Papstkritik

Es ist Ende Juli 1630 in Regensburg. Ein Mönch hält eine Predigt, in der er die Person des Papstes scharf angreift: „Wann der babst der Antichrist wehre, so wehre eß gewißlich dieser.“ Berichtet hat diesen ungeheuerlichen Vorwurf Sigismund von Götze, kurbrandenburgischer Kanzler und Geheimer Rat, in einem Brief an einen Kollegen im Geheimen Rat, Levin von dem Knesebeck (31.7.1630, GStA PK, I. HA Rep. 12, Nr. 162 fol. 20-22‘ Ausf.). Götze hielt sich in diesen Wochen in der Reichsstadt auf, weil dort der Regensburger Kurfürstentag stattfand, den er als Vertreter Brandenburgs besuchte. Er selbst hatte diese Predigt nicht gehört, sondern berief sich aufs Hörensagen. Dadurch wird diese Episode nicht unglaubwürdig, denn einen solchen Vorgang wird man schlecht frei erfunden haben. Warum auch hätte er als Reformierter sich die Predigt eines Mönches, also eines katholischen Geistlichen, anhören sollen?

Als er von dem Vorfall erfuhr, wird er es aber vielleicht sogar bedauert haben, daß ihm dieses Schauspiel entgangen ist. Wann kam es schon einmal vor, daß von katholischer Seite genau der Vorwurf ins Spiel gebracht wurde, der zu den Klassikern reformatorischer Papstkritik gehörte? Genauso gut kann es sein, daß diese Geschichte bei Götze zuerst nur auf ungläubiges Staunen gestoßen ist und ihn im Weiteren vor allem irritiert hat, zumal in einer Situation, die von Bedrängnis und Unsicherheit gekennzeichnet war. Auf dem Regensburger Kollegialtag ging es, wie die einschlägige Literatur ausweist (Kober, S. 229-246, Kaiser, S. 279-302, Albrecht, S. 733-759), vor allem um Wallenstein und die Frage, wer das Oberkommando über die kaiserliche Armee übernehmen sollte. Gerade für die protestantischen Reichsstände standen aber die Religionsgravamina im Vordergrund, über die sie verhandeln wollten. Denn sie begannen immer stärker die Auswirkungen des Restitutionsedikts zu spüren und fürchteten nun ein kaiserliches Durchregieren mit dem Vorzeichen einer ungehemmten Gegenreformation.

Götze leitete seine Erwähnung der mönchischen Anti-Papst-Predigt aber noch mit einem bezeichnenden Satz ein: Mit dem Papst sei man hier gar nicht zufrieden, meinte er, was darauf hindeutet, daß er womöglich noch mehr antikuriale Kritik mitbekommen hatte. Dies wiederum überrascht nicht, denn tatsächlich waren insbesondere der Kaiserhof und auch einige katholische Reichsstände unzufrieden mit der Politik des Heiligen Stuhls. Schon seit einigen Jahren waren sie über das mangelnde Engagement Roms in diesem Krieg enttäuscht; konkret hatten sie sich – wenig verwunderlich – vor allem eine stärkere finanzielle Unterstützung der Kriegsanstrengungen Kaiser Ferdinands II. und der Katholischen Liga erhofft. Doch die Kurie hielt es für ratsam, die habsburgischen Machtphantasien nicht allzu sehr in den Himmel wachsen zu lassen. Gerade mit Blick auf die Kräfteverhältnisse in Italien konnte der Papst eine schrankenlose Machtfülle der Casa d’Austria nicht befördern.

Solche unübersehbaren Risse in der Front der katholischen Mächte werden den brandenburgischen Kanzler allerdings kaum getröstet haben. Seine Briefe vom Regensburger Kurfürstentag sind durchweg von einer düsteren Stimmung gekennzeichnet, mit der er die Verhandlungen des Kollegialtags begleitete. „Jst viel gereded vonn einem solchem Mann“, schließt Götze seinen Bericht über die Papstkritik ab. Letztlich unklar ist hier, wen er konkret meinte: Sprach man damals viel von dem papstfeindlichen Mönch oder war etwa der Antichrist ein häufiges Thema? Für den Brandenburger wird man eher die apokalyptische Sichtweise annehmen können. Tatsächlich sollte der heraufziehende schwedische Krieg noch einmal mehr Belastungen und mehr Unheil bringen – für alle daran Beteiligten.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/125

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Digitalisierte Zeitungen und OCR: Welche Forschungszugänge erlauben die digitalen Bestände?


