Neuerscheinung: Klaus Seidl, „Gesetzliche Revolution“ im Schatten der Gewalt. Die politische Kultur der Reichsverfassungskampagne in Bayern 1849

Es ist in hier in den letzten Monaten still gewesen − aus Gründen, die bald näher erklärt werden sollen. Es wird auch aus denselben Gründen wohl noch einige Wochen nicht viel geschehen. Allerdings sei versichert: Es geht auch 2015 weiter mit diesem Blog. Einstweilen freue ich mich, hier mitteilen zu können, dass die Dissertation von Klaus Seidl, über dessen Forschungen hier bereits mehrfach berichtet wurde, nunmehr in Buchform vorliegt: SEIDL, Klaus: „Gesetzliche Revolution“ im Schatten der Gewalt. Die politische Kultur der Reichsverfassungskampagne in Bayern 1849, […]

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/811

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Neu in der Wikipedia: 48 Artikel zu „1848/49“ in Deutschland

Der Autor dieses Beitrags, Ziko van Dijk, hat von April bis Oktober 2014 achtundvierzig Wikipedia-Artikel zur Revolution von 1848/1849 geschrieben. Im Folgenden beschreibt er die Herausforderungen für einen Wikipedia-Autor und einige Grundgedanken seines Projekts. Für die Bereitstellung dieses Gastbeitrags sei Herrn van Dijk herzlichst gedankt. Über die Bedeutung der Wikipedia, einer der meistgenutzten Websites der Welt, braucht man an sich kein Wort zu verlieren.  Wer etwas nachschlagen will, fragt in der Regel Google und erhält von der Wikipedia eine Antwort. Bereits 2006 meinte der […]

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/760

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Die Königreiche Bayern und Württemberg und die revolutionären Institutionen in Frankfurt 1848/49

Nach dem Ausscheiden von Sabine Thielitz wurde in der ersten Hälfte dieses Jahres Philipp Hartmann als neuer wissenschaftlicher Mitarbeiter dem Editionsprojekt zugeteilt. Von 2007–2010 studierte Philipp Hartmann an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Bachelorstudiengang Geschichte (Kernfach) und Germanistik, vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft. Im Anschluss folgte ebenfalls an der Universität Bonn das Masterstudium in Geschichte, mit einem Auslandsaufenthalt an der Université de Fribourg (Schweiz), welches er 2013 erfolgreich abschloss. Erste berufliche Erfahrungen sammelte Philipp Hartmann als studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit […]

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/672

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Abstract zum Vortrag: Voix perdues? Ungültige, verstreute und andere „sinnlose“ Stimmen bei Wahlen im Jahr 1848 (Thomas Stockinger)

Im Rahmen der auf diesem Blog bereits angekündigten Tagung „Kultur und Praxis der Wahlen. Eine Geschichte der modernen Demokratie“ / „Culture and Practice of Elections. A History of Modern Democracy“ am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald (veranstaltet von Hubertus Buchstein und Hedwig Richter) wird Thomas Stockinger am 16. Mai 2014 vortragen. Vorab wird hier ein Abstract zu seiner Präsentation verfügbar gemacht.

Das vollständige Tagungsprogramm gibt es als PDF-Datei hier.

Voix perdues? Ungültige, verstreute und andere „sinnlose“ Stimmen bei Wahlen im Jahr 1848 (Frankreich und Österreich)

Zweckrationales Handeln, das die Chancen maximiert, erwünschte Kandidatinnen oder Kandidaten die zu vergebenden Mandate erringen zu sehen, zählt seit langem zu den landläufigen, dabei aber durchaus fragwürdigen Erwartungen an Wählerinnen und Wähler. Abweichungen davon sind in dieser Perspektive in erster Linie als Zeichen demokratischer Inkompetenz zu interpretieren, allenfalls noch als Geste des Protests. Die meisten aktuellen Wahlrechte geben vor, dass alles, was auf einem Stimmzettel vermerkt ist, aber nicht als eindeutige Willensäußerung zugunsten einer der registrierten Kandidaturen gedeutet werden kann, ungültig ist, sofern es nicht den Stimmzettel selbst ungültig macht. Der „Wählerwille“ hat sich entweder nach den vorgezeichneten Alternativen zu richten, oder er kann nicht zur Kenntnis genommen werden.

Die frühesten Anwendungen des Massenwahlrechts waren Situationen, in denen diese Kanalisierung weniger effizient funktionierte als später, und in denen deshalb etliche Aspekte der damit verbundenen Problematik besonders deutlich hervortraten. Die Veranstalter und die Ausführenden dieser Wahlen sahen sich mit beträchtlichen Zahlen von Voten (zumeist materialisiert als Stimmzettel) konfrontiert, die sich aus verschiedenen Gründen nicht leicht in ein eindeutiges, numerisch exaktes Wahlresultat einrechnen ließen. Stimmen verteilten sich auf sehr viele verschiedene Personen, darunter solche, die nicht als Kandidaten aufgetreten waren oder nach Meinung der Wahlveranstalter gar nicht als solche in Frage kamen. Kandidaten wurden nicht deutlich genug für eine sichere Identifizierung bezeichnet, oder es wurden Angaben über sie vermerkt, die für eine solche nicht nötig gewesen wären. Die nach späteren Maßstäben oft noch recht unpräzisen rechtlichen Normen boten für den Umgang damit nur eine unzureichende Handhabe, weshalb auch die Entscheidungen der Wahlkommissionen vielfach sehr uneinheitlich ausfielen.

