Tagung am 11. und 12. September 2015 im Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)
Organisiert vom Verein für Protest- und Bewegungsforschung in Kooperation mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und dem Zentrum Technik und Gesellschaft der Technischen Universität Berlin.
Proteste und andere widerständige Praxen sind weit verbreitet, die Forschung ist es nicht. Wer sich in der deutschsprachigen Sozialwissenschaft mit kollektiven Selbstorganisierungsprozessen in gesellschaftlichen Konflikten beschäftigt, arbeitet allzu häufig vereinzelt. Wir wollen das ändern, indem wir dauerhafte Arbeitszusammenhänge schaffen, in denen sich Kolleginnen und Kollegen mit ähnlichen Interessen austauschen und gemeinsame Aktivitäten entwickeln können.
Um solche Knotenpunkte in der deutschsprachigen Forschungslandschaft zu schaffen, organisieren wir die Tagung „Bridging and Bonding. Die Forschung zu Protest, Bewegung und Widerstand vernetzen“ am 11. und 12.
September 2015 am WZB. Die Tagung soll ein Auftakt zur Gründung von thematischen Arbeitskreisen sein und zugleich die Gelegenheit bieten, sich über die thematischen Interessen hinweg zu vernetzen und auszutauschen.
Was im Neuen Testament steht – dass Herodes kaltblütig die Kinder Betlehems ermorden ließ – hat sein Bild festgemeißelt. Er ist bekannt als der missgünstige Machtpolitiker, der an seinem Stuhl klebt und den Messias töten will.
In seiner Schrift Antiquitates Judaicae erzählt der jüdische Schriftsteller Flavius Josephus im 1. Jh. das Leben des Herodes spannend nach. Aber auch Josephus konnte den Idumäer nicht besonders leiden und Herodes trägt in den grausamen Episoden fast teuflische Züge. Auch diese, durch die Jahrhunderte äußerst beliebte Schrift hat Herodes‘ schlechten Ruf untermauert: böse, machthungrig, paranoid, taktierend, falsch, abgründig, intrigant.
Aber wer sich in Zeiten römischer Bürgerkriege an die Macht manövriert und sich dann 30 Jahre ebendort halten kann, zudem Städte, Paläste und Tempel baut, diplomatische Drahtseilakte besteht, aus der Provinz bis nach Rom hin Einfluss geltend machen kann, wer all die Brüche in seiner Herkunft, seinem Territorium und in seiner untergebenen Bevölkerung kontrollieren kann – der muss schon ein Mensch mit außergewöhnlichen Energien und Managerqualitäten gewesen sein.
Herodion
Am Modell kann man den Prachtbau mit den vier Türmen, die in alle vier Himmelsrichtungen zeigen, gut erahnen. (Foto: S. Burkard)
Das Herodion erhebt sich weithin sichtbar wie ein Vulkan (Josephus sagt: „wie ein Busen“) am Rand der Wüste Juda empor (758 m ü.M.), fünfzehn Kilometer südlich von Jerusalem, ungefähr fünf Kilometer südöstlich von Betlehem. Der oben immer gleichmäßiger rund werdende, dann aber gekappte Kegel, der die Umgebung um rund 100 m überragt, wurde zum Teil künstlich bis zu dieser monumentalen Höhe aufgeschichtet.
Herodes gründete 23 v. Chr. die Turmfestung am Ort einer siegreichen Schlacht über die 40 v. Chr. in Palästina eingefallenen Parter und benannte sie nach sich. Die Festung enthielt alle Elemente hellenistisch-herodianischer Paläste und entfaltete sich auf fünf Stockwerken. Als Herodes 4 v. Chr. in Jericho starb, wurde sein Leichnam im feierlichen Geleit zum Herodium überführt und dort seinem Wunsch gemäß bestattet. Über all das informiert uns Josephus Flavius.
