#achpub Art.: Dr. Andreas C. Hofmann. Mit der AWO für die Menschen

Urheber: Andreas C. Hofmann
Titel: Dr. Andreas C. Hofmann. Mit der AWO für die Menschen
Geistige Schöpfung: Magazinbeitrag
Fundstelle: NASOWAS. Infos aus dem AWO Kreisverband München-Land e.V. Nr. 4/2020, S. 4
Anmerkungen: Kanidatenvorstellung
Ort, Zeit: München: AWO München-Land, 2020-12
Abstract: Die AWO unterstützt Menschen in verschiedenen Stationen und Situationen des Lebens.

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Quelle: https://eindruecke.achmnt.eu/2020/11/14686/

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#linkhint Wahl-O-Mat für die Wahlen zur Nationalversammlung 1919

http://weimar.bundesarchiv.de/static/wahlkompass/index.html Am 19. Januar 1919 findet im ganzen Deutschen Reich die Wahl zur Nationalversammlung statt. Zum ersten Mal dürfen auch die Frauen wählen! Aufgabe der Nationalversammlung wird es sein, der neuen Republik eine Verfassung zu geben. Die Parteien SPD, USPD, Zentrumspartei, DDP, DVP und DNVP stellen sich neben einzelnen Regionalparteien und sonstigen kleineren Parteien zur […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2018/08/9495/

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Die Präsidentenwahl in Finnland 2018 – über die Parlamentarisierung der finnischen Demokratie

Finnland war bis zur Verfassungsreform von 2000 eindeutig eine semipräsidentielle Demokratie. Lange Zeit beeindruckte die Machtfülle finnischer Präsidenten – wie zum Beispiel unter der Präsidentschaften von Urho Kekkonen (1956–1982) oder Mauno Koivisto (1982–1994). Vor allem die Außenpolitik wurde von den finnischen Präsidenten geprägt, insbesondere das Verhältnis Finnlands zur UdSSR oder zu Russland waren Hauptaufgabenfelder.

Bei der Präsidentenwahl vom 28. Januar 2018 wurde erstmals, seit die Direktwahl des finnischen Präsidenten 1994 eingeführt wurde, ein Kandidat im ersten Wahlgang gewählt: Sauli Niinistö, der amtierende Präsident, ehemalige Parlamentspräsident und ehemalige Justiz- und Finanzminister der konservativen Sammlungspartei, erzielte gleich im ersten Wahlgang 62,7 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 69,9 Prozent. Obwohl dem finnischen Präsidenten in der reformierten Verfassung durchaus noch Machtbefugnisse in der Außen- und Sicherheitspolitik zugestanden werden, zeigte der jüngste Wahlkampf, dass der finnische Präsident Sauli Niinistö in der parlamentarischen Demokratie angekommen ist.

Im Wahlkampf hat sich gezeigt, dass die insgesamt acht Kandidatinnen und Kandidaten keine strittigen Themen besetzten, zu keiner Zeit konnte von einem kontroversen oder „heißen“ Wahlkampf gesprochen werden. Die Frage einer NATO-Mitgliedschaft und insgesamt das Verhältnis Finnlands zu Russland waren zwar durchaus Themen, die in der Öffentlichkeit auch umstritten sind.

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Quelle: https://nofoblog.hypotheses.org/343

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Dezemberübereinkunft in Schweden als Ende der Regierungskrise?

Die demokratische Politik im Königreich Schweden befindet sich gegenwärtig in heftigen Turbulenzen. Nachdem die rot-grüne Koalition am 3. Dezember 2014 in der parlamentarischen Entscheidung ihres Staatsbudgets an der Opposition scheiterte – und sie gegenwärtig mit einem Haushalt der Opposition regieren muss –, entschied sich Stefan Löfven als regierender sozialdemokratischer Ministerpräsident unmittelbar nach der Niederlage, Neuwahlen für den 22. März 2015 anzuberaumen. Diese parlamentarische Niederlage wurde möglich, da die schwedischen Rechtspopulisten (Schwedendemokraten) entgegen langjähriger Gepflogenheiten nicht ihr Budget unterstützten, sondern aktiv für den Budgetentwurf der bürgerlichen Allianz votierten. Damit zeigten die Schwedendemokraten, dass sie die Rolle des parlamentarischen Züngleins an der Waage aktiv ausfüllen wollten. Schweden befand sich in einer handfesten Regierungskrise.

Am 26. Dezember 2014 unterzeichneten jedoch sechs Parteien des schwedischen Parlaments die sogenannte Dezemberübereinkunft: neben den regierenden Sozialdemokraten und der Grünen Partei unterzeichneten die vier Allianzparteien: Die Konservativen, die liberale Volkspartei, die Zentrumspartei sowie die Christdemokraten. Einzig die Rechtspopulisten sowie die Linkspartei blieben außen vor. Diese Dezemberübereinkunft soll es zukünftigen Minderheitsregierungen leichter machen, ihr Budget durch das Parlament zu bringen. Das Abkommen enthält eine Selbstverpflichtung der Oppositionsparteien – welche dies auch in den konkreten Fällen sein werden –, den Haushaltsentwurf passieren zu lassen, der vor der potenziellen Regierungspartei oder der potenziellen Regierungskoalition eingebracht wurde. Gleichzeitig verpflichten sich die Parteien, nicht einzelne Aspekte des Budgets vom Gesamtpaket abzutrennen – dies geschah entgegen langjähriger Tradition erstmals 2010, als die Parteien des linken Lagers zusammen mit den Schwedendemokraten einzelne Teile des Budgets abtrennten. Und im Herbst 2013 eskalierte der Budget-Konflikt abermals, als erneut die Parteien des linken Lagers mit den Schwedendemokraten anvisierte Steuersenkungen der Allianzregierung für die oberen Einkommensschichten verhinderten.

Gleichzeitig werden in drei sensiblen Politikbereichen (Verteidigung und Sicherheit, Renten, Energie) systematische, block-übergreifende Übereinkommen angestrebt. Vor allem Regierungsvertreter sind jedoch gegenwärtig in der Öffentlichkeit bemüht, die blockübergreifende Zusammenarbeit auch auf Aspekte der Bildungs- sowie Integrationspolitik auszudehnen.