Der Vortrag nähert sich diesen Erscheinungen ausgehend von Stimmzetteln und Wahlprotokollen als Primärquellen und in Anknüpfung insbesondere an die Arbeiten von Yves Déloye und Olivier Ihl. Anhand konkreter Beispiele aus den Parlamentswahlen des Revolutionsjahres 1848 in Frankreich und in der Habsburgermonarchie (speziell Niederösterreich) soll gezeigt werden, dass zur Deutung dieser Phänomene die Kategorien „Ignoranz“ und „Protest“, obwohl beide relevant sind, nicht ausreichen. Sowohl in von Wahlnormen und Erwartungen abweichendem Verhalten der Wähler als auch in den voneinander divergierenden Reaktionen darauf spiegelte sich nicht bloß blindes Herantasten an eine ungewohnte politische Praxis, sondern vielmehr konkurrierende Vorstellungen davon, was Wählen und Repräsentation überhaupt zu bedeuten hatten, wie sie funktionierten und wie sich das Verhältnis zwischen Wählenden und Gewählten zu konstituieren hatte, welche Eigenschaften einen geeigneten Kandidaten machten, sowie auf welche geographischen Räume und sozialen Gruppen sich Repräsentation, Kandidatur und Wahl bezogen. Das scheinbar „Sinnlose“ erweist sich dabei als Teil älterer oder alternativer Logiken des Wählens, die sich nicht durchsetzten, sondern im Laufe der weiteren Entwicklung hin zu einem für die europäisch-atlantischen Gesellschaften zunehmend einheitlichen Grundmodell des Wahlvorgangs bis zur Unsichtbarkeit marginalisiert wurden.

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/575

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Abstract zum Vortrag: Haben die Preußen die Revolution niedergeschlagen? (Klaus Seidl)

Zur Erinnerung: Am 13. Mai 2014 ab 18.15 findet im Rahmen des Kolloquiums am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Universität Eichstätt (Prof. Dr. Stefan Grüner) der hier bereits früher angekündigte Vortrag von Klaus Seidl statt. Das Plakat zu dieser Veranstaltung gibt es hier als PDF-Dokument.

Klaus Seidl hat uns das nachstehende Abstract zu seinem Vortrag zur Verfügung gestellt:

Haben die Preußen die Revolution niedergeschlagen? Eine Neuinterpretation der Reichsverfassungskampagne von 1849

Seit den 1970er Jahren hat sich die Revolutionsforschung zunehmend von langlebigen Mythen und Erklärungsmustern verabschiedet, die bis dahin scheinbar untrennbar mit dem Bild von 1848/49 verbunden waren. So ist kaum etwas von der einst prägenden Vorstellung übriggeblieben, 1848 habe eine gescheiterte „bürgerliche“ Revolution einen verhängnisvollen Scheidepunkt zum deutschen Sonderweg markiert. Anstelle derart eindimensionaler Erklärungen öffnete sich vielmehr der Blick auf die charakteristische „Komplexität von 1848“.

Vor diesem Hintergrund überrascht es, dass in den meisten Überblickswerken die Reichsverfassungskampagne im Frühjahr 1849 vor allem an der militärischen Überlegenheit Preußens scheiterte. Tatsächlich reproduziert diese Interpretation jedoch unbewusst die preußische Selbststilisierung als „Drachentöter“ der Revolution und erschwert somit eine differenzierte Analyse des Revolutionsfinales. Demgegenüber liegt der Fokus des Vortrags nicht auf der militärischen Auseinandersetzung an sich, sondern auf den Bedingungen und Begründungen, die den „Kampf gegen die Revolution“ erst ermöglichten. Dadurch rückt zum einen die bislang weitgehend übersehene gesellschaftliche Basis der Gegenrevolution in den Blick. Zum anderen gewinnt aus dieser Perspektive auch die häufig unterschätzte Politik des Reichsverwesers und der Provisorischen Zentralgewalt an Kontur. Insgesamt soll dabei problematisiert werden, inwiefern oft implizite Vorannahmen unser Revolutionsverständnis noch immer bestimmen.

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/568

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Die Revolution von 1848/49 in der Pfalz: Dissertationsprojekt Markus Meyer

Das Dissertationsvorhaben von Markus Meyer ist thematisch eng mit dem DFG-Projekt der Edition der Akten der Provisorischen Zentralgewalt verbunden und wird von der Stiftung zur Förderung pfälzischer Geschichtsforschung gefördert. Ziel der Arbeit ist, die Voraussetzungen und Motive der Erhebung in der Pfalz sowie die politischen Konzepte deren Teilnehmer darzulegen.