Ein eher einfacher Fall der OCR-Bearbeitung © ceslava.com

Wer die Geschichte der Zeitung erforschen will ist darauf angewiesen, sich mit Originalen auseinanderzusetzen. Ein bekanntes Problem ist, dass Zeitungsbestände geografisch weit verteilt sind. Eine Sonderstellung haben hier Frankreich mit der Bibliothèque nationale de France und Großbritannien mit der British Library und der Außenstelle Colindale Newspaper Library. Beiden Bibliotheken stehen für eine lange Geschichte der zentralisierten Zeitungssammlung. Forscher finden hier an zentralem Ort und in kürzester Zeit das, was sie für ihre Arbeit brauchen.

Die Digitalisierung hat in den vergangenen Jahren immer stärker Einfluss auf das Entstehen der Forschung gewonnen. Computergestützt lassen sich große Korpora in kurzer Zeit auswerten. Die zentrale Verfügbarkeit über das Netz macht Bibliotheks- und Archivreisen überflüssig. Das werden besonders Forscher, die mit weit verstreut überliefertem Material arbeiten, zu schätzen wissen. Wurden zunächst hauptsächlich historische Buchbestände digitalisiert, geraten mehr und mehr auch Zeitungen, periodische Drucke und die Flugpublizistik unter den Scanner. Für eine Promotion, die sich mit Zeitungen des 17. Jahrhunderts in Deutschland, England, den Niederlanden und Frankreich beschäftigt, sind Digitalisate eine große Bereicherung.

Welche Datenbanken kann man überhaupt auf der Suche nach digitalisierten Zeitungen anzapfen? In meiner Recherche hat sich herausgestellt, dass vor allem britische Archive und Bibliotheken führend sind, was das Digitalisieren von Zeitungen anbelangt. Bob Nicholson nennt in seinem Aufsatz die Zahl von rund 8.000 Zeitungsseiten, die in Großbritannien jeden Tag digitalisiert werden. Schaut man die Datenbanken der wichtigsten Bibliotheken durch bekommt man den Eindruck, dass in der Hauptsache viktorianische Zeitungen des 18. und 19. Jahrhunderts digitalisiert wurden und noch werden. Ein guter Startpunkt ist das British Newspaper Archive. Komfortabel ist die Suche: nicht alleine ein Suchschlitz ermöglicht den Einstieg in den Datenbestand. Bereits auf der Startseite sind die digitalisierten Zeitungen über ein Drop-Down Menü einfach zugänglich. Bei allen Datenbanken ist eine Stichwortsuche möglich. So wird Nutzen aus den per OCR aufgearbeiteten Dateien gezogen. Wichtiger Unterschied des British Newspaper Archive ist: es handelt sich um ein kommerzielles Unternehmen. Die Suche und das Browsen durch die Zeitungsbestände ist kostenlos, eine Paywall wird allerdings dort hochgefahren, wenn es an die Inhalte geht.

Neben diesem kommerziellen Angebot existieren auch digitale Bestände der wichtigen Tages- und Wochenzeitungen des Landes, beispielsweise der der Times.

Frühe Zeitschriftendrucke sind aus den Beständen der Oxford Boldeian Library digitalisiert worden. Im Internet Library of Early Journals Projekt wurden die meisten Zeitschriften von Microfichebeständen ausgehend digitalisiert und mit einer OCR-Software bearbeitet. Sie sind nun kostenfrei im Internet einsehbar.

In Deutschland werden immer mehr Zeitungen vom Zentralen Verzeichnis digitalisierter Drucke erfasst. Hier ist viel Material vor allem aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu finden. In der Vergangenheit tauchten hier mit großer Regelmäßigkeiten auch wissenschaftliche Journals des 19. Jahrhunderts auf.

Als wichtige Quelle hat sich auch das rheinland-pfälzische Digitalisierungsportal dilibri erwiesen. Hier finden sich rheinland-pfälzische Zeitungen aus dem 19. Jahrhundert digitalisiert. Meist sind die Jahrgänge komplett, leider nicht OCR-bearbeitet, was die Suche nach den Beiträgen erschwert.

Auffallend ist, dass gerade in Deutschland viele der digitalisierten Zeitungen nur über die Titel zu erschließen sind, die in den Metadaten eingetragen sind. Lädt man die Digitalisate herunter fällt auf, dass keinerlei OCR-Bearbeitung der Seiten stattgefunden hat, die PDFs somit als Image, und nicht als Text-Dateien gespeichert wurden. Dies hat eine Reihe an Nachteilen.

