Das Kloster als Paradies

1702 feierte die Schweizerische Benediktinerkongregation ihr 100-jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass erschien als Festschrift die „IDea saCRæ CongregatIonIs heLVeto-beneDICtInæ“ (Sankt Gallen 1702), verfasst von dem Sankt Galler Mönch Mauritius Müller. Sein Mitbruder Gabriel Hecht entwarf die emblematischen Stiche, auf denen die einzelnen Klöster der Kongregation zu sehen sind. Gleich zwei von ihnen werden durch Paradies-Motive symbolisiert. Ein emblematisches Medaillon zeigt eine Insel in einem Fluss. Zwischen den Bäumen weiden friedlich verschiedene Tiere: Hirsche, Rinder, Schafe, ein Dromedar, auch ein Storchenpaar ist zu erkennen, ein [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/3295

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Robert von Mohl: Der Linksausleger im Reichsministerium – alles andere als ein Demokrat

Die Frankfurter Nationalversammlung wurde schon von zeitgenössischen Beobachtern – selten in freundlicher Absicht – als „Professorenparlament“ bezeichnet; freilich nur teilweise zu Recht, denn Hochschullehrer machten gerade etwas mehr als 8 % der Abgeordneten aus[1], wenn auch einige von diesen „politischen Professoren“ eine herausragende Stellung einnahmen[2]. Unter die Minister der Provisorischen Zentralgewalt gelangte nur ein universitärer Gelehrter von Rang: der gebürtige Württemberger Robert von Mohl[3], der zum Zeitpunkt seiner Wahl zum Abgeordneten für Mergentheim Ordinarius der Staatswissenschaften an der Universität Heidelberg war.

Robert von Mohl im Jahr 1848

Mohl, der aus einer alten württembergischen Juristen- und Beamtenfamilie stammte, hatte zuvor mehr als zwei Jahrzehnte an der Universität Tübingen unterrichtet und war dort auch der Universitätsbibliothek vorgestanden, bevor er sich durch regierungskritische Äußerungen im Zuge seiner Bewerbung um ein Mandat in der Württembergischen Abgeordnetenkammer den Zorn seiner Vorgesetzten zuzog und 1845 einer demütigenden Strafversetzung nur durch Austritt aus dem Staatsdienst entgehen konnte. Diese Ereignisse brachten ihn zumindest vorübergehend in den Ruf eines „Märtyrers“ der oppositionellen Politik und dürften wohl auch seiner Wahl in die Nationalversammlung durchaus förderlich gewesen sein.

Als Gelehrter war Mohl durch Werke über Staatsrecht und Polizeiwissenschaft hervorgetreten, die rasch breite Anerkennung fanden. Er hatte sich damit einen prominenten Rang unter den Theoretikern des Rechtsstaats und des Repräsentativsystems gesichert. Nach eigener Einschätzung ein „Altliberaler“[4], blieb er fest im monarchischen Konstitutionalismus verankert und rang in seinen Schriften lange um die Vereinbarkeit des monarchischen Prinzips mit einem von den „Mittelständen“, die seiner Ansicht nach „die ganze materielle und geistige Kraft der Völker in sich vereinigen“[5], getragenen Parlamentarismus. Seine Begriffe von „Rechtsstaat“ und „Gemeinwohl“ schlossen allerdings auch eine aktive Verantwortung des Staates für das materielle Wohlergehen der Bevölkerung ein, so dass Mohl mit einigem Recht zu den Vorläufern einer staatlichen Sozialpolitik gerechnet werden kann[6].

Ungeachtet dieses Interesses an einer Lösung der „sozialen Frage“ zur Aufrechterhaltung der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung war der liberale Theoretiker und Politiker Mohl „nichts weniger als ein Demokrat“[7]. Seiner Abneigung gegen die „Aristokratie“ stand ein mindestens ebenso tiefes Misstrauen gegen die „Prolotarier“ (sic) gegenüber, das ihn vor dem Gedanken einer ausschließlichen Volkssouveränität zurückschrecken und selbst in einer allzu großen Stärkung des parlamentarischen Einflusses gegenüber der Monarchie die Gefahr erblicken ließ, dass „der rohen Gewalt der physischen Mehrzahl ein allzubedeutender Spielraum gegeben“ würde[8]. Auf dem Höhepunkt revolutionärer Unruhe im Frühjahr 1848 widmete er sich der Abfassung einer – letztlich nicht veröffentlichten – Flugschrift „An die Arbeiter!“, in der er vor der Forderung nach einer Republik warnte, welche eine für Deutschland ungeeignete Staatsform sei und nur zu Bürgerkrieg und Elend führen könne[9]. Auch mit dem Gedanken des allgemeinen Männerwahlrechts fand er sich 1848 nur widerwillig ab, kehrte aber rasch zu seiner früheren schroff ablehnenden Meinung zurück; noch 1867 konnte er sich von dessen Einführung im Norddeutschen Bund nichts anderes als die verheerendsten Auswirkungen erwarten, weil es „weit ab von der einzig richtigen Ordnung eines Wahlsystemes“ liege, „nämlich der Auffassung der Betheiligung an dem activen Wahlrechte als eines den dazu Befähigten zu ertheilenden Auftrages“[10].