Die Dezemberübereinkunft fußt auf geheim gehaltenen Verhandlungen, die von der bürgerlichen Allianz durch einen Zeitungsbeitrag eröffnet wurden, in dem sie der Regierung eine Zusammenarbeit bei der Neuformulierung der parlamentarischen Regeln für Minderheitsregierungen anbot (DN 9.12.2014). Auf Einladung der sozialdemokratischen Finanzministerin Magdalena Andersson kam es dann ab dem 18. Dezember zu geheimen Verhandlungen zwischen der Koalitionsregierung und den Vertretern der bürgerlichen Allianz. Verbindendes Interesse war es, die anvisierte Neuwahl abzuwenden. Die Parteien des linken Lagers konnten sich ihrer parlamentarischen Stärke nicht sicher sein und befürchteten zudem eine weitere Stärkung der Schwedendemokraten. Innerhalb der bürgerlichen Allianz waren es vor allem die Christdemokraten, die befürchteten, bei einer Neuwahl an der 4-Prozent-Hürde scheitern zu können. Göran Hägglund, der Vorsitzende der Christdemokraten, war folgerichtig eine der treibenden Personen auf der bürgerlichen Seite hinter der Dezemberübereinkunft. Die Verhandlungen wurden am 26. Dezember abgeschlossen und die Übereinkunft von Vertretern aller sechs Parteien am 27. Dezember der Presse und der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Dezemberübereinkunft soll erstmals zum Frühlings-Budget 2015 wirksam werden und bis ins Wahljahr 2022 Geltung haben.

Während die einen diese Übereinkunft als eine Wiedergeburt konsensdemokratischer Praktiken in der schwedischen Demokratie interpretieren, sehen andere darin eher eine strategische Augenwischerei und eine bloße zeitliche Aufschiebung unumgänglicher politischer Konflikte und Entscheidungen im schwedischen Parteienwettbewerb.

Erstens ist zu betonen, dass sich alle sechs Parteien für 2015 wahrlich viele gute Vorsätze vorgenommen haben. Die Verhandlungen zu blockübergreifenden Vereinbarungen in den Gebieten Verteidigung/Sicherheit, Rente und Energie werden schwer zu schließen sein, sind doch just auf diesen Gebieten die programmatischen Gegensätze zwischen beiden Lagern groß.

Zweitens haben viele Akteure unterschätzt, wie festgefügt die Bindungen innerhalb beider Lager sind. Während Löfven immer hoffte, die liberale Volkspartei oder die Zentrumspartei aus der bürgerlichen Allianz herauslösen zu können, irrte die bürgerliche Allianz hinsichtlich der Entschlossenheit der Grünen Partei. In der Legislaturperiode von 2010 bis 2014 vorbereitete und entschied die Minderheitskoalition der Allianz einige wichtige Reformen in Zusammenarbeit mit den Grünen. Das rigorose Zusammenhalten zwischen Sozialdemokratien und Grüner Partei deutet eher auf eine verstärkte Kohäsion im linken Lager hin. Mit der Regierungskrise 2014 sind die Grünen vorerst von einer Mitteposition im Parteienwettbewerb nach links gewandert.

Drittens bleibt abzuwarten, wie sich die festen Lager in den Verhandlungen weiter entwickeln. Gelingt es der Allianz, die Grünen erneut zur Zusammenarbeit zu bewegen? Oder gelingt es dem linken Lager, eine bürgerliche Partei aus der Allianz herauszubrechen? Vielleicht weniger die Zentrumspartei oder die liberale Volkspartei, vielleicht eher die Christdemokraten?

Letztlich ist es zu früh, von einer Renaissance der Verhandlungsdemokratie in Schweden zu sprechen. Die neuen Regeln sind formuliert – sie erleichtern das Regieren ohne parlamentarische Mehrheit. Aber wie viele normale Menschen haben sich die sechs Parteien zur Stärkung der schwedischen Verhandlungsdemokratie sehr ambitionierte Vorsätze für das neue Jahr formuliert. Wie bei allen guten Vorsätzen zum neuen Jahr wird zu sehen sein, wie die Parteien die guten Vorsätze in neue Handlungen und Strategien werden umsetzen können.

 

Quelle: http://nofoblog.hypotheses.org/89

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Warum wählen wir? Funktionen und Bedeutungen von Wahlen im 19. Jahrhundert (Gastbeitrag Hedwig Richter)

Hedwig Richter ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Allgemeine Geschichte der Neuesten Zeit an der Universität Greifswald. Der nachstehende Beitrag skizziert und illustriert ihr laufendes Habilitationsvorhaben „Kulturgeschichte der Wahlen. Funktionen und Bedeutungen von politischen Wahlen in Deutschland und den USA im 19. Jahrhundert“. Über die von ihr und Hubertus Buchstein zu demselben Themenbereich organisierte Tagung „Culture and Practice of Elections“ im Mai 2014 wurde auf diesem Blog bereits mehrfach berichtet. Für die Bereitstellung des hier veröffentlichten Textes sei Frau Richter herzlichst gedankt. Warum geht alle […]

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/740

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Abstract zum Vortrag: Voix perdues? Ungültige, verstreute und andere „sinnlose“ Stimmen bei Wahlen im Jahr 1848 (Thomas Stockinger)

Im Rahmen der auf diesem Blog bereits angekündigten Tagung „Kultur und Praxis der Wahlen. Eine Geschichte der modernen Demokratie“ / „Culture and Practice of Elections. A History of Modern Democracy“ am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald (veranstaltet von Hubertus Buchstein und Hedwig Richter) wird Thomas Stockinger am 16. Mai 2014 vortragen. Vorab wird hier ein Abstract zu seiner Präsentation verfügbar gemacht.

Das vollständige Tagungsprogramm gibt es als PDF-Datei hier.