Im August 2006 begann Ehud Netzer, außerhalb der Turmfestung zu graben und stieß auf die so lange gesuchte Grabstätte. Die geringe Reste der Grabanlage wirken für Touristen durchaus ernüchternd. Das Besondere der Entdeckung ist nach den vielen Theorien nur die Auffindung der genauen Lage der Grabstätte.
Masada
Masada – ein besonderer Bau nahe der Küste zum Toten Meer (Foto: S. Burkard)
Die vielleicht bekannteste aller herodianischen Ruinenstätten ist Masada, das im Westen des Toten Meeres auf einem weithin sichtbaren Felsen liegt.
Dieser Felsberg, auf dem die Palastfestung errichtet wurde, steht frei, getrennt von den Klippen, die das Tote Meer zu beiden Seiten flankieren. Dieser Ort, dessen Name sich von dem hebräischen Wort metzuda (Festung) herleitet, erlangte eine besondere Bedeutung aufgrund des dramatischen Berichts, den Josephus von den Geschehnissen gibt, die sich hier ereigneten.
Masada war der letzte Ort des Widerstandes in dem großen Aufstand der Juden gegen die Römer in den 60er und 70er Jahren des 1. Jhs. n.Chr. Drei Jahre nach der Zerstörung Jerusalems und des zweiten Tempels setzten sich hier noch immer etwas tausend Kämpfer mit ihren Familien gegen eine anhaltende Belagerung zur Wehr. Tag für Tag mussten die Belagerten das stetige Heranrücken der Sturmrampe an die Gipfelfläche des Berges mit ansehen. Als all ihre Versuche, die Römer am Erreichen der Gipfelfläche zu hindern, fehlgeschlagen waren, beging die gesamte Gemeinschaft Massenselbstmord. Dies war das Ende des Aufstandes.
Die Geschehnisse während des großen Aufstandes, die in den Schriften des Josephus berichtet werden, ereigneten sich rund 70 Jahre nach Herodes‘ Tod. Gleichwohl blieben die von diesem König auf dem Berg errichteten Bauten, die Josephus sehr detailliert beschreibt, bis in die Zeit erhalten, als die Zeloten die Kontrolle über Masada erlangten.
Literatur
Bernett, Monika, Herrschaft und Repräsentation unter den Herodiern, in: ZDPV 127,1 (2011) 75-104.
Keel, Othmar; Küchler, Max, Der Süden, OLB 2, Göttingen 1982 (Masada: S. 368-401; Herodeion: S. 650-661).
Küchler, Max, Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt, Orte und Landschaften der Bibel 4,2, Göttingen 2007, 2. Aufl. 2014.
Netzer, Ehud, Die Paläste der Hasmonäer und Herodes des Großen, Mainz 1999.
https://www.aventinus-online.de/collectanea Die Schriftensammlung bietet einen Überblick zum Œuvre des Geschäftsführenden Herausgebers zu Studentischem Publizieren. Die Abschnitte Theorie und Praxis vereinen hierbei seine theoretisch-deskriptiven Erörterungen mit Beiträgen aus der Studienzeit.
Es soll niemand sagen, daß es in der Vormoderne keinen technischen Fortschritt gegeben habe. Ein Beispiel dafür bietet die fahrbare Getreidemühle, die ich im Waldstein-Katalog von 2007 gefunden habe (S. 475, 6.5.4). Dargestellt ist eine Feldgetreidemühle, die auf einem fahrbaren Untersatz montiert war und von Pferden betrieben wurde. Der Vorteil lag auf der Hand: Man war nicht auf Mehl angewiesen, sondern konnte auch das Rohmaterial verarbeiten. Da die Versorgungsfrage für jede Armee stets eine große Herausforderung darstellte, war es naheliegend, Techniken zu entwickeln, die gerade für einen Heerhaufen – ökonomisch gesprochen eine Ansammlung von unproduktiven Menschen, der auf zumeist knappe Ressourcen zurückgriff – die notwendigen Versorgungsgüter leichter verwertbar machten.