Innerhalb des südwestdeutschen Liberalismus war Mohl mit diesen Ansichten eher auf dem rechten Flügel positioniert; nach den Maßstäben der Frankfurter Nationalversammlung gehörte er hingegen zum „Linken Centrum“. Seine Fraktion war erst der „Württemberger Hof“, dann dessen rechte Abspaltung, der „Augsburger Hof“ (bekanntlich wurden die Gruppierungen unter den Abgeordneten nach den Gasthäusern benannt, in denen sie sich zu versammeln pflegten). Bei der Bildung des ersten Ministeriums der Provisorischen Zentralgewalt im August 1848 strebten nun die vom Reichsverweser zuerst ernannten Minister, namentlich Anton von Schmerling und Johann Gustav Heckscher, nach einer Verbreiterung der parlamentarischen Basis des Kabinetts, das überwiegend aus Vertretern des „Rechten Centrums“ gebildet wurde. Nach schwierigen Verhandlungen fanden sich Mohl als Justizminister und seine beiden Fraktionskollegen Johannes Baptista Fallati und Christian Widenmann als Unterstaatssekretäre zum Eintritt in das Ministerium bereit.

Die Vorbehalte hinsichtlich dieser Zusammenarbeit waren freilich auf beiden Seiten nicht leicht auszuräumen. Schmerling hielt später in seinen „Denkwürdigkeiten“ fest, dass das „sogenannte linke Centrum“ sich aus seiner Sicht „allerdings schon sehr zur Linken neigte (…) und deshalb mußte man sich begreiflicherweise den Mann, den man aus dieser Fraction des Hauses in das Ministerium berufen wollte, sehr genau ansehen“. Mohl selbst wäre nicht Schmerlings erste Wahl gewesen und wurde von diesem im Rückblick auf die gemeinsame Regierungsarbeit der Verfehlung geziehen, „neben allen Vorzügen auch alle unleidlichen Eigenschaften eines Schwaben, wie insbesondere unglaublichen Eigensinn und Rechthaberei im reichen Maße“ besessen zu haben, „so daß es beständig erhebliche Anstrengungen kostete, um ihn von seinen mitunter extravaganten Ideen abzubringen“[11]. Auch Mohl selbst bezeichnete sich und seine beiden Fraktionskollegen als „das am weitesten links gehende Element des Ministeriums“ und hoffte „als solches Gutes zu wirken“[12]; freilich ging er zugleich davon aus, dass dieses Kabinett „nicht lange halten“ und die Beteiligten danach „auf lange politisch todt“ sein würden[13]. Tatsächlich sollte er freilich trotz wiederholter Spannungen mit seinen Kollegen und mehrerer Rücktrittsangebote bis zum endgültigen Ende des letzten auf eine parlamentarische Mehrheit gestützten Kabinetts im Mai 1849 seinem Ressort vorstehen.

Das Justizministerium war selbst im Verhältnis zu anderen Posten in der Provisorischen Zentralgewalt eine Stellung mit sehr eingeschränkten Wirkungsmöglichkeiten. Schmerling hielt es im Grunde für überflüssig und behauptete, es sei nur eingerichtet worden, weil in der Nationalversammlung und der Öffentlichkeit „so überschwängliche Anschauungen von der Bedeutung Deutschlands und daher auch seiner Regierung“ herrschten, dass die allenfalls nötigen insgesamt drei Minister als für das notwendige Ansehen der Zentralgewalt nicht hinreichend erschienen wären[14]. Mohl selbst nannte sein Ressort insofern „ein Ministerium in partibus, als es keinerlei Behörden, sei es gerichtlicher, sei es andrer Art, unter sich hatte, ihm keine Ernennungen zustanden, ihm jedes Exekutionsmittel fehlte“[15]. Dennoch entfalteten er und sein Unterstaatssekretär Widenmann eine nicht ganz unbedeutende Tätigkeit einerseits im Umgang mit Rechtsfällen, die bisher der Bundesgerichtsbarkeit unterstanden wären – wozu Streitfälle zwischen deutschen Staaten, aber auch Beschwerden von Individuen gegen die Einzelstaaten wegen Rechtsverweigerung zählten –, andererseits in der Vorbereitung und Begutachtung von Gesetzesentwürfen und Staatsverträgen. Gerade in der schwierigen Frage, wie der Verkehr zwischen Zentralgewalt und staatlichen Regierungen zu regeln sei, und in jener der Publikation und Durchsetzung der „Reichsgesetze“ in den Staaten dürften viele der zentralen Texte von Mohl aufgesetzt worden sein. Widenmann übernahm die Verantwortung für die Vorbereitung einiger komplexer Gesetze zu (etwas) weniger kontroversen Materien; namentlich der unter seiner Leitung ausgearbeitete Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland gelangte zwar wegen der Auflösung der Nationalversammlung nicht mehr zur Beschlussfassung, wurde aber in vielen Punkten zum Vorbild für die spätere Regelung dieser Frage im Deutschen Bund[16].