Die pfälzische Erhebung im Mai und Juni 1849 ist zwar ohne Zweifel Teil der Reichsverfassungskampagne, doch hatte sie eine ganz spezifische Vorgeschichte. Die Pfalz war nach über zwanzigjähriger Zugehörigkeit zu Frankreich auch nach ihrem Übergang an das Königreich Bayern 1815 ein Bezirk mit Sonderstatus geblieben. Die aus der französischen Zeit stammenden „rheinischen Institutionen“, die nicht nur eine moderne Bürokratie, sondern auch die Verbürgung von Rechtseinheit, Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit beschrieben und von Montgelas’ Zentralismus weitgehend unangetastet blieben, galten den Pfälzern als ihre eigentliche Verfassung und machten den Landesteil zu einem der politisch fortschrittlichsten in ganz Deutschland. Als solcher wurde er im gesamten Vormärz zum Agitationsgebiet liberaler Vordenker einerseits und Sorgenkind des bayerischen Monarchen andererseits. Die Ereignisse um das Hambacher Fest 1832 weckten in den Fürstenhäusern ganz Deutschlands Zweifel, ob die Wittelsbacher noch Herr der Lage wären.

Ausgerechnet im fortschrittlichsten Teil Bayerns blieb es von außen betrachtet im Jahr 1848 auffällig ruhig; nach Meinung vieler zeitgenössischer Beobachter deshalb, weil den Pfälzern die meisten der andernorts eingeforderten Rechte bereits gegeben waren. Im Inneren dagegen erwachte durchaus ein reges, wenn auch von den Eliten dominiertes politisches Leben.

In der Darstellung der Vorgänge des Jahres 1848 nehmen die kulturpolitischen Forderungen der pfälzischen Liberalen großen Raum ein. Das ergibt sich einerseits in der bewussten Abkehr von älteren Narrationen, die allein machtpolitischen Instrumenten politische Gestaltungsmöglichkeiten einräumen und korporatives oder publizistisches Handeln geringschätzen und daher die komplette Vereins- und Reformbewegung des Jahres 1848 spärlich beschreiben; andererseits unterscheidet sich die Pfalz gerade darin von der gesamtdeutschen Bewegung.

Über den Hebel des laizistischen Kampfes gegen das ‚papistische System’ glaubte die rationalistische Partei der Pfalz einem egalitäreren Rechtssystem den Boden bereiten zu können. Eine ‚vernünftige’ Staatsverfassung sei nicht zu erzielen, solange kirchlicher Einfluss obwalte: Der Primat des Staates lasse den Atavismus separater kirchlicher Justiz- und Verwaltungsapparate nicht zu. Aus dieser Haltung speiste sich auch die ins Panische hin überzogene Jesuitenfurcht. Der als fortschrittlich erachtete theologische Rationalismus wurde umso deutlicher propagiert, als damit eine bewusste Abgrenzung vom katholischen Altbayern möglich war. In der Rückschau ist der Kampf um die Selbstverwaltung der vereinigten Kirche der Pfalz demnach als Vorspiel für die revolutionäre Erklärung der politischen Autonomie vom Mai 1849 zu sehen. Formuliert wurde Letztere allerdings erst auf dem Höhepunkt der Reichsverfassungskampagne, als Zurückhaltung nicht mehr opportun war.

Im Augenblick erfolgt die ereignisgeschichtliche und vergleichende Beschreibung der Revolutionsmonate Mai und Juni des Jahres 1849. Grundlage dieses Abschnittes sind die Berichte führender Teilnehmer des Aufstandes, aus deren Darstellungen sich die motivationalen Ursachen für das Ausbrechen der Bewegung ergeben.

Die Nationalversammlung galt gerade Liberalen, die in dem Sinne von den entschiedenen Demokraten als gemäßigt abzugrenzen sind, dass sie auf eine Ausweitung der politischen Teilhaberechte des Volkes auf verfassungsmäßigem Weg und damit durch parlamentarische Arbeit vertrauten, als Motor des konstitutionellen Fortschritts. Verschiedene Enttäuschungen und Rückschläge auf innen- und außenpolitischem Gebiet, die Schwerfälligkeit des parlamentarischen Entscheidungsprozesses und die Stabilisierung der monarchischen Gewalten schürten freilich Zweifel an der Durchsetzungsfähigkeit der Legislative wie auch der Frankfurter Exekutive, der Provisorischen Zentralgewalt1. In den zeitgenössischen Darstellungen wird allerdings die Hoffnung deutlich, dass ein Paukenschlag das ganze Projekt der Neuausrichtung Deutschlands hätte retten können: die von der Nationalversammlung erarbeitete Verfassung, die alle Verheißungen manifestieren sollte. Deren Ablehnung durch die Fürsten gab schließlich den Ausschlag zu den Erhebungen in Sachsen sowie kurze Zeit später in Baden und der Pfalz, welche das Werk mit Waffengewalt zur Durchsetzung bringen wollten; folgerichtig werden die Aufstände zusammenfassend als Reichsverfassungskampagne bezeichnet.

