71–73)8. Demgegenüber hielten sich die Widersetzlichkeiten gegen die Staatsbeamten sehr in Grenzen; nennenswert sind in erster Linie Konflikte mit dem staatlichen Forstpersonal um die hier wie in vielen Teilen Europas sehr virulenten Fragen der Nutzungsrechte an öffentlichen Wäldern. Die Darstellungsweise ist in diesem wie in den folgenden Kapiteln vorwiegend systematisch, zu jedem Typ von Unruhen wird der Reihe nach auf die zeitliche und räumliche Verteilung, auf verschiedene Aktionsformen, auf Ziele und Anliegen sowie auf die Identifikation und die Haltungen der verschiedenen Akteursgruppen eingegangen. Dabei ergeben sich interessante und originelle Beobachtungen gerade hinsichtlich der oft komplexen Überschneidungen von Konfliktlinien, wenn etwa gezielt den Fragen nachgegangen wird, wie sich Schultheißen und staatliche Beamte zu Unruhen gegen den Adel stellten, wie Oberamtleute auf Konflikte in den Gemeinden reagierten und so fort.

Im folgenden Abschnitt über den Zeitraum bis Ende 1848 findet sich zunächst eine eher knappe Darstellung der Wahlen zur Frankfurter Nationalversammlung und zum Landtag (S. 115–121), die nicht nur von einer Welle von Volksversammlungen begleitet waren, sondern auch Anlass zu ersten Bemühungen um die Etablierung politischer Vereine im ländlichen Bereich boten. Diese Bezirksvereine des Frühjahrs 1848 blieben allerdings vorerst meist kurzlebig (S. 130–137). Auch zu Gründungen von Vereinen in einzelnen Dörfern kam es in diesem Zeitraum schon, doch waren es wenige, die der Verfasser nahezu einzeln aufzählen und schildern kann (S. 146–172). Die Septemberkrise 1848 löste in Württemberg auch im ländlichen Raum spürbare Resonanzen aus, der auffälligste Vorfall war der von Gottlieb Rau organisierte „Ausmarsch“ im Oberamt Rottweil, an dem sich auch die Bewohner etlicher Dörfer der Umgebung beteiligten. Anhand gerichtlicher Untersuchungsakten lassen sich die dazu führenden Vorgänge in einigen Fällen recht genau nachzeichnen, wobei wiederum systematisch die Positionen und Handlungsweisen verschiedener Akteure herausgearbeitet werden (S. 172–199).

Seine größte Intensität erreichte das ländliche politische Vereinswesen in Württemberg zwischen dem Winter 1848/49 und dem folgenden Sommer, wie im dritten Hauptabschnitt eingehend dargestellt wird. Wichtige Impulse lieferten die Trauer- und Solidaritätskundgebungen nach der Erschießung von Robert Blum in Wien sowie die Veröffentlichung der von der Frankfurter Nationalversammlung beschlossenen „Grundrechte des deutschen Volkes“. Die demokratische Vereinsbewegung, die sich in diesem Zeitraum mit dem Centralmärzverein für ganz Deutschland und dem Landesausschuss in Württemberg wirksame Dachorganisationen schuf, profitierte von der Stimmungslage, indem sie durch eine massenhaft verteilte Broschüre – die von Carl Mayer verfasste Ansprache an unsere Mitbürger auf dem Lande – gezielt zu Vereinsgründungen auch in den Landgemeinden aufrief. Die Wirkung im Verlauf der ersten Jahreshälfte war beträchtlich, wie der Verfasser zeigen kann; dabei gelangt er wiederum über bisher vorliegende Ergebnisse hinaus9, die sich zu sehr auf amtliche Berichte gestützt hatten, in denen die Oberamtleute offenbar darauf bedacht waren, die Verbreitung demokratischer Vereine kleinzureden (S. 217–222). Vor allem durch die systematische Auswertung von Zeitungen lassen sich ihre Meldungen wesentlich ergänzen, wobei sich nicht weniger als 453 Vereine in Dörfern und Kleinstädten finden (S. 304); dabei räumt der Verfasser freilich selbst ein, dass auch Einzelnennungen berücksichtigt sind, bei denen es nach der Gründungsversammlung keinen Beleg für eine weitere Aktivität gibt.

Während von den meisten also gerade einmal die Existenz nachweisbar ist, können einige wenige Vereine aufgrund einer besonders günstigen Quellenlage eingehend dargestellt werden. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn Vereinsarchive in die Hände der Behörden fielen – schon deshalb eine seltene Situation, weil es im Interesse der Vereinsvorstände lag, dies zu verhindern, und in den meisten Fällen das Schriftgut vorsorglich vernichtet wurde. Für die demokratischen Vereine in Schrozberg, Neckargartach und Großgartach sind die Vereinsakten auf diesem Weg bis heute überliefert und bieten, in dieser Untersuchung großenteils erstmals ausgewertet, viele wertvolle Einblicke. Dazu gehört das Kommunikationsverhalten der dörflichen Vereine untereinander und mit den Organisationen in den städtischen Zentren ebenso wie ihre soziale Zusammensetzung samt interner Konfliktpotentiale, nicht zuletzt aber auch inhaltliche Angaben über die Diskussionen in den Versammlungen. Das Geheimnis einer erfolgreichen demokratischen Vereinstätigkeit lag sichtlich darin, eine Verbindung zwischen politischen Zielen auf der staatlichen und nationalen Ebene einerseits und lokalen Interessen andererseits herzustellen. In Großgartach etwa beschloss der am 18. Januar 1849 gegründete Volksverein, der sich umgehend dem Centralmärzverein anschloss, bereits wenige Tage nach seiner Entstehung Resolutionen gegen ein deutsches Erbkaisertum und für eine republikanische Staatsspitze, befasste sich aber auch mit dem erwünschten Verbleib des Pfarrers in seinem Amt oder mit der Errichtung einer Vieh-Leihkasse. In ein und derselben Sitzung wurde über die Verminderung der Zivilliste und über die Kosten der Gemeindeschäferei debattiert (S. 236–237).

Hervorzuheben ist weiters, dass zwar überwiegend das demokratische Vereinswesen behandelt wird, aber nicht nur dieses. Einen eigenen Teilabschnitt widmet der Verfasser den konstitutionellen Vaterländischen Vereinen und den katholischen Piusvereinen. Während die Ersteren nur in geringem Maße auf die Dörfer ausgriffen, waren die Letzteren in einigen Gegenden deutlich erfolgreicher (S. 282–300). Dies zeigt, dass Mittel und Methoden der politischen Aktivität sich zwar durchaus zwischen den Gruppierungen unterschieden, grundsätzlich aber auch von konservativer Seite die neu aufkommenden Praktiken mitunter aufgegriffen und mit Erfolg eingesetzt werden konnten. Freilich räumt der Autor ein, dass die Präsenz oder Absenz von Vereinen dieser Richtungen keineswegs indikativ für deren faktische Stärke war; dies zeigen etwa die zahlreichen Solidaritätsadressen von Schultheißen und Gemeinderäten für die konstitutionelle Regierung Römer auf dem Höhepunkt der Reichsverfassungskampagne.

Als Führungspersonal dörflicher Vereine traten oft Angehöriger lokaler Bildungseliten hervor, wobei vor allem Lehrer und niedere Beamte (Aktuare) häufig aktiv waren. Mitunter waren auch dörfliche Autoritätspersonen wie Schultheißen und Pfarrer selbst in diesen Vereinen in leitender Stellung präsent (S. 249–278). Gewerbetreibende und Wirte scheinen solche Funktionen ebenfalls oft wahrgenommen zu haben, doch sind ihre Aktivitäten meist schlechter dokumentiert als jene der schreibfreudigeren Aktivisten mit höherer Bildung. Bauern als Vorsitzende oder Schriftführer sind verhältnismäßig selten nachzuweisen. In einer besonders interessanten Schlusspassage dieses Hauptabschnitts spürt der Verfasser den Kontinuitäten zwischen den verschiedenen Typen und Phasen der Aktivität auf den Dörfern nach. Er kann dabei zeigen, dass die Lokalisierung von Agrar- und Kommunalunruhen im Frühjahr 1848 zwar keineswegs perfekt, aber doch auffällig mit der späteren Verteilung des demokratischen Vereinswesens übereinstimmt (S. 301–308). Der Umfang und das hohe Maß an Homogenität der von ihm gesammelten Daten hätten freilich durchaus etwas ausgefeiltere statistische Verfahren erlaubt als die bloße Berechnung von Prozentanteilen, was wahrscheinlich zu klareren Aussagen über die Signifikanz bestimmter Korrelationen geführt hätte.

Ein letzter, knapp gehaltener Abschnitt (S. 309–329) ist den in der bisherigen Literatur bereits gut dokumentierten Ereignissen der Monate April bis Juni 1849 im Zusammenhang mit der Reichsverfassungskampagne und der Verlegung der Nationalversammlung nach Stuttgart gewidmet. Der Verfasser bemüht sich hier, das vorhandene Wissen gezielt im Hinblick auf die Vorgänge im dörflichen Bereich zu ergänzen. Wiederum kann er ein beträchtliches, wenn auch regional und lokal sehr unterschiedliches Maß an Mobilisierung nachweisen und bestätigt damit die Einschätzung von Dieter Langewiesche, „wonach in Württemberg nicht die Metropolen, sondern vor allem die Provinz der hauptsächliche Träger der Reichsverfassungskampagne war“ (S. 329). Dass auch die nach dem Juni 1849 einsetzende Repression den Einfluss der demokratischen Vereine nicht sofort brechen konnte, zeigen die großen Erfolge der Demokraten bei den Wahlen zur verfassunggebenden Landesversammlung im folgenden August (S. 329–333).

Die umfangreichen Datensammlungen des Verfassers sind in einem beinahe 100 Seiten starken Anhang dokumentiert (S. 341–423). Hier finden sich taxative Aufstellungen, jeweils mit detaillierten Quellennachweisen, über die Adelsunruhen im Frühjahr 1848, die Schultheißenwechsel, die Gesangsvereine, die Lesevereine sowie schließlich die Volksvereine. Dieses Material ist von außerordentlichem Wert, keineswegs nur für die künftige lokalgeschichtliche Forschung, und die Entscheidung, es in dieser Form zu präsentieren, ist ausdrücklich zu begrüßen. Dadurch ist eine gut lesbare und klar strukturierte systematische und synthetisierende Darstellung im Text der Abhandlung möglich, ohne dass die weiteren Nutzungsmöglichkeiten der zugrundeliegenden Daten den Nutzerinnen und Nutzern des Buches vorenthalten würden. Die bereits eingangs erwähnte, überaus verdienstliche Rechercheleistung wird bei der Durchsicht dieser Seiten höchst augenfällig.

Insgesamt ist dies ein ausgesprochen wertvolles Buch für die Geschichte der Revolution von 1848/49 wie für jene der Veränderungen der Politik im ländlichen Raum im 19. Jahrhundert überhaupt. Es sind nur ganz wenige Vorbehalte anzubringen. Zum einen hätte sich der Rezensent zu manchen zentralen Konzepten etwas eingehendere Begriffs- und Theoriearbeit gewünscht. Es ist angesichts der neueren Entwicklungen in der Politikgeschichte, aber auch in der Geschichtswissenschaft allgemein nicht mehr als ganz unproblematisch zu sehen, dass etwa die Ausdrücke „modern“ und „Modernisierung“ immer wieder wie selbstverständlich gebraucht werden. Ähnliches gilt für „Politik“ und „Politisierung“, die immerhin den deklarierten Forschungsgegenstand bilden; zur Absteckung dessen, was er unter „Politik“ versteht (und was ihm dementsprechend als „unpolitisch“ gilt), hätte sich der Autor durchaus äußern können. Soweit es sich aus dem Gebrauch ableiten lässt, den er von diesen Worten macht, scheint er ein recht konventionelles, unter Umständen schon veraltet zu nennendes Verständnis dieser Begriffe weiterzutragen: „Politisierung“ beginnt offenbar erst, wenn Interesse an verfassungs- und nationalpolitischen Fragen einsetzt; die antifeudalen Proteste, aber auch die lokalen Anliegen – die Vieh-Leihkassen, Waldnutzungsfragen und so fort – wären demnach wohl (was jedoch nie explizit gemacht wird) als unpolitisch oder vorpolitisch einzustufen?