Fahrbare Getreidemühle
So plausibel das alles ist, muß ich doch gestehen, daß ich von solchen Phänomenen recht wenig weiß. Über die gängigen Quellengruppen, die sonst über den Krieg und die Feldzüge informieren, habe ich kaum jemals etwas über solche Techniken und erst recht nichts über Innovationen erfahren. Pech bei der Auswahl der Akten, ein blinder Fleck in meiner Wahrnehmung? Ich kann und will nichts ausschließen, aber auch das Beispiel im Katalog selbst stimmt mich nachdenklich. Denn das Beispiel stammt aus dem Jahr 1606 und berichtet von einer Episode, derzufolge der spanische Feldherr Spinola das Stättchen „Lochum“ (gemeint ist offenbar Lochem in der Provinz Gelderland) eingenommen hat. Mit dabei waren auch „schone Muillwagen“, wie es in der deutschen Legende des Einblattdrucks heißt.
Es handelt sich also um einen Beleg aus dem spanisch-generalstaatischen Krieg und nicht aus dem Dreißigjährigen Krieg. Nun waren die militärischen Strukturen in beiden Konflikten so ähnlich, daß es methodisch kein Problem ist, solche Befunde aufzugreifen. Doch als ich nach weiteren Beispielen für solche Mühlen suchte, habe ich keine weiteren Belege entdecken können. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ausschließlich in der Armee Spinolas solche mobilen Mühlen zum Einsatz gekommen sind. Das Motiv wurde von Hogenberg in Köln verlegt, und der Druck wird sicher einigermaßen Verbreitung gefunden haben – der tschechische Nachweis im Katalog spricht schon dafür wie auch der weitere Nachweis im VD17 für die BSB in München (12:658778R).
Man wußte also von solchen Techniken. Doch seit wann gab es die fahrbaren Mühlen eigentlich? (der Hinweis im Flugblatt auf Pompeius als „Inuentor“ führt hier natürlich nicht wirklich weiter) Und wie weit waren sie verbreitet: Waren derartige Mühlen vielleicht schon in dieser Zeit allgegenwärtig? Ja waren sie womöglich Standardausstattung für den Troß der Heere des Dreißigjährigen Kriegs, daß schon gar nicht mehr über sie berichtet wurde? Vielleicht habe ich wie gesagt grundlegende Dinge, die in diesen Jahrzehnten alltäglich waren, verpaßt und ausgeblendet. Aber ein wenig frage ich mich schon, wieviel wir eigentlich über solche Techniken und auch ihre Fortentwicklungen (nicht) wissen, die für das Verständnis der Kriegsläufte in dieser Epoche wesentlich sind.
Im Rahmen des 2015 beginnenden DFG-Langfristvorhabens „Corpus Musicae Ottomanicae“ (CMO). Kritische Editionen vorderorientalischer Musikhandschriften“, dessen wissenschaftliche Leitung bei Herrn Universitätsprofessor Dr. Ralf Martin Jäger von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster liegt, ist ab dem 1. Oktober 2015 beim Kooperationspartner Max Weber Stiftung – Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland (MWS) in Bonn folgende MitarbeiterInnenstelle befristet bis zum 30. Juni 2016 zu besetzen:
Wissenschaftliche Mitarbeiterin/ wissenschaftlicher Mitarbeiter für Digital Humanities (Entwicklung wissenschaftlicher Datenbanken und Online-Editionen).
Es handelt sich um eine Stelle nach Entgeltgruppe 13 TVöD mit 100 % der regelmäßigen Arbeitszeit (zurzeit 39 Stundenwöchentlich) . Alternativ zu den 9 Monaten in Vollzeit ist eine Beschäftigung mit 12 Monaten zu 75% möglich. Mit der Stelle sind keine Lehrverpflichtungen verbunden.
Die Stelle an der Max Weber Stiftung übernimmt innerhalb des CMO zentrale Aufgaben bei der Entwicklung und dem Aufbau der technischen Infrastruktur. Hierzu zählen die Umsetzung von Datenbankmodellen und die Entwicklung der Technik für die digitale Online-Edition der Kritischen Ausgabe.