Neben den Köpfen der Bewegung wird allerdings speziell den einfachen Teilnehmern an der Reichsverfassungskampagne Beachtung geschenkt. Ihre Beweggründe sollen sich aus den umfangreichen Untersuchungsakten erschließen, die der Formulierung der Anklageschrift im Gerichtsprozess gegen 333 Teilnehmer des Aufstandes im Jahr 1851 dienten. Da die ältere Forschung vielfach individuellen Merkmalen und lokalen Verhältnissen derart viel Gewicht beigemessen hat, dass man versucht sei, „in den Beweggründen für das Zustandekommen jener Geschehnisse mehr ein psychologisches als ein politisches Problem zu sehen“2 (Kurt Baumann), muss abstrahiert, sprich entpersonalisiert werden.

Damit ist allerdings keine Abkehr von der Zielsetzung einer Analyse der Mikroebene, also individueller Motivationen, verbunden; lediglich die Psychologisierung derselben muss unterbleiben. Die aus den Vernehmungs- und Verhörprotokollen hervorgehenden Positionierungen derjenigen Beteiligten, die nicht aus eigenem Antrieb Darstellungen verfasst haben, bleiben von großer Bedeutung. Die Analyse der Gerichtsakten soll das maßgebliche Erkenntnisinteresse der Arbeit befriedigen: Unter Rückgriff auf die theoretische Diskursanalyse sollen die Ziele und Motivationen der Akteure unterschiedlicher sozialer Herkunft extrahiert und mit den Bestrebungen des elitären vormärzlichen Liberalismus abgeglichen werden.

  1. Vgl. etwa ZINN, Christian: Die Erhebung in der Rheinpfalz und die pfälzische Volkswehr in Baden, Strassburg 1850, 6.
  2. BAUMANN, Kurt: Zur Charakteristik der pfälzischen Revolution von 1849, in: Bei uns daheim. Aus Vergangenheit und Gegenwart der Pfalz. Heimatbeilage zur „Pfälzischen Post“, 18. 9. 1929, 93.

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/544

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Vortrag: 1830 et 1848, révolutions européennes et mouvements transnationaux (Sylvie Aprile)

Sylvie Aprile, Professorin für Histoire contemporaine an der Université Lille 3 und aktuelle Präsidentin der „Société d’histoire de la Révolution de 1848 et des révolutions du XIXe siècle“, hat am vergangenen 11. Februar 2014 an der Universität Freiburg im Breisgau einen Vortrag zu einem der gleichzeitig interessantesten und schwierigsten Aspekte der Revolutionen von 1830 und 1848 gehalten, nämlich zu ihrer transnationalen Dimension. Obwohl bereits den Zeitgenossen klar vor Augen stand, dass es in beiden Fällen einen gesamteuropäischen, in Ansätzen sogar globalen Zusammenhang der Ereignisse gab, ist sich die Historiographie – oder vielmehr: sind sich die Historiographien verschiedener europäischer Länder und politisch-ideologischer Lager – bislang nicht einig geworden über die beste Art, diesen Zusammenhang zu konzeptualisieren und zu beschreiben1. Dies lässt sich selbst an so grundlegenden Dingen ablesen wie der Frage, ob von einer europäischen Revolution von 1848 gesprochen werden kann oder nur von multiplen gleichzeitigen Revolutionen, die miteinander auf näher zu definierende Weise verbunden waren. Möglicherweise können auch beides sinnvolle Zugänge sein, wie sich etwa an einem jüngst von Sylvie Aprile mitherausgegebenen Sammelband zu 1830 ablesen lässt, der zwar im Titel von „les révolutions de 1830 en Europe“ spricht, dessen Einleitung aber mit „Une révolution transnationale“ überschrieben ist2.

Wichtig wäre aber jedenfalls, so Aprile in ihrem Freiburger Vortrag, die Überwindung dessen, was sie histoires cloisonnées nennt: in sich abgeschlossener nationaler Geschichtserzählungen, deren Interpretamente in den meisten Fällen von der teleologisch vorgegebenen Notwendigkeit geprägt waren und sind, die revolutionären Ereignisse in ein Narrativ der letztlich geglückten Nationalstaatsbildung einzuordnen. Sie plädierte weiterhin für eine Öffnung der Revolutionsforschung nach mehreren Richtungen, nämlich definitorisch, räumlich und zeitlich: von einer einseitigen Konzentration auf die spektakulärsten insurrektionellen Ereignisse hin zur Erforschung der vielen kleineren Protesthandlungen und Verschiebungen politischer Praxis und Symbolik; von der Festlegung auf wenige Zentren der Revolution, denen vorgeblich apathische „Peripherien“ gegenübergestanden wären, hin zum vielfach lohnenden näheren Blick auf die Letzteren; und von der Betrachtung einzelner Jahre wie 1830 oder 1848 als inselhafte Zäsuren hin zur Analyse der Sequenzen niederschwelligen Protests, die vorangingen und nachfolgten. Nicht zuletzt aber wären die in den letzten Jahrzehnten sprunghaft weiterentwickelten Ansätze und Perspektiven der transnationalen Geschichtsforschung, insbesondere der „verflochtenen Geschichte“, verstärkt in der Revolutionsforschung anzuwenden: histoire croisée als Antidot zur histoire cloisonnée.