Vielleicht die auffallendste Initiative Mohls war das Gesetz zur Aufhebung der „Spielbanken“ (wie man damals Spielkasinos nannte). Es handelte sich um eine langjährige Forderung von Teilen der Linken, begründet mit ganz ähnlichen humanitären und volkswirtschaftlichen Überlegungen zum Schutz vor Ausbeutung der Spielsucht, wie sie noch heute Forderungen nach Beschränkung des Glücksspiels zugrunde liegen. Die Debatte über entsprechende Petitionen in der Nationalversammlung am 8. Januar 1849 hätte aber wohl zu keinem Ergebnis geführt, wenn nicht Mohl als einzig anwesender Minister aus einem – wie er selbst später einräumte – unüberlegten Impuls das Wort ergriffen und entschieden für eine Aufhebung gesprochen hätte. Der Aufforderung aus der Versammlung, einen Antrag einzubringen, kam er durch Niederschrift eines einzigen Satzes nach, auf dessen Grundlage noch in derselben Sitzung ein Gesetzesbeschluss erfolgte[17]. Die Bestürzung unter seinen Ministerkollegen war danach groß, denn von etlichen staatlichen Regierungen, die selbst aus dem Betrieb solcher Etablissements oder der Verpachtung von Konzessionen Gewinne bezogen, war Widerstand zu erwarten. Anstatt das Rücktrittsangebot Mohls anzunehmen, bedeutete man ihm allerdings, er habe nun für die Ausführung des Beschlusses selbst zu sorgen. Einigermaßen überraschend waren die Ergebnisse, denn es kam zu einem der wenigen unleugbaren Erfolge der Zentralgewalt bei der Durchsetzung von Beschlüssen der Nationalversammlung: Die meisten Staaten fügten sich dem neuen Gesetz, obzwar einige recht unverschämte Entschädigungsforderungen erhoben. Hartnäckig widersetzte sich allein das winzige Hessen-Homburg, das sich auf die Bad Homburger Spielbank existentiell angewiesen wähnte. Die Folge war die einzige von der Zentralgewalt vorgenommene Bundesexekution gegen einen renitenten Einzelstaat: Österreichische Truppen aus der Garnison der Bundesfestung Mainz wurden nach Homburg beordert und erzwangen die Einstellung des Spielbetriebs[18].

In der Schlussphase der Nationalversammlung nach der Ablehnung der Reichsverfassung durch Preußen trat der Gegensatz zwischen Mohl und seinen Kollegen wieder scharf zutage, da er entschiedener als diese dafür eintrat, dass die Zentralgewalt auf deren Durchsetzung auch gegen den Willen der größten deutschen Einzelregierung hinwirken sollte. Die Weigerung des Reichsverwesers verurteilte er heftig und brachte getrennt von den übrigen noch anwesenden Ministern, wenn auch nur wenige Tage vor ihnen, seine endgültige Demission ein[19]. Wie einige andere Mitglieder der Regierung suchte er danach zunächst die Abgeschiedenheit und verbrachte mit seiner Familie einige Monate auf einem Landsitz in Mehlem bei Bonn.

Ein gewisses Maß an Eigenwilligkeit spricht sowohl aus den Selbstdarstellungen Mohls als auch übereinstimmend aus den Einschätzungen seiner Person durch andere. Die von Schmerling gerügte „Rechthaberei“ mag freilich auch aus dem Grund wahrgenommen worden sein, weil die politischen Anschauungen beider Männer recht weit auseinanderlagen. Die höhere Wertung von prinzipiengeleitetem gegenüber taktisch kalkulierendem Handeln war immerhin dem erklärten Selbstverständnis fast aller politischen Akteure gerade im Revolutionsjahr gemeinsam; was aber bei geteilten Zielen als Standhaftigkeit oder Prinzipientreue honoriert wurde, konnte von Beobachtern mit weiter entferntem Standpunkt leicht als Phantasterei, Extravaganz oder eben „Rechthaberei“ abgewertet werden. Mohl zeigte immerhin auch ein ausgeprägtes Gefühl für Anpassung an sich verändernde Gegebenheiten, das ihm nicht zuletzt erlaubte, nach dem Ende der härtesten Reaktionsphase wieder in der badischen Politik aktiv zu werden und seine Wahlheimat in den 1860er Jahren sogar bei der Bundesversammlung zu vertreten. Nach der Reichsgründung wurde er noch in hohem Alter– durch das ihm selbst so suspekte allgemeine Männerwahlrecht – in den Reichstag gewählt und starb als Abgeordneter desselben 1875 in Berlin.

Mohl hinterließ einen überaus reichen schriftlichen Nachlass, von dem Teile bereits bald nach seinem Tod aufgrund einer testamentarischen Verfügung der Tübinger Universitätsbibliothek übergeben wurden. Ein weiterer größerer Bestand, die sogenannten „Moser-Mohl’schen Familienpapiere“, wurde in den 1920er Jahren von Mohls Sohn, dem Diplomaten Ottmar von Mohl, an die Württembergische Landesbibliothek verkauft. Heute verbergen sich hinter einer einzigen Handschriftensignatur (Cod. hist. 506) etliche Laufmeter Papiere, von denen der größte Teil aus Familienkorrespondenzen besteht. Über die Frankfurter Zeit Mohls geben vor allem seine Briefe an seine Frau Pauline, geborene Becher, in Heidelberg sowie an seinen Bruder, den in Paris lebenden Orientalisten Julius Mohl, wertvolle Aufschlüsse, weshalb einige dieser Stücke auch in unsere Protokolledition als ergänzende Quellen Eingang finden werden. Die Briefe waren offenbar fast vollständig aufgehoben, familienintern sorgsam verwahrt und genauestens sortiert worden – die in die hunderte gehenden Schreiben an Pauline Mohl sind etwa gruppenweise in Bogen mit der Beschriftung „Papa an Mama“ und der Angabe des jeweiligen Anlasses der vorübergehenden Trennung der Eheleute eingeschlagen. So findet sich zwischen diversen Bildungs- und Forschungsreisen Mohls eben auch seine Frankfurter Parlaments- und Ministeriumszeit hier eingereiht.