Detailliertes Arbeitsprogramm der Stelle:
das System für die Metadateneingabe entsprechend den Anforderungen einrichten,
den bereits vorhandenen Datenbestand in das System einspeisen,
eine Ausgabemöglichkeit in Absprache mit der Max Weber Stiftung (perspectivia.net) einrichten, die eine reibungslose Einspeisung ins Quellenportal (und weiter in DDB und Europeana) ermöglicht, was insbesondere eine Unterstützung der Standard-Datenformate voraussetzt, also eine Übersetzung der vom Projekt verwendeten Konzepte in diese Formate,
SVG-Repräsentationen für die Musiknotation und die zugehörigen kritischen Berichte zu erarbeiten, um die Transkripte mitsamt kritischen Anmerkungen unmittelbar in HTML-Seiten einfügen, mit den zugehörigen Metadaten und Liedtexten verknüpfen und mit RDFa-Annotationen semantisch erschließen zu können,
Erarbeitung einer Erweiterung des Vokabulars von MEI, um eine überlieferungs- und inhaltsgetreue digitale Speicherung und Verarbeitung vorderorientalischer Musiknotation für das beantragte sowie für künftige Projekte zu ermöglichen,
Schulung der übrigen Projektmitarbeiter/innen in der Eingabeumgebung.
Voraussetzung für die Einstellung sind ein geistes- oder sozialwissenschaftlicher Hochschulabschluss (möglichst Promotion), Einschlägige Kenntnisse im Bereich der Digital Humanities und der Verarbeitung von XML, HTML5 und CSS3 sowie Kenntnisse in einer Scriptsprache (vorzugsweise Python, oder auch PHP, Ruby o.ä.) sowie einschlägige Projekterfahrung und Teamfähigkeit.
Stellenbesetzungen werden grundsätzlich auch in Teilzeit vorgenommen, sofern nicht im Einzelfall zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen.
Die WWU Münster und die Max Weber Stiftung treten für die Geschlechtergerechtigkeit ein und streben eine Erhöhung des Anteils von Frauen in Forschung und Lehre an. Bewerbungen von Frauen sind daher ausdrücklich erwünscht; Frauen werden bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt berücksichtigt, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen.
Schwerbehinderte werden bei gleicher Qualifikation und Eignung bevorzugt eingestellt.
Ihre Bewerbung mit den üblichen Unterlagen richten Sie bitte bis zum 15. Mai 2015 in einer pdf-Datei an:
Am Workshop: ‘Digital Humanities for European Global Studies’ durfte ich ein Poster zum Dissertationsprojekt vorstellen.
Poster – Historical Source Criticism in the Digital Age Pascal Föhr, 27.03.2015
Ergänzung (04.04.2015):
Poster – Historische Quellenkritik im Digitalen Zeitalter Pascal Föhr, 27.03.2015
Aufgrund der Bitte von Mareike König (siehe Kommentar) erläutere ich das Poster und füge die deutsche Übersetzung hinzu.
Bisher wurde ein Objekt nach der historisch-kritischen Methode mit den Schritten Heuristik, Quellenkunde, Quellenkritik, Interpretation und Darstellung gesucht und gefunden, eingeordnet, kritisiert, interpretiert und als historische Ressource ‘verwendet’. Die Fragestellung meiner Dissertation dreht sich nun darum, ob die traditionelle historisch-kritische Methode auch auf digitale Objekte angewendet werden kann.
Verschiedene Einflüsse (nicht abschliessende Stichworte computational turn (Medientheorie), Digitalmedien (Social Media etc.), Virtualität (des Objekts, Cyberspace etc.), einem Alterungsprozess unterliegende Hard-/Software, algorithmisch generierte Daten etc. müssen bei der Quellenkritik (Kriterien wie Nachvollziehbarkeit, Persistenz, Echtheit, Authentizität etc.) berücksichtigt werden, die bei physischen Objekten bisher keine Rolle spielten. Digitale Objekte unterscheiden sich grundlegend von bisher bekannten, was eine kritische Auseinandersetzung mit der bisherigen Methode notwendig macht.