Der zweite Punkt, der leider angesprochen werden muss, ist formaler Natur. Das Buch ist ungewöhnlich rasch, nämlich offenbar innerhalb eines Jahres nach Annahme als Dissertation, in den Druck gegangen. Diesem Umstand ist möglicherweise anzurechnen, dass es nicht das gründliche Lektorat erhalten hat, das eine so wertvolle Arbeit verdient hätte. Im Fließtext treten Kasusfehler10, Anakoluthen11 und andere sprachliche Unebenheiten12 in einer Frequenz auf, die von diesbezüglich sensiblen Lesenden gewiss als störend wahrgenommen werden muss; sie beeinträchtigen aber immerhin kaum jemals die Verständlichkeit und die Benutzbarkeit des Buches. Dasselbe lässt sich vom Umgang mit Literaturzitaten in den Anmerkungen leider nicht uneingeschränkt sagen. Dieser ist von einer verwirrenden Uneinheitlichkeit; Vollzitate – von nicht immer gleicher Bauweise, insbesondere bei Sammelbänden – wechseln anscheinend ohne konsequent gebrauchtes Prinzip mit Kurzbelegen unterschiedlichster Form. Von diesen sind jene, die nur aus Verfassername und Seitenangabe bestehen, spätestens dann als unzureichend zu bezeichnen, wenn mehrere Texte von Verfassern des fraglichen Namens im Literaturverzeichnis stehen13. In diesem fehlt zudem einige Literatur, die in den Anmerkungen zitiert wird. Das ist umso mehr zu bedauern, als gerade hinsichtlich der Auswertung auch sehr entlegener lokalgeschichtlicher Forschung die bibliographische Leistung des Verfassers fast ebenso verdienstlich ist wie die archivalische Quellenarbeit; durch die ungenauen Belege kommt dies nicht in vollem Maße zur Geltung. Eine konsequente Kontrolle und Vereinheitlichung hätte hier Not getan14.

Dessen ungeachtet kann das Fazit nur lauten: Dieses Buch ist ein auf ausgedehnter und gründlicher Recherche beruhender, wesentlicher Beitrag zu einem Forschungsfeld, das noch große Lücken aufweist. Es verdient, neben die erwähnten Arbeiten von Wettengel und Sperber gestellt zu werden, und ergänzt deren Ergebnisse nicht nur in räumlicher Hinsicht für Württemberg, sondern fügt auch neue Perspektiven hinzu. Eine Verfolgung ähnlicher Ansätze wäre für manche anderen Regionen Deutschlands, geschweige denn für Österreich, unbedingt zu wünschen.

  1. Betreuer war Sönke Lorenz, Zweitgutachter mit Dieter Langewiesche einer der profiliertesten deutschen Historiker der Revolution von 1848/49.
  2. FRANZ, Günther: Die agrarische Bewegung im Jahre 1848, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 7 (1959) 176–193, hier 193.
  3. DÜWEL, Andreas: Sozialrevolutionärer Protest und konservative Gesinnung. Die Landbevölkerung des Königreichs Hannover und des Herzogtums Braunschweig in der Revolution von 1848/49, Frankfurt am Main u. a. 1996; FRIEDEBURG, Robert von: Ländliche Gesellschaft und Obrigkeit. Gemeindeprotest und politische Mobilisierung im 18. und 19. Jahrhundert (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 117), Göttingen 1997; GAILUS, Manfred: Straße und Brot. Sozialer Protest in den deutschen Staaten unter besonderer Berücksichtigung Preußens, 1847–1849 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 96), Göttingen 1990.
  4. Vgl. dazu ROUETTE, Susanne: Der Bürger, der Bauer und die Revolution. Zur Wahrnehmung und Deutung der agrarischen Bewegung 1848/49, in: JANSEN, Christian – MERGEL, Thomas (Hrsg.): Die Revolution von 1848/49. Erfahrung – Verarbeitung – Deutung, Göttingen 1998, 190–205.
  5. Unangenehm ist beispielsweise, diese Sicht in einem gerade erst erschienenen, sehr um eine avancierte theoretische Position zum Revolutionsbegriff bemühten Artikel wiederzufinden: LEONHARD, Jörn: Über Revolutionen, in: Journal of Modern European History 11 (2013) 170–186, hier 180. Der Verfasser verweist dabei auf mehr als dreißig  Jahre alte Literatur.
  6. WETTENGEL, Michael: Die Revolution von 1848/49 im Rhein-Main-Raum. Politische Vereine und Revolutionsalltag im Großherzogtum Hessen, Herzogtum Nassau und in der Freien Stadt Frankfurt (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau 49), Wiesbaden 1989.
  7. SPERBER, Jonathan: Rhineland Radicals. The Democratic Movement and the Revolution of 1848–1849, Princeton 1991. Eine Erfassung sämtlicher politischen Vereine in Stadt und Land für eine weitere Region bietet auch RUPPERT, Karsten: Die politischen Vereine der Pfalz in der Revolution von 1848/49, in: FENSKE, Hans – KERMANN, Joachim – SCHERER, Karl (Hrsg.), Die Pfalz und die Revolution 1848/49, Bd. 1 (Beiträge zur pfälzischen Geschichte 16), Kaiserslautern 2000, 57–242.
  8. Zu diesem Thema liegt zwar bereits eine neuere Arbeit vor, die der Verfasser auch eingehend rezipiert hat, über deren Ergebnisse er jedoch gerade hinsichtlich der quantitativen Auswertung hinausgelangt: BAYER, Birgit: Ich bleibe nicht mehr über Nacht Schultheiß! Die Bewegung gegen die Schultheißen in Württemberg im Frühjahr 1848 (Europäische Hochschulschriften – Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 1033), Frankfurt am Main u. a. 2006.
  9. Vor allem die Untersuchung von BOLDT, Werner: Die württembergischen Volksvereine von 1848 bis 1852 (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg – Reihe B 59), Stuttgart 1970.
  10. Beispiele aus einem zufällig gewählten Bereich von wenigen Seiten: „in den fünf zu einfachen Städten ohne Oberamtssitz ‚degradierten‘ Reichsstädte Bopfingen, Buchau [...]“ (S. 147); „das Vorhaben, den ländlichen Raum mittels Bezirksvereine zu politisieren“ (S. 148).
  11. „Stabilisierend für eine Gesellschaft sei [nach W. H. Riehl] ein ‚gesunder Bauernstand‘, die den Unruheherden der Großstadt etwas entgegenzusetzen hat“ (S. 144 Anm. 147).
  12. „Nur eine Woche war Süskind Redner auf einer Versammlung in Suppingen“ (S. 149), gemeint wohl: „Nur eine Woche später“; „Lina Benz sieht denn Grund darin, dass [...]“ (S. 149 Anm. 170).
  13. Etwa „B. Mann, S. 276f.“ (S. 283 Anm. 414). Beide im Literaturverzeichnis angeführten Arbeiten von Bernhard Mann enthalten eine Seite 276, und beide kommen auch inhaltlich in Frage. Keine davon wird in der näheren Umgebung der fraglichen Fußnote mit Vollzitat angeführt. Bei einem vernünftigen Zitiersystem sollten alle diese Formen von Denksport aber gar nicht nötig sein, um den zitierten Text eindeutig zu identifizieren.
  14. Sachliche Irrtümer oder Widersprüche finden sich hingegen kaum – jedenfalls keine, die ohne intime Kenntnis der württembergischen Lokalgeschichte zu erkennen wären. Am Rande sei lediglich darauf hingewiesen, dass auf S. 230 „die in Darmstadt erscheinende demokratische ‚Deutsche Zeitung‘“ erwähnt wird, die ein Volksverein abonnierte. Es muss sich um die Neue Deutsche Zeitung handeln, auf welche die genannten Merkmale zutreffen; die berühmte Deutsche Zeitung von Gervinus, Mathy, Bassermann u. a. wurde dagegen nicht nur nie in Darmstadt herausgegeben, sondern kann auch selbst mit viel Phantasie nicht als demokratisches Blatt eingestuft werden.

 

 

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/363

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“Was auch immer das heißt”: Diplomatische Aktenkunde in der Bundespressekonferenz

 

Wer sich als Neuling in die Aktenkunde einarbeitet, wird die meiste Energie wohl in das Teilgebiet der Systematischen Aktenkunde investieren müssen. Hier geht es darum, anhand gemeinsamer formaler Merkmale Gruppen von Aktenschriftstücken zu identifizieren, in die ein konkret vorliegendes Stück eingeordnet werden kann. “Die begriffliche Kennzeichnung des Schriftstücks soll dabei dem schnelleren Erkennen wichtiger Kontextinformationen dienen” (Beck 2000: 69). Die Systematische Aktenkunde ist also ein wichtiges Werkzeug der Quellenkritik. Zugegebenermaßen verführt die barocke Pracht von Begriffsbildungen à la “Behördendorsualdekret” dazu, dieses Teilgebiet als Selbstzweck zu betreiben und die Anwendung der Aktenkunde darauf zu verengen (vgl. ebd.: 77). Bei aller Skepsis gegenüber babylonischem Systembau ist jedoch die Notwendigkeit nicht zu bestreiten, den Dingen einen Namen zu geben, die uns in den Akten erwarten – und keineswegs nur im Archiv!

In der Regierungspressekonferenz vom 8. Juli dieses Jahres ging es auch um “angebliche Umtriebe der NSA in Deutschland”, um das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut und um die Verwaltungsvereinbarungen zum G10-Gesetz; tagespolitisch interessierte Leser werden diese Debatte verfolgt haben. Und in diesem Zusammenhang fragten Journalisten nach Verbalnoten, die zwischen der Bundesrepublik und den Westalliierten gewechselt worden seien:

Zusatzfrage: Es gab 1968 aber nicht nur eine Verwaltungsvereinbarung, sondern auch eine „verbal note“, was auch immer das heißt. Das ist angeblich die Grundlage für die Spionage von „Echelon“ in 2004 gewesen. Ist diese „verbal note“ genauso zur Akte gelegt …?

Beyer-Pollok [Sprecher des Bundesinnenministeriums]: … Mit dem Begriff „verbal note“ kann ich jetzt nichts anfangen. Das kommt so ein bisschen aus der Diplomatensprache. Aber hier meinen Sie möglicherweise etwas anderes, was mit dem Verwaltungsabkommen zu tun hat. Dazu habe ich ja eben schon etwas ausgeführt.

“So ein bisschen aus der Diplomatensprache”. Der ebenfalls anwesende Sprecher der Auswärtigen Amts verschaffte Klärung:

Schäfer: … Eine Verbalnote oder ein Verbalnotentausch ist die offizielle, förmliche Kommunikation zwischen Staaten. Das sind Schreiben beziehungsweise Briefe, die zwischen Staaten in einer bestimmten Form ausgetauscht werden und einen bestimmten politischen, manchmal auch juristischen Inhalt haben.

Diese Erklärung war auf die Situation bezogen und hat das journalistische Publikum nicht mit Details belastet. Wenn wir es genauer wissen wollen, sehen wir uns zunächst eine diplomatisch-praktische Definition aus einer offiziösen Veröffentlichung an:

“Die Verbalnote ist ein unpersönliches, an eine fremde Mission gerichtetes Schreiben mit Geschäftszeichen, der Überschrift ‘Verbalnote’, einer international festgelegten Höflichkeitsformel und Schlussformel. Sie trägt einen Siegelabdruck und wird nicht unterschrieben.” (Beuth 2005: 127)

Bauen wir diese Definition nun hilfswissenschaftlich aus: Verbalnoten werden zwischen einer diplomatischen Vertretung und dem Außenministerium des Gastlandes ausgetauscht. Souveräne Staaten befinden sich protokollarisch immer auf Augenhöhe: Ein Rangunterschied – das primäre Klassifikationsmerkmal nach der klassischen Lehre Meisners – besteht somit nicht. Möchte man eher nach dem Schreibzweck klassifizieren, so führt die Erkenntnis, dass es sich um eine Mitteilung handelt, und somit weder um eine Weisung noch um einen Bericht, zu keinem anderen Ergebnis.