[1] BEST, Heinrich: Die Männer von Bildung und Besitz. Struktur und Handeln parlamentarischer Führungsgruppen in Deutschland und Frankreich 1848/49 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 90), Düsseldorf 1990, 59.

[2] Vgl. etwa ENGEHAUSEN, Frank – KOHNLE, Armin (Hrsg.): Gelehrte in der Revolution. Heidelberger Abgeordnete in der deutschen Nationalversammlung 1848/49. Georg Gottfried Gervinus – Robert von Mohl – Gustav Höfken – Karl Mittermeier – Karl Theodor Welcker – Karl Hagen – Christian Kapp, Ubstadt-Weiher 1998.

[3] Die maßgebliche Darstellung zu Leben und Werk ist weiterhin die Biographie von ANGERMANN, Erich: Robert von Mohl 1799–1875. Leben und Werk eines altliberalen Staatsgelehrten (Politica. Abhandlungen und Texte zur politischen Wissenschaft 8), Neuwied 1962. Seinen Aktivitäten in der Revolution 1848/49 wird darin jedoch verhältnismäßig wenig Raum gewidmet.

[4] Vgl. NORDBLOM, Pia: Robert von Mohl, in: ENGEHAUSEN – KOHNLE (Hrsg.), Gelehrte, 41–67, hier 41.

[5] MOHL, Robert von: Das Staatsrecht des Königreiches Württemberg, 2 Bde., Tübingen, 2. Auflage 1840, Bd. 1, 534. In der ersten Auflage 1829 findet sich die Passage nicht. – Vgl. URBAN, Nikolaus: Robert von Mohl: Konstitutionelle Monarchie, Repräsentativsystem und Staatswissenschaften, in: FREITAG, Sabine (Hrsg.): Die Achtundvierziger. Lebensbilder aus der deutschen Revolution 1848/49, München 1998, 113–125, 316–318, hier 116f.

[6] STÖCKER, Birgit: Die Gemeinwohltheorie Robert von Mohls als ein früher Ansatz des sozialen Rechtsstaatsprinzips (tuduv-Studien – Reihe Politikwissenschaften 53), München 1992.

[7] MANN, Bernhard: Reichsminister Robert von Mohl und seine Wähler 1848/49. Neunzehn Briefe aus der deutschen Nationalversammlung, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 30 (1971) 327–381, hier 328.

[8] MOHL, Staatsrecht, Bd. 1, 534.

[9] ANGERMANN, Erich: Republikanismus, amerikanisches Vorbild und soziale Frage 1848. Eine unveröffentlichte Flugschrift Robert Mohls, in: Die Welt als Geschichte. Eine Zeitschrift für Universalgeschichte 21 (1961) 185–193.

[10] Vgl. seine diesbezüglichen Ausführungen in MOHL, Robert von: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik, Bd. 3, Tübingen 1869, 715–724; Wiederabdruck bei BEYME, Klaus von (Hrsg.): Robert von Mohl. Politische Schriften. Eine Auswahl (Klassiker der Politik 3), Köln – Opladen 1966, 265–275. Das Zitat ebd. 265.

[11] Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Nachlass Bienerth-Schmerling, Denkwürdigkeiten Kt. 3, Fasz. 1, fol. 30r–v. Das nicht viel vorteilhaftere Urteil Mohls über Schmerling ist nachzulesen in seinen Erinnerungen: KERLER, Dietrich (Hrsg.): Lebens-Erinnerungen von Robert von Mohl 1799–1875, 2 Bde., Stuttgart – Leipzig 1902; Bd. 2, 81–83.

[12] Offener Brief an seine Wähler vom 9. August 1848, abgedruckt bei MANN, Mohl, 340f.

[13] Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Cod. hist. 4o 506/III, Fasz. 20b, Nr. 5, Robert von Mohl an seinen Bruder Julius Mohl, 9. August 1848.

[14] Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Nachlass Bienerth-Schmerling, Denkwürdigkeiten Kt. 3, Fasz. 1, fol. 25r.

[15] KERLER (Hrsg.), Lebens-Erinnerungen Mohl, Bd. 2, 94.

[16] BAUMS, Theodor (Hrsg.): Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1848/49). Text und Materialien (Abhandlungen aus dem gesamten Bürgerlichen Recht, Handelsrecht und Wirtschaftsrecht. Beihefte der Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht 54), Heidelberg 1982.

[17] Franz WIGARD (Hrsg.), Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, Bd. 6, Frankfurt am Main 1849, 4480–4493; vgl. die eigene Darstellung Mohls bei KERLER (Hrsg.), Lebens-Erinnerungen Mohl, Bd. 2, 96f.

[18] Freilich erst im zweiten Anlauf. Zunächst war es den Spielpächtern durch eine Einladung an die Offiziere noch gelungen, die Exekutionstruppen von der Ausführung ihrer Befehle abzubringen; dies rief allerdings den Reichsverweser persönlich auf den Plan, der im Sinne seiner paternalistischen Vorstellungen von Sozialpolitik die Schließung befürwortete. Auf seinen scharfen Verweis hin kamen die Offiziere der fraglichen Einheiten schließlich ihrem Auftrag nach.