Weil digitale Objekte sich grundlegend von bisher bekannten unterscheiden und neuartige Rahmenbedingungen gelten, sind Kriterien der Quellenkritik in der bekannten Form nicht mehr anwendbar. Daraus leite ich für die Verwendung von digitalen Objekten als Forschungsressourcen meine Thesen ab: Es entstanden und entstehen neue, bisher nicht bekannte Quellentypen mit neuartigen Eigenschaften, der Prozess der Objektbeurteilung muss angepasst und neue Methoden der Quellenkritik müssen erarbeitet werden, was den Historiker zwingt auch neue Arbeitsmethoden im Umgang mit digitalen Objekten zu erlernen und anzuwenden.
What would 3 shillings buy in 1834? And what wouldn't 3 shillings buy? »Visible Prices« is a digital humanities database project. It provides contexts by highlighting the relationships between prices and therefore shows how price proportion between different goods changed over time and space. Paige Morgan is developing »Visible Prices« as a linked open data project using RDF (Resource Description Framework). It is a searchable collection of price information from literary and historical texts. In this interview we talk about the idea behind the project and the challenges in building a database.
Seit heute ist das neue Webportal www.schotten.wien online, das erstmals alle im Zusammenhang mit dem Schottenstift stehenden Webseiten – gegliedert in die Kategorien Kloster, Seelsorge, Bildung und Wirtschaft – unter einem Dach vereint. Damit verbunden ist auch ein einheitliches graphisches Konzept aller Einzelseiten.
Die bisherige Homepage des Schottenstifts wurde vollständig überarbeitet und enthält nun auch eine deutlich erweiterte Seite zum Archiv, die mit Benutzerinformationen (Download von Benutzungsordnung und -antrag), einer „Highlight“-Sektion sowie Hinweisen auf Literatur und Hilfsmittel aufwarten kann. Angedacht sind für die Zukunft noch weitere Ergänzungen wie Bestandsbeschreibungen und Ähnliches. Die Seite lässt sich auch direkt aufrufen unter www.schotten.wien/stift/stiftsarchiv.
Als Weiterleitung bleibt die Domain www.schottenstift.at übrigens weiterhin bestehen.
Als fachliches Diskussionsforum und informelle Kontaktbörse für alle Fragen der digitalen Langzeitarchivierung hat sich der Arbeitskreis „Archivierung von Unterlagen aus digitalen Systemen“ seit fast zwei Jahrzehnten bewährt. Die diesjährige Tagung, zu der das Österreichische Staatsarchiv eingeladen hatte, fand am 10. und 11. März 2015 in Wien statt.
Die dabei gehaltenen Vorträge zeigten einerseits aktuelle Entwicklungen und Fortschritte auf, thematisierten andererseits aber ebenfalls noch offene Fragen und Probleme. Eindrucksvoll waren vor allen Dingen die Präsentationen einzelner Staats- und Landesarchive zu ihren jeweiligen fachlichen und technischen Lösungen in den Bereichen Ingest (Übernahme), Preservation Planning (digitale Bestandserhaltung) und Access (Nutzung). Obwohl somit die ‚Big Player‘ über weite Strecken das Tagungsgeschehen dominierten, hielt die Veranstaltung auch interessante Aspekte für kleine und mittelgroße Archive bereit, die mit der digitalen Langzeitarchivierung oft erst am Anfang stehen. Herausgegriffen seien an dieser Stelle drei Vorträge, die für die Kommunalarchive in Westfalen durchaus Relevanz beanspruchen können.