Voix perdues? Ungültige, verstreute und andere „sinnlose“ Stimmen bei Wahlen im Jahr 1848 (Frankreich und Österreich)

Zweckrationales Handeln, das die Chancen maximiert, erwünschte Kandidatinnen oder Kandidaten die zu vergebenden Mandate erringen zu sehen, zählt seit langem zu den landläufigen, dabei aber durchaus fragwürdigen Erwartungen an Wählerinnen und Wähler. Abweichungen davon sind in dieser Perspektive in erster Linie als Zeichen demokratischer Inkompetenz zu interpretieren, allenfalls noch als Geste des Protests. Die meisten aktuellen Wahlrechte geben vor, dass alles, was auf einem Stimmzettel vermerkt ist, aber nicht als eindeutige Willensäußerung zugunsten einer der registrierten Kandidaturen gedeutet werden kann, ungültig ist, sofern es nicht den Stimmzettel selbst ungültig macht. Der „Wählerwille“ hat sich entweder nach den vorgezeichneten Alternativen zu richten, oder er kann nicht zur Kenntnis genommen werden.

Die frühesten Anwendungen des Massenwahlrechts waren Situationen, in denen diese Kanalisierung weniger effizient funktionierte als später, und in denen deshalb etliche Aspekte der damit verbundenen Problematik besonders deutlich hervortraten. Die Veranstalter und die Ausführenden dieser Wahlen sahen sich mit beträchtlichen Zahlen von Voten (zumeist materialisiert als Stimmzettel) konfrontiert, die sich aus verschiedenen Gründen nicht leicht in ein eindeutiges, numerisch exaktes Wahlresultat einrechnen ließen. Stimmen verteilten sich auf sehr viele verschiedene Personen, darunter solche, die nicht als Kandidaten aufgetreten waren oder nach Meinung der Wahlveranstalter gar nicht als solche in Frage kamen. Kandidaten wurden nicht deutlich genug für eine sichere Identifizierung bezeichnet, oder es wurden Angaben über sie vermerkt, die für eine solche nicht nötig gewesen wären. Die nach späteren Maßstäben oft noch recht unpräzisen rechtlichen Normen boten für den Umgang damit nur eine unzureichende Handhabe, weshalb auch die Entscheidungen der Wahlkommissionen vielfach sehr uneinheitlich ausfielen.

Der Vortrag nähert sich diesen Erscheinungen ausgehend von Stimmzetteln und Wahlprotokollen als Primärquellen und in Anknüpfung insbesondere an die Arbeiten von Yves Déloye und Olivier Ihl. Anhand konkreter Beispiele aus den Parlamentswahlen des Revolutionsjahres 1848 in Frankreich und in der Habsburgermonarchie (speziell Niederösterreich) soll gezeigt werden, dass zur Deutung dieser Phänomene die Kategorien „Ignoranz“ und „Protest“, obwohl beide relevant sind, nicht ausreichen. Sowohl in von Wahlnormen und Erwartungen abweichendem Verhalten der Wähler als auch in den voneinander divergierenden Reaktionen darauf spiegelte sich nicht bloß blindes Herantasten an eine ungewohnte politische Praxis, sondern vielmehr konkurrierende Vorstellungen davon, was Wählen und Repräsentation überhaupt zu bedeuten hatten, wie sie funktionierten und wie sich das Verhältnis zwischen Wählenden und Gewählten zu konstituieren hatte, welche Eigenschaften einen geeigneten Kandidaten machten, sowie auf welche geographischen Räume und sozialen Gruppen sich Repräsentation, Kandidatur und Wahl bezogen. Das scheinbar „Sinnlose“ erweist sich dabei als Teil älterer oder alternativer Logiken des Wählens, die sich nicht durchsetzten, sondern im Laufe der weiteren Entwicklung hin zu einem für die europäisch-atlantischen Gesellschaften zunehmend einheitlichen Grundmodell des Wahlvorgangs bis zur Unsichtbarkeit marginalisiert wurden.

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/575

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Buchbesprechung: BACK, Dorf und Revolution

 

BACK, Nikolaus: Dorf und Revolution. Die Ereignisse von 1848/49 im ländlichen Württemberg (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 70), Ostfildern 2010.

Von der Existenz dieses Buches hat der Rezensent mit viel Freude und einer kleinen Beimischung von Ärger erfahren. Die Freude bezieht sich auf das Vorliegen einer neuen substantiellen Forschungsarbeit zu diesem Thema; der Ärger auf den Umstand, von ihr nicht rechtzeitig Kenntnis erhalten zu haben, um sie vor der Drucklegung der eigenen Dissertation noch berücksichtigen zu können.

Cover: Nikolaus BACK, Dorf und RevolutionCover: Nikolaus BACK, Dorf und Revolution

Freilich ist es heute nicht mehr, wie noch vor wenigen Jahrzehnten, der Fall, dass wir von den Ereignissen von 1848/49 im ländlichen Raum fast gar nichts wüssten, aber abgesehen von einer regional sehr unterschiedlichen Qualität und Dichte der vorliegenden Erkenntnisse sind auch manche wichtigen Fragestellungen noch kaum systematisch aufgegriffen worden, während andere als verhältnismäßig gut untersucht gelten können. Dies geht auch aus der Einleitung der vorliegenden Monographie deutlich hervor, welche 2009/10 an der Universität Tübingen als Dissertation angenommen wurde1. Eine beträchtliche Menge an Literatur kann der Verfasser insbesondere zu den ländlichen Unruhen des März und April 1848 in verschiedenen deutschen Staaten anführen (S. 3–11); dabei zeigt sich auch, welche Fortschritte in den vergangenen Jahrzehnten bei ihrer Deutung und Einordnung gemacht worden sind. Hatten sie noch vor einem halben Jahrhundert als letzter Ausläufer des Mittelalters, „noch auf der gleichen Stufe“ mit dem Bauernkrieg von 1525, gegolten2, so haben sich seither wesentlich differenziertere Einschätzungen hinsichtlich der Beweggründe, Akteure und Handlungsformen durchgesetzt, etwa mit den Arbeiten von Andreas Düwel, Robert von Friedeburg und Manfred Gailus3.