Diese Mitteilungsschreiben Ranggleicher sind nun unpersönlich stilisiert, also nicht im Briefstil, den die Selbstbezeichnung des Verfassers mit “ich” kennzeichnet. Typischerweise beginnen sie etwa so: “Das Auswärtige Amt beehrt sich, der Botschaft von X mitzuteilen, dass …” Für eine Anrede ist in diesem Formular kein Raum, sie wird durch die mittig angebrachte Überschrift “Verbalnote” ersetzt. Gleichfalls logisch ist der Wegfall der Unterschrift, an deren Stelle das Behördensiegel tritt.

Charakteristisch ist die erwähnte Höflichkeitsformel, auch “Courtoisie” genannt, die in der Tat international auf monotone Art standardisiert ist: “Die Botschaft von X benutzt diesen Anlass, das Auswärtige Amt erneut ihrer ausgezeichnetsten Hochachtung zu versichen”. Die möglichen Variationen sind minimal. Das ist natürlich kein Deutsch. Diese Formeln stammen direkt aus dem jahrhundertelang stilprägenden französischen Kanzleizeremoniell (und sind dort ja auch heute noch im geschäftlichen wie privaten Bereich üblich).

Verbalnoten sind das Massenschriftgut der Diplomatie und an sich für Alltagsgeschäfte eher technischer Natur vorgesehen. Gerade die Diplomatie hat aber Bedarf für einen flexiblen Formengebrauch, um Subtexte zu formulieren und Botschaften zu nuancieren. Dazu kann schon eine kleine Veränderung in der Courtoisie dienen, oder die absichtsvolle Benutzung einer Verbalnote für eine politische Angelegenheit, die eigentlich eher ein persönliches Schreiben des Botschafters an den Außenminister erfordern würde. Ein wunderbar flexibles Instrument also, das zu kennen auch für außenpolitische Berichterstatter wichtig ist.

Damit ist, wohlgemerkt, nur der Ist-Zustand beschrieben. Die Genese dieser Stilform ist kompliziert, weil bis in das 20. Jahrhundert neben der völlig unpersönlichen, fingiert von der Behörde als solcher verfassten Verbalnote auch die “Note” begegnet, die ebenfalls in der dritten Person stilisiert ist, in der aber eine natürliche Person als Verfasser auftritt, die sich mit “Der Unterzeichnete” einführt. Solche Noten haben eine Anrede und eine Unterschrift (Meyer 1920: 51 f.; Meisner 1935: 53 f.). Die Wikipedia irrt mit ihrer Weiterleitung von “Verbalnote” nach “Diplomatische Note”!

Dies weiter zu diskutieren, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Zu diesem Problemkreis werde ich übrigens am 4. November im Archiv der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin-Dahlem referieren.

Literatur:

Beuth, Heinrich W. (2005): Regiert wird schriftlich: Bericht, Weisung und Vorlage, in: Auswärtiges Amt. Diplomatie als Beruf, hrsg. von Enrico Brandt/Christian F. Buck, 4. Aufl., Wiesbaden, S. 119–128.

Beck, Lorenz Friedrich (2000): Leistung und Methoden der Aktenkunde bei der Interpretation formalisierter Merkmale von historischen Verwaltungsschriftgut, in: Der Zugang zu Verwaltungsinformationen: Transparenz als archivische Dienstleistung, hrsg. von Nils Brübach, Marburg (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg, Bd. 33), S. 67–79.

Meisner, Heinrich Otto (1935): Aktenkunde. Ein Handbuch für Archivbenutzer mit besonderer Berücksichtigung Brandenburg-Preußens, Berlin.

Meyer, Hermann (1920): Das politische Schriftwesen im deutschen Auswärtigen Dienst: Ein Leitfaden zum Verständnis diplomatischer Dokumente, Tübingen.

 

 

 

 

 

Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/97

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Social Media Monitoring für Wissenschaftler/innen

 

ein Gastbeitrag von Wenke Bönisch

6756753669_a70948212b_mSocial Media bedeutet Kommunizieren im Web in dialogischer Form. Zuhören ist neben dem Sprechen eine elementare Säule der Kommunikation. Zuhören heißt nicht nur, sich die Zeit dafür zu nehmen, sondern auch zu wissen, wo und wem man zuhören soll, um eben dialogisch interagieren zu können – laut Social Media Ratgeber und Experten am besten immer gleich sofort ;-) . Dennoch ist festzuhalten, dass die Angebote des Social Web so vielfältig sind, dass man als Wissenschaftler bzw. Forschungsinstitution nicht überall dort sein kann und auch nicht intuitiv erraten kann, wo und wer über einen redet.  Da hilft nur ein gutes Monitoring. Aber was ist Monitoring eigentlich?

Das Ohr am Netz: Social Media Monitoring

Monitoring heißt systematische Beobachtung, Erfassung und Überwachung eines Vorganges – in unserem Fall ein kommunizierender Wissenschaftler, eine Wissenschaftsinstitution und deren Außenwahrnehmung im Social Web. Dabei geht es einerseits um die bloße Nennung, andererseits aber auch um den inhaltlichen und emotionalen Kontext dabei. Ein Praxisbeispiel: ein Wissenschaftler schreibt einen zugespitzten, Widersprüche herausfordernden Blogbeitrag. Nun möchte er gerne wissen, wer ihn liest, wer ihn mit welchen Worten teilt und wie darauf reagiert wird – direkt und indirekt. Dazu zählen beispielsweise Kommentare im Blog, andere Blogbeiträge, die darauf Bezug nehmen, Sharings im Social Web wie auf Twitter, Facebook, Researchgate.net oder Google+– wie gesagt immer unter Beachtung des emotionalen und inhaltlichen Kontextes. Im Idealfall sollte beim Monitoring der Wissenschaftler Reaktionen in allen Bereichen des Social Webs auf dem Schirm haben, was jedoch in der Praxis aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist.

Nun scheint es nach dieser doch knapp-vereinfachten Erläuterung mit dem Monitoring gar nicht so einfach zu sein. Stimmt und stimmt wiederum auch nicht. Es gibt zahlreiche – kostenpflichtige, aber auch kostenlose – Tools, mit denen man ein gutes Ergebnis erreicht. Eine wirklich komplette Überwachung ist wie gesagt aus vielerlei Gründen (Zeitaufwand, Problematik der Semantik, Erfassung aller Kanäle etc.) nicht möglich, aber auch nicht immer notwendig. Monitoring soll immer im Kontext der eigenen Social Media Strategie angewendet werden. Das bedeutet, dass man sich vor dem Beginn ganz konkret fragt, nach welchen Stichworten auf welchen Kanälen man das Web beobachtet. Natürlich können durch die Selektion interessante Diskussionsansätze untergehen. Jedoch ist es nicht die Aufgabe eines Agrarwissenschaftlers, der in der Tierzuchtforschung arbeitet, jede Diskussion über die Tierhaltung zu begleiten, auch wenn am Rande sein Name fallen sollte. Denn das würde ihn völlig in Beschlag nehmen und ihm keine Zeit mehr für seine Forschungen und Publikationen lassen. Also nicht verrennen, sondern gezielt vorher auswählen, was man im Rahmen seines Social Media Auftrittes und ihrer Zielsetzung beobachten möchte.

Vorstellung ausgewählter Monitoringtools

Kommen wir zu den Monitoringtools. Natürlich gibt es recht gut arbeitende, große Teile des Social Web in Echtzeit analysierende, zentralen Überblick verschaffende, aber zumeist kostenpflichtige Tools wie Radian6, die vor allem von international agierenden Wirtschaftsunternehmen genutzt werden. In der Regel sind diese jedoch für den einzelnen Wissenschaftler bzw. Forschungsinstitution zu komplex für ihre Anforderung und – was viel mehr ins Gewicht fällt – auch zu teuer.

Ihnen gegenüber stehen die kostenlosen Tools, die in der Regel meist nur einen Bereich des Social Web wie Facebook oder Twitter umfassen oder die Analyse für einen oder zwei Accounts zulassen. Einige ausgewählte möchte ich Ihnen jetzt vorstellen, mit denen Sie insgesamt eine recht große Breite des Monitorings abdecken können.

Alert-Dienste

googlealertsEinen guten ersten Monitoringüberblick über das Web bietet Google mit seinem Dienst Google Alert (http://www.google.com/alerts). Mit diesem wohl am meist genutzten Meldedienst können Sie das Internet nach selbst gewählten Begriffen, Schlagwörtern oder Wortkombinationen durchsuchen lassen, die Ihnen dann per Mail zugeschickt werden. Dank zahlreicher Einstellungsmöglichkeiten kann der Dienst auf die eigenen Bedürfnisse gut angepasst werden. Spezifizierungen auf News, Blogs, Diskussionen, Bücher oder Videos sind möglich. Ebenso ist es möglich, den Zeitpunkt der Zustellung (sofort, täglich oder wöchentlich) zu wählen.

Eine sehr gute Alternative zu Google Alert ist übrigens Talkwalker (http://www.talkwalker.com).  Es funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Nach meinen Erfahrungen sind die Suchergebnisse umfassender und genauer. Bei beiden Alert-Diensten ist es für ein gutes Resultat wichtig, möglichst zahlreiche Alerts in der Bandbreite von allgemein (beispielsweise Interessenschwerpunkt) bis zu speziell (einzelne Begriffe, Name) laufen zu lassen. Zudem sei die Verwendung von Suchkombinationen nach den allgemeingültigen Regeln empfohlen.

Blogstatistik

Zum Standard eines Blog- oder Webseitenbetreibers gehört die Zugriffsanalyse. Interessante Kennzahlen sind neben der Anzahl der Zugriffe die Absprungsrate der Leser, ihre Aufenthaltsdauer und die Suchbegriffe, mit denen sie zum Blog oder zur Webseite fanden. Google Analytics (http://www.google.com/analytics/), Piwik (http://de.piwik.org/), die Statistik der Blogsoftware WordPress sind die wohl am meist genutzten. Problematisch bei solchen Analyseprogrammen ist die Frage des Datenschutzes. Die IP-Adressen der Nutzer müssen anonymisiert werden, um solche Statistiken datenschutzkonform nutzen zu können. Da viele dieser Dienste außerhalb von Deutschland und Europa gehostet werden, muss nach gültigem Recht die Zustimmung für die Weiterleitung aktiv vom Nutzer eingehalten werden. Hier technisch sauber, datenschutzkonform zu arbeiten, ist nicht ganz einfach. Ein echtes Minenfeld! Ich empfehle zu dieser Problematik den Blog des Rechtsanwaltes Thomas Schwenke (http://rechtsanwalt-schwenke.de/blog/) bzw. sein Interview mit WordPress (http://blog.wpde.org/2013/09/16/interview-anwalt-thomas-schwenke-blogs-gefahr-abmahnung.html). Für die Blogstatistik empfehle ich bei WordPress als Alternative das PlugIn Statify, entwickelt von Sergej Müller (http://statify.de/). Es ist kompakt, ohne größeren Schnickschnack und datenschutzkonform! Der einzige Nachteil bei dieser Statistikanalyse ist die fehlende Auflistung von Schlagwörtern, mit denen User auf den Blog fanden.

statistik_digiwisWer übrigens mehrere Statistiktools nebeneinander für seinen Blog/seine Webseite laufen hat, wird schnell ein faszinierendes Phänomen beobachten. Alle zeigen völlig unterschiedliche Zugriffszahlen an, die erheblich (Unterschied von mehreren hundert Zugriffen) voneinander abweichen können. Das Problem liegt hier darin, dass jedes Tool eine andere Zählweise hat, welchen Zugriff es in seine Statistik mit aufnimmt wie beispielsweise die Frage, ob Suchmaschinenbots mitgezählt werden oder nicht. Hier sei empfohlen, sich auf eine Statistik zu beschränken und nur diese für das eigenen Monitoring zu analysieren. Zudem sind die Zahlen eher als Kenngrößen denn als reale, feste Statistikwerte zu empfehlen.