Wir entnehmen diese Informationen dem ausführlichen Vortragsbericht von Axel Dröber (in französischer Sprache), der auf dem Blog des Deutschen Historischen Instituts Paris „Das 19. Jahrhundert in Perspektive“ veröffentlicht worden ist. Allen Interessierten sei natürlich die Lektüre des vollständigen Berichts wärmstens empfohlen!

  1. Auseinandersetzungen mit diesem Problem bieten etwa KAELBLE, Hartmut: 1848: Viele nationale Revolutionen oder eine europäische Revolution?, in: HARDTWIG, Wolfgang (Hrsg.): Revolution in Deutschland und Europa 1848/49, Göttingen 1998, 260–278; MIDDELL, Matthias: Europäische Revolution oder Revolutionen in Europa, in: FRÖHLICH, Helgard – GRANDNER, Margarete – WEINZIERL, Michael (Hrsg.): 1848 im europäischen Kontext (Querschnitte 1), Wien 1999, 9–34.
  2. FUREIX, Emmanuel: Une révolution transnationale, in: APRILE, Sylvie – CARON, Jean-Claude – FUREIX, Emmanuel (Hrsg.): La Liberté guidant les peuples. Les révolutions de 1830 en Europe (Époques), Seyssel 2013, 7–32.

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/527

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Ein gesamtdeutscher Diplomat in Paris? Der gescheiterte Versuch 1848

Im August 1848 reiste Friedrich von Raumer mit dem Auftrag von Frankfurt nach Paris, dort als diplomatischer Vertreter der neuen Provisorischen Zentralgewalt von der französischen Regierung anerkannt zu werden. Sein Aufenthalt in Paris war allerdings kurz und erfolglos, denn bereits in den letzten Tagen des Jahres 1848 trat er die Rückreise an. Warum lohnt es sich trotzdem, die wenigen Monate zu betrachten, in denen Raumer vergeblich versuchte, von französischer Seite diplomatische Anerkennung zu finden?

Friedrich von Raumer

Friedrich von Raumer (Künstler unbekannt; Quelle: Illustrierte Zeitung 1910/3, S. 626 – Wikimedia Commons)

Der Aufenthalt von Raumer in Paris stellte den Versuch dar, einen gesamtdeutschen diplomatischen Vertreter in Paris zu etablieren. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Paris mehrere deutsche Staaten, darunter beispielsweise Preußen, Bayern, Baden und Hessen-Darmstadt, die jeweils eigene diplomatische Vertretungen in der französischen Hauptstadt unterhielten. Die im Jahr 1848 infolge der revolutionären Umwälzungen entstandene Provisorische Zentralgewalt mit Sitz in Frankfurt am Main strebte alsbald an, eigene Diplomaten ins Ausland – darunter auch Raumer nach Paris – zu entsenden. Friedrich von Raumer war jedoch kein erfahrener Diplomat, sondern hatte sich bisher vielmehr als Historiker, Professor an der Berliner Universität sowie liberaler Abgeordneter der Nationalversammlung hervorgetan. Nicht nur auf Grund seiner diplomatischen Unerfahrenheit hatte er Schwierigkeiten, sich mit seinem Auftrag in Paris durchzusetzen: Die französische Regierung wollte den Vertreter einer vorläufigen Regierung nicht anerkennen. Demgegenüber reagierten die etablierten deutschen Diplomaten in Paris sowie die Regierungen, die sie vertraten, höchst unterschiedlich auf den Vorstoß der Provisorischen Zentralgewalt: Das Spektrum reichte von der sofortigen Bereitschaft, Paris zu verlassen bis dahin, die Bestrebungen möglichst zu ignorieren.

Im Rahmen meines Dissertationsprojekts möchte ich in einem Unterkapitel den gescheiterten Versuch, einen diplomatischen Vertreter für gesamtdeutsche Interessen in Paris im Jahr 1848 zu etablieren, untersuchen1 Denn es handelte sich um eine Situation, in der die Existenz mehrerer deutscher diplomatischer Vertretungen in Paris grundsätzlich in Frage stand. Die etablierten deutschen Diplomaten vor Ort mussten sich gezwungenermaßen mit ihrer eigenen Legitimität auseinandersetzen. Die Notwendigkeit ihrer Anwesenheit in Paris war kurzzeitig hinterfragbar geworden – angesichts der Möglichkeit, einen gesamtdeutschen Diplomaten in Paris zu etablieren.

  1. Die Quellengrundlage bilden neben den Akten aus den Staatsarchiven der fünf ausgewählten diplomatischen Vertretungen von Preußen, Österreich, Bayern, Baden und Hessen-Darmstadt die Akten der Provisorischen Zentralgewalt, die im Bundesarchiv (v.a. Bestand DB 53) verwahrt werden, Auszüge aus Parlamentsdebatten sowie die edierten Briefe von Friedrich von Raumer: RAUMER, Friedrich von: Briefe aus Frankfurt und Paris 1848–1849, 2 Bde., Leipzig 1849. In der Forschung ist der Provisorischen Zentralgewalt und ihrer Außenpolitik sowie dem Aufenthalt von Raumer in Paris bisher wenig Aufmerksamkeit zuteil geworden. Hilfreiche Ausführungen finden sich bei BOTZENHART, Manfred: 1848/49: Europa im Umbruch (Uni-Taschen­bücher 2061), Paderborn – München – Wien u. a. 1998; HEIKAUS, Ralf: Die ersten Monate der provisorischen Zentralgewalt für Deutschland (Juli bis Dezember 1848) (Europäische Hochschulschriften – Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 739), Frankfurt am Main – Berlin – Bern u. a. 1997.