[19] Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Cod. hist. 4o 506/III, Fasz. 16b, Nr. 2b: Entwurf eines Rücktrittsschreibens, datiert 14. Mai 1849.

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/160

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Pamela Cox: The future uses of history, HWJ

Frei zugänglich:

Cox, Pamela: The Future Uses of History, in: History Workshop Journal, 75, Spring 2013, S.125-145.
http://dx.doi.org/10.1093/hwj/dbs007

Abstract:
We live in a new era of evidence. The knowledge economy demands new kinds of evidence deployed through new types of channel. Policy-makers demand evidence to support decision-making. ‘Evidence-based policy’ is built around the need to know if a strategy or a policy or any other kind of intervention – in medicine, criminal justice, welfare, banking or international aid – has ‘worked’ and whether it is cost effective. But what kind of evidence is sought and from what sources? How are outcomes evaluated? How do policy-makers deal with the uncertainty and contradictions so often generated by research?.

This article considers the contribution that historians might make in providing and critiquing evidence in these everyday scenarios. Given that our work consists of assembling, selecting, sifting and presenting evidence we might argue that we should play a major role particularly when History as a discipline faces contentious calls to demonstrate its public impact. However, we might argue the opposite. In terms of policy, for example, historians might continue to offer evidence of what ‘has not worked’ in the past as opposed to what ‘might work’ in the future. We might point to the epistemological uncertainties and doubts generated by new empirical claims to truth.

This article focuses on these opportunities and challenges. Using two contrasting case studies, from Vietnam and East Anglia, it asks how historians can carve out a distinct role as constructive sceptics in the knowledge economy.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/326525439/

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Wenn Presse zur Zensur greift: FAZ mahnt Klaus Graf ab

http://archiv.twoday.net/stories/326207397 In völliger Unkenntnis der Meinungsbildungsprozesse in der digitalen Welt (Stichwort Streisand Effekt) mahnte die Frankfurter Allgemeine Zeitung den ausgewiesenen Blogger Klaus Graf ab. Wie ein bislang unbekanntes Gerücht zu trauriger Berühmtheit kommt und wie manchenorts eine geäußerte und zudem missverstandene Vermutung einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft auch im 21. Jahrhundert noch als strafwürdige üble Nachrede erachtet […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/03/3996/

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Online-Petition zum Ende der Denkmalförderung in NRW

Die Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte hat eine Online-Petition zur angekündigten Streichung von Denkmal-Fördermitteln bis 2015 durch rot-grüne Landesregierung NRW gestartet.

Zur Online-Petition geht es hier:

https://www.openpetition.de/petition/online/angekuendigte-streichung-der-landeszuschuesse-fuer-die-archaeologie-und-denkmalpflege-zuruecknehmen

Der Inhalt hier wortwörtlich wiedergegeben:

“An die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen: Nehmen Sie die angekündigte Streichung der Landeszuschüsse für die Archäologie und Denkmalpflege zurück!

Was soll passieren?

Das Land Nordhein-Westfalen will sich bis 2015 ganz aus der Finanzierung der Archäologie zurückziehen und hat bereits für 2013 drastische Mittelkürzungen vorgenommen.

Wie läuft es bisher?

In NRW wird die Archäologie / Bodendenkmalpflege von den zwei großen kommunalen Verbänden im Rheinland (LVR) und in Westfalen (LWL) getragen, und die Stadt Köln kümmert sich selbst um ihr Gebiet. Bislang wurden die Kosten für die Ausgrabungen und die nötige Nachsorge hälftig von den kommunalen Trägern (LVR, LWL und Stadt Köln) übernommen, die andere Hälfte bezahlte das Land NRW. Die Summe der Landesmittel lag bisher bei knapp 12 Millionen Euro pro Jahr.

Um was geht es?

Überraschend wurde dieser Landeszuschuss von der neuen Regierung für 2013 drastisch gekürzt, nämlich auf 10 Millionen Euro. 2014 sollen nur noch 3,3 Millionen Euro zur Verfügung stehen, und 2015 will das Land ganz aus der Mitfinanzierung der Archäologie aussteigen. Diese Kürzungen können von den kommunalen Verbänden und der Stadt Köln natürlich nicht ausgeglichen werden. Für viele Bodendenkmäler führt das zur undokumentierten Zerstörung, weil das Geld für die nötigen Rettungsgrabungen und ihre Dokumentation fehlt. In den Fachämtern werden die Gelder fehlen, die Funde fachgerecht zu konservieren und restaurieren. Bestenfalls verschwinden Funde und Grabungsakten im Magazin, weil die Mittel fehlen, die Ergebnisse für die Öffentlichkeit aufzubereiten und in den Museen den Bürgern zu zeigen. Auch viele Baudenkmäler könnten nicht mehr saniert werden, die historische Bausubstanz zahlreicher Städte wäre in Gefahr.