Dr. Christian Keitel (Landesarchiv B-W) beim Vortrag (Foto: Österreichisches Staatsarchiv)
In einem der ersten Tagungsbeiträge referierten Christian Keitel (Landesarchiv Baden-Württemberg), Miriam Eberlein (Stadtarchiv Heilbronn) und Manfred Waßner (Kreisarchiv Esslingen) über den Ausbau der vom Landesarchiv entwickelten Archivierungslösung DIMAG zu einem digitalen Langzeitarchiv für die baden-württembergischen Städte und Gemeinden. Auch diesen soll nun eine Nutzung der mandantenfähigen und browserbasierten Software ermöglicht werden. Der Betrieb des digitalen Magazins erfolge dabei über die regionalen Rechenzentren, mit denen einheitliche Hostinggebühren vereinbart werden. Auch für die Kosten, die von kommunaler Seite gegenüber dem Landesarchiv anfallen, existieren bereits erste Kostenmodelle. Als ‚Pilotarchive‘ fungieren in diesem Zusammenhang das Stadtarchiv Heilbronn sowie das Kreisarchiv Esslingen, das in Sachen digitaler Langzeitarchivierung künftig die Funktion einer Verbundzentrale für die kreisangehörigen Kommunalarchive übernehmen soll. Über die Lizenz des Kreisarchivs wird DIMAG somit auch kleinen Archiven zur Verfügung stehen. Diese werden allerdings nur einen Lesezugriff auf ‚ihre‘ digitalen Aufzeichnungen erhalten; alle anderen nötigen Prozesse wie den First-Level-Support, den Ingest, die Magazinführung inkl. Metadatenverwaltung sowie die Überwachung von Migrationszyklen übernimmt das Kreisarchiv. Eine solche Lösung hat zunächst einmal viel für sich, da vor allem die „Einmann-/Einfrau-Archive“ so weit wie möglich von technischem Ballast und der damit verbundenen fachlichen wie personellen Überforderung befreit werden. Fürs erste ungeklärt bleibt, ob sich die anvisierten Finanzierungspläne als tragfähig erweisen (eine erste Evaluation ist 2018 beabsichtigt) und ebenso, in welcher Form sich die Kommunalarchive künftig am Echtbetrieb des digitalen Langzeitarchivs beteiligen. Man darf also gespannt sein, welche Resultate der jetzt anlaufende Produktivbetrieb bringen wird. Das LWL-Archivamt wird die Entwicklungen in Baden-Württemberg aufmerksam verfolgen, da wir den Kommunalarchiven in Westfalen-Lippe eine ähnliche Unterstützungsleistung unter dem Dach des „Digitalen Archivs NRW“ anbieten möchten.
Am zweiten Tag problematisierte Claire Röthlisberger-Jourdan (KOST = Koordinationsstelle für die dauerhafte Archivierung elektronischer Unterlagen, Bern) anhand eines Preservation-Prozesses für eine TIFF-Datei die Verwendung geeigneter Dateiformate für eine sicheren Erhalt digitaler Informationen. Den meisten Kommunalarchiven dürfte wenig bekannt sein, dass die KOST auf ihrer Internetseite einen ständig aktualisierten Katalog archivischer Dateiformate (KaD) bereitstellt, der ca. 30 verschiedene Formate vorstellt und deren Eignung für die digitale Archivierung anhand eines Kriterienkatalogs beschreibt (vgl. http://kost-ceco.ch/wiki/whelp/KaD/index.php). Relevante Informationen dazu finden sich auch in den online verfügbaren Handreichungen des Archivamtes. Eine zumindest rudimentäre Kenntnis über aktuell empfohlene ‚haltbare‘ Dateiformate ist auch für Kommunalarchive wertvoll, die noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen sind. Wenn bereits jetzt im Archiv selber oder einzelnen Verwaltungszweigen darauf hingewirkt werden kann, nur noch in bestimmten Dateiformaten abzuspeichern (z.B. PDF/A für Word-Dokumente) erleichtert dies auch die spätere Überführung der Daten in ein produktives Langzeitarchiv.