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/476

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Nachlese: Journée d’étude „La marche vers l’unité allemande 1815–1871“

Am Freitag, 13. Dezember 2013, fand am Deutschen Historischen Institut in Paris der Studientag „La marche vers l’unité allemande 1815–1871“ statt – siehe die ausführliche Ankündigung auf dem Blog des DHI. Die von Hélène Miard-Delacroix (Université Paris-Sorbonne) und Mareike König (DHI Paris) organisierte Veranstaltung richtete sich in erster Linie an KandidatInnen für die „agrégation“ (höhere Lehramtsprüfung) aus Deutsch; der Titel entsprach der historischen Rahmenfrage, die seitens des französischen Bildungsministeriums (Ministère de l’Éducation nationale) für dieses Jahr vorgegeben ist.

Veranstalterinnen und Vortragende waren freilich gleichermaßen bemüht, das aus einer solchen Formulierung sprechende Geschichtsbild kritisch zu beleuchten. Bereits in ihren einführenden Worten machte Hélène Miard-Delacroix darauf aufmerksam, dass die deutsche Reichsgründung von 1871 in der heutigen Geschichtswissenschaft kaum mehr als zwangsläufiger Endpunkt einer notwendigen und geradlinigen Entwicklung („marche vers …“), sondern als Resultat einer Vielzahl kontingenter Einzelentscheidungen und der mehrfachen „exclusion d’alternatives“ gesehen wird. Mareike König wies darüber hinaus darauf hin, dass die Vorstellung einer linearen Bewegung in dieser einen Richtung auf einem Narrativ beruht, das über Generationen hinweg in der öffentlichen Erinnerungskultur wie in der akademischen Geschichtsschreibung immer wieder in unterschiedlichen Varianten und mit sich wandelnden Zielsetzungen konstruiert wurde.

In der einen oder anderen Weise schlugen auch die Vortragenden in diese Kerbe. In sechs kurzen Beiträgen, die thematisch wie in ihrem Zugriff bewusst unterschiedlich angelegt waren, wurde eine Reihe von Perspektiven auf die Komplexität der Vorgänge im 19. Jahrhundert eröffnet. Armin Owzar (Université Paris III) legte seine Darstellung zur deutschen Verfassungsgeschichte jener Zeit überwiegend systematisch an und ging auf die Definition, die Merkmale und die Funktionen moderner Verfassungen ein. Er machte verständlich, dass kodifizierte Verfassungen zugleich herrschaftssichernd und herrschaftsbeschränkend wirken, und wies zudem auf ihre politische und gesellschaftliche Integrationsfunktion hin; dadurch suchte er begreiflich zu machen, dass Konstitutionalisierung in manchen Fällen durchaus auch von den Regierungen der deutschen Staaten als in ihrem eigenen Interesse liegend begriffen und betrieben wurde. Katrin Rack (Universität Bielefeld, derzeit Fellow am DHI Paris) ging auf die institutionelle Struktur des Deutschen Bundes, seine Stellung im europäischen Gleichgewicht und damit auf die internationalen Aspekte der „deutschen Frage“ ein. Ob der Bund fortbestand, ob und wie er sich weiterentwickelte, ob und in welcher Form an seiner Stelle ein deutscher Bundesstaat entstand, ging keineswegs nur die BewohnerInnen und die Regierungen der deutschen Staaten an, sondern berührte auch die Interessen der anderen europäischen Staaten und wurde in deren Öffentlichkeiten wahrgenommen und diskutiert.

Jakob Vogel (Sciences Po, Paris) widmete sich der Deutung der Kriege von 1864, 1866 und 1870/71 in der offiziellen und öffentlichen Gedenkkultur des Wilhelminischen Kaiserreiches. Dabei kam nicht nur die interessengeleitete Selektivität der meisten vermittelten Geschichtsbilder zur Sprache, sondern auch ein beachtliches Ausmaß an Deutungskonflikten sowohl innerhalb der Eliten des Kaiserreichs als auch zwischen diesen und oppositionellen Formationen – etwa in den durchaus ambivalenten Beziehungen staatlicher Stellen zu den Veteranenverbänden. Dieser Vortrag griff über die zeitliche Festlegung  „1815–1871“ in einer Weise hinaus, die von den Veranstalterinnen ausdrücklich begrüßt wurde; gerade den von Mareike König hervorgehobenen Aspekt der Gemachtheit der verbreiteten Vorstellungen von der Geschichte der Einheitsbewegung unterstrichen und veranschaulichten die Ausführungen Vogels. Thorsten Logge (Universität Hamburg) behandelte die Rolle politischer Vereinsbewegungen anhand der Turner und Sänger. Er analysierte mediale Aspekte ihres Wirkens, insbesondere die zeitnahe Verbreitung eigener Deutungen ihres Tuns in Zeitungen und Druckschriften, die zu den Grundlagen der Entstehung der bereits mehrfach erwähnten Geschichtserzählung gehörte. Ebenso zeigte er, dass sowohl Turnen als auch Singen keine bloß zufällig gewählten Aktivitäten waren, sondern bürgerlich-männliche Tugenden dabei eingeübt, vermittelt und öffentlich zur Schau gestellt wurden.