Demgegenüber ist der weitere Verlauf des Geschehens im ländlichen Raum während der Jahre 1848 und 1849 noch verhältnismäßig selten systematisch untersucht worden, in erster Linie deshalb nicht, weil sich eine so aufsehenerregende Welle von Unruhen nicht mehr wiederholte. Die schon bald nach der Niederschlagung der Revolution vor allem von konservativen Beobachtern – großer Einfluß kam hier den Schriften von Wilhelm Heinrich Riehl zu4 – aufgebrachte Deutung, nach einem kurzen rauschhaften Intermezzo in den „tollen Märztagen“ sei die Landbevölkerung rasch und nachhaltig zu einer konservativen, weil im Grunde unpolitischen Haltung zurückgekehrt, hat in der Historiographie sehr lange nachgewirkt und tut dies mitunter sogar bis heute5. Immerhin liegen für einige wenige, besonders aktive Regionen bereits Pionierstudien vor, die nachweisen konnten, dass verschiedene Formen zeittypischer politischer Aktivität auch auf dem Land Platz griffen, vor allem Petitionsbewegungen und das politische Vereinswesen. Als Marksteine erscheinen hier vor allem die Arbeiten von Michael Wettengel zu Hessen-Darmstadt und Nassau6 sowie von Jonathan Sperber zum Rheinland7.

An diese Vorbilder anschließend will der Verfasser des hier gegenständlichen Buches für den Raum des ehemaligen Königreichs Württemberg „untersuchen, ob und wie sich die Politisierung der Landbevölkerung nach den Märzunruhen 1848 fortsetzte“ (S. 15). Er geht dabei vor allem insofern noch einen Schritt weiter als Wettengel und Sperber, als er den ländlichen Raum nicht auch, sondern ausschließlich ins Auge fassen und die Entwicklung in den Städten nur so weit behandeln will, wie dies zum Verständnis und zur Erklärung des in den Dörfern Beobachteten erforderlich ist. Wie sich im Verlauf der Untersuchung erweist, waren die Verflechtungen dicht, der Blick auf die Städte bleibt somit durchgehend notwendig, aber – und dies ist von größter Wichtigkeit – die Entwicklung auf dem Land kann dennoch nicht allein als Folge städtischen Einflusses gedeutet werden, sondern ist als Resultat der Interaktion urbaner Impulse mit autochthonen Initiativen in und aus den Landgemeinden zu verstehen. Das Spektrum der in Betracht kommenden „politischen Äußerungen“ wird erfreulich breit abgesteckt: „Volksversammlungen, Petitionen, der so genannte ‚Rau-Ausmarsch‘ vom September 1848, vor allem aber die Entstehung von politischen Vereinen und schließlich in einzelnen Gebieten Ausmärsche zur Unterstützung der Nationalversammlung im Juni 1849“ (S. 15–16). Daneben werden noch andere Aktivitäten wie Spendensammlungen, öffentliche Feiern oder die Verbreitung und Lektüre von Zeitungen und politischen Broschüren, weiters Institutionen wie Bürgerwehren, Gesangs- und Turnvereine mehr oder weniger detailliert behandelt.

Dass sich die Untersuchung auf das ganze Königreich Württemberg erstreckt, wird in erster Linie mit der schütteren Quellenlage begründet, die einen näheren Fokus unergiebig gemacht hätte (S. 16). In der Tat liegt ein großer Vorzug der Studie in der sehr ausgedehnten und zugleich sorgfältigen Quellenarbeit. Der Verfasser hat neben den Akten der württembergischen Zentralstellen jene der Oberämter und der Gerichte benutzt, zudem kirchliche Archive, das Heilbronner Stadtarchiv sowie in Einzelfällen weitere Gemeindearchive. Darüber hinaus hat er eine Vielzahl regionaler und lokaler Zeitungen – vom Boten von Aalen bis zum Amts- und Unterhaltungsblatt für den Oberamtsbezirk Urach – penibel ausgewertet und ihnen selbst kleinste Erwähnungen und Annoncen im Zusammenhang mit politischer Aktivität abgerungen. Ihm ist dabei stets bewusst, dass in den wenigsten dieser Quellen die zentralen Subjekte seiner Untersuchung, die Dorfbewohner, sich aus eigenem Antrieb äußern. Was Angehörige des urbanen Bürgertums oder der Beamtenschaft zu ihnen oder über sie zu sagen hatten, spiegelt oft mehr die Wahrnehmungen und Intentionen dieser Sprecher, als dass es unmittelbar als Information über das Leben in den Dörfern dienen könnte; und nicht selten handelt es sich dabei um Standpunkte, die der pro-revolutionären politischen Aktivität der Landbewohner ablehnend gegenüberstanden. In einer jener Situationen, in denen die Worte dörflicher Aktivisten am ehesten verschriftlicht wurden, nämlich bei behördlichen Vernehmungen, hatten sie ein markantes Interesse daran, sich unwissend und unpolitisch darzustellen. Der Verfasser ist dem mit einer vorsichtig abwägenden Quellenkritik begegnet und hat auch, wo es möglich war, die Aussagen unterschiedlicher Quellen miteinander abgeglichen. Dies verschafft seinen Befunden ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit.

Ein kurzes erstes Kapitel skizziert die wirtschaftliche und soziale Situation im Vormärz und am Vorabend der Revolution (S. 24–36). Hervorgehoben werden dabei die vielfachen Unterschiede zwischen den alt- und den neuwürttembergischen Gebieten im Hinblick etwa auf das Erbrecht und die dadurch bedingte Sozialstruktur der Dörfer, auf den Stand der Grundentlastung (in den erst im 19. Jh. durch Mediatisierung von Kleinterritorien an Württemberg gekommenen Gebieten war diese viel weniger weit fortgeschritten) sowie auf die konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung. Das ländliche Handwerk und das Verlagswesen hatten in Württemberg eine hohe Bedeutung, hingegen gab es wenig fabriksmäßige Industrie; die sozial und politisch stabilisierende Wirkung, die sich Regierungskreise von diesem durchaus erwünschten Zustand versprachen (S. 29), hielt allerdings der Wirtschaftskrise der 1840er Jahre nicht stand.