Blick ins Plenum (Foto: Österreichisches Staatsarchiv)
In der abschließenden Sektion der Wiener Fachkonferenz standen mit Webseiten und E-Mail-Konten zwei besonders problembehaftete Kategorien digitaler Unterlagen im Mittelpunkt. Während es für die aus unterschiedlichen Informationsobjekten zusammengesetzten Webseiten bereits erste Lösungsansätze zu deren Archivierung gibt, steht die Diskussion zur Archivierung von E-Mails noch relativ am Anfang. Der Beitrag von Corinna Knobloch (Landesarchiv Baden-Württemberg) diente folglich in erster Linie dazu, um grundsätzliche Fragen zu diesem Themenkomplex zu konkretisieren. Abgesehen von der Entscheidung über die Archivwürdigkeit einzelner E-Mail-Konten, wäre in einem zweiten Schritt erst einmal zu klären, was davon mit welchem Kontext übernommen werden bzw. wie das entsprechende Informationsobjekt im Langzeitarchiv zusammengesetzt sein sollte. Theoretisch würde sich hier die Möglichkeit eröffnen, neben einzelnen E-Mails auch einzelne Ordner oder sogar den kompletten Account als ein Informationsobjekt zu übernehmen. Ein weiteres potenzielles Problem stellen die unterschiedlichen Dateiformate der E-Mail-Anhänge dar, denen hinsichtlich der digitalen Bestandserhaltung Rechnung getragen werden muss.
Ob kommunale Archivierungsverbünde, langzeitarchivfähige Dateiformate oder E-Mail-Archivierung – die Tagung in Wien hat erneut deutlich gemacht, wie sinnvoll der kollegiale Austausch auf theoretischer wie praktischer Ebene ist. Allerdings fehlt es gerade bei kleineren und mittleren Archive oft noch an entsprechenden Praxiserfahrungen, an denen man sich zum Vergleich orientieren könnte. Vielleicht gibt es auf der nächsten Tagung des Arbeitskreises Anfang März 2016 in Potsdam auch neue Erkenntnisse aus kommunalen Archiven oder IT-Abteilungen zu berichten. Das Programm und alle Powerpoint-Präsentationen der diesjährigen Tagung sind für alle Interessierten bereits jetzt der Homepage des Staatsarchivs St. Gallen abrufbar: http://www.staatsarchiv.sg.ch/home/auds/19.html.
Darüber hinaus ist eine zeitnahe Publikation der Tagungsbeiträge fest eingeplant.
Dissertationsprojekt: Multiple Wahrnehmungsstrukturen und Deutungsmuster von Kriegsgefangenschaft in Deutschland und Frankreich
Ob man nun morgens die Zeitung aufschlägt, allabendlich die Tagesschau einschaltet oder die diversen Online-Nachrichtendienste konsultiert – im Kontext von Berichten über gewaltsame Auseinandersetzungen kommt der Thematisierung von Gefangenen stets eine wesentliche Bedeutung zu. So scheinen Informationen über die Gefangenahme von Angehörigen kriegsführender Parteien und deren Behandlung zu einem ganz selbstverständlichen Bestandteil der Kriegsberichterstattung unserer Tage und damit nicht nur zu einem militärischen, sondern auch zu einem medial diskutierten, und öffentlich wirksamen Phänomen geworden zu sein.