Da die Einbindung von Social Buttons in Blogs oder Webseiten jetzt Standard ist, empfehle ich für alle Blogger, die mit WordPress arbeiten, fürs Monitoring das PlugIn Social Metrics (http://www.riyaz.net/social-metrics/), das in einer Tabelle sehr übersichtlich die Sharings/Likes der gängigen sozialen Netzwerke aufführt. Mit dieser Liste sehen Blogger auf einen Blick, welche Blogbeiträge besonders von den Lesern im eigenen Netzwerk weiterempfohlen wird, wie stark ihre eigene Reichweite in den sozialen Netzwerken hinein ist und vor allem welche Netzwerke für den eigenen Auftritt im Social Web eine untergeordnete Rolle spielt.

Facebook

Facebook ist bisher das meistgenutzte Social Network, das für Seitenbetreiber eine umfangreiche Statistik anbietet, die fast keine Wünsche offen lässt. Da wird genau der Fanzuwachs, die Likes, die Nutzer nach Alter, Geschlecht oder Sprache beispielsweise analysiert. Ebenso kann der Seitenbetreiber den „Erfolg“ jedes Postings (Reichweite, Interaktivität etc.) verfolgen. Alle Daten können genau für einen ausgewählten Zeitraum im Dateiformat Excel oder .csv exportiert werden.

Google+

Leider bietet Google für sein soziales Netzwerk Google+ noch keinen umfassenden Statistikzugriff an. Einzig und allein die Interaktivität (Anzahl +1 und Kommentare) für jeden öffentlich (!) geteilten Beitrag können Sie sich per Klick auf „Öffentlich geteilt“ unter dem Posting für dasselbe anzeigen lassen. Einen Gesamtüberblick wie auch beispielsweise für die Entwicklung der Followerzahlen etc. gibt es nicht. Hier müssen Sie sich als Seitenbetreiber mit externen Anbietern begnügen. Mit Circle Count (http://www.circlecount.com/) können Sie sich für jede Seite oder Profil den Zuwachs der Follower anzeigen lassen. Ansonsten ist der Statistikauswertung von Google+-Postings durch Drittanbieter aufgrund der noch nicht vollständig frei gegebenen API leider sehr beschränkt.

Twitter

Twitter als soziales Netzwerk wird aufgrund seines schnellen Charakters zur Zeit von nur wenigen Wissenschaftlern in ihrem Social Media Auftritt regelmäßig und intensiv genutzt. Anders sieht es hingegen bei Forschungseinrichtungen aus, wobei auch hier Twitter eher zweitrangig betrachtet wird. Leider bietet auch Twitter selbst keine umfassende Statistik an. Doch schon recht früh entstanden mit der zunehmenden Verbreitung von Twitter zahlreiche externe Dienste, die diese Aufgaben oft eher in Teilen übernahmen. Zudem bieten viele Twitterclients wie Tweetdeck (http://tweetdeck.com/) oder Hootsuite (http://hootsuite.com/) eigene Statistikanalysen zum Twitteraccount an.

Einige nützliche Monitoringtools für Twitter sind erst einmal die twittereigene Suche Twitter Search, mit der Sie nach Personen, Fotos oder nach bestimmten Begriffen (Hashtags) suchen können. Wenn Sie Twitter nicht selbst, sondern ein Client zum Twittern nutzen, können Sie mit Hilfe der Suche einen bestimmten Begriff überwachen lassen.

Die spannende Frage auf Twitter ist, wie viele (eigene) Follower erreicht man mit seinen Tweets und wie oft werden mitgetwitterte Links tatsächlich angeklickt. Mit Tweetreach (http://tweetreach.com/) erhalten Sie in der kostenlosen Basisversion erste Eindrücke der letzten 50 Tweets. Ein Ausdrucken oder Abspeichern ist nur gegen ein Entgelt möglich. Ähnlich arbeitet der kostenlose Dienst Twazzup (http://twazzup.com), der beispielsweise in einer Liste die Top10 der geposteten Links in Retweets anzeigt.

statistik2Eine umfangreichere Twitteranalyse ist mit dem Client Hootsuite (http://hootsuite.com/) möglich. In der kostenlosen Basisversion können Sie für 5 Social Web Accounts (neben Twitter beispielsweise auch Facebook, LinkedIn oder Google+) 2 Statistikberichte anzeigen lassen. Für Twitter sind sie sehr ausführlich. Followerzahlen, Mentions, Retweets oder eine umfangreiche Analyse zu den mitgetwitterten Links (geographische Verteilung, Top Referrers, Zusammenfassung der letzten Tage und eine Liste der beliebtesten Links) bietet Hootsuite an. Mit diesem Client und der hauseigenen Twittersuche haben Sie zwei Tools zu einem umfangreichen Monitoring auf Twitter.

Alles eine Frage der Interpretation

Anhand der vorgestellten Tools sehen Sie, dass mit den kostenlosen Varianten am Ende ein doch recht umfangreiches Monitoring möglich ist. Jedoch müssen Sie dabei verschiedene Plattformen nutzen und die Ergebnisse selbst zusammenführen. Sie sehen aber auch, dass ein zielloses Überwachen nicht zweckdienlich ist. Eine klare Fokussierung auf bestimmte Begriffe oder (eigener) Namen erleichtert viel bei der Arbeit, vor allem hinsichtlich des Zeitaufwandes.

Und seien Sie sich bewusst, dass es wie so oft in der Statistik nur Annäherungswerte sind und keine in Stein gemeißelten Fakten. Die Zahlen sollen keineswegs das Endziel Ihres Social Media Auftritts als Wissenschaftler oder Forschungseinrichtung sein, sondern ein Hilfsmittel für eine Überprüfung des eigenen Agierens, der eigenen Strategie und der eigenen Webreputation, die natürlich der Interpretation bedarf. Gehen Sie entspannt an das Monitoring und sehen Sie es keineswegs verkrampft. Es ist ein erstes Zeichen von Quantität, ein bisschen von Qualität, die aber noch von anderen, nicht immer direkt beeinflussbaren Faktoren abhängig ist.

P. S. Eine Übersicht über Monitoringtools finden Sie hier. (http://www.onlinemarketing-praxis.de/social-media/kostenlose-social-media-monitoring-tools)

Artikelbild: ‘Google Doodle‘, von Trey Ratcliff, http://www.flickr.com/photos/95572727@N00/6756753669, CC BY-NC-SA 2.0

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Die Autorin

wenkeWenke Bönisch arbeitet heute nach einer beruflichen Station in einem Wissenschaftsverlag (Autorenbetreuung, Satz und Social Media) als Freiberuflerin u. a. für den Ulmer Verlag (http://socialmedia.ulmer.de), für die Frankfurter Buchmesse sowie für den Digitalisierungsdienstleister Editura (http://editura.de) im Social Media Bereich. Neben Social Media beschäftigt sie sich mit den Themen elektronisches Publizieren, Wissenschaft, Open Access und Neue Medien. Zu ihren entsprechenden Projekten hält sie dazu auch Workshops, Vorträge und Seminare. Unter den Namen @digiwis (http://twitter.com/digiwis) twittert sie (fast) täglich. Auf ihrer Website http://digiwis.de bloggt sie zu ihren Tätigkeitsschwerpunkten.

 

 

Quelle: http://digigw.hypotheses.org/205

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Unser Blog ist nun ein Jahr alt – Rückblick und Ausblick

 

Interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen Disziplinen sind herzlich dazu eingeladen, sich an einem neuen Blog bei de.hypotheses.org “Ordensgeschichte. Ein interdisziplinäres Gemeinschaftsblog zur Geschichte von Klöstern und Orden” (http://ordensgeschichte.hypotheses.org) zu beteiligen! Das Blog soll zur Vernetzung, zur Zusammenarbeit und zum Austausch von Wissenschaftlern aus dem Bereich der Geschichte von Orden und Klöstern über Disziplin-, Ordens-, Epochen- und Landesgrenzen hinweg beitragen … (Link zur Einladung zum Gemeinschaftsblog)   Vor einem Jahr wurde die Einladung zum Gemeinschaftsblog Ordensgeschichte veröffentlicht.   Diesen „Geburtstag“ möchte ich nun zum Anlass [...]

 

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/5710

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Verwissenschaftlichung, Ordnung und „Engineering“ des Sozialen – Eine Sammelrezension von David Kuchenbuch

Als Lutz Raphael 1996 in „Geschichte und Gesellschaft“ einen Aufsatz zur „Verwissenschaftlichung des Sozialen“ veröffentlichte[1], ging er wohl nicht davon aus, dass er damit das Stichwort für einen kleinen Forschungsboom liefern würde: Die verstärkten Interferenzen von Wissenschaft und Politik, allgemein … Weiterlesen

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/5074

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Wissenschaftlicher Nachwuchs in den Digital Humanities: Ein Manifest

 

YesWeDigital

Die Sozial- und Geisteswissenschaften sind ein zentraler Bestandteil unserer Kultur. Sie bieten einen analytischen Einblick in die Welt, in der wir leben. Die Digital Humanities reflektieren den Übergang der Geisteswissenschaften ins digitale Zeitalter. Sie schaffen nicht nur neue technische Werkzeuge, sondern eröffnen auch neue Wege, Wissen zu generieren und zu verbreiten, und dies sowohl innerhalb der einzelnen akademischen Disziplinen als auch über diese Grenzen hinaus.

Die Digital Humanities verbinden Praxisnähe, Reflexivität und kollaboratives Erarbeiten von Standards. Sie bieten eine hervorragende Grundlage, die Geisteswissenschaften mithilfe neuer Materialien, Methoden und hermeneutischen Ansätzen zu überdenken und zu erweitern. Freier Zugang auf unser kulturelles Erbe und kollaborative Projekte, die auch nicht-akademische Zielgruppen erreichen, erlauben eine Neudefinition unseres Verhältnisses zur Gesellschaft. Wir sehen die Digital Humanities daher als Scharnierstelle für die Zukunft der Geisteswissenschaften.

Vor drei Jahren nahmen über 100 Mitglieder der wachsenden DH-Community am THATCamp Paris 2010 teil. Um ihre Anerkennung gegenüber diesem neuen Wissenschaftsbereich Ausdruck zu verleihen, verfassten sie gemeinsam das erste europäische Manifest der Digital Humanities. Der anschließende Zuwachs an beteiligten Personen und Vorhaben trug dazu bei, diesem Arbeitsfeld eine größere Sichtbarkeit zu verleihen.

Dennoch  hat sich die institutionellen und traditionellen Strukturen unterworfene akademische Welt mit ihren Institutionen, Akteuren und Praktiken nicht in der gleichen Geschwindigkeit entwickelt. Auf der einen Seite entstehen neue Forschungsmethoden: vernetzt, kollektiv, horizontal, multimodal, pluridisziplinär und mehrsprachig. Akteure der Digital Humanities sind mit neuen Aufgaben und Arbeitsstellungen konfrontiert: Sie erstellen Datenbanken, entwickeln Softwares, analysieren umfangreiche Datensätze, definieren Begrifflichkeiten und Modelle, arbeiten über Wikis und Pads zusammen, kommunizieren via Websites, Blogs und anderen sozialen Medien. Auf der anderen Seite leisten Forschungseinrichtungen einen gewissen Widerstand gegen diese Veränderungen oder behindern sie sogar: Fortbildungen, Förderstrukturen, Bewertungskriterien, Auswahlprozesse und Karrierewege haben sich nur geringfügig verändert und scheinen nicht in der Lage zu sein, aus dem entstehenden digitalen Ökosystem Nutzen zu ziehen.

Die wachsende Lücke zwischen der florierenden digitalen Praxis und ihrer institutionellen Anerkennung gefährdet die akademische Gemeinschaft als Ganzes. Insbesondere aber leidet der wissenschaftliche Nachwuchs darunter, denn die gegenwärtige Situation bringt ein hohes Maß an Unsicherheit in die Planung der eigenen wissenschaftlichen Zukunft.