Die Gefährdung unseres kulturellen Erbes

Kulturgutschutz und -pflege ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft, sie ist als Pflicht im Gesetz verankert. Dem Staat kommt daher eine besondere Fürsorgepflicht zu. In unserem föderalen System stehen die Bundesländern in der Verantwortung. Die Verlagerung von Aufgaben von der Landesebene auf die Kommunen, ohne dort gleichzeitig für die nötige Mittelausstattung zu sorgen, ist verantwortungslos. Wie glaubwürdig aber ist ein “öffentliches Interesse”, wenn die Landesregierung dafür bald nicht mehr einen Cent ausgeben will? Das bevölkerungsreichste Bundesland Deutschlands mit hoher Wirtschaftskraft, zahlreichen Bauvorhaben und einer dynamischen Entwicklung setzt ein fatales Zeichen, wenn es sich ganz aus seiner Verantwortung für die Pflege und den Schutz seiner Bodendenkmäler davonstiehlt. Das archäologische Archiv im Boden zeugt von unserer gemeinsamen Geschichte und Kultur, es ist ein hohes Gut der Allgemeinheit. In NRW ist es über die Museen und den Tourismus und als Teil der Identität und der Lebensqualität ein wirtschaftsrelevanter Standortfaktor.

Begründung: Kürzungen hätten dramatische Folgen

Das bundesweite Votum der Wissenschaftler und Kultur-Experten ist einhellig: Alle führenden Archäologen in NRW haben auf die dramatischen Folgen der geplanten Kürzungen hingewiesen. Der Verband der Landesarchäologen der Bundesrepublik Deutschland bittet um die Rücknahme der Kürzungen. Auch Kulturstaatsminister Bernd Naumann bezeichnete die Streichungen als „kulturpolitische Bankrotterklärung“. Gudrun Kopp, MdB aus Ostwestfalen-Lippe und Parlamentarische Staatsekretärin beim Bundesentwicklungsminister sagt: “Das wäre das Ende für Denkmalpflege und ein Sündenfall an der Historie unserer Region.”

Die Petition der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte e. V. (DGUF)

Wir bitten die Landesregierung, ihre geplanten und für 2013 schon umgesetzten Mittelkürzungen betreffend Archäologie und Denkmalpflege zurückzunehmen. Wir appellieren an die Fraktionen und Abgeordneten des Landtags von NRW, ihre Verantwortung wahrzunehmen und den Kurs der Landesregierung zu korrigieren. Wir bitten die Landespolitiker, sich erneut mit den Experten – auch der DGUF – an einen Tisch zu setzen und, begleitet von fachlichem Rat, bessere Alternativen zu erwägen.

Wir bitten Sie, die an der Geschichte und Kultur des Landes NRW interessierten und für das Land engagierten Bürger, diese Petition durch Ihre Unterschrift zu unterstützen!

gez. Die DGUF (für den Vorstand und Beirat: Rengert Elburg, Diane Scherzler M.A., Dr. Erich Claßen, Dr. Frank Siegmund, Dr. Gerhard Ermischer)”

Bitte unterzeichnen!

Der Link noch einmal hier:

https://www.openpetition.de/petition/online/angekuendigte-streichung-der-landeszuschuesse-fuer-die-archaeologie-und-denkmalpflege-zuruecknehmen

 

Weiterführende Links:

http://kristinoswald.hypotheses.org/562

http://storify.com/krosworldia/kultur-ist-kein-luxus-sie-ist-eine-notwendigkeit

http://archaeologik.blogspot.de/2013/03/ende-der-denkmalforderung-nrw-online.html

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/468

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Porträt von Matthes & Seitz

"Was auch kommt, es kann nur besser werden" schrieb Magnus Klaue in konkret 6/2004, S.48, als Andreas Rötzer den durchaus verdienstvollen, wegen Streifzügen ins Rechtsextreme allerdings zu Recht berüchtigt gewordenen Verlag Matthes & Seitz übernahm (dazu u.a. Diedrich Diederichsen, Freiheit macht arm, Köln 1993, 117-157). Nun, es wurde besser, und ein Porträt des jetzigen Verlagszustandes liefert dieses Wochenende die NZZ.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/326525010/

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Konferenzankündigung (Uni Bamberg): “Krise der europäischen Vergesellschaftung? Soziologische Perspektiven.” (11./12.04.2013)

Die europäische Integration führte insbesondere seit den 1990er Jahren zu einer grundlegenden Transformation der sozialen Beziehungen und der Lebenssituation der Menschen in Europa. Während sich das Leben der Menschen in der Nachkriegszeit vorrangig im Rahmen von Nationalstaaten abspielte, geht die … Weiterlesen

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/4418

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Filmbesprechung: Unsere Mütter, unsere Väter, Teil 2/2

Von Stefan Sasse

Teil 1 findet sich hier.

Besonders beeindruckend ist in diesem Zusammenhang auch die in der zweiten Folge dargestellte Schlacht um Kursk, die für Friedhelm und Wilhelm zu einer Wasserscheide wird. Wilhelm, von einer Panzerfaust temporär außer Gefecht gesetzt, zerbricht innerlich unter dem Druck, seine Männer für völlig sinnlose Ziele in den Tod führen zu müssen und desertiert, während Friedhelm den letzten Rest seiner einstigen Ideale über Bord wirft und schreiend, angetrieben vom scheinbaren Tod seines Bruders, das Ziel mit der Maschinenpistole in der Hand faktisch im Alleingang erobert - um dort weinend zusammenzubrechen, als er erkennt, für welch sinnloses Ziel die Kameraden um ihn herum gefallen sind. Seine Konsequenz ist genau das Gegenteil von Wilhelm. Wo der einstige Karrieresoldat, stets seine Pflicht tuend, nun von Zweifeln völlig übermannt ist und den Entschluss fasst, aus dem Krieg auszusteigen (auch um den Preis seiner eigenen Vernichtung), wandelt sich Friedhelm zum "perfekten Soldaten", der tut was man ihm sagt und nicht darüber nachdenkt, ob es nun das Erschießen von Bauernmädchen oder Hängen ihrer Mütter und Väter ist. Ohne mit der Wimper zu zucken arbeitet er mit dem SS-Mann zusammen, den er in der ersten Folge am liebsten noch umgebracht hätte, als er mit der ukrainischen Hilfspolizei Juden tötete. Seine völlige Entmenschlichung wird offenkundig, als er bei der Partisanenbekämpfung plötzlich Auge in Auge Viktor gegenübersteht und man nicht sicher sein kann, ob er schießen wird oder nicht. 