In der geschichtswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex rücken primär die beiden Weltkriege in den Fokus, wobei jedoch die in diesem Zuge sichtbar werdende, der Thematik inhärente Multidimensionalität von Kriegsgefangenschaft und ihre Verflechtungen mit Militär, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft nicht Alleinstellungsmerkmal der kriegerischen Auseinandersetzung der Gegenwart oder des 20. Jahrhunderts sind. In Mittel- und Westeuropa nahm die Kriegsgefangenschaft bereits während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 erstmals einen beachtenswerten Stellenwert ein. Ausschlaggebend hierfür ist in erster Linie die im Vergleich zu vorherigen Kriegen hohe Anzahl an Gefangenen – so befanden sich auf deutscher Seite bis Februar 1871 rund 383.000 Franzosen in Gefangenschaft, auf französischer Seite handelte es sich derweil allerdings nur um etwa 8.000 gefangene deutsche Soldaten – wodurch die Unterbringung, Versorgung und Beschäftigung der Gefangenen zu einer zentralen Herausforderung für die Verantwortlichen und das Thema Kriegsgefangenschaft aus dem reinen militärpolitischen Kontext herausgelöst wurde. Allein durch die Verteilung der französischen Gefangenen auf 195 sogenannte Depots im gesamten deutschen Reichsgebiet wurde die Kriegsgefangenenfrage zunehmend auch zu einer lokalen und regionalen Angelegenheit, während gleichzeitig die Gründung und das Engagement unterschiedlichster Vereinigungen – vor allem des Internationalen Komitees des Roten Kreuz und des sich für die Dauer des Krieges konstituierende Internationalen Hilfskomitees für Kriegsgefangene, Basel – im Rahmen der Kriegsgefangenenfürsorge quer zu den offiziellen Konfliktlinien verlief und die nationalen Grenzen überschritt.
Angesichts dessen kommt dem Phänomen der Kriegsgefangenschaft im Deutsch-Französischen Krieg eine hohe Bedeutung zu, die
1. – synchron betrachtet – deutlich über eine rein militärische Dimension von Kriegsgefangenschaft hinausweist, und in deren Folge
2. langfristige, den Abschluss des Friedensvertrages im Mai 1871 überdauernde strukturelle Elemente aufgenommen wurden, und vor diesem Hintergrund
3. den Deutsch-Französischen Krieg als Knoten- und Kristallisationspunkt ‚traditioneller‘ und ‚moderner‘ Elemente von Kriegsgefangenschaft interpretieren lassen.
Dieser besonderen Vielschichtigkeit von Kriegsgefangenschaft im Deutsch-Französischen-Krieg widmet sich nun das bi-national ausgerichtete Forschungsprojekt, das an der Universität Mannheim entsteht. Dessen konkrete Ziele liegen in der Analyse
1. der überindividuellen Wahrnehmungs- und Deutungsstrukturen von Kriegsgefangenschaft während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71, wobei der Fokus auf die militärische, gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Dimensionen gelegt wird, und
2. der Memoralisierung der Kriegsgefangenschaft in der Nachkriegszeit.
Auf diese Weise wird es gelingen, sowohl das Phänomen der Kriegsgefangenschaft in seiner komplexen und multidimensionalen Bedeutung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als auch mögliche Umdeutungs- und Veränderungsprozesse im Zeitlauf – das heißt während des Krieges selbst und im Kontrast zur Nachkriegszeit – sichtbar zu machen.
Auf Basis dieser Konzeption verfügt das Dissertationsprojekt in einem zweiten Schritt über das Potenzial
1. vor dem Hintergrund der aktuellen geschichtswissenschaftlichen Einordnung – der Interpretation des Deutsch-Französischen-Krieges als Etappe zum Ersten Weltkrieg und der Totalisierungs- und Modernisierungsdebatte des Krieges im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert – einen Beitrag zu dessen punktueller Neuperspektivierung zu leisten.
Zugleich erscheint angesichts der konstanten Bedeutung des Phänomens der Kriegsgefangenschaft von der Antike bis in die Gegenwart die Konzentration auf ein solches Ereignis wie den Deutsch-Französischen Krieg, an dem Veränderungsprozesse und möglicherweise sogar ‚Weichenstellungen‘ zu beobachten sind, für weitere Forschungen gewinnbringend zu sein. Dementsprechend verfolgt dieses Dissertationsprojekt das Ziel,
2. inhaltlich und methodisch einen Beitrag zur systematischen, diachronen Erschließung der Kriegsgefangenschaft in der Neuesten Geschichte zu leisten, die Aufschluss über Veränderungen und Entwicklungen von Wahrnehmungsstrukturen, Bezugssystemen und Wertvorstellungen – auch grenzüberschreitend bzw. nationalvergleichend – bietet und an bereits bestehende Forschungen zum Ersten und Zweiten Weltkrieg anknüpfen kann.