Am 10. und 11. Juni 2013 trafen sich Forscher/innen und andere Mitglieder der akademischen Gemeinschaft am Deutschen Historischen Institut in Paris, um an der internationalen Konferenz “Forschungsbedingungen und Digital Humanities: Welche Perspektiven hat der Nachwuchs?“ teilzunehmen. Der Konferenz war ein offener Aufruf zur Blogparade vorausgegangen, in dessen Rahmen online Beiträge publiziert wurden, um die Konferenz gemeinsam und öffentlich vorzubereiten.

Das vorliegende Manifest ist das Ergebnis dieses Arbeitsprozesses. Es betont die wichtigsten Aspekte der Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen und benennt die dringendsten institutionellen Erfordernisse.

I. Allgemeines

Der wissenschaftliche Nachwuchs leidet in allen Disziplinen unter einer hohen Arbeitsplatzunsicherheit, den Folgen von befristeten Verträgen und dem Risiko, nie eine feste Stelle zu bekommen. Digital Humanists spüren diesen Druck aufgrund relativ kurzer Finanzierungszeiträume, einer geringen Zahl geeigneter Stellen und dem Fehlen deutlicher Karriereaussichten noch stärker. Aus den genannten Gründen fordern wir:

  • Langfristige Karriereaussichten für junge Forscherinnen und Forscher, Ingenieurinnen und Ingenieure sowie Bibliothekarinnen und Bibliothekare, die sich in den Digital Humanities engagieren.

  • Ermutigung, Beratung und Unterstützung durch etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Diesen Aspekt betont ebenfalls das 2011 von der Europäischen Wissenschaftsstiftung einberufene Forum der Nachwuchswissenschaftler in seinen Empfehlungen (Changing Publication Cultures in the Humanities).

  • Faire Grundsätze und klar definierte Richtlinien, um die wissenschaftliche Relevanz von gemeinsam erstellten Arbeiten zu beurteilen und allen Teilnehmern angemessene Anerkennung einzuräumen.

  • Breite Akzeptanz und Anerkennung für die Vielfalt digitaler Medien und Veröffentlichungsformen als Mittel wissenschaftlicher Kommunikation.


Wesentliche Arbeiten von Digital Humanists
bleiben zu Unrecht unter dem Radar interner und externer Evaluationen. Daher fordern wir:

  • Open Access- und Open Data-Veröffentlichungen müssen ermutigt und unterstützt werden – indem die Nutzung erleichtert, adäquate Finanzierung bereit gestellt und die akademische Anerkennung erhöht wird.

  • Das Recht auf Zweitveröffentlichung muss im europäischen und nationalen Recht festgeschrieben werden, um gesetzliche Sicherheit für den Grünen Weg im Open Acess zu gewährleisten.

Die Forschung und Lehre mit digitalen Mitteln erfordert spezifische Fähigkeiten und Infrastrukturen. Um Bedingungen zu schaffen, in denen diese sich entfalten können, brauchen wir:

  • geeignete und nachhaltige akademische Infrastrukturen wie Repositorien, Publikationsplattformen, Kataloge, soziale Netzwerke und Blogportale.

  • ein öffentliches Datenbankprojekt, das nationale und europäische Informationen zu in den DH beantragten Projekten – unabhängig von deren Bewilligung – bereithält, mit dem Ziel, durch größere Transparenz eine bessere Orientierung und Koordinierung zu erreichen.

  • ehrgeizige digitale Trainingsprogramme in den Geisteswissenschaften für alle Generationen und Karrierestufen. Fortgeschrittene Studierende, Junior und Senior Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler benötigen angepasste Schulungen.

Als Geisteswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler schätzen wir interkulturellen Dialog und Mehrsprachigkeit. Veröffentlichungen sollten nicht ausschließlich in englischer Sprache erfolgen, sondern als Zusatz zu Veröffentlichungen in der eigenen Sprache angeregt werden.

II. Forschungseinrichtungen und Hochschulen

Konsistente digitale Strategien sollten in jeder Einrichtung entwickelt und gepflegt werden. Akademische Gesellschaften und Universitäten sollten den wissenschaftlichen Nachwuchs in den Digital Humanities durch adäquate Finanzierungszeiträume, Aussichten auf eine Festanstellung und Nachhaltigkeit für Wissenschaftler/innen und Techniker/innen zugleich unterstützen. Frühes Training kollaborativen Arbeitens sollte gefördert werden, dasselbe gilt für den Erwerb technischer Kenntnisse in Arbeitsgruppen.

Wir befürworten die Einrichtung von spezialisierten Arbeitsgruppen zur Förderung digitaler Vorhaben und interdisziplinärer Forschung. Institutionen müssen dies durch Schaffung eines wissenschaftlichen Ökosystems für Akteure der Digital Humanities untersützen. Dies sollte folgendes beinhalten:

  • qualitätsgesicherte Open Access-Plattformen

  • Archive und Technologien sowie Infrastrukturen für die langfristige Archivierung von Forschungspublikationen und -daten in Verbindung mit den Grundsätzen von Open Access und Open Data.

  • Datenbanken- und Softwareinfrastrukturen (z.B. Big Data und Linked Data Anwendungen)

  • effiziente Werkzeuge für die Digitalisierung analoger Quellen

  • Suchmaschinen und Recherchewerkzeuge für Metadaten, um digitale Medien einfacher recherchierbar zu machen, zu kontextualisieren und zu bewerten

  • Verbreitung frei zugänglicher Quellen, Lehrmaterialien und Creative Commons-Lizenzen

Wissenschaftliches Bloggen, Aktivitäten in sozialen Medien und Rezensieren in netzbasierten Formaten müssen offiziell anerkannt und gefördert werden. Forschungseinrichtungen sollten Fachkenntnisse und Trainings anbieten, die der Verbreitung folgender Kompetenzen dienen: Einsatz von sozialen Medien in der Forschung und der öffentlichen Kommunikation, Kodieren, Management von Websites, Erstellung von Datenbanken und multimediales Editieren. Alle beteiligten Akteure müssen zudem über ausreichende Kenntnisse in rechtlichen Fragen verfügen, insbesondere im Bereich des Urheberrechts und der freien Lizenzen.

III. Forschungsförderer

Es ist wichtig, dass Forschungsförderer die Bedürfnisse der wissenschaftlichen Gemeinschaften bei der Entscheidung über Art und Umfang der Förderung digitaler Projekte, Institutionen und Infrastrukturen berücksichtigen sowie die Art und Weise, wie diese evaluiert werden. Forschungsförderer müssen ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass digitale Projekte, besonders solche mit eigener Website, nie richtig zu Ende gehen: kontinuierliche Unterstützung über die Gründungsphase hinaus ist notwendig (z.B. für Serverkosten und technische Instandhaltung).

Forschungsförderer sollten spezifische Programme schaffen, die kollaborative Forschung über nationale Grenzen hinweg genauso wie nachhaltige Infrastrukturen für die Wissenschaft und praktische Schulungen für den Gebrauch digitaler Forschungswerkzeuge fördern.

Forschungsförderer sollten neue Bewertungsverfahren entwickeln, die digitale Formen und digitale Qualifikationen berücksichtigen.

  • Peer-Reviewed Print-Zeitschriften können nicht länger die einzigen Veröffentlichungsformen bleiben, die bei Bewerbungen und Anträgen berücksichtigt werden. Neue Formen digitaler Wissenschaftskommunikation, -bewertung und -veröffentlichung müssen gefördert werden.

  • Die Bewertung von Digital Humanities-Projekten sollte neue Kriterien in Betracht ziehen, wie etwa wissenschaftliche Qualität sowie technische Qualität und Anwendung

  • Der Kreis traditioneller Gutachter muss erweitert werden: Experten für digitale Medien, Informatiker und Ingenieure müssen miteinbezogen werden, um eine verlässliche Bewertung zu ermöglichen.

  • Forschungsförderer sollten Open Peer-Review-Verfahren und offene Kommentare in ihren Bewertungsprozessen berücksichtigen.

Was nun?

Akteure und Beobachter beklagen oft das langsame Tempo, in dem sich Infrastrukturen entwickeln. Während sich eine neue Wissenschaftskultur etabliert, in der digitale Instrumente und Methoden vollständig anerkannt sein werden, müssen alle Beteiligten proaktiv tätig werden, um akademische Strukturen an die neuen Forschungspraktiken anzupassen. Diese Aufgabe stellt sich ganz konkret für jeden, in jedem akademischen Bereich und jeder akademischen Disziplin. Wir alle können zu diesem gemeinsamen Neuanfang beitragen.

Die ersten Unterzeichner (vor Ort und online) waren die Teilnehmer der Konferenz “Forschungsbedingungen und Digital Humanities: Welche Perspektiven hat der Nachwuchs?”, Paris, 10. – 11. Juni 2013. Sie können das Manifest in einem Kommentar unterstützen und mitzeichnen.

Pascal Arnaud
Anne Baillot
Aurélien Berra
Dominique Boullier
Thomas Cauvin
Georgios Chatzoudis
Arianna Ciula
Camille Desenclos
André Donk
Marten Düring
Natalia Filatkina
Sascha Foerster
Sebastian Gießmann
Martin Grandjean
Franziska Heimburger
Christian Jacob
Mareike König
Marion Lamé
Lilian Landes
Matthias Lemke
Anika Meier
Benoît Majerus
Claudine Moulin
Pierre Mounier
Marc Mudrak
Cynthia Pedroja
Jean-Michel Salaün
Markus Schnöpf
Julian Schulz
Bertram Triebel
Milena Žic-Fuchs

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Abbildung: Yes we digital! by Martin Grandjean, CC-BY-SA.

English Version: Young Researchers in Digital Humanities: A Manifesto

 

 

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/1995

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Lieutenant-General Jochmus / Jochmus Pascha / Jochmus Freiherr von Cotignola: der transkontinentale Lebensweg eines Ministers der Zentralgewalt

 

Er zählt nicht zu den bekannten Gestalten unter den Regierungsmitgliedern der Provisorischen Zentralgewalt, und auch die historische Forschung hat von ihm wenig Notiz genommen: August Giacomo Jochmus. Wenige Jahre nach seinem Tod wurden einige in seinem Nachlass druckfertig vorliegende Schriften entsprechend seiner eigenen testamentarischen Verfügung herausgegeben1; sie enthalten eine autobiographische Skizze2 sowie ein kurzes, wesentlich darauf fußendes Lebensbild, das der Editor Georg Martin Thomas erstellte3. Der 1905 veröffentlichte Artikel der Allgemeinen Deutschen Biographie4 fasste nochmals die dort gebotenen Angaben zusammen – und seit dann ist so gut wie gar nichts mehr zu Jochmus erschienen. In neueren Lexika sucht man ihn vergebens, auch sonstige Forschungsliteratur zu ihm ist kaum zu finden, allenfalls hie und da eine beiläufige Erwähnung5. Was heute über seinen Lebensweg bekannt ist, dürfte daher zum überwiegenden Teil direkt oder mittelbar auf seine eigenen Angaben zurückgehen – ein Mangel, dem auch hier nur in wenigen Einzelheiten abgeholfen werden kann.

Zeitgenössische Karte des nordspanischen Kriegsschauplatzes im Feldzug von 1836Zeitgenössische Karte des nordspanischen Kriegsschauplatzes im Feldzug von 1836.

In jedem Fall war es ein ausgesprochen vielfältiges Leben, das er führte – im Hinblick auf Orte, Milieus und Betätigungen. Jochmus war 1808 in Hamburg geboren; über sein Elternhaus ist nicht viel überliefert. Der Vater starb früh. Nach dem Willen seiner Mutter hätte Jochmus den Beruf eines Kaufmanns ergreifen sollen, zog jedoch eine militärische Laufbahn vor6. Bereits mit 19 Jahren ging er nach Griechenland, um sich den Philhellenen anzuschließen, und machte dort die Feldzüge von 1827 bis 1829 mit; danach war er einige Jahre als Hauptmann des Generalstabs im griechischen Kriegsministerium beschäftigt, wobei er unter anderem mit Vermessungs- und Planungsarbeiten befasst gewesen zu sein scheint. Über Vermittlung des britischen Gesandten in Athen schloss er sich 1835 während des Ersten Carlistenkrieges in Spanien der Anglo-Spanischen Legion an, die auf der Seite der Königin Isabella kämpfte. Hier stieg er weiter rasch auf und brachte es bis zum Brigadegeneral und Chef des Generalstabs des spanischen Armeecorps in Kantabrien; zu dieser Zeit gewann er auch die wohlwollende Aufmerksamkeit des britischen Außenministers Henry John Temple, Viscount Palmerston7. 1838 ging er nach England und wurde von dort nach Konstantinopel entsendet, um mit dem britischen Gesandten Lord John Ponsonby (der 1849 als Botschafter in Wien nochmals ein wichtiger Korrespondent Jochmus’ war) die von Großbritannien angeführte Intervention mehrerer europäischer Mächte in Syrien in die Wege zu leiten.