Den Unruhen im März und April 1848 ist der erste Hauptabschnitt gewidmet. Der Autor hat sie in mehrere Kategorien unterteilt: Proteste gegen Adelsherrschaften (S. 37–68), gegen Schultheißen und Gemeinderäte (S. 68–98), gegen staatliche Amtsträger (S. 98–105) sowie antisemitische und xenophobe Ausschreitungen (S. 106–114). Ein beträchtliches – und bisher nicht vollständig wahrgenommenes – Ausmaß nahmen insbesondere die kommunalen Unruhen an: Zwischen März und August 1848 gab es in 353 von insgesamt 1.919 württembergischen Gemeinden einen Wechsel im Amt des Schultheißen, wovon nur die wenigsten ganz ohne Zusammenhang mit der Revolution gewesen sein dürften (S. 71–73)8. Demgegenüber hielten sich die Widersetzlichkeiten gegen die Staatsbeamten sehr in Grenzen; nennenswert sind in erster Linie Konflikte mit dem staatlichen Forstpersonal um die hier wie in vielen Teilen Europas sehr virulenten Fragen der Nutzungsrechte an öffentlichen Wäldern. Die Darstellungsweise ist in diesem wie in den folgenden Kapiteln vorwiegend systematisch, zu jedem Typ von Unruhen wird der Reihe nach auf die zeitliche und räumliche Verteilung, auf verschiedene Aktionsformen, auf Ziele und Anliegen sowie auf die Identifikation und die Haltungen der verschiedenen Akteursgruppen eingegangen. Dabei ergeben sich interessante und originelle Beobachtungen gerade hinsichtlich der oft komplexen Überschneidungen von Konfliktlinien, wenn etwa gezielt den Fragen nachgegangen wird, wie sich Schultheißen und staatliche Beamte zu Unruhen gegen den Adel stellten, wie Oberamtleute auf Konflikte in den Gemeinden reagierten und so fort.

Im folgenden Abschnitt über den Zeitraum bis Ende 1848 findet sich zunächst eine eher knappe Darstellung der Wahlen zur Frankfurter Nationalversammlung und zum Landtag (S. 115–121), die nicht nur von einer Welle von Volksversammlungen begleitet waren, sondern auch Anlass zu ersten Bemühungen um die Etablierung politischer Vereine im ländlichen Bereich boten. Diese Bezirksvereine des Frühjahrs 1848 blieben allerdings vorerst meist kurzlebig (S. 130–137). Auch zu Gründungen von Vereinen in einzelnen Dörfern kam es in diesem Zeitraum schon, doch waren es wenige, die der Verfasser nahezu einzeln aufzählen und schildern kann (S. 146–172). Die Septemberkrise 1848 löste in Württemberg auch im ländlichen Raum spürbare Resonanzen aus, der auffälligste Vorfall war der von Gottlieb Rau organisierte „Ausmarsch“ im Oberamt Rottweil, an dem sich auch die Bewohner etlicher Dörfer der Umgebung beteiligten. Anhand gerichtlicher Untersuchungsakten lassen sich die dazu führenden Vorgänge in einigen Fällen recht genau nachzeichnen, wobei wiederum systematisch die Positionen und Handlungsweisen verschiedener Akteure herausgearbeitet werden (S. 172–199).

Seine größte Intensität erreichte das ländliche politische Vereinswesen in Württemberg zwischen dem Winter 1848/49 und dem folgenden Sommer, wie im dritten Hauptabschnitt eingehend dargestellt wird. Wichtige Impulse lieferten die Trauer- und Solidaritätskundgebungen nach der Erschießung von Robert Blum in Wien sowie die Veröffentlichung der von der Frankfurter Nationalversammlung beschlossenen „Grundrechte des deutschen Volkes“. Die demokratische Vereinsbewegung, die sich in diesem Zeitraum mit dem Centralmärzverein für ganz Deutschland und dem Landesausschuss in Württemberg wirksame Dachorganisationen schuf, profitierte von der Stimmungslage, indem sie durch eine massenhaft verteilte Broschüre – die von Carl Mayer verfasste Ansprache an unsere Mitbürger auf dem Lande – gezielt zu Vereinsgründungen auch in den Landgemeinden aufrief. Die Wirkung im Verlauf der ersten Jahreshälfte war beträchtlich, wie der Verfasser zeigen kann; dabei gelangt er wiederum über bisher vorliegende Ergebnisse hinaus9, die sich zu sehr auf amtliche Berichte gestützt hatten, in denen die Oberamtleute offenbar darauf bedacht waren, die Verbreitung demokratischer Vereine kleinzureden (S. 217–222). Vor allem durch die systematische Auswertung von Zeitungen lassen sich ihre Meldungen wesentlich ergänzen, wobei sich nicht weniger als 453 Vereine in Dörfern und Kleinstädten finden (S. 304); dabei räumt der Verfasser freilich selbst ein, dass auch Einzelnennungen berücksichtigt sind, bei denen es nach der Gründungsversammlung keinen Beleg für eine weitere Aktivität gibt.

Während von den meisten also gerade einmal die Existenz nachweisbar ist, können einige wenige Vereine aufgrund einer besonders günstigen Quellenlage eingehend dargestellt werden. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn Vereinsarchive in die Hände der Behörden fielen – schon deshalb eine seltene Situation, weil es im Interesse der Vereinsvorstände lag, dies zu verhindern, und in den meisten Fällen das Schriftgut vorsorglich vernichtet wurde. Für die demokratischen Vereine in Schrozberg, Neckargartach und Großgartach sind die Vereinsakten auf diesem Weg bis heute überliefert und bieten, in dieser Untersuchung großenteils erstmals ausgewertet, viele wertvolle Einblicke. Dazu gehört das Kommunikationsverhalten der dörflichen Vereine untereinander und mit den Organisationen in den städtischen Zentren ebenso wie ihre soziale Zusammensetzung samt interner Konfliktpotentiale, nicht zuletzt aber auch inhaltliche Angaben über die Diskussionen in den Versammlungen. Das Geheimnis einer erfolgreichen demokratischen Vereinstätigkeit lag sichtlich darin, eine Verbindung zwischen politischen Zielen auf der staatlichen und nationalen Ebene einerseits und lokalen Interessen andererseits herzustellen. In Großgartach etwa beschloss der am 18. Januar 1849 gegründete Volksverein, der sich umgehend dem Centralmärzverein anschloss, bereits wenige Tage nach seiner Entstehung Resolutionen gegen ein deutsches Erbkaisertum und für eine republikanische Staatsspitze, befasste sich aber auch mit dem erwünschten Verbleib des Pfarrers in seinem Amt oder mit der Errichtung einer Vieh-Leihkasse. In ein und derselben Sitzung wurde über die Verminderung der Zivilliste und über die Kosten der Gemeindeschäferei debattiert (S. 236–237).