Frankfurter Nationalversammlung

Sitzung der Frankfurter Nationalversammlung (kolorierte Lithographie nach einer Zeichnung von Leo von Elliott, 1848)

Thomas Stockinger (Universität Eichstätt) bemühte sich, eine kurze, aber komplexe Phase der längeren Entwicklung übersichtlich darzustellen, nämlich die Versuche zur Bildung eines deutschen Staates im Gefolge der Revolution von 1848/49. Dazu gehörte einerseits das Verfassungswerk der Frankfurter Nationalversammlung, andererseits aber auch die parallelen, oft konkurrierenden Bemühungen der Regierungen um eine zwischenstaatliche Vereinbarungslösung, insbesondere die preußische „Unionspolitik“ von 1849/50. Der Vortrag fügte sich insoweit in den Tenor der Veranstaltung ein, als die Vielfältigkeit und teilweise Überlagerung der Interessensgegensätze ebenso betont wurden wie das hohe Maß an Kontingenz, das diesen Ereignisfolgen innewohnte. Im abschließenden Vortrag von Jean-François Eck (Université Lille III) ging es dann um den oft vernachlässigten ökonomischen Aspekt der Entwicklung: die vor allem in den 1850er und 1860er Jahren in Fahrt kommende Industrialisierung Deutschlands und die Rolle, die Vereinbarungen zur Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums dafür spielten. Hierzu zählte der Deutsche Zollverein ebenso wie die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt. Auch überwiegend privatwirtschaftliche Initiativen wie der Ausbau des Eisenbahnnetzes waren von großer Bedeutung.

Am Schluss der gut besuchten Veranstaltung kam es, wie bereits nach den einzelnen Vorträgen, zu angeregten Diskussionen, bei denen von den Zuhörenden zahlreiche wohldurchdachte Fragen gestellt wurden. Es bleibt zu hoffen, dass die Veranstaltung, für deren reibungslosen Ablauf vor allem dem Personal des DHI zu danken ist, nicht nur auf den Prüfungserfolg der „agrégatifs“ förderlich wirkt, sondern das eine oder andere von ihren Inhalten künftig auch den Weg in den Unterricht an den Schulen findet.

Die Folien der den Vortrag von Thomas Stockinger unterlegenden Präsentation finden Sie in Form eines PDF-Dokuments hier.

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/448

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Die Regierungspolitik des Königreiches Bayern gegenüber der Provisorischen Zentralgewalt von 1848/49: Forschungsprojekt Sabine Thielitz

 

Sabine Thielitz studierte seit dem Wintersemester 2005/06 an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt Deutsch, Geschichte und Sozialkunde für das Gymnasiallehramt. Im Winter 2011/12 legte sie in diesen Fächern das 1. Staatsexamen ab. Seit 2010 war sie am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte als studentische Hilfskraft und Tutorin tätig. Nach dem Abschluss ihres Studiums arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei dem DFG-Projekt „Edition der Akten der Provisorischen Zentralgewalt von 1848/49“. In diesem Rahmen beschäftigt sie sich mit der Regierungspolitik Bayerns gegenüber der Provisorischen Zentralgewalt. Darüber hinaus ist sie seit 2012 als Lehrbeauftragte für Neuere und Neueste Geschichte an der KU tätig.

Als die Provisorische Zentralgewalt im Juni 1848 per Gesetz durch das Frankfurter Parlament dazu berufen wurde, in dem staatsrechtlichen Interim der Revolutionszeit die Regierungsgeschäfte zu übernehmen und für den Vollzug der von der Nationalversammlung erlassenen Gesetze zu sorgen, stellte der für die Regierungstätigkeit notwendige Umgang mit den fürstlichen Partikulargewalten eine grundlegende Voraussetzung dar. Dieser Aspekt soll im Rahmen des Forschungsprojektes im Hinblick auf das Königreich Bayern genauer untersucht werden.

König Maximilian II. von BayernKönig Maximilian II. von Bayern. Photographie von Franz Hanfstaengl, ca. 1860

Ein Blick auf die vielfältige Forschungsliteratur zur Revolution 1848/49 verdeutlicht die Forschungsrelevanz des Themas. Bei der regional- und lokalgeschichtlichen Aufarbeitung der Revolutionsjahre zeigt sich ein starkes Süd-Nord- und West-Ost-Gefälle. Der Revolution in Baden und Württemberg wurde vergleichsweise verstärkte Aufmerksamkeit zuteil, während die Untersuchungen über andere Staaten und Regionen des Deutschen Bundes überschaubar sind1. Hinsichtlich der bayerischen Regierungspolitik liefern für diese Zeit wenige ältere Forschungen einen ersten Einblick2. Das Verhältnis der Münchner Regierung zu der Provisorischen Zentralgewalt wurde dabei nur peripher behandelt. Demnach liegt für diesen Themenkomplex bisher keine modernen wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Untersuchung vor. Das Forschungsprojekt versucht diese Forschungslücke zu schließen.