Ibrahim Pascha (Gemälde von Charles-Philippe Larivière)Ibrahim Pascha (Gemälde von Charles-Philippe Larivière)

Dort hatten die Streitkräfte des Ibrahim Pascha, Sohn des faktisch autonomen Gouverneurs von Ägypten Mehmet Ali Pascha, wiederholte Versuche der osmanischen Armee zurückgeschlagen, die Kontrolle des Sultans über die Gebiete an der Ostküste des Mittelmeers wiederherzustellen. Frankreich unterstützte zudem die ägyptische Seite, was den Konflikt auch zum potentiellen Kriegsanlass zwischen den europäischen Mächten werden ließ: zur sogenannten „Orientkrise“ von 1839–18418, parallel zur für die Entwicklung in Deutschland bedeutsamen „Rheinkrise“9. Jochmus erreichte hier, im Alter von wenig mehr als 30 Jahren, den Höhepunkt seiner aktiven militärischen Tätigkeit zunächst als Chef des Generalstabs der kombinierten englischen, österreichischen und osmanischen Landstreitkräfte, dann in der Schlussphase der Kämpfe als deren Befehlshaber. Als solcher verdrängte er im Winter 1840/41 die ägyptischen Truppen aus Syrien und trug damit zur Schaffung der militärischen Voraussetzungen für den „Meerengenvertrag“ von 1841 bei, der die Krise vorerst beilegte10. Jochmus trat in der Folge in das osmanische Kriegsministerium ein, wo er im Range eines Paschas von zwei Roßschweifen bis 1848 beschäftigt blieb. Während seiner Zeit im Osmanischen Reich knüpfte er offenbar auch jene Kontakte zur österreichischen Diplomatie und zu Mitgliedern des habsburgischen Kaiserhauses, die für seinen späteren Weg von großer Wichtigkeit waren; doch sollte er sich auch enge Verbindungen zu England zeit seines Lebens bewahren.

Im April 1848 verließ Jochmus seine Stellung in Konstantinopel und kehrte nach Deutschland zurück – den späteren Darstellungen zufolge anscheinend aus freien Stücken und veranlasst durch die Märzrevolution11. Im diesbezüglichen Erlass des Sultans, der sich in seinem Nachlass findet, ist freilich nicht von einer Resignation die Rede, sondern von einer Neuorganisierung des Ministeriums, durch welche für ihn keine weitere Verwendung bestehe12. Auch die Aktivitäten Jochmus’ während des folgenden Jahres sind weitgehend unbekannt. Im Mai 1849 hielt er sich in Baden auf, als er von Seiten des Reichsverwesers – bezeichnenderweise durch den österreichischen Gesandten bei der Reichsstadt Frankfurt und ehemaligen Bevollmächtigten bei der Zentralgewalt, Ferdinand von Menßhengen – mit der Aufforderung kontaktiert wurde, „ein Reichs-Ministerium zu bilden und daran Theil zu nehmen“13. Seine Heranziehung scheint also von Anbeginn an vor allem durch seine Beziehungen zur österreichischen Diplomatie veranlasst gewesen zu sein. Die Bildung des letzten Ministeriums der Zentralgewalt verlief freilich hektisch und recht konfus, da neben Jochmus noch weitere Persönlichkeiten mit ähnlichen Aufträgen bedacht worden waren und viele potentielle Minister angesichts der denkbar ungünstigen Lage der Zentralgewalt ablehnten14. Letztlich erhielt Jochmus, der zeitweise auch zum Finanz- und Handelsminister vorgeschlagen worden war, das Außen- und ein neuerrichtetes Marineministerium.

Wie das Ministerium insgesamt, dem unmittelbar nach seiner Vorstellung von der Nationalversammlung das Misstrauen ausgesprochen wurde, so stieß auch Jochmus seitens der erbkaiserlichen Partei wie der Linken auf scharfe Ablehnung. Maximilian von Gagern lästerte in Anspielung auf Jochmus’ Karriere in Konstantinopel, die ihm wohl als Söldnertum ausgelegt wurde, angesichts der fortschreitenden Auflösung der Versammlung werde den neuen Minister bald nichts mehr hindern, „statt des Kreuzes auf der Paulskirche die drei Roßschweife mit dem Halbmond aufzupflanzen“15. Selbst sein Ministerkollege Johann Hermann Detmold nannte Jochmus nach einem guten Monat gemeinsamer Tätigkeit einen „Strohkopf“ und freute sich darüber, dass dieser den Reichsverweser auf dessen mehrmonatigem Kuraufenthalt in Gastein begleitete, weil in seiner Abwesenheit „die Sachen viel einfacher und leichter“ gingen16. Dennoch fällt es schwer, sich dem Urteil anzuschließen, von den Mitgliedern des letzten Reichsministeriums habe Jochmus „am wenigsten konkrete Arbeit“ geleistet17.

Eines von mehreren Projekten Jochmus’ zur Neugestaltung des Verhältnisses zwischen Deutschland und Österreich (Fürstlich Leiningensches Archiv Amorbach, Familienarchiv, Nachlass Fürst Karl zu Leiningen, Karton VI)

Vielmehr scheint er in mehrerlei Hinsicht keine unwichtige Rolle gespielt zu haben: Durch das rasch aufgebaute besondere Vertrauensverhältnis zum Reichsverweser, das sich auch nach dem Ende der Zentralgewalt in einem bis fast an das Lebensende des Erzherzogs fortgesetzten Briefwechsel niederschlug18, dürfte er viel dazu beigetragen haben, jenen trotz seiner immer wieder starken Rücktrittsgelüste zum Verbleiben zu bewegen19. Auch an den Verhandlungen sowohl mit den deutschen Regierungen als auch mit außerdeutschen Mächten über die Auflösung der Zentralgewalt und den Übergang zu einer neuen gemeinsamen Institution der deutschen Staaten war er, obwohl sie formell überwiegend vom Ministerpräsidenten Wittgenstein geführt wurden, maßgeblich beteiligt; dabei spielte er nicht zuletzt seine etablierten Verbindungen zur britischen Diplomatie immer wieder aus20 und legte zudem selbst mehrere Pläne zur Neuordnung Mitteleuropas vor21.

Schließlich sei noch darauf  hingewiesen, dass gerade Jochmus’ Marineressort im Sommer und Herbst 1849 zu den aktivsten Dienststellen der Zentralgewalt zählte, weil es eine Flotte mit einem knappen Dutzend Kriegsschiffen und ein entsprechend zahlreiches Personal unter sich hatte22. Dies stand im Kontrast dazu, dass ab Mai 1849 der Geschäftsgang einiger Ressorts (insbesondere des Justiz- und des Handelsministeriums, aber in beträchtlichem Maße auch des Inneren) nahezu zum Erliegen kam, weil in Abwesenheit eines Parlaments weder Gesetzgebungsprojekte noch zu vollziehende Beschlüsse vorhanden waren und auch die Kooperation der Einzelstaaten hinsichtlich ihrer inneren Angelegenheiten gegen Null ging. In den Sitzungsprotokollen des Reichsministeriums aus diesem Zeitraum tritt Jochmus daher keineswegs als inaktiver Minister in Erscheinung, sondern hatte im Gegenteil häufig über Flottenangelegenheiten zu berichten, unter anderem über die schwierige Suche nach einem sicheren Winterhafen oder über die Auseinandersetzungen um das erbeutete dänische Kriegsschiff „Gefion“. Diese Fregatte war nach dem glücklich verlaufenen Seegefecht vor Eckernförde am 5. April 184923 in deutsche Hände geraten und wurde, obwohl in unbrauchbarem Zustand, unter dem Namen „Eckernförde“ der deutschen Flotte eingegliedert. Nach dem im Juli mit Dänemark geschlossenen Waffenstillstand wäre Preußen nur zu gerne bereit gewesen, den materiell wenig wertvollen Rumpf zurückzugeben; die Schleswig-Holsteiner hingegen waren ebenso wie die von Jochmus vertretene Zentralgewalt entschlossen, die symbolträchtige Trophäe zu halten. Angesichts der drückenden Übermacht der Dänen zur See und der preußischen Truppen zu Lande kam es so weit, dass Jochmus den Befehlshaber der kleinen Reichsflottenmannschaft der „Eckernförde“ anwies, das Schiff im Falle eines Gewaltstreichs in die Luft zu sprengen24. Letztlich fand sich ein Kompromiss, der das Schiff durch Überwinterung in einem preußischen Hafen zwar der Verfügung Schleswig-Holsteins entzog, aber formell der Zentralgewalt und der deutschen Kriegsmarine erhielt.

Nach dem Ende der Provisorischen Zentralgewalt im Dezember 1849 bekleidete Jochmus längere Zeit keine öffentlichen Ämter. Finanziell unabhängig, konnte er es sich leisten, in den 1850er Jahren eine mehrjährige Weltreise zu unternehmen, während der er sich nicht nur neuerlich längere Zeit im arabischen Raum aufhielt, sondern auch Indien, China und Amerika besuchte. Er rühmte sich später auch, mit der einzigen Ausnahme Portugals jedes europäische Land bereist zu haben25. Er veröffentlichte Reiseberichte und Militärhistorisches in der Zeitschrift der Londoner Royal Geographical Society26 und wurde 1858 korrespondierendes Mitglied der Wiener Geographischen Gesellschaft27. Seit 1856 lebte er zumeist in Wien, weil sein Adoptivsohn Carlos dort die Offiziersausbildung begonnen hatte. Sichtlich band sich Jochmus, der bereits im November 1849 für sein Wirken als Reichsminister den österreichischen Leopolds-Orden erhalten hatte28, in diesen Jahren zusehends enger an den österreichischen Staat. Der Österreichisch-sardinische Krieg von 1859 bot eine erste Gelegenheit, bei der die Aufnahme Jochmus’ in die österreichische Armee als Feldmarschallleutnant beabsichtigt war, was jedoch vor dem raschen Ende des Kriegs nicht mehr vollzogen wurde.

Zu Anfang des folgenden Jahres wurde Jochmus in den österreichischen Adel als „Freiherr Jochmus von Cotignola“ erhoben. Das italienisch klingende Adelsprädikat hatte er selbst ausgewählt – wie aus Notizen in seinem Nachlass hervorgeht, hatte er im Vorfeld der Adelserhebung intensive genealogische Nachforschungen angestellt und insbesondere die gewagte Behauptung zu erhärten versucht, die Familie Jochmus (welche nach eigener Überlieferung aus Böhmen nach Norddeutschland gekommen war) stamme von italienischen Adeligen ab und sei insbesondere mit den Sforza-Herzögen von Mailand verwandt, unter deren Ahnen er einen „Giacomuzzo“ ausgemacht hatte29. In seine an die österreichischen Behörden eingereichten Papiere hatte er diese eher hanebüchenen Kombinationen letztlich nicht aufgenommen, sondern nur jenes „Cotignola“, das ihm als Besitzung der Sforza-Ahnen untergekommen war, wohl ohne Erläuterung der Hintergründe vorgebracht30. Diese an sich recht belanglose Episode wirft vielleicht einiges Licht darauf, was einem Mann mit einem so abenteuerlichen bisherigen Lebensweg alles als möglich erscheinen konnte: Wer es von Hamburg über Griechenland, Spanien, Syrien und Konstantinopel bis Frankfurt und Wien gebracht hatte, englischer Offizier, osmanischer Pascha und deutscher Reichsminister gewesen war, sich Freund und Briefpartner eines britischen Ministers, eines österreichischen Erzherzogs, aber auch russischer Adliger und Diplomaten nennen konnte, warum sollte der nicht auch mit italienischen Dynasten verwandt sein?