Hervorzuheben ist weiters, dass zwar überwiegend das demokratische Vereinswesen behandelt wird, aber nicht nur dieses. Einen eigenen Teilabschnitt widmet der Verfasser den konstitutionellen Vaterländischen Vereinen und den katholischen Piusvereinen. Während die Ersteren nur in geringem Maße auf die Dörfer ausgriffen, waren die Letzteren in einigen Gegenden deutlich erfolgreicher (S. 282–300). Dies zeigt, dass Mittel und Methoden der politischen Aktivität sich zwar durchaus zwischen den Gruppierungen unterschieden, grundsätzlich aber auch von konservativer Seite die neu aufkommenden Praktiken mitunter aufgegriffen und mit Erfolg eingesetzt werden konnten. Freilich räumt der Autor ein, dass die Präsenz oder Absenz von Vereinen dieser Richtungen keineswegs indikativ für deren faktische Stärke war; dies zeigen etwa die zahlreichen Solidaritätsadressen von Schultheißen und Gemeinderäten für die konstitutionelle Regierung Römer auf dem Höhepunkt der Reichsverfassungskampagne.

Als Führungspersonal dörflicher Vereine traten oft Angehöriger lokaler Bildungseliten hervor, wobei vor allem Lehrer und niedere Beamte (Aktuare) häufig aktiv waren. Mitunter waren auch dörfliche Autoritätspersonen wie Schultheißen und Pfarrer selbst in diesen Vereinen in leitender Stellung präsent (S. 249–278). Gewerbetreibende und Wirte scheinen solche Funktionen ebenfalls oft wahrgenommen zu haben, doch sind ihre Aktivitäten meist schlechter dokumentiert als jene der schreibfreudigeren Aktivisten mit höherer Bildung. Bauern als Vorsitzende oder Schriftführer sind verhältnismäßig selten nachzuweisen. In einer besonders interessanten Schlusspassage dieses Hauptabschnitts spürt der Verfasser den Kontinuitäten zwischen den verschiedenen Typen und Phasen der Aktivität auf den Dörfern nach. Er kann dabei zeigen, dass die Lokalisierung von Agrar- und Kommunalunruhen im Frühjahr 1848 zwar keineswegs perfekt, aber doch auffällig mit der späteren Verteilung des demokratischen Vereinswesens übereinstimmt (S. 301–308). Der Umfang und das hohe Maß an Homogenität der von ihm gesammelten Daten hätten freilich durchaus etwas ausgefeiltere statistische Verfahren erlaubt als die bloße Berechnung von Prozentanteilen, was wahrscheinlich zu klareren Aussagen über die Signifikanz bestimmter Korrelationen geführt hätte.

Ein letzter, knapp gehaltener Abschnitt (S. 309–329) ist den in der bisherigen Literatur bereits gut dokumentierten Ereignissen der Monate April bis Juni 1849 im Zusammenhang mit der Reichsverfassungskampagne und der Verlegung der Nationalversammlung nach Stuttgart gewidmet. Der Verfasser bemüht sich hier, das vorhandene Wissen gezielt im Hinblick auf die Vorgänge im dörflichen Bereich zu ergänzen. Wiederum kann er ein beträchtliches, wenn auch regional und lokal sehr unterschiedliches Maß an Mobilisierung nachweisen und bestätigt damit die Einschätzung von Dieter Langewiesche, „wonach in Württemberg nicht die Metropolen, sondern vor allem die Provinz der hauptsächliche Träger der Reichsverfassungskampagne war“ (S. 329). Dass auch die nach dem Juni 1849 einsetzende Repression den Einfluss der demokratischen Vereine nicht sofort brechen konnte, zeigen die großen Erfolge der Demokraten bei den Wahlen zur verfassunggebenden Landesversammlung im folgenden August (S. 329–333).

Die umfangreichen Datensammlungen des Verfassers sind in einem beinahe 100 Seiten starken Anhang dokumentiert (S. 341–423). Hier finden sich taxative Aufstellungen, jeweils mit detaillierten Quellennachweisen, über die Adelsunruhen im Frühjahr 1848, die Schultheißenwechsel, die Gesangsvereine, die Lesevereine sowie schließlich die Volksvereine. Dieses Material ist von außerordentlichem Wert, keineswegs nur für die künftige lokalgeschichtliche Forschung, und die Entscheidung, es in dieser Form zu präsentieren, ist ausdrücklich zu begrüßen. Dadurch ist eine gut lesbare und klar strukturierte systematische und synthetisierende Darstellung im Text der Abhandlung möglich, ohne dass die weiteren Nutzungsmöglichkeiten der zugrundeliegenden Daten den Nutzerinnen und Nutzern des Buches vorenthalten würden. Die bereits eingangs erwähnte, überaus verdienstliche Rechercheleistung wird bei der Durchsicht dieser Seiten höchst augenfällig.