Mit der Politik des Königreiches Bayern wird das Vorgehen eines Bundesstaates untersucht, welcher sich besonders durch seine ablehnende Haltung in der Reichsverfassungsfrage auszeichnete und sich damit letztlich den revolutionären gesamtdeutschen Gewalten dezidiert und offen entgegenstellte. Es wird versucht, auf reziproker Basis, die Entwicklung der politischen Strategie der bayerischen Regierung gegenüber den revolutionären Institutionen von dem Ausbruch der Februarrevolution des Jahres 1848 in Frankreich bis zu dem Scheitern der Nationalversammlung und der Provisorischen Zentralgewalt im Jahre 1849 zu erhellen: In welchen Bereichen und unter welchen Umständen kooperierte Bayern mit den Frankfurter Institutionen und welchen Aspekten der Politik der Reichsregierung begegnete die bayerische Regierung mit Kritik und Ablehnung? Welche Motive und Ziele verfolgte die bayerische Staatsführung dabei mit ihrer jeweiligen Haltung und mit welchen Mitteln versuchte sie diese Ziele gegenüber der Provisorischen Zentralgewalt und der Paulskirchenversammlung durchzusetzen? Schließlich bleibt die Frage nach dem Erfolg der bayerischen Bemühungen und deren Folgen für das Scheitern der Revolution.

Neben der Erforschung des Verhältnisses der königlich-bayerischen Regierung zu den revolutionären Institutionen sollen auch die diplomatischen Beziehungen zu den anderen Bundesstaaten, vor allem zu den Königreichen Hannover, Sachsen und Württemberg sowie zu den Vormächten Österreich und Preußen, berücksichtigt werden. Dabei stehen besonders die Versuche Bayerns, in dieser revolutionären politischen Situation etwaige Bündnisse und Koalitionen im Sinne der eigenen Politik zu schließen, im Zentrum des Forschungsprozesses.

Das Forschungsvorhaben eröffnet neue Erkenntnisse im Hinblick auf die politischen Wechselbeziehungen der revolutionären gesamtdeutschen Institutionen in Frankfurt mit dem bayerischen Königreich. Den Einzelregierungen kam bei der etwaigen Umsetzung der auf der Gesamtreichsebene durch die Nationalversammlung beschlossenen und durch die Provisorische Zentralgewalt angeordneten Maßnahmen generell eine zentrale Funktion zu. Zudem war die Zentralgewalt in Frankfurt auf die Berichte aus den Einzelstaaten angewiesen, um die politische, wirtschaftliche und soziale Lage vor Ort beurteilen zu können. Daher stellten die bundesstaatlichen Exekutiven eine Schaltstelle zwischen National- und Regionalpolitik dar. Die Untersuchung der politischen Strategie der bayerischen Regierung gegenüber den Frankfurter gesamtdeutschen Institutionen und der Wahl der politischen Mittel zur Durchsetzung der einzelstaatlichen Interessen kann demnach wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der Effektivität der Tätigkeit der Gesamtreichsregierung liefern. Auf diese Weise dient eine solche Untersuchung auch der differenzierteren Herausstellung möglicher Gründe für das Scheitern der Revolution von 1848/49. Zudem ist mit weiteren Einsichten in die Bündnispolitik des Königreiches Bayern sowohl zu den deutschen Vormächten Preußen und Österreich als auch zu den übrigen Mittelstaaten zu rechnen.

Im ersten Jahr des Forschungsvorhabens stand zunächst die Erfassung der für die bayerische Regierungspolitik relevanten Quellensammlungen und der Darstellungsliteratur im Vordergrund. Zudem erfolgte die Recherche der privaten und offiziellen Aufzeichnungen der maßgeblichen politischen Akteure. Dabei standen besonders die bayerischen Bevollmächtigten bei der Provisorischen Zentralgewalt sowie die bayerischen Außenminister und Monarchen dieser Zeit im Fokus des Interesses. Derzeit nimmt die Recherche und Aufarbeitung der in München lagernden Gesandtenberichte und Ministerialakten der königlich-bayerischen Regierung breiten Raum ein.

 

  1. An diesem von Rüdiger Hachtmann Ende der 1990er Jahre festgestellten Befund hat sich bis heute kaum etwas geändert: HACHTMANN, Rüdiger: 150 Jahre Revolution von 1848: Festschriften und Forschungserträge, in: Archiv für Sozialgeschichte 39 (1999) 447–493; 40 (2000) 337–401, hier Bd. 39, 465.
  2. DOEBERL, Michael: Bayern und Deutschland, Bd. 1: Bayern und die Deutsche Frage in der Epoche des Frankfurter Parlaments, München – Berlin 1922; DEUERLEIN, Ernst: Bayern in der Paulskirche. Reden und Tätigkeiten der bayerischen Abgeordneten in der ersten Deutschen Nationalversammlung 1848/49, Altötting 1948.

 

 

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/340

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