Für seine letzte Lebensphase scheint sich Jochmus allerdings vorbehaltlos Österreich verschrieben zu haben. In einer Denkschrift an Carlos von 1864 äußerte er sich höchst verbittert über die Entwicklungen in Deutschland seit 1849 und wollte mit der Vorstellung eines deutschen Staates nichts mehr zu tun haben: „[...] als im Jahre 1859 Deutschland sich selbst aufgab, ‘indem es Oesterreich verließ’, habe ich mich besitzlich und staatsrechtlich unverweilt, nach ernstester Erwägung von Deutschland losgesagt. Die höchste Lebensbedingung der Staaten, wie der Individuen ist die Ehre. Mein Entschluß ist gerechtfertigt worden [...] ‘Die deutsche Frage’ – sagte hingegen vor wenigen Wochen, bei Eröffnung des Reichsrath der Abgeordneten deren Präsident Ritter von Hasner – ‘ist die Nichtigkeits-Beschwerde gegen den verlorenen Proceß der Weltgeschichte’. – Verloren in letzter Instanz 1859, denn es ist mindestens gegen die Wahrscheinlichkeits-Berechnung, daß eine spätere Generation den dummen Frevel der Gegenwärtigen wieder gutmachen könne. Dem Finis Poloniae steht das Finis Germaniae ‘als Gesammt-Nation’, historisch begründet, zur Seite. Hauptursachen beider Erscheinungen sind der Mangel an innerer Organisations-Fähigkeit und an Staatszwecks-Gemeinsamkeit gegenüber dem Auslande. Der deutsche Bund bildete weder eine einheitliche Nation, noch eine Regierung. Seinem Wesen nach war er ein Staaten-Verband ‘deutscher Völkerschaften’ und dieser ist durch den thatsächlichen, wenn auch nicht formellen, Bundesbruch Preußens 1859 zerrissen worden; denn die Zerklüftung von 1863 in Frankfurt am Main und von 1864 in Schleswig-Holstein sind nur ‘Folgen’ des ersten Bundesbruches.“31 Die Schuld sah Jochmus also unzweideutig bei Preußen – eine Haltung, die durchaus als logische Fortsetzung seines Wirkens von 1849 verstanden werden kann32.

Der Preußisch-österreichische Krieg von 1866 brachte ihm dann doch noch die Würde eines Feldmarschallleutnanten der österreichischen Streitkräfte; allerdings dauerte auch diesmal die Ernennung so lange, dass der Waffengang bereits entschieden war, bevor Jochmus aktiv werden konnte. Er zog sich danach aus dem öffentlichen Leben zurück und reiste 1870–71 nochmals um die Welt. Seine letzten Jahre verbrachte er, anscheinend von einer langwierigen Krankheit gezeichnet, bei seiner Schwester in Bamberg, wo er auch starb33.

Trotz des Vorhandenseins eines recht umfangreichen Nachlasses und der vier Bände gedruckter Schriften ist es nicht leicht, sich ein Bild von der Persönlichkeit Jochmus’ zu verschaffen. Er hat im Laufe seines Lebens eine außerordentliche Fülle von Rollen gespielt und sich in verschiedenen, zum Teil fast inkompatibel erscheinenden Milieus bewegt. Die Vorstellung, dass einmal sein weltumspannender Lebensweg jenseits des Bereichs der Miszelle quellengestützt aufgearbeitet werden könnte, ist zugleich verlockend und einschüchternd: Ersteres, weil dies Licht in viele Aspekte der Verflechtung Europas mit anderen Weltregionen, insbesondere dem heutigen Nahen Osten, zu bringen verspräche. Potentiale, aber auch Grenzen und Ambivalenzen des globalen wie des innereuropäischen Kulturkontakts im 19. Jahrhundert müssten an Jochmus sichtbar werden: Wie viel verstand er wirklich von den Menschen und Lebensweisen der Länder, die er teils als Beobachter und Forscher, teils und vor allem aber als Soldat im Dienste des Interventionismus europäischer Mächte bereiste? Hat er sich etwa die türkische oder arabische Sprache je angeeignet? Konnten Begegnungen in solchem Kontext für gegenseitiges Verständnis sorgen, oder führten sie eher zur weiteren Ausprägung von Abgrenzungen Europas gegen Außereuropa im wissenschaftlichen wie im politischen Diskurs? – Einschüchternd ist demgegenüber die Vorstellung, wie hoch die Ansprüche an die Bearbeitung einer Jochmus-Biographie wären, die nicht seinen eigenen retrospektiven Aussagen verpflichtet bliebe, sondern seinen diversen Lebensstationen an Ort und Stelle archivalisch nachginge. Die Zahl der zu bereisenden Länder und Institutionen, die verschiedenen zu beherrschenden Sprachen und Überlieferungszusammenhänge, wären von einer einzigen Person kaum oder gar nicht zu bewältigen. Dem kann natürlich auch im Rahmen unseres Eichstätter Projekts nicht abgeholfen werden. Wohl aber verspricht dieses, über die Tätigkeit Jochmus’ in jenem Jahr 1849 einiges bekannt zu machen, das bis jetzt in den Frankfurter Akten vergraben war.

 

  1. THOMAS, Georg Martin (Hrsg.): August von Jochmus’ Gesammelte Schriften, 4 Bde., Berlin 1883–1884.
  2. Ebd., Bd. 3, IX–XII.
  3. THOMAS, Georg Martin: Vorerinnerung des Herausgebers, in: THOMAS, Georg Martin (Hrsg.): August von Jochmus’ Gesammelte Schriften, Bd. 1: The Syrian War and the Decline of the Ottoman Empire 1840–1848 in Official and Confidential Reports, Documents, and Correspondences with Lord Palmerston, Lord Ponsonby, and the Turkish Authorities, Volume 1, Berlin 1883, VII–XXI, hier IX–XV.
  4. CRISTE, Oscar: Jochmus: August Freiherr J. von Cotignola, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 50, Leipzig 1905, 745–746.
  5. Vgl. etwa BERTSCH, Daniel: Anton Prokesch von Osten (1795–1876). Ein Diplomat Österreichs in Athen und an der Hohen Pforte. Beiträge zur Wahrnehmung des Orients im Europa des 19. Jahrhunderts (Südosteuropäische Arbeiten 123), München 2005, 104–105, mit Benutzung einer Quelle aus dem Nachlass Jochmus; GOREN, Haim: Dead Sea Level. Science, Exploration and Imperial Interests in the Near East, London 2011, 91–92, 97–98.
  6. THOMAS, Vorerinnerung, X; leicht abweichende Angaben bei CRISTE, Jochmus, 745.
  7. WEBSTER, Charles: The Foreign Policy of Palmerston 1830–1841. Britain, the Liberal Movement and the Eastern Question, 2 Bde., London 1951, hier Bd. 1, 450.
  8. Eine ausführliche Darstellung aus britischer Sicht bietet WEBSTER, Foreign Policy, Bd. 2, 619–776. Für neuere Bearbeitungen mit genauerem Eingehen auf die Ereignisse in der Levante vgl. FARAH, Caesar E.: The Politics of Interventionism in Ottoman Lebanon, 1830–1861, Oxford – London 2000, 30–51; KARSH, Efraim – KARSH, Inari: Empires of the Sand. The Struggle for Mastery in the Middle East, 1789–1923, Cambridge (Massachusetts) – London 1999, 36–41. Wichtige Aktenstücke finden sich bei HUREWITZ, Jacob Coleman: The Middle East and North Africa in World Politics. A Documentary Record, Bd. 1: European Expansion, 1535–1914, New Haven – London 1975, 267–279.
  9. Zu dieser vgl. GRUNER, Wolf D.: Der Deutsche Bund, die deutschen Verfassungsstaaten und die Rheinkrise von 1840. Überlegungen zur deutschen Dimension einer europäischen Krise, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 53 (1990) 51–78.
  10. Abdruck bei HUREWITZ, Middle East, Bd. 1, 279.
  11. CRISTE, Jochmus, 745. Ausgesprochen vage formulierte Jochmus selbst seine Darstellung des Abgangs: THOMAS (Hrsg.), Jochmus’ Schriften, Bd. 3, X.
  12. Bayerische Staatsbibliothek München, Jochmusiana A II.
  13. Bayerische Staatsbibliothek München, Jochmusiana A II Nr. 42, Menßhengen an Jochmus, 10. Mai 1849.
  14. Fürstlich Leiningensches Archiv Amorbach, Familienarchiv, Nachlass Fürst Karl zu Leiningen, Karton V, Denkschrift „Das Ministerium Wittgenstein“ (wohl von Alexander von Bally verfasst); vgl. JACOBI, Helmut: Die letzten Monate der provisorischen Zentralgewalt für Deutschland (März – Dezember 1849), Frankfurt am Main 1956, 105–110.
  15. PASTOR, Ludwig von: Leben des Freiherrn Max von Gagern 1810–1889. Ein Beitrag zur politischen und kirchlichen Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts. Großenteils nach ungedruckten Quellen bearbeitet, Kempten – München 1912, 303.
  16. STÜVE, Gustav (Hrsg.): Briefwechsel zwischen Stüve und Detmold in den Jahren 1848 bis 1850 (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens 13), Hannover – Leipzig 1903, 244: Detmold an Johann Karl Bertram Stüve, 4. Juli 1849.
  17. So, ohne nähere Begründung, JACOBI, Letzte Monate, 109.
  18. Zahlreiche dieser Briefe sind publiziert bei THOMAS (Hrsg.), Jochmus’ Schriften, Bd. 4.
  19. Zu dieser Auffassung gelangte bereits VALENTIN, Veit: Geschichte der deutschen Revolution von 1848–49, 2 Bde., Berlin 1930–1931, Bd. 2, 466.
  20. Vgl. die Korrespondenz und Akten bei THOMAS (Hrsg.), Jochmus’ Schriften, Bd. 3.
  21. Er ließ insgesamt vier Projekte in Form von Diagrammen lithographisch vervielfältigen und verbreiten. Exemplare finden sich in seinem eigenen Nachlass sowie in jenem von Karl zu Leiningen: Bayerische Staatsbibliothek München, Jochmusiana C II Nr. 5; Fürstlich Leiningensches Archiv Amorbach, Familienarchiv, Nachlass Fürst Karl zu Leiningen, Karton VI. Nur die Amorbacher Überlieferung kennend, gelangte Veit Valentin zu der irrigen Annahme, dass die Blätter von Fürst Leiningen herrühren müssten: VALENTIN, Revolution, Bd. 2, 468f., 671. Die Urheberschaft Jochmus’ geht jedoch aus seinen Bemerkungen dazu in Verbindung mit der Münchner Überlieferung ebenso hervor wie aus einem Begleitschreiben zu einer Sendung von Exemplaren der Blätter an Arnold Duckwitz: Staatsarchiv Bremen, 7,183: Nachlass Arnold Duckwitz, Mappe 6, Jochmus an Duckwitz, 19. Dezember 1849.
  22. Eine im Dezember 1849 vorgelegte Übersicht weist für die Flotte eine faktische Mannschaft von 921 Mann bei einer Sollstärke von 1503 Mann aus: BArch, DB 52/16, fol. 91. Hinzu kommt das zivile Personal im Ministerium. Zur deutschen Kriegsmarine von 1848/49 vgl. BÄR, Maximilian: Die deutsche Flotte von 1848–1852. Nach den Akten der Staatsarchive zu Berlin und Hannover dargestellt, Leipzig 1898; HUBATSCH, Walther – BERNARTZ, Hanswilly – FRIEDLAND, Klaus – GALPERIN, Peter – HEINSIUS, Paul u. a.: Die erste deutsche Flotte 1848–1853 (Schriftenreihe des Deutschen Marine-Instituts 1), Herford – Bonn 1981; MOLTMANN, Günter: Die deutsche Flotte von 1848/49 im historisch-politischen Kontext, in: RAHN, Werner (Hrsg.): Die deutsche Flotte im Spannungsfeld der Politik 1848–1985. Vorträge und Diskussionen der 25. Historisch-Taktischen Tagung der Flotte 1985 (Schriftenreihe des Deutschen Marine-Instituts 9), Herford 1985, 21–41; PETTER, Wolfgang: Programmierter Untergang. Die Fehlrüstung der deutschen Flotte von 1848, in: MESSERSCHMIDT, Manfred – MEIER, Klaus A. – RAHN, Werner – THOSS, Bruno (Hrsg.): Militärgeschichte. Probleme – Thesen – Wege (Beiträge zur Militär- und Kriegsgeschichte 25), Stuttgart 1982, 150–170.
  23. STOLZ, Gerd: Die schleswig-holsteinische Erhebung. Die nationale Auseinandersetzung in und um Schleswig-Holstein von 1848/51, Husum 1996, 121–125.
  24. Jochmus teilte ein umfangreiches Dossier an Akten und Schriftverkehr in dieser Angelegenheit als Zirkularschreiben den Bevollmächtigten sämtlicher deutschen Staaten bei der Zentralgewalt mit, um die Unterstützung ihrer Regierungen für die Position der Zentralgewalt anzurufen: BArch, DB 52/15, fol. 5–27.
  25. THOMAS (Hrsg.), Jochmus’ Schriften, Bd. 3, XI.
  26. JOCHMUS, August Giacomo: Notes on a Journay into the Balkan, or Mount Haemus, in 1847, in: The Journal of the Royal Geographical Society 24 (1854) 36–85; JOCHMUS, August Giacomo: Commentaries (Written in 1830 and 1834.) 1. On the Expedition of Philip of Macedon against Thermus and Sparta; 2. On the Military Operations of Brennus and the Gauls against Thermopylae and Aetolia; 3. On the Battle of Marathon etc.; 4. On the Battle of Sellasia, and the Strategic Movements of the Generals of Antiquity between Tegea, Caryae, and Sparta, in: The Journal of the Royal Geographical Society 27 (1857) 1–53; JOCHMUS, August Giacomo: On the Battles of Sellasia, Marathon, and Thermus, in: Proceedings of the Royal Geographical Society of London 1 (1857) 481–483.
  27. Bayerische Staatsbibliothek München, Jochmusiana A II Nr. 49–50.
  28. Vgl. Bayerische Staatsbibliothek München, Jochmusiana A II Nr. 45.
  29. Bayerische Staatsbibliothek München, Jochmusiana A II Nr. 79. Die Säule im Familienwappen bot zu weiteren Spekulationen in Richtung einer Verwandtschaft mit den Colonna Anlass.
  30. Österreichisches Staatsarchiv Wien, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Adel HAA AR, Karton 210.
  31. Bayerische Staatsbibliothek München, Jochmusiana C II Nr. 5.
  32. Nach THOMAS, Vorerinnerung, XV, soll Jochmus dennoch 1871 bei der Schaffung des Wilhelminischen Reiches Genugtuung empfunden haben: „[...] das hohe, stolze Gefühl, ein Deutscher zu sein, trat nun auch bei Jochmus voll in seine Rechte ein“. Sofern dies keine – nach damaligem Empfinden – Behübschung durch den Herausgeber der (in Berlin erschienenen) Schriften Jochmus’ ist, wäre es ein weiterer Beleg für die außerordentliche Wandelbarkeit seiner Einstellungen.
  33. CRISTE, Jochmus, 746; THOMAS, Vorerinnerung, XV.