Insgesamt ist dies ein ausgesprochen wertvolles Buch für die Geschichte der Revolution von 1848/49 wie für jene der Veränderungen der Politik im ländlichen Raum im 19. Jahrhundert überhaupt. Es sind nur ganz wenige Vorbehalte anzubringen. Zum einen hätte sich der Rezensent zu manchen zentralen Konzepten etwas eingehendere Begriffs- und Theoriearbeit gewünscht. Es ist angesichts der neueren Entwicklungen in der Politikgeschichte, aber auch in der Geschichtswissenschaft allgemein nicht mehr als ganz unproblematisch zu sehen, dass etwa die Ausdrücke „modern“ und „Modernisierung“ immer wieder wie selbstverständlich gebraucht werden. Ähnliches gilt für „Politik“ und „Politisierung“, die immerhin den deklarierten Forschungsgegenstand bilden; zur Absteckung dessen, was er unter „Politik“ versteht (und was ihm dementsprechend als „unpolitisch“ gilt), hätte sich der Autor durchaus äußern können. Soweit es sich aus dem Gebrauch ableiten lässt, den er von diesen Worten macht, scheint er ein recht konventionelles, unter Umständen schon veraltet zu nennendes Verständnis dieser Begriffe weiterzutragen: „Politisierung“ beginnt offenbar erst, wenn Interesse an verfassungs- und nationalpolitischen Fragen einsetzt; die antifeudalen Proteste, aber auch die lokalen Anliegen – die Vieh-Leihkassen, Waldnutzungsfragen und so fort – wären demnach wohl (was jedoch nie explizit gemacht wird) als unpolitisch oder vorpolitisch einzustufen?

Der zweite Punkt, der leider angesprochen werden muss, ist formaler Natur. Das Buch ist ungewöhnlich rasch, nämlich offenbar innerhalb eines Jahres nach Annahme als Dissertation, in den Druck gegangen. Diesem Umstand ist möglicherweise anzurechnen, dass es nicht das gründliche Lektorat erhalten hat, das eine so wertvolle Arbeit verdient hätte. Im Fließtext treten Kasusfehler10, Anakoluthen11 und andere sprachliche Unebenheiten12 in einer Frequenz auf, die von diesbezüglich sensiblen Lesenden gewiss als störend wahrgenommen werden muss; sie beeinträchtigen aber immerhin kaum jemals die Verständlichkeit und die Benutzbarkeit des Buches. Dasselbe lässt sich vom Umgang mit Literaturzitaten in den Anmerkungen leider nicht uneingeschränkt sagen. Dieser ist von einer verwirrenden Uneinheitlichkeit; Vollzitate – von nicht immer gleicher Bauweise, insbesondere bei Sammelbänden – wechseln anscheinend ohne konsequent gebrauchtes Prinzip mit Kurzbelegen unterschiedlichster Form. Von diesen sind jene, die nur aus Verfassername und Seitenangabe bestehen, spätestens dann als unzureichend zu bezeichnen, wenn mehrere Texte von Verfassern des fraglichen Namens im Literaturverzeichnis stehen13. In diesem fehlt zudem einige Literatur, die in den Anmerkungen zitiert wird. Das ist umso mehr zu bedauern, als gerade hinsichtlich der Auswertung auch sehr entlegener lokalgeschichtlicher Forschung die bibliographische Leistung des Verfassers fast ebenso verdienstlich ist wie die archivalische Quellenarbeit; durch die ungenauen Belege kommt dies nicht in vollem Maße zur Geltung. Eine konsequente Kontrolle und Vereinheitlichung hätte hier Not getan14.

Dessen ungeachtet kann das Fazit nur lauten: Dieses Buch ist ein auf ausgedehnter und gründlicher Recherche beruhender, wesentlicher Beitrag zu einem Forschungsfeld, das noch große Lücken aufweist. Es verdient, neben die erwähnten Arbeiten von Wettengel und Sperber gestellt zu werden, und ergänzt deren Ergebnisse nicht nur in räumlicher Hinsicht für Württemberg, sondern fügt auch neue Perspektiven hinzu. Eine Verfolgung ähnlicher Ansätze wäre für manche anderen Regionen Deutschlands, geschweige denn für Österreich, unbedingt zu wünschen.