Digitalisierte Zeitungen, schön und gut, möchte man meinen. Nicholson ist in seinem jüngsten Artikel der Frage nachgegangen, wie sie die Forschung beeinflussen und kommt zu dem Schluss, dass serielle (historische) Analysen gut mit dem Hilfsmittel digitalisierter Zeitungsbestände durchgeführt werden können. Grund dafür ist der Zugang: Während man die Inhalte gedruckter Zeitungen nur Top-Down erschließen kann, lassen sich in OCR-bearbeiten Dateien grundsätzlich andere Suchoptionen durchführen. Inhaltsanalytisch ist die Stichwortsuche hier sicherlich der am meisten genutzte Zugang. Über eine Reihe an definierten Stichworten lassen sich beispielsweise in einer Längsschnittanalyse die Bewertung bzw. die mediale Darstellung einzelner Prozesse genau untersuchen. Nicholson spricht deswegen von einem Bottom-Up Zugang, da der Forscher auf der Mikroebene des Texts einsteigen kann und keine vorgeschalteten Selektionsprozesse (Titel der Zeitung ˃ Inhaltsübersicht/Rubrik ˃ Überschrift ˃ Text) die Auswahl des Untersuchungsgegenstands beeinträchtigen.

Die OCR-Aufbereitung ist noch immer schwierig und vor allem zeitraubend, auch wenn in den letzten Jahren Verbesserungen erzielt werden konnten. Vor allem deutsche Zeitungen des 17. Jahrhunderts, die in Fraktur gedruckt wurden und meist in kurzer Zeit und damit mit wenig handwerklichem Aufwand produziert sind, stellen für die meisten OCR-Programme noch Schwierigkeiten dar.

Und trotzdem: fehlt OCR, geht in komplett neuer Zugang zu den Quellen verloren. Forscher sind dann darauf angewiesen, den Zugang zum Text über den althergebrachten Weg zu finden. In der Konsequenz bedeutet dies, dass beispielsweise sehr große Korpora nur in einer Auswahl untersucht werden können. Die Einschränkung hat zur Folge, dass von dem neuen, von Nicholson skizzierten Bottom-Up Zugang zum Text, nicht mehr viel übrig bleibt.

Die Diskussion um die Eigenschaften digitaler Dateien wird auch von Karsten Schuldt im LIBREAS Blog weiter vorangetrieben.

Literatur:

Nicholson, Bob: Nicholson, Bob, The digital Turn. Exploring the methodological possibilities of digital newspaper archives. In: Media History 19(2013), S. 59-73.

Bildquelle: flickr CC-BY-SA

Quelle: http://newsphist.hypotheses.org/23

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Duellieren als Rache für Ehebruch und als Rettung der männlichen Ehre

Der Roman Effi Briest von Theodor Fontane und die Novelle Lieutenant Gustl von Arthur Schnitzler erschienen an der Wende zum 20. Jahrhundert. Beide thematisieren unter anderem den Ehrenkodex des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Während Baron von Innstetten – der Ehegatte der Protagonistin in Theodor Fontanes Roman – nach Bekanntwerden der Liebschaft seiner Ehefrau mit einem Offizier nicht zögert und den Liebhaber im  Duell tötet, hadert der junge Leutnant in Arthur Schnitzlers Novelle mit dem Suizidgedanken, da er vom ihn beleidigenden Bäckermeister am Duell gehindert wurde und so dem militärischen Ehrenkodex nicht entsprechen konnte.

Interessant in Hinblick auf das Duellieren ist die gesetzliche Lage. Wie mich eine Kollegin aufmerksam machte, greift Evelyne Polz-Heinzl im Nachwort der bei Reclam erschienenen Ausgabe des Lieutenant Gustl diese Frage auf. Mit Verweis auf das von William M. Johnston 1974 erschienene Buch Österreichische Kultur- und Geistesgeschichte hält sie fest, dass 1911 Duelle mit Ausnahme einiger triftiger Gründe verboten wurden. Zu diesen triftigen Gründen zählte der Ehebruch:

In den Jahren nach dem Erscheinen des Lieutenant Gustl sollte die Institution des Duells aber zusehends verfallen, und zwar genau aufgrund der Interferenzen mit justitiablen Tatbeständen. Hatte man Gesetzesverstöße duellierender Offiziere bislang nicht geahndet, hatte Kaiser Franz Joseph noch jeden Offizier, der einen Zivilisten getötet hatte, begnadigt, so verzeichneteten die ab 1902 gegründeten Ligen gegen das Duell stetige Erfolge. Ab 1911 waren Offiziere laut kaiserlichem Dekret nicht mehr verpflichtet, eine Duellaufforderung anzunehmen; mit einigen Ausnahmen, wozu etwa die Rache für Ehebruch gehörte, wurden Duelle verboten.