 

 

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/201

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Wie global ist eigentlich global? Oder: Weltbeziehungen, Region, Peripherie

 

Ich betreibe ja Mikrogeschichte. Vergleichend, immerhin (darüber gibt’s demnächst auch mal was). Aber der Fokus liegt auf sehr kleinen Räumen/sozialen Gruppen, eben auf ländlichen Gemeinden, Dörfern. In meinem Fall: so um 1000 Einwohner. Das ist möglicherweise unmodisch. Denn besonders attraktiv wirken ja die großen Ansätze, am besten direkt Globalgeschichte. Das verkauft sich gut, hat was Exotisches und muss sich garantiert nicht fragen lassen, „wie repräsentativ“ das Ganze denn nun sei.

Nun kann man allerdings fragen, wie weit eigentlich die Ansätze von Globalgeschichte und Mikrogeschichte auseinanderliegen – im Zweifel sehr weit. Aber muss das so sein? Nicht erst seit meiner Rezension zum Jahrbuch für Geschichte des ländlichen Raumes 2012: Im Kleinen das Große suchen (erscheint hoffentlich bald in der ZfG) denke ich über das Verhältnis von Mikro- und Makrogeschichte nach. Und da ich das ja nicht komplett alleine machen muss, es ganz im Gegenteil viele andere Menschen gibt, die sich auch so ihre Gedanken dazu machen, werde ich in den nächsten Wochen immer wieder Texte diskutieren, die sich dieses Problems annehmen.

Den Auftakt mache ich heute mit einem aktuellen Aufsatz von Johannes Paulmann, erschienen in der letzten HZ und direkt von mir markiert als „muss ich lesen“ (passiert inzwischen häufiger – wer hat sich verändert, die HZ oder ich?).

Worum geht’s? Paulmann versucht, Ansätze der Regionalgeschichte aufzubrechen und in globale Kontexte zu stellen. Er diskutiert unterschiedliche methodische Ansätze und Diskussionen, vor allem solche, die den Konstruktionscharakter von Regionen herausstellen. Statt also von einem gegebenen Territorium auszugehen, wie es die Landesgeschichte lange gemacht hat, soll der Blick darauf gelenkt werden, wie die verschiedensten Akteure an der Konstruktion und Veränderung von Regionen (Regionsvorstellungen und –bezügen) beteiligt sind.

Bei diesem konstruktivistischen Charakter bleibt er aber nicht stehen, sondern betont abseits der Stabilisierung von Regionen deren Verflechtungen und Grenzüberschreitungen. Er greift das Konzept von Translokalität auf und erweitert es zu einem Werkzeug für die Regionalgeschichte: „Transregionalität“ greift also den grenzüberschreitenden Charakter globaler Bezüge auf, ohne die „Region“ als Ausgangspunkt der Interaktion vorauszusetzen. Region entsteht vielmehr auch in dieser Grenzüberschreitung globaler Art.

Dieses Konzept von Transregionalität erprobt Paulmann nun am Beispiel des Südwestens Deutschlands, also letztlich des heutigen Baden-Württembergs bis ins 19. Jahrhundert zurückprojiziert. Anhand von „Welt-Läufern“ (Reisenden und (Re-)Migrierenden) und Institutionen der globalen Wissenserzeugung und Zirkulation (von Völkerkundemuseen bis hin zu alternativen Informationszentren zur „Dritten Welt“) untersucht er, welche Vorstellungen von Region sich in solchen (hierarchischen!) Beziehungen zur „Welt“ niederschlugen und verfestigten, aber auch aufgebrochen wurden.

Über den Aufsatz kann man insgesamt sicher viel diskutieren – etwa, inwieweit gerade der „Südwesten“ ein geeigneter Untersuchungsraum ist, da die Schwierigkeit doch darin besteht, dass er kaum als „Geschichtsregion“ wahrgenommen wird, als Identitätsraum mit historischer Tiefenwirkung also. Oder warum die Weltbeziehungen in erster Linie solche in die südliche Hemisphäre sind, ob die „Welt“ nicht noch mehr ist.

Da aber Paulmann den Aufsatz vor allem als Forschungsaufriss nutzt, um zu zeigen, in welcher Form regionale Ansätze global eingebettet werden können, sind diese Fragen zwar natürlich wichtig, sollten aber nicht als Fundamentalkritik verstanden werden.

Im Gegenteil, ich glaube, dass diese Form der „Beziehungsforschung“ eine interessante Facette regionalhistorischen Arbeitens (und auch globalhistorischen Arbeitens) umreißt, die meiner Meinung nach noch zu wenig beachtet wird, nämlich die Verknüpfung von lokalen Praktiken und „Welt“. Oder, um mit Bruno Latour zu sprechen: „Auch ein großes Netz bleibt in allen Punkten lokal“ (Latour S. 155). Global ist eine Perspektive, keine Seins-Beschreibung. Bleibt man im Konkreten, sind globale Beziehungen lokale Vernetzungspraktiken.

Diese Perspektive ermöglicht es, sehr unterschiedliche Akteure in ihren Praktiken sichtbar zu machen – nicht nur „die“ Politik, „den“ Imperialismus oder „den“ Kapitalismus. Dabei bleibt es aber meiner Meinung nach eine wichtige Aufgabe, die Verkettung dieser Praktiken ebenso sichtbar zu machen – nicht nur einfach alles in einer Menge von Kleinstpraktiken aufzulösen, sondern die Netze dahinter zu rekonstruieren (Latour lässt grüßen), die Zusammenhänge und Machtgeflechte,

So interessant ich den Aufsatz finde, so bleiben trotzdem Fragen. Vielleicht ist das aber auch gerade ein Zeichen dafür, wie weiterführend ich die Idee der Weltbeziehungen finde, als Art und Weise, Fragen zu stellen.

Das ist erstens das Problem der Konstituierung von Regionen. Im Aufsatz von Paulmann geht mir das manchmal zu schnell, die Institutionen und Personen werden in einem Raum situiert, als Beispiel für Weltbeziehungen des Südwestens. Nicht in allen Fällen ist nachweisbar, wie sie an der Regionsbildung selbst teilhaben (etwa: beim Freiburger Informationsdienst Dritte Welt). Wie kann man diese Region wirklich in ihrem Konstruktionscharakter verdeutlichen, und wann ist eine Region etwas „relativ“ Verfestigtes?

Zweitens, davon ausgehend: Warum handelt es sich, so Paulmann, um Transregionalität und nicht um Translokalität? In vielen Fällen sind es sehr punktuelle Praktiken der Raumbeziehung, eine wichtige Rolle spielen konkrete Orte, etwa Stuttgart oder auch die Gemeinde Korntal. Kann man diese Punkte wirklich in einer Fläche aufheben? Wenn ja, wie?

Und schließlich ist die Region hier sehr stark von Punkten, im Zweifel sogar von Zentren her gedacht, noch dazu (häufig, bei den Weltläufern nicht immer) von sozialen Eliten. Das liegt natürlich auf der Hand, weil die Städte und die bürgerlichen Akteure wichtige Ausgangspunkte der offensiven Herstellung von Weltbeziehungen waren. Was aber machen wir eigentlich mit den Orten jenseits der (regionalen) Zentren? Gibt es dort Weltbeziehungen? Rechnen wir einfach die Weltbeziehungen der Städte auf die Regionen hoch? Oder müssen wir von einer punktuellen Globalität des 19. und 20. Jahrhunderts ausgehen, aus denen beispielsweise ländliche Gesellschaften ausgeklammert waren?

Die Perspektive für mich ist natürlich: Welche Formen von Weltbeziehungen bildeten eigentlich ländliche Akteure aus? Welche „Welt“ meinten sie, und wie veränderte sich das? Und: Wie kann ich diese Weltbeziehungen jenseits eigener Migration oder dominanter Institutionen wie Völkerkundemuseen sichtbar machen? Oder muss ich dann bereits die Segel streichen und sagen: Provinz blieb Provinz und der eigene Kirchturm das Zentrum der eng begrenzten dörflichen Welt?

Ich glaube ja, dass die Vernetzung und die Herstellung von Weltbeziehungen analysierbar ist. Die Frage ist nur: Was war die Welt? Möglicherweise endete sie in München. Oder in Rom. Oder in St. Louis (dazu auch bald mehr). Auszuschließen ist das nicht. Ich werde berichten.

Paulmann, Johannes: Regionen und Welten. Arenen und Akteure regionaler Weltbeziehungen seit dem 19. Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift 296 (2013), S. 660-699.

Latour, Bruno: Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie, Franfurt/Main 2008 [frz. Original 1991].

 

 

Quelle: http://uegg.hypotheses.org/79

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