  1. Betreuer war Sönke Lorenz, Zweitgutachter mit Dieter Langewiesche einer der profiliertesten deutschen Historiker der Revolution von 1848/49.
  2. FRANZ, Günther: Die agrarische Bewegung im Jahre 1848, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 7 (1959) 176–193, hier 193.
  3. DÜWEL, Andreas: Sozialrevolutionärer Protest und konservative Gesinnung. Die Landbevölkerung des Königreichs Hannover und des Herzogtums Braunschweig in der Revolution von 1848/49, Frankfurt am Main u. a. 1996; FRIEDEBURG, Robert von: Ländliche Gesellschaft und Obrigkeit. Gemeindeprotest und politische Mobilisierung im 18. und 19. Jahrhundert (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 117), Göttingen 1997; GAILUS, Manfred: Straße und Brot. Sozialer Protest in den deutschen Staaten unter besonderer Berücksichtigung Preußens, 1847–1849 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 96), Göttingen 1990.
  4. Vgl. dazu ROUETTE, Susanne: Der Bürger, der Bauer und die Revolution. Zur Wahrnehmung und Deutung der agrarischen Bewegung 1848/49, in: JANSEN, Christian – MERGEL, Thomas (Hrsg.): Die Revolution von 1848/49. Erfahrung – Verarbeitung – Deutung, Göttingen 1998, 190–205.
  5. Unangenehm ist beispielsweise, diese Sicht in einem gerade erst erschienenen, sehr um eine avancierte theoretische Position zum Revolutionsbegriff bemühten Artikel wiederzufinden: LEONHARD, Jörn: Über Revolutionen, in: Journal of Modern European History 11 (2013) 170–186, hier 180. Der Verfasser verweist dabei auf mehr als dreißig  Jahre alte Literatur.
  6. WETTENGEL, Michael: Die Revolution von 1848/49 im Rhein-Main-Raum. Politische Vereine und Revolutionsalltag im Großherzogtum Hessen, Herzogtum Nassau und in der Freien Stadt Frankfurt (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau 49), Wiesbaden 1989.
  7. SPERBER, Jonathan: Rhineland Radicals. The Democratic Movement and the Revolution of 1848–1849, Princeton 1991. Eine Erfassung sämtlicher politischen Vereine in Stadt und Land für eine weitere Region bietet auch RUPPERT, Karsten: Die politischen Vereine der Pfalz in der Revolution von 1848/49, in: FENSKE, Hans – KERMANN, Joachim – SCHERER, Karl (Hrsg.), Die Pfalz und die Revolution 1848/49, Bd. 1 (Beiträge zur pfälzischen Geschichte 16), Kaiserslautern 2000, 57–242.
  8. Zu diesem Thema liegt zwar bereits eine neuere Arbeit vor, die der Verfasser auch eingehend rezipiert hat, über deren Ergebnisse er jedoch gerade hinsichtlich der quantitativen Auswertung hinausgelangt: BAYER, Birgit: Ich bleibe nicht mehr über Nacht Schultheiß! Die Bewegung gegen die Schultheißen in Württemberg im Frühjahr 1848 (Europäische Hochschulschriften – Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 1033), Frankfurt am Main u. a. 2006.
  9. Vor allem die Untersuchung von BOLDT, Werner: Die württembergischen Volksvereine von 1848 bis 1852 (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg – Reihe B 59), Stuttgart 1970.
  10. Beispiele aus einem zufällig gewählten Bereich von wenigen Seiten: „in den fünf zu einfachen Städten ohne Oberamtssitz ‚degradierten‘ Reichsstädte Bopfingen, Buchau [...]“ (S. 147); „das Vorhaben, den ländlichen Raum mittels Bezirksvereine zu politisieren“ (S. 148).
  11. „Stabilisierend für eine Gesellschaft sei [nach W. H. Riehl] ein ‚gesunder Bauernstand‘, die den Unruheherden der Großstadt etwas entgegenzusetzen hat“ (S. 144 Anm. 147).
  12. „Nur eine Woche war Süskind Redner auf einer Versammlung in Suppingen“ (S. 149), gemeint wohl: „Nur eine Woche später“; „Lina Benz sieht denn Grund darin, dass [...]“ (S. 149 Anm. 170).
  13. Etwa „B. Mann, S. 276f.“ (S. 283 Anm. 414). Beide im Literaturverzeichnis angeführten Arbeiten von Bernhard Mann enthalten eine Seite 276, und beide kommen auch inhaltlich in Frage. Keine davon wird in der näheren Umgebung der fraglichen Fußnote mit Vollzitat angeführt. Bei einem vernünftigen Zitiersystem sollten alle diese Formen von Denksport aber gar nicht nötig sein, um den zitierten Text eindeutig zu identifizieren.
  14. Sachliche Irrtümer oder Widersprüche finden sich hingegen kaum – jedenfalls keine, die ohne intime Kenntnis der württembergischen Lokalgeschichte zu erkennen wären. Am Rande sei lediglich darauf hingewiesen, dass auf S. 230 „die in Darmstadt erscheinende demokratische ‚Deutsche Zeitung‘“ erwähnt wird, die ein Volksverein abonnierte. Es muss sich um die Neue Deutsche Zeitung handeln, auf welche die genannten Merkmale zutreffen; die berühmte Deutsche Zeitung von Gervinus, Mathy, Bassermann u. a. wurde dagegen nicht nur nie in Darmstadt herausgegeben, sondern kann auch selbst mit viel Phantasie nicht als demokratisches Blatt eingestuft werden.

 

 

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/363

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Zwei Tagungen zu Parlamenten, Wahlen und Parteien

Zu zwei dieses Jahr stattgefundenen Veranstaltungen mit wichtigen Beiträgen zur Kulturgeschichte der Politik im 19. und 20. Jahrhundert sind eben auf H-Soz-u-Kult ausführliche Tagungsberichte erschienen:

Unter dem Titel „Politische Kommunikation vor Ort. Demokratische Kulturen und lokaler Raum in Europa, 1870–1990“ veranstaltete das Institut für Geschichtswissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin (Lehrstuhl für Europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts, Prof. Thomas Mergel) in Zusammenarbeit mit der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien vom 4. bis zum 6. April 2013 eine internationale Tagung, auf der sich Forschende aus Deutschland, Italien, Frankreich, Dänemark, den Niederlanden und den USA über das Verhältnis lokaler politischer Kulturen zum „politischen Massenmarkt“ austauschten. Zur Sprache kamen unter anderem Wahlen und Wahlkämpfe, lokale Parteiorganisation, der Einfluss von Kirchen auf die lokale Politik, Gewalt als Medium politischer Konflikte und immer wieder die Frage, was unter dem Lokalen überhaupt zu verstehen sei und wie es als Raum, Bezugsrahmen und Identität auf vielfältige Weise konstruiert wurde. Der behandelte Zeitraum reichte vom späten 19. Jahrhundert bis in die 1970er Jahre. Teilgenommen hat im übrigen auch eine Veranstalterin der kommenden Tagung „Culture and Practice of Elections“, über die hier schon berichtet wurde. Den Tagungsbericht von Felicia Kompio gibt es unter

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=5034

 

„The Ideal Parliament: Perception, Interpretation and Memory of Parliaments and Parliamentarism in Europe“ hieß die zweite Tagung, die vom 30. Mai bis zum 1. Juni 2013 in Den Haag stattfand. Organisiert wurde sie von deutschen und niederländischen Partnerinstitutionen im Rahmen des European Information and Research Network on Parliamentary History, darunter wiederum die Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Auch hier gab es ein breites internationales Feld von Vortragenden, die nicht nur zu den „klassischen“ Untersuchungsfällen Großbritannien und Frankreich, sondern auch etwa zu Spanien, Belgien, Italien, Ungarn, Polen oder der Tschechoslowakischen Republik sprachen. Es ging um Modelle und Ideale des Parlamentarismus, um Begeisterung für die parlamentarische Demokratie, aber auch um Kritik an ihr und die Suche nach Alternativen, nicht zuletzt auch um historiographische Traditionen der Deutung der Parlamentsgeschichte. Von den chronologisch gruppierten vier Sektionen ist aus der Perspektive unseres Blogs die erste zum 19. Jahrhundert besonders zu beachten, in der auch von Willibald Steinmetz (Bielefeld) ein Vortrag über die Frankfurter Nationalversammlung von 1848/49 im Spannungsfeld transnationalen Kulturtransfers und spezifisch-situativer Einflüsse gehalten wurde: „A New Design? The Frankfurt National Assembly of 1848/49 and ‘Western’ Parliamentary Culture“. Alles Weitere finden Sie im Tagungsbericht von Juliane Brandt (München) unter

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=5029

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/356

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