Greta und Viktor
Während die Männer dem Grauen der Front direkt ausgesetzt sind, zeigt es sich für die beiden Frauen indirekter. Greta prostituiert sich mit einem Gestapo-Mann, um Viktor falsche Papiere zu besorgen und zerstört darüber die Beziehung. Im Gegenzug wird sie der Star, der sie so lange werden wollte. Sie wird arrogant und eingebildet und verliert jeden Blick für die Realitäten, bis sie zurückgelassen im selben Feldlazarett strandet in dem ihre Freundin Charlotte ihre Illusionen längst verloren hat. Charlotte, das Nesthäkchen der Gruppe, denunziert in ersten Folge noch willig eine jüdische Hilfsärztin, ohne nachzudenken, weil es genau das ist, was die angeblich aus dem Film ausgesparte Nazi-Sozialisation mit den Menschen gemacht hat. Am Ende des Films riskiert sie ihr Leben für die Rettung einer anderen russischen Hilfsschwester, wird beinahe von russischen Soldaten vergewaltigt und arbeitet für die Rote Armee, ehe sie nach Deutschland zurückkehrt. In beiden Frauen bringt der Krieg das Schlechteste hervor, und beide reifen über die Erfahrung und riskieren ihr Leben, um den Fehler nicht zu wiederholen. Greta wird es darüber verlieren, ein letztes Kriegsopfer, erschossen nur Tage vor der Kapitulation wegen Defätismus. Das Frauengefängnis, in dem sie sich befindet, ist eine wahre Hölle der Eintönigkeit und Hoffnungslosigkeit. Monate gehen ins Land ohne eine Nachricht von außen, ohne zu wissen was passieren wird, ohne Urteil und ohne Strafe. Irgendwann geht die Zellentür auf, man wird hinausgebracht und erschossen.

Einzig Viktor geht ohne psychische Narben aus seinen Taten hervor, aber auch er hat alles verloren: in einer ungeheuer sensiblen Darstellung des Holocaust muss er feststellen, dass seine alte Wohnung mittlerweile von ausgebombten Deutschen bewohnt wird; von seinen Eltern gibt es keine Spur mehr. Die neuen Bewohner dagegen, die sich noch darüber beklagen, dass die Juden nicht ordentlich geputzt haben, bevor sie "weggezogen" sind und bemerken, dass immerhin die Möbel brauchbar waren, stellen das Gesicht der hässlichen Deutschen in ihrem Alltags-Antisemitismus dar, ohne dass es dazu der Karikatur bedürfte, die solche Gestalten in anderen Filmen allzuoft werden. Als Viktor seiner Familie nachspüren will, sitzt am Behördenschreibtisch jener Gestapo-Mann, der ihn in den Zug nach Auschwitz brachte und seine Freundin hinrichten ließ, und die Amerikaner wissen es und belassen ihn doch dort, weil sie seine Expertise brauchen. Alles ist anders, und doch nichts verändert, und als er in das Trümmerfeld der Bar zurückkehrt, in der 1941 mit seinen vier Freunden Abschied feierte, scheint er ein gebrochener Mann.

Ambivalenzen wie diese durchziehen den gesamten Film und regen zum Nachdenken und zur Reflexion an. Leider, und hier kommen wir zum Scheitern des Films, war den Produzenten beim ZDf, vielleicht auch dem Regisseur und Drehbuchschreiber selbst, das Konzept schon risikoreich genug, so dass das Drehbuch an vielen Stellen bewusst harmlos und auf der sicheren Schiene gestaltet wurde. Viele Nebencharaktere sind bestenfalls holzschnittartig dargestellt (hier finden sich endlich die karikaturesk bösen Nazis, die alle nur schlechten Sex haben und/oder dumm sind), und vor allem die Dialoggestaltung ist wesentlich zu explizit geraten. Es gibt ein wichtiges Prinzip beim Geschichtenerzählen: show,don't  tell. Sachverhalte müssen durch die Geschehnisse deutlich werden. Wann immer ein Schauspieler in character etwas erklären muss, wird man aus der Immersion der Geschehnisse herausgerissen, die mit so viel Aufwand angestrebt wird.