Arthur Schnitzler: Lieutenant Gustl, hg. von Konstanze Fliedl, 2011, Nachwort von Evelyne Polz-Heinzl, S. 94-95.


Quelle: http://ehenvorgericht.wordpress.com/2013/03/18/duellieren-als-rache-fur-ehebruch-und-als-rettung-der-mannlichen-ehre/

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Publikation “Leitfaden zum Forschungsdaten-Management”

Die aus dem interdisziplinären WissGrid-Projekt entstandene Publikation “Leitfaden zum Forschungsdaten-Management” ist nun analog und digital erhältlich.

Digitale Forschungsdaten sind eine unverzichtbare Grundlage moderner Wissenschaft. Mit ihnen sind aber eine Reihe von notwendigen Datenmanagement-Aufgaben verbunden, damit sie in der aktiven Forschung bestmöglich eingesetzt werden können.

Der Leitfaden zum Forschungsdaten-Management stellt eine Checkliste und Anleitung bereit, um die wichtigsten Aufgaben und Fragen im Forschungsdaten-Management strukturiert zu beantworten und dessen Umsetzung effizient zu planen.

Die editierte Version ist analog im Verlag Werner Hülsbusch unter http://www.vwh-verlag.de/vwh/?p=814 erhältlich sowie open access und digital unter http://www.wissgrid.de/publikationen/Leitfaden_Data-Management-WissGrid.pdf verfügbar. Die nicht-editierten Versionen der WissGrid-Ergebnisse stehen auch weiterhin auf der Projekt-Homepage bereit.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1477

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Lebensmittelskandale und Annette Schavans Doktorarbeit beschäftigten in letzter Zeit nicht nur die Nachrichtenportale, sondern auch den soziologischen Teil des Internets. Was es sonst noch für Neuigkeiten aus der Soziologie und dem Soziologiemagazin gibt, erfahrt ihr in unserem aktuellen Wochenrückblick für die ersten zwei Märzwochen. Unter anderem mit aktuellen Call4Papers, Tagungsankündigungen und Verweisen auf Interviews und Dokumentationen.

News aus der Soziologie und vom soziologieblog im Zeitraum 01.März bis 15. März 2013 News aus der Soziologie 1.) Soziale (In)mobilität: “Vor allem zählt der richtige Stallgeruch” http://www.zeit.de/studium/uni-leben/2013-02/eliten-forscher-hartmann-stipendium-exzellenzinitiative 2.) “Die Plagiatsverfahren sollen völlig umgekrempelt werden, fordern einflussreiche Wissenschaftler. Warum eigentlich? … Weiterlesen

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/4501

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Mehr als Wissenschaftskommunikation: Studentisches Publizieren – ein Kommentar von Sandra Hofhues

http://www.sandrahofhues.de/2013/01/26/mehr-als-wissenschaftskommunikation-studentisches-publizieren Der durch den Beitrag “Wissenschaftstheorie, Wissenschaftspolitik und die Gründung eines ‘Instituts für Studentisches Publizieren’ — einige Überlegungen” (http://www.lisa.gerda-henkel-stiftung.de/blog.php?nav_id=4142) in L.I.S.A. Das Wissenschaftsportal der Gerda-Henkel-Stiftung initiierte Kommentar der Hamburger Mediendidaktikerin und Kennerin Studentischen Publizierens Sandra Hofhues versteht unter Studentischem Publizieren drei Bereiche: das wissenschaftliche, das journalistische sowie das organisationale Studentische Publizieren.

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/03/3985/

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Lexikon zur Computergeschichte: Advanced Research Projects Agency Network – ARPANET

Das Advanced Research Projects Agency Network beruhte auf der seit Beginn der 1960er Jahre insbesondere am MIT entwickelten Idee einer dezentralen Kommunikation für strategsich relevante Verteidigungsprojekte in den USA. Der Startschuss war die Inbetriebnahme des Netzwerkknotens Leonard Kleinrocks an der Universität von Kalifornien im September 1969, die erste Datenübermittelung fand am 29. Oktober 1969 um […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/03/3972/

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Lernen aus der antiken Geschichte

 

“Der Historiker ist ein rückwärtsgekehrter Prophet”, sagte schon Friedrich Schlegel (Athenäum, I, 2, 20) und hatte damit vollkommen recht, denn die Beschäftigung mit der Geschichte bringt wesentlich mehr mit sich als Daten, Fakten und Ereignisse. Einsichten in die Psychologie der … Weiterlesen

 

 

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/547

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