Wilhelm Winter im Schützengraben
Mindestens einmal pro Episode spricht ein Charakter das Motto des Films direkt an die Zuschauer gerichtet aus: "Der Krieg bringt nur das schlechteste im Menschen hervor". Es hätte dem Zuschauer durchaus zugetraut werden dürfen, diesen Schluss für sich selbst zu ziehen, denn die Handlung und die Bilder geben es problemlos her. Solche Situationen finden sich immer wieder. Selbst in den Gefechten verzichten Soldaten immer wieder auf Zeichensprache um eindeutige Befehle zu brüllen, damit der Zuschauer weiß, was als nächstes passiert (im Häuserkampf ein an Selbstmord grenzendes Verhalten), anstatt es einfach zu zeigen und darauf zu vertrauen, dass der Zuschauer es schon verstehen wird. Die auf den direkt-dabei-sein-Effekt ausgelegte Wackelkamera macht das Nachvollziehen der taktischen Situation ohnehin obsolet, und die Soldaten haben den Einblick ja selbst nicht. Warum also überhaupt versuchen, ihn dem Zuschauer zu geben? Auch die Dialoge leiden unter diesem Problem. Viel zu häufig reden die Charaktere viel zu viel über das, was sie tun, anstatt es einfach zu machen. In den gleichen Problemkomplex gehört die Druckreife, die die Dialoge öfters erreichen und sie steif und unnatürlich erscheinen lassen. Es ist ein plötzliches Aufblitzen einer geschliffen formulierten Reflexionsreife, die sonst überhaupt nicht zu finden ist und wie ein Fremdkörper wirkt, offensichtlich ans Publikum und nicht an andere Charaktere gerichtet.

Dramaturgisch aber erweist sich die scheinbare Unsterblichkeit der Hauptfiguren als größeres Problem. Dass Friedhelm an Ende der ersten Folge überleben würde war noch relativ klar; der Cliffhanger eher Routine. Als er aber den Brustschuss am Ende der zweiten Episode überlebte und Wilhelm gleichzeitig aus dem Hexenkessel von Kursk entkam, wurde die Glaubwürdigkeit bereits deutlich strapaziert. In der dritten Folge häuften sich dann die Zufälle, die die Charaktere überleben ließen. Die Ursache für diese Glaubwürdigkeitsprobleme liegen in zwei Ursachen begründet. Die erste ist die im Verhältnis immer noch geringe Dauer des Films mit dreimal 90 Minuten, die es angesichts des ambitionierten Zeitrahmens - von den Eröffnungsschlachten 1941 bis zur Niederlage 1945 - nicht erlauben, viele Nebenfiguren zu entwickeln. Deren Fehlen aber macht es nicht möglich, Charaktere sterben zu lassen, die dem Zuschauer etwas bedeuten, wodurch das Überleben der Hauptfiguren bis in die letzten Filmminuten wenig glaubhaft erscheint. Man denke im Vergleich an "Im Westen nichts Neues", wo eine ganze Reihe von Figuren am Ende auf zwei herabschmilzt, oder "Band of Brothers", wo wesentlich mehr Erzählzeit auf weniger erzählte Zeit kommt und so mehr Raum für menschliche Dramen abseits der Hauptfiguren lässt, so dass wir ein besseres Gefühl für das Ganze bekommen. Es wirkt deswegen etwas bemüht, wenn in den letzten zehn Filmminuten noch schnell Greta und Friedhelm sterben müssen, obwohl es für ihre Charakterentwicklung durchaus passend ist (dass überhaupt einer der Charaktere überlebt ist schon ein Wunder). Auch scheinen die Filmemacher vor manchem Grauen bisweilen zurückzuschrecken, wenn etwa Charlotte vor der drohenden Vergewaltigung durch eine russische Offizierin gerettet wird, die sie gut behandelt und dies vor Untergebenen damit begründet, ein "neues Deutschland" aufbauen zu wollen.

Greta und Charlotte bei einem Frontauftritt Gretas
Aus dieser Problemstellung resultiert das zweite Problem: da man beim ZDF offensichtlich nicht risikobereit genug war, die insgesamt fünf Handlungsstränge unabhängig voneinander zu entwickeln - was das Publikum stark herausfordert - ließ man die Figuren sich immer wieder begegnen, was relativ schnell ebenfalls zu Verrenkungen in der Glaubwürdigkeit führt. Es sind diese dramaturgischen Probleme in der Serie, die "Unsere Mütter, unsere Väter" das Ziel einer Vergleichbarkeit mit den amerikanischen Vorbildern verfehlen lassen, aber sicherlich nicht die grundsätzliche Struktur innerhalb der Geschichte. "Unsere Mütter, unsere Väter" könnte, seiner moralischen Keule und seiner selbst auferlegten dramaturgischen Beschränkungen entkleidet, noch wesentlich mehr sein als es aktuell ist, und es ist bereits jetzt ein halbes Wunder, wenn man die Produktionen der letzten Dekade auf diesem Feld bedenkt. Ich würde gerne mehr solche Produktionen sehen und weniger "Die Flucht", "Die Luftbrücke" und ähnliche Schmonzetten. Fernsehen kann spannend sein und zum Nachdenken anregen, und "Unsere Mütter, unsere Väter" hat gezeigt, dass auch Deutschland auf diesem Feld mitspielen kann. Wenn noch etwas mehr Risikobereitschaft bei den Produzenten zu finden wäre, die sich dank der Gebührengelder ohnehin nicht um die Quote sorgen müssen, dann wäre viel auf dem Weg zu einer echten historischen Vergangenheitsbewältigung im Fernsehen getan, ohne dass man das Projekt künstlich zur Bühne einer Generationenverständigung erklären müsste.

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2013/03/filmbesprechung-unsere-mutter-unsere_24.html

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